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Sektionschef Pilnacek: mächtigster Beamter vorläufig suspendiert
Zwei Steirer als „ÖsterreichAufreger“
Christina Jilek bei Eröffnung der WKStA-Außenstelle Graz in der Paulustorgasse im Jahr 2015. gelangt, dass das unter den aktuellen systemischen und personellen Rahmenbedingungen nicht geht. Die vollständige und unabhängige Aufklärung des Sachverhaltes innerhalb einer vertretbaren Verfahrensdauer ist nicht möglich. Es gibt zu viele Störfeuer.“ (...) „Ich habe alle in meiner Position vorhandenen und rechtlich zulässigen Möglichkeiten ausgeschöpft, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Irgendwann musste ich erkennen, dass den Personen in den Schlüsselpositionen der Wille für die notwendige Veränderung fehlt. Und dann muss man sich die Gewissensfrage stellen, das habe ich für mich gemacht. (…) Ich bin nicht bereit, ein Feigenblattverfahren zu führen.“
Jeder auf seine Art: Christina Jilek und Christian Pilnacek. Beide arbeiten für die Justiz, dem politischen Minenfeld der Alpenrepublik. ür beide ist der Dienstgeber das Justizministerium. Neben dem vom Karl Nehammer geführten Innenministerium das zweite politische Minenfeld der Alpenrepublik. Die Arbeit der Justiz erfolge unabhängig, erklärte erst kürzlich wiederum Vizekanzler Werner Kogler. Man fragt sich nur: Unabhängig von wem? Alle wollen unabhängig sein im System, im Apparat – aber keiner verantwortlich, wenn etwas schief geht.
„Ladies first“ Wenden wir uns Christina Jilek, 40, zu. Bis zum Oktober vergangenen Jahres arbeitete sie in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), wo sie mit drei Kollegen gemeinsam die größte Bestechungsaffäre der jüngeren Geschichte der Republik, die Causa Ibiza und ihre Nebenfronten, aufklären hätte sollen. Jilek warf ihren Job hin, weil ihre Vorgesetzten die Aufklärung „deutlich erschwert“ und „behindert“ hätten. So steht es in einem
Protestbrief an die Justizministerin Alma Zadic (Grüne). Christina Jilek ermittelte als Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) federführend im Ibiza-Verfahren. Es geht darin um Bestechung, Gesetzeskauf und die Rolle der ÖVP. Jilek schmiss ihren Job hin, weil sie sich gegängelt fühlte. Als Zeugin hielt sie im Ibiza-U-Ausschuss eine Rede über die Zustände in der Korruptionsbekämpfung. Sie war derart bemerkenswert (entlarvend), dass KLIPP sie auszugsweise als Zeitdokument abdruckt. „Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war über 13 Jahre Staatsanwältin mit Leib und Seele. Ende 2020 habe ich mich von der WKStA und der Strafjustiz schweren Herzens verabschiedet. Das ist mir alles andere als leichtgefallen. Aber für mich war das alternativlos.“ (...) „Mein Anspruch war, das Ibiza-Verfahren zügig, ergebnisoffen und frei von politischer Einmischung zu führen. Ich bin zu der Erkenntnis
Er weiß, wo die Macht wohnt Es geht um ziemlich viel, wenn die Korruptionsbehörde mutmaßliche
Die Bombe platzt am 26. Februar 2021: Justizsektionschef Pilnacek wird suspendiert. Gegen Pilnacek wird wegen Verdachts auf Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt. Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) übt hingegen als Verfassungsrichter seine Funktion weiter aus. Der Grund für die Ermittlungen: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Pilnacek und Brandstetter wegen des Verdachts, eine Hausdurchsuchung beim Investor Michael Tojner im Juni 2019 verraten zu haben. Brandstetter ist Tojners Anwalt. Bei ihm prüfen die Ermittler den Verdacht, er könnte den Termin über seine Kontakte zu Pilnacek erfahren haben. Beide weisen den Verdacht entschieden zurück.
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen
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Regierungskriminalität aufklären soll. Es geht um die Macht im Rechtsstaat – das weiß Christian Pilnacek, der Generalsekretär im Justizministerium und mächtigster Beamte sehr wohl.
16 Februar/März 2021
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