Klipp März/April 2018

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HINTERGRUND

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Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich am 12. November in Graz am Franzensplatz, heute Freiheitsplatz.

der vorgetäuschten Autopanne betrug etwa acht bis neun Stunden.

Überblickt man die Affäre Putnik im Ganzen, so fällt zunächst auf, wie sehr dieser Mann die öffentliche Meinung, aber auch die involvierten Behörden in zwei Lager spaltete. Man hätte erwartet, dass der General schon bei seinem Eintreffen auf eine geschlossene Front der Ablehnung stieß und als Personifikation des Feindes galt. War er doch nicht allein der militärische Kopf des absehbaren Kriegsgegners, sondern auch der Generalstabschef jener Armee, deren Geheimdienst schon damals als Drahtzieher des Anschlages von Sarajevo galt, wie auch aller übrigen gegen die Monarchie gerichteten subversiven Tätigkeiten. Die Behörden erkannten damals natürlich die Gefährlichkeit Putniks, schreckten jedoch vor radikalen Maßnahmen zurück, um seiner habhaft zu werden. Ein anderer Gedanke: Nur 15 Kilometer von Bad Gleichenberg entfernt in Halbenrain hatte der damalige Premierminister der Kaiserlich-Königlichen Monarchie Graf Karl Stürgkh seinen Wohnsitz. Weder er noch sein Umfeld nutzten in diesen vier Wochen die Chance zu Kontakten mit dem hochrangigen Gast aus Serbien. Putniks Kur in Bad Gleichenberg konnte man auch als demonstrative Geste des serbischen Königs interpretieren, den Konflikt mit der Donaumonarchie nach dem Attentat auf friedlichem Weg zu lösen. Die Regierung und militärische Führung in Wien hatten sich aber offensichtlich schon längst auf Krieg festgelegt. Die mächtige Monarchie wollte den Serben eine Lektion und „gerechte Strafe“ erteilen. Man meinte, die Sache in wenigen Wochen erledigt zu haben. Zu Weihnachten sollten die Soldaten schon wieder zu Hause sein. Daraus wurde bekanntlich nichts, sondern nach vier Jahren gab es das Ende der Monarchie, die Aufteilung der Steiermark, unbeschreibliches Elend im Lande und Österreich als Staat, den keiner wollte.

Foto: Steiermärkisches Landesarchiv, Graz

In Graz verlief alles ruhig. Alles ging ohne Polizei ab. Putnik unternahm, begleitet von Detektiven, sogar eine Stadtrundfahrt mit Mittagessen und es verlief geradezu idyllisch, wie die Tagespost berichtet. Der General trug bei dieser Stadtrundfahrt einen Girardihut und seine Tochter war in elegantem Schwarz gekleidet, da ihre Mutter kürzlich gestorben war.

GRÄUEL DES KRIEGES

Am Ende gab’s nur Elend

Unter dem Jubel der Bevölkerung, in mit Blumen geschmückten Waggons, fuhren die steirischen Soldaten im Juli 1914 in den Krieg gegen Serbien. Zu Weihnachten wollten die Soldaten – siegreich – wieder zu Hause sein. Doch daraus wurde nichts, sondern der Erste Weltkrieg.

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haupt, wie diese tödlichen Krankheiten zu behandeln waren. * Den Niedergang der Monarchie besiegelten fatale Fehlentscheidungen des Oberkommandos. Mitentscheidend dafür war die katastrophale Versorgungslage der Truppen, aber auch der Zivilbevölkerung. Alle hungerten. Daher kam es am 12. Mai 1918 zur Revolte in Judenburg. Soldaten bettelten sich durch die Stadt. Russische Gefangene waren am Verhungern. Das dort stationierte Infanterieregiment weigerte sich, an die Front zu gehen.

ie Hysterie der Spionitis führte zu Plün- Internierten grassierten die Cholera, die Tuderungen in Geschäften, die Slawen berkulose, Masern, Scharlach, es gab Läuse gehörten, zu Morden, Vergewaltigungen und Ungeziefer. Die Menschen starben zu – und der kaiserliche Staat zeigte Verständ- hunderten. In Mauthausen etwa soll es nis. Die militärischen Befehle verbaten 17.000 Tote im Laufe des Krieges gegeben „jede Humanität“, verlangten „jeden Ver- haben. In einem anderen Lager standen dächtigen nieder zu machen“, „Gefangene für 14.000 Gefangene zwei Ärzte nieder zu metzeln“, „Land zugrunde zu zur Verfügung. Pro Tag gab richten“, zu plündern und alles Auffindbare es 180 Typhus-Tote. Man zu rauben. Es gab Massaker ohne Prüfung kam mit dem Beerdigen der Umstände, ganze Ortschaften wurden nicht nach. Auch das Personal eingeäschert, die Opfer zu Tode geprügelt, und die Zivilbevölkerung, die erschlagen, erstochen, verstümmelt oder mit diesen Menschen in Kontakt lebendig verbrannt. Diese Exzesse basier- kam, erkrankten an diesen Seuten alle unter dem Mantel des Kriegsnot- chen. Nur wenige wussten überwehrrechts, wo schon hochverräterische Reden für eine Hinrichtung reichten. * Daneben gab es aber auch das Elend der Internierten. Tausende starben an den sanitären Bedingungen. Die Bevölkerung durfte Gefangenen keine Lebensmittel zustecken. Die Internierten lebten zusammen gepfercht in Lagern, wo es keinerlei Sanitär- und Hygieneeinrichtungen gab. „Hoch In Graz-Thalerhof waren das tausende vom Dachstein an, wo der Internierte. Zigtausende wurden in ViehAar noch haust, bis zum Wendenland waggons durch halb Europa transportiert. am Bett der Sav‘.“ Es ist ein Treppenwitz der So schrieb der Pfarrer von Czorna an den Geschichte, dass in der steirischen Landeshymne noch Kaiser verzweifelt, er wisse nicht, warum heute ein Landesteil besungen wird, der seit 100 Jahren er als treuer Bürger der Monarchie so nicht mehr zur Steiermark und damit auch nicht mehr zu Ösbehandelt werde. Unter den 20.000 terreich gehört. Diese Region gehört heute zum Staat Slowenien. Kein Ausdruck von politischer Korrektheit, aber offensichtlich stört das niemanden. Die Karte zeigt das Habsburger Reich bis 1918.

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