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Du bist mir heilig

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Pfarreiausflug

Pfarreiausflug

Rosmarie Wiesli | Umgeben vom Infusionsständer, Blutdruckmessgerät, Hygienewagen, Tabletten und Trinkflaschen sehe ich die Patientin vor mir liegen, getaktet im Ablauf von Visite, Pflegegesprächen, Körperpflege, Zimmerreinigung, Essensbestellung, festgesetzten Mahlzeiten, Physiotherapie, Untersuchungsterminen, Besuchszeiten für die Angehörigen und Freunde, Austrittsvorbereitungen wenige Tage nach der Operation und Seelsorgegesprächen. Mich treibt die Frage um, was uns heilig ist? Was ist der Patientin in dieser Spitalumgebung heilig? Sind es die eigenen Kleider, die sie bereits kurz nach der Operation trägt, sind es die paar Quadratmeter Privatsphäre rund um das Spitalbett, die angestrebte Selbstständigkeit, das Achten der Intimsphäre und Integrität durch das Spitalpersonal oder die eigenen Gedanken? Ist der Patientin die Hoffnung, die sie trägt, das Vertrauen, das sie uns schenkt, heilig?

Als ich die Patientin darauf anspreche, überlegt sie erst lange, dann sagt sie mit nachdenklicher Stimme, dass ihr vieles heilig sei: ihre Familie, ihr Hund, ihr Garten, ihre Gesundheit (und ja, die sei jetzt angeschlagen), sowie ihr Glaube und die Natur – dieser müsse man Sorge tragen, sonst verliere die Natur irgendwie ihre Heiligkeit.»

Ob sie sich als heilig sehe, frage ich nach. «Nein, wo denken Sie hin, aber wir sollten eigentlich schon dem ähnlich sein.» Zusammen überlegten wir, woran wir merken könnten, was uns heilig ist. Möglicherweise an den Fragen: Was ist mir so wichtig, dass es ohne dieses nicht geht? Was lässt mein Herz schneller schlagen, was lässt mich brennen, wofür kann ich mich begeistern? Was füllt mich aus, was gibt mir Halt in einer Not – zum Beispiel in Zeiten einer Krankheit?

Mir geht das Gespräch am Nachmittag noch durch den Kopf. Ich setze mich in unsere neue Spitalkirche und gebe den Gedanken Raum. Was würde Gott jetzt sagen, was ist für ihn heilig? Ich bin mir sicher, er würde sagen: «Du bist es, du bist mir heilig und wertvoll. Du bist das Wichtigste.»

Da wird mir staunend deutlich, dass Gott sich in mir und in meinem Leben spiegelt. Gottes Heiligkeit ist in allen Facetten meines Lebens, in gesunden und auch in kranken Tagen, in meiner Fragilität und in meiner Hoffnung. Dankbar und zufrieden über das Gespräch mit der Patientin zünde ich eine Kerze für alle PatientInnen im KSW an, dass sie heute neu erfahren dürfen, was ihnen heilig ist und dadurch achtsam und hoffnungsvoll ihrer Genesung entgegen sehen dürfen.

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