
1 minute read
Auch scheinbar Profanes ist heilig
Pfarrer Simon Bosshard | Heilig ist allein Gott. Das macht ihn aus. Wir Menschen sind menschlich, das macht uns aus. Im besten Fall weist uns die Theologie immer wieder auf diesen Unterschied hin. Und bewahrt uns damit vor Retterfantasien aller Art.
Heilig ist allein Gott. Bei ihm nehme ich Zuflucht angesichts der Ungerechtigkeiten und all des Leides in der Welt. Und ebenso angesichts meiner täglich empfundenen Unzulänglichkeit, als Mensch eine Antwort auf die Not zu geben. Um dann eben doch, mit seiner Hilfe, anzupacken, dort, wo ich bin.
Heilig, heilig, heilig. Das dreifache Heilig der Propheten, die in ihren Visionen einen Blick auf Gottes Heiligkeit erhaschen, lädt dazu ein, einzustimmen in den Chor der Engel: «Kein Aug hat je gespürt,/kein Ohr hat mehr gehört/solche Freude.» So heisst es in einem Kirchenlied aus dem 16. Jahrhundert.
Etwas anderes als «heilig» zu bezeichnen, bedeutet nun allerdings: Es trägt in geheimnisvoller Weise das Zeichen Gottes. In diesem Sinn kann vieles «heilig» sein: Zeiten, Orte, Gegenstände und Menschen. Diese Heiligkeit liegt möglicherweise in der Sache selbst, vielleicht aber auch nur in den Augen des Betrachters. Indem etwas mich an Gott erinnert, wird es zum Zeichen. Dieses «Heilig» setze ich in Anführungszeichen.
Was mir «heilig» ist, werde ich gefragt. Nun, so vieles, was mir Freude macht. Das sind auch scheinbar profane Dinge. «Heilig» ist mir Bewegung. Wenn ich velofahre oder renne, laufe oder fahre ich all dem davon, was mich gerade beschäftigt. Oft genug mir selber und ja, vielleicht auch Gott. Erst wenn der Körper einmal warm und bisweilen auch wund gelaufen ist, wenn ich genug weit weg von mir bin, hole ich mich wieder ein. Silja Walter (1919–2011) hat diese Wahrheit einmal verdichtet:
Herr, lehr mich dich kennen
Dann lass ich das Rennen
Ich laufe nicht weiter
Ich höre dir zu.
Was mir «heilig» ist: Momente, in denen ich mich vergesse. Nach einem anstrengenden Tag oder vor einer langen Abendschicht kochen und dazu das «Echo der Zeit» hören. Da ärgert mich dann jede Ablenkung. «Heilig» ist dann aber auch das Miteinander-Essen. Und natürlich, das gottesdienstliche Feiern in der Kirche oder in kleiner Runde. Das gibt mir Hoffnung und Kraft und nährt meine Sehnsucht.
Fast alles kann mir zum Zeichen werden auf Gott hin: auf seine Güte und Treue und Heiligkeit. Heilig ist, was mich leben lässt, nach der alten Formulierung, den Menschen zur Freude und Gott zur Ehre.