29 Gastkolumne.qxp_kloen 24.01.22 13:11 Seite 29
MEINE MEINUNG
Franz Wauschkuhn: „Der Plot ist idiotisch.“
Der Kronzeuge der deutschen Justiz ist genauso wie im Fall Dreyfus
FOTO: ELNUR_ADOBESTOCK.COM
einer der Haupttäter
Franz Wauschkuhn. Die Cum-Ex-Story
Dreyfus-Affäre in Hamburg
ALUSMNTE G KO
Mit dem Vorurteil sind wir alle schneller als beim Winterschlussverkauf. Engagierte Lehrer, Pastorinnen, grüne Muttis aus Hamburg-West, ja selbst CDU-Abgeordnete sind sich ganz gewiss, dass Kreislaufgeschäfte mit Aktien per se kriminell sind und die Warburg Bank mit Cum-Ex Milliarden vom Staat erschwindelt hat. Wen wundert’s.
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Fest steht: Ausländische Eigentümer deutscher Aktien wurden über Jahrzehnte steuerrechtlich diskriminiert. Für diese Kunden hat die Warburg Bank als Dienstleister sogenanntes „Dividendenstripping“, also Kreislaufgeschäfte, mit deutschen Aktien getätigt. Die waren legal. Fest steht auch, dass das mickrige Volumen dieser Geschäfte ab 2007 geradezu explodierte, nachdem der Frankfurter Anwalt Hanno Berger M.M.Warburg mit Londoner Maklern in Kontakt gebracht hatte. Bis 2011 wurde aber nur recht übersichtlicher Reingewinn erzielt. Dass es die Frankfurter Depotbank des ausländischen Aktienverkäufers aber unterließ, die von Warburg beim Aktienkauf gezahlte Kapitalertragssteuer gemäß Steuergesetz an den Fiskus abzuführen, erfuhren die Hamburger erst 2016 bei der Hausdurchsuchung. Von Stund an hatte Warburg den schwarzen Peter. Aus den Medien tönte es: Die gierigen Banker hätten nie Kapitalertragssteuer entrichtet, aber doppelt und dreifach vom Staat Aber-Millionen abkassiert. Ebenso wie in der Dreyfus-Affäre trat nun der falsche Kronzeuge auf die Bühne. Der sagte: Alle wussten alles. Dass er in einem Münchner Cum-Ex-Prozess das krasse Gegenteil behauptete, stört weder in Bonn noch Karlsruhe. Dass weder Finanzminister noch Bonner Aufsicht eine Ahnung von der kriminellen Cum-Ex-Variante hatten – also Leerverkäufe deutscher Aktien rund um den Dividendenstichtag – ist schlichte Lüge. Die Variante war seit 1978 aktenkundig. Aber Leerverkäufe sind ein heißes EU-Thema. Frankreich, Spanien und Belgien kämpfen seit der Finanzkrise von 2008 für ein Totalverbot von Aktien-Leerverkäufen, weil diese Milliarden-Wetten schwere Finanzkrisen auslösen. Einem EUVerbot aber haben sich seit Helmut Kohl alle Bundesregierungen widersetzt. Denn mit Trumps Hausbank und mit deren grandiosen Vorständen mochte es sich niemand verderben. Übrigens: Wie hieß doch noch der Finanzstaatssekretär, dem bis 2006 die Bankenaufsicht unterstand und der von einem Tag auf den anderen in den Vorstand der Deutschen Bank wechselte? Egal. Der vorverurteilte Alfred Dreyfus musste über zehn Jahre zäh auf Wiedergutmachung hoffen. Die beiden alten Bankiers tun es auch.
o sieht und hört man es ja seit färe. Muster und Vorurteile sind gleich: sechs Jahren tagein tagaus in Der Spionage konnte sich im Frankreich den Medien. Die Cum-Ex-Story von 1890 vermeintlich nur ein jüdisch hätte „Sudel Ede“ von Schnitz- gläubiger Offizier schuldig machen – im ler im „Schwarzen Kanal“ des heutigen Deutschland kam für den giganDDR-Fernsehens nicht besser erdichten tischen Steuerbetrug nicht etwa eine der können: In der Hauptrolle die blonde beteiligten Landes- oder Großbanken, geJeanne d’Arc der Kölner Justiz, dazu zwei schweige denn eine Sparkasse, sondern Schurken, also alte, von Geldgier besesse- ausschließlich die einzige Bank in jüdischer Familientradition inne Bankiers. Und in den Nefrage. Und der Kronzeuge benrollen Bundesfinanzmider deutschen Justiz ist genister und Aufsichtsbeamte, nauso wie im Fall Dreyfus die sich gebetsmühlenartig einer der Haupttäter. Nicht entschuldigen: „Opa hatte zu vergessen ist die Durchvon nix keine Ahnung.“ stecherei von Akten und So wenig sich die HamTagebüchern an die Pariser burger Verleger Gerd Buceund die deutsche Presse, rius, Rudolf Augstein und um die Bevölkerung im VorAxel Springer haben leiden urteil zu bestärken. Hanna mögen, so einig hätten sie Arendt identifizierte im Fall gesagt: „Der Plot ist idio- Franz Wauschkuhn, Dreyfus das Pariser Jesuitisch.“ Nach Lektüre von Wirtschaftsjournalist und tenkolleg als Drahtzieher. drei Containern voller Autor („Max & Consorten”): Im Fall „Warburg-Cum-Ex“ „Cum-Ex“-Akten weiß ich: „... die deutsche Version der Pariser Dreyfus-Affäre!” wird er unschwer in FrankDies ist die deutsche Verfurt zu finden sein. sion der Pariser Dreyfus-Af-
Franz Wauschkuhn
Klönschnack 2 · 2022
Stellungnahme
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