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GASTRONOMIE Die Linde heute
Ein gastronomisches Erfolgsmodell
Das Linden-Wunder Seit Jahrzehnten behauptet sich die Blankeneser Gaststätte „Linde“ als generationsübergreifendes Erfolgsmodell. Eine Bestandsaufnahme von den Alt-Linden-Gängern Schwalbach und Schümann. ckenhudener Straße. Die Blankeneser Linde wurde zum zentralen Dreh-und Angelpunkt der Szene im Westen der Stadt und schaffte mühelos den höchsten Bierumsatz westlich der Alster. Legendär der Donnerstag, an dem wegen Überfüllung von Kneipe und „Halle B“ – wie der Saal politisch korrekt betitelt wurde – Menschenmassen beim trauten Stelldichein auf den Fußwegen ihr Bier tranken. Berufliche Laufbahnen und studentische Fehlentscheidungen fanden ihr Ende am Tresen. Firmengründungen und Pleiten wurden bei „Herzigoldi“ (SpitzDie Linde damals, samt Runde von Zechern zu früher Stunde name für Helga Schell) ebenso gewürdigt wie eine neue Liebschaft oder das Ende einer Ehe. Lukenviz und Chirurg, Architekt und Beamter, Lindenberg und Waalkes, Janssen und Malermeister, sie alle einte das Wohnzimmer der Elbvororte. Die Küche bot sensationelle Frikadellen von Schwiegermutter Maria Schell, gelegentlich ein Schinkenbrot („Uwe, das machst du aber! Das sind deine Gäste!“) und seltener einen großen Suppentopf. Die Tafel mit der Aufschrift „Die Linde empfiehlt heute:“ gab es wirklich. Darunter stand nicht selten: „... woanders Essen zu gehen“. a saßen dereinst die Alt-Achtundsechziger, hielten sich am Willi-Becher mit Ratsherrn-Pils fest, dampften ihre filterlose Reval oder Roth-Händle durch den Zauselbart und lauschten dem Streit der Wirtsleute Helga und Uwe Schell über die unzähligen Schuldenzettel der Stammkundschaft. Erlebnisgastromie in Reinform. Im Jahre 1968 übernahm der gelernte Maurer und Taxifahrer Uwe Schell mit seiner Frau die unscheinbare Kneipe an der Do-
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Der Charme der 60er-Jahre hielt sich bis 1995. Das Etablissement wurde baufällig, der Besitzer investierte und fand neue Pächter, die das Feingefühl besaßen und nicht am Namen „Linde“ rütttelten. Und siehe da: Eine neue Szene bevölkert den überfälligen Umbau und hält das Kneipenwunder weiterhin auf Erfolgskurs. Mit dem Publikum von einst haben die Gäste von heute nur wenig gemeinsam. Statt Weltrevolution, Klassenkampf, Wirtschaftswunder oder später Musik geht es heute gern auch mal um lokale Themen. Wie etwa die monatelange Baustelle in der Dockenhudener Straße, unter der Geschäftsleute lange litten. In locker-lässiger Atmosphäre treffen sich heute Schüler, Angestellte und Freiberufler, vom Teenager bis hin zum Mittfünfziger. So richtig voll wird es an den Wochenenden. Einen Tisch, so eine Stammkundin aus Nienstedten, „bekommt man da nur noch schwer“. Wer Kontakt sucht, ist am Tresen ohnehin besser aufgehoben. „Wenn ich mit einer Freundin am Tresen sitze, fliegen die Blicke der männlichen Gäste sehr schnell umher“. So ist die „Linde“ auch ein Tipp für NeuBlankeneser, die hier schnell Kontakt finden. Das kann beim sonntäglichen Brunch, rechtzeitiges Reservieren wird empfohlen, bei Sport-Übertragungen oder beim sorgfältig gezapften Feierabend-Bier sein. Nach Kaiserzeit, Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre und dem musikalischen Aufbruch der 60er mit überregionaler Bedeutung der „Linde“, wird heute ein neues Kapitel geschrieben. Eine Institution ist das Lokal bei allem Wandel dabei geblieben. Neue Bedeutung kann indes die Linden-Küche erreichen. Denn was die emsige Truppe im Hintergrund auf die Teller bringt ist allemal lobenswert. Linden-Essen lohnt sich! www.linde-blankenese.com Autoren: Helmut Schwalbach, klaus.schuemann@kloenschnack.de
ZUR LINDE Dockenhudener Str. 12, Blankenese Telefon 86 66 38 01 montags bis donnerstags 17–2 Uhr freitags und sonnabends 17–4 Uhr sonntags 10–2 Uhr, mittwochs: Tapas wochentags: After Work, TV-Sport