POLITIK
Zweitwohnsitze und Chalets: Ausverkauf der Heimat?
Heißes Thema
... am Beispiel von Haus im Ennstal (Foto)
„W
ir können unsere Enkelkinder nicht mehr unbeaufsichtigt vor dem Haus spielen lassen. Es ist wegen der Autos viel zu gefährlich“, bedauert eine Anrainerin des Chaletdorfes in Haus im Ennstal mit seinen 44 Häusern und 500 Betten. Obwohl es eine eigene Zufahrtsstraße gibt, nützen viele der Gäste die schmale, kleine Gemeindestraße. Und auch die 30er-Tafel bedeutet keine Bremse für die Urlauber. „Lärm und Verkehr sind ein Problem am Abend und in der Nacht, weil junge Gruppen im Urlaub natürlich feiern und auch die Polizei da und dort gerufen werden muss.“ Beim KLIPP-Lokalaugenschein am Tag war alles friedlich und ruhig.
Das Chaletdorf, initiiert vom mittlerweile abgewählten ÖVP-Bürgermeister Gerhard Schütter, ist noch immer einer der Aufreger in Haus und befeuert die heiße Diskussion. Timesharing in Chaletdörfern und Zweitwohnsitze sind nur möglich geworden durch eine großzügige, löchrige Raumordnung. Beide sind mittlerweile „Gift“ für die Tourismusgemeinden. In Tirol, Salzburg und auch in der Steiermark. Weil zu wenig Bürger davon auch einen Nutzen haben. Im Fall des Chaletdorfes in Haus sind es noch dazu ausländische Investoren. Die in die Landschaft gut hinein gesetzten, eingepflanzten Holz-Fertighäuser haben jedoch kaum regionale Wertschöpfung für regionale Firmen bewirkt. Die Investoren verkauften die einzelnen Häuser an Interessenten, meist wiederum Ausländer. Diese nützen sie kaum oder nur wenig für den Eigenbedarf. Die Vermietung liegt in Händen der Alps Residence in Kitzbühel. Die Gemeinde lukriert damit auch keine Kommunalsteuern daraus. Es gibt kaum Beschäftigte im Chaletdorf. Nur der Tourismusverband erhält die Abgabe von 1,50 Euro pro Gast. „Haus hat 500 Betten mehr“, jubelte ÖVP-Bürgermeister Gerhard Schütter, der mittlerweile abgewählt ist. Freude gab es nur bei den Planai Bahnen wegen der zusätzlichen G ste. Nur von einigen profitiert auch die örtliche Gastronomie. Bereits zu spüren bekommen die
at
Bgm. Knapp
Alexandra Gföller
neue Konkurrenz aber die Privatzimmervermieter und „Urlaub-amBauernhof“-Betreiber. Die Nachfrage ist eingebrochen. Bürgermeister Stefan Knapp von der „Liste Haus“ war immer ein Gegner des Chaletdorfes, aber nach der Gemeinderatswahl wurde er mit seiner „Liste Haus“ zur stärksten Fraktion und muss nun „mit dem Dorf leben“. Die Groteske dabei: Erst die Gegnerschaft des Chaletdorfes hat ihn auf den Sessel des Bürgermeisters gehoben. Mit vier Mandaten war die „Liste Haus“ ursprünglich im alten Gemeinderat vertreten. Die „Liste Haus“ verfügt mit acht andaten im k pfigen Gemeinderat nun über die absolute Mehrheit. Eine akzeptable Lösung für die 620 Zweitwohnsitze bereitet ihm Kopfzerbrechen. Ein neues Bau- und Raumordnungsgesetz soll her. Ein „Geheimpapier“ wird im Landtag bereits verhandelt. Das Land plant darin hohe Hürden für Zweitwohnsitze und Ferienprojekte. Es wird die Devise gelten: Nicht alles verhindern, sondern mit intelligenten Werkzeugen die Raumordnung steuern.
viel besser in den Griff bekommen werde: „Damit kann man alle Nachteile, die ein Zweitwohnsitz für eine Gemeinde auslöst, ausgleichen.“ Dazu brauche es aber eine landesgesetzliche Grundlage. Dort sei man bis jetzt säumig. Hohe Abgaben würden die Nachfrage nach Zweitwohnsitzen stark reduzieren und wären eine gute Lösung für die Tourismusgemeinden. Eine weitere Möglichkeit wäre die Nutzungsuntersagung. Der Eigentümer
müsste nachweisen, dass keine widerrechtliche Zweitwohnsitznutzung stattfindet. ine nderung des Verwendungszwecks sei nicht zulässig. „Wenn ich in der Landwirtschaft von einem Schweinestall auf einen Kuhstall umsteige, brauche ich eine neue Genehmigung. Da braucht es auch einen neuen Bescheid.“ „Es regieren nur Geld und Gier“, beschreibt Alexandra Gföller vom Bürgerforum die unerfreuliche Entwicklung im KLIPP-Gespräch.
KlimaTicket Steiermark
„Um 1,60 EUR
pro Tag durch die ganze Steiermark! “ LH-Stv. Anton Lang
Wenn Chalets hochpreisig sind, bedeuten sie keine Konkurrenz für Privatvermieter und „Urlaub am Bauernhof“. Derzeit sei die Zweitwohnsitz-Debatte überhitzt, so ein Insider. Aber die ZweitwohnsitzAbgabe sei viel zu niedrig. Würde der Grundsatz gelten, je höher, desto besser, trenne sich die Spreu vom Weizen. Der Grazer Rechtsanwalt und Raumordnungsexperte Prof. Georg Eisenberger ist auch überzeugt, dass man über die Abgabenhöhe für Zweitwohnsitze dieses Problem September/Oktober2021 11
10-11_Politik.indd 11
21.09.21 15:27