al-ʿāʾilatu

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Begegnung. Konfrontation. Zusammenkunft. Wiedersehen. Zusammentreffen. persönlich. spannend. flüchtig.

Workshopkonzept zur künstlerischen Arbeit mit geflüchteten Menschen in Deutschland im Kontext von art & belonging


al-ailatu handelt in Solidarität mit Geflüchteten weltweit.* al-ailatu unterstützt partizipative, horizontale und autonome kulturelle Bildung.* al-ailatus kultur¯pädagogische Praktiken basieren auf langfristigem Engagement, Hingabe und Entschlossenheit.* al-ailatu fördert eine partizipative Nutzung des Konzeptes. al-ailatu ist ein Netzwerk für künstlerische Arbeit, Kommunikation und praktische Dinge. al-ailatu gibt Geflüchteten Raum für ihre Stimmen, ihre Körper und ihre Geschichten.

Run boy run, run boy run, run boy run till the day is done …**

Jetzt sage ich: Stop, bleibt bitte stehen, bleibt für einen

Moment hier. Das ist al-ailatu, ein Ort, ein temporärer Common

Ground für alle, eine Transitzone des Ankommens, des Miteinander

Seins und des Übergangs in das was kommen wird.

Im Vordergrund steht der Moment in dem wir gerade gemeinsam

sind, der Moment den wir gemeinsam gestalten, hört hin, seid bei

euch und mit den anderen, dann könnt ihr in Frieden weiterziehen.

Petra Kron, Konzept und Leitung

* in Anlehnung an Prinzipien und Forderungen der Silent University **Refrain des Liedes ‚Traveller’ aus al-ailatu 1)



al-ailatu ist ein integratives Kulturprojekt in dem sich geflüchtete Menschen mit deutschen Teilnehmern in den Bereichen der Darstellenden Kunst begegnen und zusammen arbeiten. al-ailatu II wird von Junior Trainern organisiert und durchgeführt. Die Diversität in der Gruppe ist groß. Es arbeiten viele verschiedene Menschen aus ebenso vielen verschiedenen Kulturen und mit vielen ethnischen Herkünften zusammen. Bei al-ailatu stehen die geflüchteten Menschen im Vordergrund. Das Material, das erarbeitet wird, kommt von ihnen. al-ailatu geht über die künstlerische Arbeit hinaus, das Projekt unterstützt das Kennenlernen gewisser Prozesse, die in unserer Gesellschaft hier in Deutschland von absoluter Wichtigkeit sind. Kommunikation, Zuverlässigkeit und Kreativität sind im Fokus unserer Arbeit. Und das Wichtigste, al-ailatu vermittelt den Menschen ein Gefühl des Angekommenseins.


al-ailatu II ist in drei Phasen unterteilt. Der erste Workshop beginnt in einem ausgewählten Flüchtlingsheim. Es ist wichtig, die erste Phase in einer für die Flüchtlinge vertrauten Umgebung zu beginnen, damit der volle Fokus auf der Arbeit und dem sich Kennenlernen liegen kann. Es wird ein ‚open-door-concept’ etabliert. Jeder kann sich alles einmal anschauen und mitmachen. In der zweiten Phase nehmen wir die Menschen mit in das Studio von Kabawil, in eine für sie neue Umgebung. Hier gibt es mehr Raum, physisch und auch metaphorisch. Raum sich selbst zu entfalten und neue Gedanken und Inspirationen zu schöpfen. Jetzt kommen auch die deutschen Teilnehmer*innen hinzu. Das schon gesammelte Material in Tanz und Musik wird erweitert, präzisiert und einem Publikum präsentiert. Die dritte und letzte Phase besteht darin, mit dem entstandenen Bühnenstück, welches etwa 25 Minuten lang ist, durch verschiedene Flüchtlingsunterkünfte zu touren, dort aufzutreten und gemeinsam diesen schönen Moment zu teilen.


Kabawil e.V. in Düsseldorf bietet Menschen über Kulturarbeit und kulturelle Produktionen neue Perspektiven für ihr Leben. Kulturelle Bildung nach dem Kabawil Konzept der beziehungsorientierten Kulturarbeit spricht die Menschen in ihrer Lebenswelt an, nimmt ihre Interessen ernst und macht ihre Stärken sichtbar. Ein internationales Team von Künstlern, Pädagogen und Cultural Managern vermittelt künstlerische Techniken und begleitet die kreativen Arbeitsprozesse. Auf der Basis von Differenz schafft Kabawil eine gemeinsame kulturelle Arbeits- und Ausdrucksweise. Kabawil wurde im Sommer 2003 gegründet. Kabawil ist Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband und anerkannter Träger der Jugendhilfe.


Team: Angelina Anthony, Justina Adwoa-Adu, Melih Celik, David Mendez Assistentinnen/Assistenten: Teya Leonard-Quarmyne, Noella Musango, Malik Manthey, Sinda Mansouri Teilnehmerinnen/Teilnehmer: Sarah, Franziska, Lumi, Davud, Cuan, Zakharia, Mohammed, Cabbar, Mohamed, Sincar, Faqaz, Jin, Muhammad, Hadu, Jeannette, Jheni, Konstantin Begleitende KĂźnstler: Ziad Ali, Suhil Haji, Thomas Klein, Abiodun Odukoya Fotografie: Eric Pankow Gestaltung: Katja Stuke Leitung, Konzept: Petra Kron


Warum bist du auf die Reise gegangen? wegen dem Krieg Welche Farbe hatte der Moment deiner Abreise für dich und warum? schwarz, Krieg Welchen Weg bist du gegangen? über das Meer Welche Farbe hatte dein Weg für dich und warum? farblos Mit wem warst du auf der Reise zusammen? mit meinen Kindern Welche Farbe hat die Gegenwart und warum? Gelb und grün, da es mehr Sicherheit und Freiheit gibt. Was wünschst du dir für die Zukunft? Deutsch lernen und mich mit anderen Personen unterhalten. Ich möchte gleich sein, keine Extrawünsche. Dawod Khalil, 50, Musiker aus Syrien



Um das Thema Begegnung bestmöglich umzusetzen, entschied ich mich die Weite des Raumes zu nutzen und mit Hilfe von Tanz und Bewegung die Menschen zusammen zu führen. Meine Auswahl an ruhiger und langsamer Musik, die sich konträr zur arabischen Musik verhält, hat den Menschen geholfen sich selbst im Raum zu finden und begünstigte so das Zusammenfinden aller Personen. David Mendez




How was the experience working with the refugees? Though the language barrier, posed a challenge at first, I found it was still surprisingly easy to communicate and to understand and be understood through non-verbal cues, sign language or even context and tone of voice. It was very rewarding to watch people come out of themselves and into a space where they had a chance to express themselves creatively. I think it was also an incredibly humanising and valuable experience for me personally, as I got the chance to interact with the refugees as people, with identities outside of their immigration statuses and not just as statistics in a news report. Teya Leonard-Quarmyne


Wie sollte Deutschland mit geflüchteten Menschen umgehen? Deutschland sollte mit den geflüchteten Menschen offen und herzlich umgehen. Wir sollten geflüchtete Menschen nicht in Schubladen oder Kategorien einstufen. Sie sind Menschen, die aus Angst vor Krieg und um ihr Leben oder aus anderen Gründen ihr Land verlassen haben. Wir sollten die Angst vor Fremden in Offenheit und Interesse umwandeln. Was kann die Gesellschaft für eine sinnvolle Integration tun? Um Geflüchtete zu integrieren, brauchen sie das Gefühl, dass sie wichtig für uns sind und dass sie ein Teil dieser Gesellschaft sein können. Wir sollten viele Deutschkurse und andere Aktivitäten, wie zum Beispiel integrative Workshops und Feste für Kinder und für Erwachsene anbieten. So fühlen sich die Menschen gesehen, öffnen sich und lassen sich ein. Unsere Gesellschaft muss Interesse für die Geflüchteten zeigen und diese sollten sich für diese Aktivitäten und unsere Gesellschaft interessieren. Angelina Anthony


ez kavokem [spoken word] Ich habe mein Land verlassen und alles hinter mir gelassen. Jetzt bin ich hier und möchte mich anpassen. // Hallo Deutschland, hier bin ich. // Hoffe ihr akzeptiert mich so wie ich bin. // Keine Angst ich verlange nicht viel. // Nur ein wenig Frieden, das möchte ich! ez kavokem kavokasorm oy oy // Isser bana u bin bana ez dochim oy oy // ez aschekim le le keschka keleschim oy oy // ez kavokem kavoka spieme oy oy [Saz Instrumental] Durch Freiheit bekommst du deinen Frieden. Durch Erleuchtung erlangst du deinen Segen. [Rap] S.S.D.D, same shit different day. // I’m sitting in my room, trying to figure out where I stay. // Only me and my thoughts and these four green walls. // Looking at this blank page // closed windows, closed doors. An sich ist es doch ganz einfach. // Ich muss nicht viel machen aber leiste meinen Beitrag. // Ich brauche nur ein offenes Ohr und verliere nicht mal ein Wort. // Aber hör ich richtig hin, ich schwöre, es kommt mir so vor // als würde sich jeder Tag um den selben Scheiß drehen. // Führe dieselben Gespräche, dieselben Szenen // die leeren Gesichter in staubigem Beige. // Wir verkaufen jeden Tag unsere Integrität. Freiheit, Erleuchtung, Frieden, Segen. *kurdisch: Die weiße Taube


Gedanken zu al-ailatu II Wurde uns zu viel zugemutet? Haben wir zu viel Verantwortung in die Hände gelegt bekommen? Haben wir uns selber zu viele Rechte zugesprochen? Haben wir was lernen können? Sollte ein solches Vorhaben noch einmal durchgeführt werden? Ja, Nein, Ja, Definitiv, Ich weiß es nicht. Es ist viel, viel mehr Arbeit davor, währenddessen und danach als ich gedacht hatte. Es erfordert ein Höchstmaß an Professionalität, Geduld und Durchhaltevermögen. Das weiß ich jetzt. Ich würde gerne einen zweiten Versuch starten, aber mit einem neuen Team. Und noch nicht so bald. Erst muss ich in dem, was ich mache sicherer und besser werden, bevor ich es anderen zumuten kann. Melih Celik


Wie soll bzw sollte Deutschland mit Geflüchteten umgehen? Ich betrachte dies aus einer rein menschlichen Sicht. Es ist eine Frage der Humanität. Es ist eine Pflicht Menschen zu helfen, die Hilfe benötigen. Deutschland hat bereits vieles richtig gemacht. Wir gaben ihnen Unterkunft, Kleidung und Taschengeld. Sie gehen zur Schule, manche haben Ausbildungsplätze, sie werden ärztlich versorgt. Es gibt freiwillige Helfer, viele Menschen die spenden. Auch unser Team kümmert sich um sie, wo wir nur können. Natürlich gibt es da noch die rechte Bewegung, die versuchen das Gleichgewicht zu stören aber zum Glück ist das bis jetzt nur eine Minderheit. Was braucht es für eine sinnvolle Integration in unsere Gesellschaft? Unbedingt zu beachten: Ihre Gesellschaftsvorstellungen, ihre Werte, ihre Moral und ihre Grundeinstellungen sind anders als unsere. Was für uns selbstverständlich ist, kann für sie bereits unvorstellbar sein. Das bedeutet wir können ihnen nicht einfach unsere Gesellschaftsform aufzwingen. Es muss schrittweise passieren. Das aller wichtigste ist aber die Bereitschaft der Geflüchteten sich zu integrieren. Sie müssen akzeptieren, dass sie nun in Deutschland sind, sie sind fremd hier und es ist ihre Pflicht, wie es die Pflicht eines jeden Gastes ist, sich den Regeln des Hausherren entsprechend zu benehmen. Unsere Aufgabe: In ihrem Alltag treffen Geflüchtete auf viele Bürokraten und müssen viel Papierkram erledigen, auch wichtig in Deutschland. Mit al-ailatu öffnen wir ihnen die Tür in ein anderes Deutschland. Das künstlerische Deutschland, das multikulturelle Deutschland. Ein Deutschland mit dem sie sich vielleicht leichter identifizieren können. Was kann bzw müsste die deutsche Gesellschaft dafür tun?! Zuerst müssen wir akzeptieren, dass die Situation nun mal so ist wie sie jetzt ist. Komplex und unter Umständen auch gefährlich. Wir müssen auf ein besseres Zusammenleben hinarbeiten. Viele der Geflüchteten möchten nicht hier sein. Sie wären viel lieber in ihrer eigenen Heimat und sobald die Krise sich dort gelegt hat, möchten sie auch zurückkehren. Nur dauert das halt. Bis dahin können wir beweisen wie aufgeklärt und fortschrittlich Deutschland wirklich ist. Mehr kulturelle und soziale Interaktion mit den geflüchteten Menschen ist wichtig. Wir dürfen uns nicht verschließen. Wir dürfen uns nicht verfeinden. Wir können und sollten mehr Initiativen wie al-ailatu ins Leben rufen. Wir können auch privat mit den Menschen in Kontakt treten, nicht nur durch ein Projekt. Vielleicht einfach mal ein Heim besuchen und mit den Menschen dort reden, Kaffee trinken und Gedanken und Meinungen austauschen. Einfach für einen Moment zusammen sein. Melih Celik


Warum bist du auf die Reise gegangen? Krieg Welche Farbe hatte der Moment deiner Abreise für dich und warum? schwarz, Angst vor dem Tod Welchen Weg bist du gegangen? über das Meer Welche Farbe hatte dein Weg für dich und warum? schwarz, Angst Mit wem warst du auf der Reise zusammen? mit meiner Mutter Welche Farbe hat die Gegenwart und warum? gelb, weil ich Hoffnung habe Was wünschst du dir für die Zukunft? Ich möchte Ärztin werden. Jin, 11, Schülerin, aus Syrien.



Kabawil e.V. Flurstr. 11 40235 DĂźsseldorf, www.kabawil. de+49.211.9 36 55 00 info@kabawil.de


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