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CHRONIK
Quelle: Kleine Zeitung, 24. August 2006
Zwei, die keine Ruhe geben
Foto: Schaub-Walzer / PID
Kampusch-Entführer Priklopil: Staatsanwaltschaft prüft Zweifel an Selbstmordtheorie
... sorgt seit 2006 für Medien-Schlagzeilen Präsident und Richter a.D. Johannes Rzeszut (li.) und Karl Kröll erstatteten Mordanzeige.
War der Entführer von Natascha Kampusch, Wolfgang Priklopil, bereits tot, als er am 23. August 2006 von einem Zug überrollt wurde? Wurde seine Leiche auf die Gleise gelegt? Die Oberstaatsanwaltschaft Wien prüft, so berichtet „Spiegel Online“, eine Anzeige wegen Mordverdachts. Der Grazer Karl Kröll hat die Anzeige eingebracht. Kröll ist heute gesundheitlich schwer angeschlagen. „Ich mache das für den Franz, meinen Bruder.“ Dieser war Oberst bei der Wiener Polizei und hatte gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt die Sonderkommission geleitet. Das Ergebnis der „AdamovichUntersuchungskommission“, Priklopil habe Selbstmord begangen, es gäbe keine erfolgversprechenden weiteren Ermittlungsaussichten, wollte der Polizeioberst so nicht hinnehmen. Er hielt die Theorie, Priklopil sei ein Einzeltäter gewesen, nicht für bewiesen und den Fall damit auch nicht für aufgeklärt. Franz Kröll, der Polizeioberst, weigerte sich, an der Pressekonferenz am 8. Jänner 2010 teilzunehmen. Auf dieser wurde die Einstellung des Verfahrens verkündet. „Von da an wurde Franz gemobbt“, so der Bruder Karl Kröll, „galt
als Querulant.“ Nur ein halbes Jahr später wurde Franz Kröll tot auf seiner Terrasse in Graz gefunden, mit einem Kopfschuss aus seiner Dienstwaffe. Angeblich auch Selbstmord.
cher, dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, ohnehin besser (!) bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angesiedelt.
Ankläger der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft rasch in den Fall einlesen werden, so wird es logischerweise eine weitere Prozessverzögerung geben.
Hansjörg Bacher machte diese Aussage nur wenige Wochen, bevor das Gutachten des neuen Sachverständigen bei der Justiz einlangte. Es war erzwungen worden, weil der erste Sachverständige Fritz Kleiner aus Graz wegen möglicher Befangenheit von der Justiz ausgetauscht werden musste. Auch wenn sich die
Doch Karl Kröll ist mit seinem Zweifel an der Einzeltätertheorie nicht allein. Niemand Geringerer als Johann Rzeszut, der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofs, Mitglied der Evaluierungskommission, die das Innenministerium zur Aufdeckung möglicher Ermittlungspannen im Fall Kampusch beauftragt hatte, glaubt nicht an den Selbstmord. Der Richter hat ein Buch geschrieben, mit dem er belegen will, dass Priklopil bereits tot war, als er überrollt wurde. Dabei stützt er sich auf ein Gutachten und Unterlagen, die der Kommission, in der er mitwirkte, nicht vorgelegen haben. Der Letzte, der Wolfgang Priklopil lebend gesehen hat, war sein Freund und Geschäftspartner. Die beiden trafen einander nach einem Anruf von Priklopil und dieser habe ihm gegenüber eine Art Lebensbeichte abgelegt, indem er die Entführung Natascha
Die Abtretung des Verfahrens begründete Hansjörg Bacher auch damit, dass die Ankläger der steirischen Landeshauptstadt derzeit mit einer „atypischen Anzahl von Großverfahren“ beschäftigt sind – wie etwa den mutmaßlichen Dschihadisten oder auch dem Amokfahrer Alen R.
Schon tot, als er überrollt wurde?
Kampuschs und ihre jahrelange Gefangenschaft gestand. Der Freund Priklopils sei zwar mehrfach einvernommen worden, allerdings nie zum Verdacht der Beteiligung an der Kampusch-Entführung. Kröll und Rzeszut stellen daher die Frage: „Wer könnte ein Interesse an seinem Tod gehabt haben – ein Komplize, ein Beteiligter?“ Besonders Staatsanwalt Johannes Winklhofer ist zurzeit mit umfangreichen Verfahren eingedeckt. KLIPP geht davon aus, dass dieser zeitliche Zusammenfall zufällig ist. In seiner letzten Ausgabe (Jänner/Februar 2016) hat KLIPP über folgenden Sachverhalt berichtet: Die „Kronzeugin“ der Staatsanwaltschaft im GAK-Verfahren ist die Ex-GAK-Geschäftsträgerin und Ex-GAK-Buchhaltungschefin. Es
Seit dem Entführungstag am 2. März 1998 gibt es die Aussage der einzigen Tatzeugin. Sie war damals 12 Jahre alt und habe gesehen, wie Natascha Kampusch von einer Person in einen weißen Lieferwagen gezogen worden sei. Eine weitere Person habe währenddessen hinter dem Lenkrad gesessen. Bis heute beharrt die Zeugin auf ihren Beobachtungen. gibt gesicherte Informationen, die den Verdacht erhärten, dass es im Zusammenhang mit einem Betrugsprozess, in dem die Ex-GAK-Buchhaltungschefin Angeklagte war und auch verurteilt wurde, zu einem informellen Deal, zu einer Prozessabsprache gekommen sei. KLIPP wurde deshalb schon einmal wegen Verleumdung beschuldigt, die Ermittlungen wurden aber dann im Jahr 2015 eingestellt.
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