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HINTERGRUND
„Manchmal denke ich, ich bin in einem Film“ Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, Steirer, ist ein Spätberufener
E
r kommt aus St. Anna am Aigen. Die Gegend wird auch gerne als das steirische Betlehem bezeichnet. Damals lag sie nahe am Eisernen Vorhang. Franz Lackner, geboren 1956, wuchs in großer Armut auf und litt darunter. Nach der Schule machte er die
Ausbildung zum Elektriker. Später ging er zum Bundesheer und für die UNO nach Zypern. Auch Angst war bei diesem Einsatz dabei. In der Unterkunft las er oft aus der Bibel, und da löste Matthäus 11, 28 die Weichenstellung für sein späteres Leben aus: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich werd’ euch Ruhe verschaffen.“ Dieser Satz ließ ihn nicht mehr los. Mit 23 Jahren tritt er ins Priesterseminar Horn ein.
Wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken. Lackner: Ich bin jetzt Erzbischof in Salzburg. Wenn ich über den Kapitelplatz gehe und auf das Bischofshaus – ich sage bewusst nicht Palais – zugehe, dann denke ich mir: „Ist das wirklich?“ Weil die Kindheitserlebnisse für mich so prägend waren. Es ist bei mir eigentlich noch gar nicht angekommen. Und ich finde es vielleicht ganz gut, dass es offen bleibt.
„Als Franziskaner habe ich gerne das Armutsgelübde.“ Armut hat dort einen religiösen, tiefen Sinn bekommen. „Ich schämte mich nicht mehr, sagen zu müssen: ,Ich hab kein Geld.‘“ „Ich habe als Kind zu Hause viel Gutes über Gott gehört und den Glauben in der Familie und Pfarre als etwas Lebensdienliches erfahren dürfen. Und trotzdem habe ich Gott in der Jugend verloren.“
März 2015
Die Bucht von El Medano.
Foto: EDS/Neumayr
... bei der Amtseinführung im Salzburger Dom im Jänner 2014
Was war da so prägend? Wir waren so arm zu Hause. Fünf Kinder haben in einem Zimmer geschlafen. Wir haben zwei Kühe gehabt. Ich habe mich als Kind gefragt und überlegt: „Woher komme ich? Woher kommen die Kinder? Wer
entscheidet das?“ Für mich war klar: Die Eltern können das nicht entscheiden, weil wir zu viele sind. Ich habe gemerkt, die Eltern haben darunter gelitten, dass sie uns Kindern nicht das geben konnten, was wir gerne haben wollten und was man durchaus brauchte. „Gott wird doch nicht so dumm sein“, habe ich mit Verlaub damals gedacht, „denen fünf Kinder zu geben. Also, woher komme ich überhaupt?“
Und was hat die Mutter gesagt? Direkt habe ich diese Frage nie gestellt. Ich habe immer so rundherum gefragt, die zentralen Fragen hat man bei uns nicht ausgesprochen. Zum Beispiel: Warum hast du den Vater geheiratet? (Anmerkung: Lackners Eltern waren bereits ziemlich alt, der Vater, 1911 geboren, war schon 40, als er geheiratet hat, die Mutter war auch schon gegen 30.) Über die Liebe hat man bei uns nicht geredet. Wir haben uns auch nicht umarmt oder geküsst beim Weggehen oder Kommen. Ich habe meine Mutter zum ersten Mal bei der Priester-