3 minute read

Ask the experts

Next Article
Thema im Fokus

Thema im Fokus

Was unsere Kunden (und die Finanzmärkte) bewegt

Konjunktur: Keine Gasmangellage in Europa und ein heisslaufender Jobmarkt in den USA – ist die Rezession abgesagt?

Kaiser Partner Privatbank: Die Strom- und Gaspreise sind gesunken, das Inflationshoch befindet sich im Rückspiegel und Chinas „Wiedereröffnung“ verspricht in den kommenden Quartalen einen Wachstumsschub – das Rezessions-Gespenst hat sich in Europa verzogen. Ausgehend vom Tiefpunkt im letzten Herbst hat sich die Stimmung bei Unternehmen (und Konsumenten) deutlich gebessert (oder zumindest einen Boden gefunden). Immer mehr Ökonomen verabschieden sich von ihren Rezessionsprognosen und heben ihre Wachstumserwartungen für 2023 wieder an. Die Wachstumszahlen für die Eurozone im vierten Quartal fielen mit einem Mini-Plus von 0.1% bereits besser aus als befürchtet. Allein in Deutschland gab es für das Schlussquartal eine überraschende Abwärtsrevision, dort könnte es diesen Winter tatsächlich eine „technische“ Rezession geben.

Die Rezessions-Frage lässt sich deshalb natürlich nicht einfach begraben. Sie stellt sich mit Blick auf die USA weiterhin und bleibt für die Analystengemeinde ein kniffliges Rätsel. Denn etablierte Makroindikatoren wie die US-Zinskurve oder der Conference Board Leading Indicator zeigen weiterhin ein gestiegenes Rezessionsrisiko an. Die Ankündigungen von Massenentlassungen, insbesondere bei den grossen Technologieunterneh- men und in der Finanzbranche, scheinen in dieses Bild zu passen. Im Widerspruch dazu stehen jedoch die sehr starken Zahlen vom US-Arbeitsmarkt (welche allerdings anfällig für grössere Revisionen sind): Im Januar wurden 514‘000 neue Stellen geschaffen und die Arbeitslosenquote fiel auf ein 54-Jahrestief (3.4%). Die Anzahl der ausgeschriebenen Stellen stieg zuletzt wieder, während die Erstaufträge auf Arbeitslosenhilfe zurückgingen. Die zwiespältige Datenlage reflektiert sich nicht zuletzt in den Rezessionsprognosen der Wall Street Journal Forecaster Survey. Dort reicht die Prognosespannbreite für die Erwartung einer Rezession in den nächsten 12 Monaten von 10% bis 100%. Der Median liegt bei relativ hohen 65% und glaubt somit nicht an eine „sanfte Landung“.

Wir tendieren eher zum Lager der Optimisten. Unsere im Jahresausblick [Link] formulierte Erwartungshaltung bleibt intakt: Eine Rezession droht in den USA wahrscheinlich erst später als von der Mehrheit erwartet und dürfte dann relativ mild ausfallen. Vermeidbar ist sie letzten Endes aber wohl kaum – zu schwierig ist die dauerhafte Feinkalibrierung der Geldpolitik der Fed angesichts der vielen Unsicherheiten und Variablen (sowie ihres schlechten Track Records). Doch es dürfte noch etwas dauern. Auf jeden Arbeitslosen kommen derzeit 1.9 offene Stellen, in fast allen Industrien gibt es mehr Vakanzen als üblich. Wer jüngst entlassen wurde und/oder aktuell einen Job sucht, dürfte in den nächsten Quartalen relativ einfach eine neue Anstellung finden. Zudem verfügen die US-Haushalte immer noch über 1.4 Billionen US-Dollar Überschussersparnisse aus der Pandemie. Basierend auf der aktuellen Sparquote würde es noch 15 Monate dauern bis diese Ersparnisse komplett aufgebraucht sind. Der amerikanische Konsummotor wird also noch nicht so schnell ins Stottern kommen. Mitte 2024 dürfte die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession dann aber massiv steigen. Einerseits sollten die nachgelagerten Effekte des Fed-Zinserhöhungszyklus dann immer spürbarer werden. Andererseits ist ein Szenario nicht auszuschliessen, in dem es nach der momentanen Phase der Disinflation zu einer zweiten Inflationswelle kommt. Die Öffnung Chinas könnte inflationär wirken, ebenso wie künftig (dank aktuell fallender Inflation) wieder steigende Reallöhne. Die Fed wäre dann dazu gezwungen für längere Zeit an einem sehr restriktiven Zinsniveau festzuhalten. Ein deutlicherer Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Rezession wären in diesem Szenario unwillkürlich das Ergebnis.

Geldpolitik: Am Zinsmarkt spekulieren die Marktteilnehmer auf bald schon wieder fallende US-Leitzinsen und sind somit gegen den „Dot Plot“ der Fed positioniert. Gilt das Sprichwort „Don’t fight the Fed“?

Kaiser Partner Privatbank: Die US-Notenbank und der Finanzmarkt sind sich uneinig. Die Fed sieht die US-Leitzinsen in ihrem „Dot Plot“ am Jahresende bei 5.1% (Medianschätzung). Aus den Fed Fund Futures lässt sich wiederum herauslesen, dass die Finanzmarktteilnehmer zwar auch ein Hoch der Leitzinsen bei 5.1% (im Sommer) erwarten, bis Jahresende aber bereits wieder einen Rückgang um 50bp sehen. Einigkeit besteht hingegen darüber, dass die Zinsen bald wieder fallen – und dass das momentane Zinsniveau bereits im klar restriktiven Bereich ist. Ende 2024 sieht die Fed den US-Leitzins im Median nur noch bei 4.1%, der Finanzmarkt gar noch etwas tiefer. Im Grunde genommen stellen sich die Marktteilnehmer damit gar nicht unbedingt gegen die Fed. Sie rechnen „nur“ damit, dass diese bald wieder eine Kehrtwende einlegt – entweder weil die Inflation in den nächsten Monaten sehr schnell zurückgeht oder weil die USA schon in Kürze in eine Rezession rutschen. In jedem Fall implizieren die Marktpreise, dass das Zinslevel (unnötigerweise) temporär zu weit angehoben wird und die Fed damit einen geldpolitischen Fehler begeht.

Das Motto „Don’t fight the Fed” sollte man derzeit wohl am besten folgendermassen interpretieren: Die Fed ist noch mitten im Zinserhöhungszyklus, die Aktienrally der letzten Wochen widerlaufen ihren Bemühungen ein restriktiveres monetäres Umfeld zu schaffen. Diverse „Financial Conditions“-Indizes zeigen zuletzt vielmehr eine deutliche Lockerung an. Für Anleger bieten sich zumindest teilweise Gewinnmitnahmen an. Denn die ohnehin geringe Wahrscheinlichkeit einer „sanften“ Landung der US-Wirtschaft liesse sich wohl nur dann realisieren, wenn die US-Notenbank per sofort umschwenken würde. Doch das ist nicht ihr Plan. Sollten die Zinssenkungen dann früher oder später kommen, sind auch diese nicht zwingend ein Grund für Anlegerfreuden. Ist die Ursache fallender künftiger Leitzinsen nämlich tatsächlich eine Rezession, dürften die tiefsten Kurse an den Aktienmärkten erst noch bevorstehen.

Bald wieder rückwärts? | Die Finanzmärkte erwarten eine baldige Kehrtwende der Fed (Implizit) erwartete Veränderung der Fed Funds Rate, in Basispunkten

Erfahren Sie mehr auf unserem Blog: Sie möchten stets auf dem aktuellen Stand sein? Dann melden Sie sich zu unserem Newsletter an oder folgen Sie uns auf Linkedin.

This article is from: