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Eine historische LĂŒge aufge
Foto: Martin Baasch/ steirischer herbst
KULTUR
Foto: Wolf Silveri
Komponist Georg Friedrich Haas
steirischer-herbst-Laudator sprach beim 50. JubilÀum Klartext
W
o stehen wir?â (Where are we now?) und âWas hat zu dieser Gegenwart gefĂŒhrt?â - lautet das Motto des steirischen herbst zu seinem 50. JubilĂ€um. Bei der Geburtstagsfeier in der Aula der Alten UniversitĂ€t in Graz waren alle darauf eingestimmt zu erfahren, wie weitblickend die Verantwortlichen mit herbst-GrĂŒnder Hanns Koren damals dachten. Bis Laudator Georg Friedrich Haas völlig unerwartet die sympathische Bilderbuch-/Schulbuch-Variante des steirischen herbst als historische LĂŒge entlarvte. Im Folgenden AuszĂŒge aus seiner Rede. Haas fĂŒhrt an, dass die Vorgeschichte des steirischen herbst seiner Meinung nach auf das Jahr 1963 zurĂŒckzufĂŒhren ist: âIn diesem Jahr erhielt Joseph Papesch den Peter-Rosegger-Literaturpreis des Landes Steiermark. Papesch war fast wĂ€hrend der gesamten Nazizeit der höchste ,Kulturâ-FunktionĂ€r in der Steiermark gewesen ⊠Ich zĂ€hle zu den vermutlich ganz wenigen Personen in diesem Raum, die einige sei-
ner Werke gelesen haben. FĂŒr diese sprachlich wie inhaltlich inferioren Gebilde einen Landesliteraturpreis zu bekommen â das wĂ€re auch dann ein Skandal gewesen, wenn ihr Autor kein fĂŒhrender Nazi gewesen wĂ€re. Dieser Preis wurde ihm â zumindest nach Ansicht meiner Familie â nur verliehen, um damit einen Anreiz an die NaziwĂ€hlerschaft in der Steiermark zu setzen, sich noch stĂ€rker in die ĂVP zu integrieren. Um den durch das Ermöglichen neuer Kunst (z.B. im Forum Stadtpark) verschreckten rechten Rand dieses Landes zufrieden zu stellen. Im Wikipedia-Artikel ĂŒber Joseph Papesch steht: 1963 wurde ihm trotz seiner NS-Vergangenheit der Peter-Rosegger-Literaturpreis verliehen⊠- diese Aussage ist unwahr. Wahr ist, dass ihm dieser Preis WEGEN seiner NS-Vergangenheit verliehen wurde.â âLaut Wikipedia war eines der Jury-Mitglieder, die diese Entscheidung fĂ€llten, Hanns Koren. Ich gehe davon aus, dass ihm sehr bald bewusst wurde, was da geschehen
UrauffĂŒhrung âto come (extended)â der Chroeografin Mette Ingvartsen bei der Eröffnung
ist. Dass die steirische Kulturpolitik Gefahr lief, jeden Rest moralischer IntegritĂ€t zu verlieren. Und dass es notwendig war, ein Gegengewicht zu schaffen gegen den in diesem Land sicht- und fĂŒhlbaren braunen Sumpf. 4 Jahre spĂ€ter, 1967, wurde der steirische herbst geboren. Das, was vorher als entartete Kunst diffamiert worden war, wurde nun in den Mittelpunkt eines die IdentitĂ€t des Landes mitdefinierenden Festivals gestellt.â
auch nach 1945 im Weltbild der Nazis verblieben sind. Er verstand den 8. Mai 1945 als Tag der Niederlage â er nannte es den ,Zusammenbruchâ. Er empfand die Politiker der 2. Republik als Kollaborateure mit den sogenannten ,SiegermĂ€chtenâ ⊠Er fĂŒhlte sich bis an sein Lebensende an den Eid gebunden, den er 1942 als Soldat der Wehrmacht fĂŒr ,den FĂŒhrerâ - geleistet hatte. (Den Namen Adolf Hitler sprach er nie aus.)â
Der Laudator ist Komponist und lehrt heute an der Columbia University in New York. Sein Vater und GroĂvater waren beide Architekten, die Familie weit bekannt und Nazi-treu bis in den Tod. Haas: âMein Vater war einer von jenen Hunderttausenden, vielleicht sogar Millionen von Ăsterreichern und Ăsterreicherinnen, die
âWĂ€re mein Vater jedes Mal, wenn er im Familienkreis das Verbrechen der WiederbetĂ€tigung ausĂŒbte, zu einem Jahr GefĂ€ngnisstrafe verurteilt worden, hĂ€tte sich das insgesamt auf ein paar Mal 10.000 Jahre summiert. Ich bin davon ĂŒberzeugt: In diesem Raum sitzen mindestens 70 Personen, deren Eltern oder GroĂeltern da auf
Der FĂŒhrer lebte als U Der Grazer Max Taucher und sein Fiktionsschauspiel ĂŒber Adolf Hitler
âZ
eitgeschichte und Politisches sind neben der Leidenschaft fĂŒr die Natur und Jagd ein Hobby von mirâ, erklĂ€rt der Grazer Max Taucher. Er ist mit dem Titel Professor ausgezeichnet. Vom Brotberuf her zĂ€hlt er zu den erfahrenen Projektentwicklern (PBGS) fĂŒr Gemeinden und Unternehmen â vom Konzern Magna bis zur Narzissentherme in Bad Aussee. In seinem Umfeld und groĂen Bekanntenkreis ist er aber auch als Mundart-Poet und Schriftsteller bekannt
geworden. Seine jĂŒngste Arbeit âDie Anklage des FĂŒhrersâ ist eine dokumentarische Fiktion, von der Idee her sicher einzigartig. Ein gewisser Franz Linz lebt als Bibliothekar der Stadtbibliothek in Krems zurĂŒckgezogen und alleinstehend in einer Zweizimmer-Mietwohnung. Man schreibt das Jahr 1957. Franz Linz hat ordentliche Papiere und ist nach seiner Geburtsurkunde 60 Jahre alt und in Linz
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