Infrarot Nr. 199

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Zeitung der JungsozialistInnen • Journal de la Jeunesse socialiste Giornale della Gioventù socialista • Gasetta da la Giuventetgna socialista

4 JUSO im Wahlkampf Trotz geringerer Wähleranteile wächst die SP-Fraktion und die JUSO wird stärkste Jungpartei. Mehr dazu in der Wahlanalyse des infrarots.

6-7 Regierungsbeteiligung Das Positionspapier ging nicht an allen Beteiligten spurlos vorbei. Das infrarot hat Fabian Molina und Anna Meister zum Streitgespräch geladen.

+++JUSO.ch+++

JUSO Schweiz, Postfach 8208, 3001 Bern Nr. 199, Dezember 2011

10-11 Kommunalpolitik Viele Schweizerinnen und Schweizer verstehen die Gemeindeebene als Fundament des Landes. Doch wo bleibt dabei die Linke.

TECHNO-DEMO-KRATIE? Der Tages-Anzeiger titelt schon fröhlich «Technokrat ist kein Schimpfwort mehr». Doch wer sind die Männer, die in Italien und Griechenland an die Spitze gesetzt wurden? Und wie konnte es soweit kommen? Und wer zum Teufel sind « die Finanzmärkte »? Von Angelo Zehr

Der Politiker Papandreou (links) wurde in Griechenland durch den Technokraten Papademos ersetzt

«Staatschuldenkrise», «Griechenlandkrise», «Eurokrise». Das sind seit Monaten die dominierenden Schlagzeilen. Die Finanzmärkte seien unruhig, ja gar nervös. Sie hätten das Vertrauen verloren. In ganz personalisierter Form spricht man von «den Märkten», als ob die oft gelobte «unsichtbare Hand» nun ein Gesicht bekommen hätte. Doch dem ist nicht so. Es bleibt das seltsam vage Konstrukt aus flüchtigem Kapital, das überall dort hin geschoben wird, wo es sich vermehren soll. Die EU hofiert genau dieses Kapital und versucht seit Monaten alle zu überzeugen, dass ihr Geld in der Eurozone genau am richtigen Ort sei. Solche, die nicht nach der Pfeife von Deutschland und Frankreich tanzen wollen, werden nicht geduldet. Und so heisst es momentan überall: Renten kürzen, Löhne kürzen, Personal entlassen, Infrastruktur verscherbeln. So etwas nennt sich dann Rettungsplan. Fortsetzung Seite 3

AZB 3900 Brig

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INFRARot • JUSO • Dezember 2011

Kommentar der Redaktion:

Wirtschafts- und Demokratiekriese 3

« zum Occupy-WEF! »

Am Stimmvolk vorbei geschmuggelt

Aus dem Präsidium Liebe JUSOs Am 21. Januar 2012 gibt es 49 gute Gründe, ans OccupyWEF zu gehen, weil:

« Ich bin kein Bettwiler.»

Von Fabio Höhener

«Bettwil wird durch diese hundertvierzig Asylanten vernichtet», schreit ein wütender Bürger der 560-Seelen-Gemeinde in den Saal. Es ist nur einer von unzähligen grenzwertigen Kommentaren, welcher im Verlauf der Infoveranstaltung zu hören ist. Was ist passiert? Das Bundesamt für Migration (BFM) will in der alten Truppenunterkunft ein Asylzentrum für hundertvierzig Personen einrichten. Jetzt bangen die BettwilerInnen um ihre Existenz und sehen ihr Dorf dem Untergang geweiht. Auch wenn das Vorgehen des BFM äussert fragwürdig und die Kommunikation nicht gerade sensibel war, ist dieser hervorquellender Fremdenhass der Freiämter nicht zu rechtfertigen. Aus der Sicht der Asylsuchenden gestaltet sich die Situation umso tragischer: Die zukünftigen BewohnerInnen der Unterkunft werden in Halbgefangenschaft auf engstem Raum, ohne genügende sanitäre Einrichtungen leben und dabei von Sicherheitskräften bewacht. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, hat man den ehemaligen Justiz-Departementsvorstehern Blocher und Widmer-Schlupf zu verdanken. Beide haben die Organisation von zusätzlichen Unterkünften über Jahre hinweg verschlampt und dies ganz bewusst. In der verqueren Logik der Bürgerlichen bedeuten weniger Asylunterkünfte gleich weniger Asylsuchender. Das jetzt mit der Brechstange operiert wird, verschlimmer die Situation noch zusätzlich. Die Verlierer sind einmal mehr die Flüchtlinge.

• Iglubau cooler ist als Sozialabbau, • wir mehr Demokratie für alle statt Macht und Geld für wenige wollen, • die Nachbarin nicht Konkurrentin sondern Mitkämpferin ist und sie auch zu den 99% gehört, • niemand frei sein kann, solange es nicht alle sind, • wir realistisch sind und das Unmögli- che wagen, • wir deshalb nicht nur die Brosamen oder ein grösseres Kuchenstück wollen, sondern die Bäckerei, • es deine Schuld ist, wenn die Welt bleibt, wie sie ist, • auch 2012 nicht das Ende der Geschich te ist, • es eine Alternative gibt, • die Menschen die Geschichte machen, • Empörung der erste Schritt zum Enga- gement ist und • wir ändern, was uns stört!!

• sich am WEF die grössten Raubrit ter unserer Zeit treffen, diese über das Schicksal der Welt richten und das sogar noch auf unsere Kosten, • dieses Schicksal nach Ausbeutung, Profitgier und Kapitalismus stinkt und wir es selber in die Hand nehmen wollen, • es zudem die unsichtbare Hand nicht gibt und trickle-down übrigens auch nicht • Marx recht hatte, Adam Smith aber nicht, • internationale Solidarität besser ist als internationaler Wettbewerb, Freiheit schöner als freie Märkte, Klas senkampf von unten realer als Klassenkampf von oben, • der Reiche nur reich ist, weil der Arme arm ist, Deshalb gehen wir 99% ans OccupyWEF. • es den American Dream vom Tellerwä scher zum Millionär nur im Schlaf gibt Was ist dein Grund, am 21. Januar zu kommen? und • die Realität bitter ist, • wir in einer Welt leben, die nach Solidarische Grüsse freiem Markt schreit aber nicht nach Meinungsfreiheit, die Fremden Mattea misstraut und Frauen diskriminiert und die von Geld regiert wird und nicht von der Gesellschaft, • Geld =Macht und Armut = Ohnmacht bedeutet, • das reichste Prozent der Welt gegen unten schiesst, Kapitalismus also Krieg ist und wir doch eigentlich Weltfrieden wollen, • Bonzen Gauner sind und Reichtum Betrug, • Gauner ins Gefängnis gehören und nicht an die Weltspitze, • Abzocker ausgezockt haben, • wir Vasella gerne mal nackt sehen, • uns die reichen Schnösel schon als Kinder genervt haben und wir ihnen gerne die Schaufel im Sandkasten weggenommen haben, • der Paradeplatz eigentlich überall steht, • Davos sogar noch schöner ist als Zürich, • besonders im Winter, • wir lieber Schnee werfen statt Steine,

Von Angelo Zehr

Nach Griechenland und Italien haben auch die Spanier einen eher farblosen Konservativen gewählt, der wissen soll, wie man die Wirtschaft wieder ankurbelt. Immerhin wurde dieser demokratisch gewählt – die anderen Regierungschefs, Loukas Papademos und Mario Monti, wurden so quasi per Kriegsrecht und am Stimmvolk vorbei an die Spitze des Landes gesetzt. Bemerkenswert. Man bedenke, dass niemand Geringeres als Berlusconi dadurch entthront wurde! Was kein Skandal, kein Bunga Bunga, keine Opposition oder Peinlichkeit geschafft hatte, regelte der Druck der Finanzmächte wie ganz von alleine. Ganz ähnlich verlief es Giorgos Papandreou und dem Referendum, das er angekündigt hatte. Einen Tag später musste er sich vor den EU-Räten rechtfertigen und vorbei war’s mit der Volksbefragung. Zugegeben – dass dieses Referendum einer Erpressung gleichkam und letzten Endes eher ein taktisches Mittel im internen Machtkampf war, muss auch gesagt sein. Trotzdem zeigt es auf, wie tiefgreifend der Konflikt zwischen internationaler Politik und nationaler Demokratie ist.

sen wir uns die Frage stellen: Wer entscheidet wie «gross» der Fuss sein soll auf dem wir leben? Momentan sind das nämlich Wirtschaftseliten. Und genau von

« Wenn es reine Wissenschaft wäre, ein Land richtig zu regieren, warum kann man das noch nicht studieren?»

diesem Kaliber sind auch die neuen Technokraten-Regierungen. Diese bewegen sich einzig und allein im momentanen neoliberalen Denkraster: Sparen, sparen, sparen, Staat verkleinern, Betriebe privatisieren, Steuern auf Unternehmen und Reiche senken. Das sollen die Leute sein, die wissen wie die Schuldenländer zu retten sind? Keines der EU Länder hat sich an die ursprünglichen Abmachungen gehalten. Deutschland hat die Löhne nicht der Produktivität angepasst und warf alle anderen damit aus dem Rennen. Die Finanz-

krise 2008 gab diesen dann den Rest. Wir müssen es uns eingestehen: Niemand weiss so recht wie wir aus diesem Schlammassel wieder rauskommen. Und bald werden auch wir uns nicht mehr raushalten können. Die EU wird unsere «de 5er und s’Weggli»-Strategie nicht mehr lange hinnehmen. Solange die EU nur ein Währungsraum und nicht auch ein politischer Raum ist, solange Steuer- und Sozialpolitik nicht staatsübergreifend koordiniert werden, ist ein Rettungsplan schwer durchzusetzen. Es ist nun eine Willensfrage, die Europa für sich beantworten muss, ob wir weiterhin gemeinsam für ein Gemeinschaftsprojekt kämpfen oder ob jeder sein eigenes Ding durchziehen will in Konkurrenz zu allen anderen. Deshalb wiederholen wir unsere Forderung unbedingt immer und immer wieder: «Ein hoch auf die internationale Solidarität!»

« Warum wird die Forderung nach höheren Steuern für Reiche als ‹Klassenkampf› bezeichnet, nicht aber jene, den Armen die Sozialleistungen zu kürzen? »

«Die Griechen leben auf zu grossem Fuss! Aber das Flohnerleben ist jetzt vorbei.» Wie oft haben wir’s schon gehört? Doch mal ganz abgesehen davon, dass das schlichtweg nicht stimmt – Griechenland hat zwar viele Staatsangestellte, aber im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt keine besonders hohen Staatsausgaben müs-

Der rigorose Sozialabbau führt in Griechenland immer wieder zu heftigen Ausschreitungen (KPA/Zuma)


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Wahlanalyse 5

INFRARot • JUSO • Dezember 2011

10‘000 NEUE JUSO WÄHLERINNEN UND WÄHLER

Plötzlich Nationalrat

Ich sitze an meinem Pult, umgeben von ausgedruckten Exceltabellen, Listen, Statistiken, Auswertungen. Mein Kopf raucht. Zu viele Namen, zu viele Zahlen. Aber es macht Spass, denn in jeder Hinsicht konnte die JUSO fett zulegen. Hier eine Übersicht.

Von Angelo Zehr

Mit den meisten Stimmen (abgesehen von der frisch gewählten Ständerätin Pascale Bruderer) auf der SP Liste hat es Cédric Wermuth geschafft. Ein vorbildlicher Wahlkampf, sein unbestrittenes Talent und seine nationale Bekanntheit haben ihm zu diesem Glanzresultat verholfen. Wohl eher überraschend war hingegen der Seig des 24-jährigen Mathias Reynard. Umso spannender war dessen Wahl. Erst die Auszählung der allerletzten Gemeinde brachte Gewissheit: Die SP schnappt sich einen Sitz von der CVP und hat neu zwei Sitze. Ein Interview mit dem Jüngsten im Nationalrat findet ihr auf der nächsten Seite Von 0.53% konnte die JUSO schweizweit auf 0.91% zulegen

Vor vier Jahren legten rund 12‘000 Wählende einen oder mehrere JUSO-KandidatInnen in die Urne. Dieses Jahr waren es bereits über 22‘000! Das dank all den Kantonen in denen die JUSO ein erstes Mal angetreten ist und ein super Resultat erzielte: • Waadt (1.5%), • Schaffhausen (1.4%), • Thurgau (1%), • Bern (0.7%), • Schwyz (0.6%) und dank den Kantonen in denen die JUSO ihre Prozente halten oder steigern konnte: • Jura (5.1%), • Basel Stadt (1.6%, +0.7%),

• Graubünden (1.4%), • St.Gallen (1.2%, +0.4%), • Luzern (0.9%, +0.3%) und • Zürich (0.75% +0.3%). Aber auch alle anderen Kantone haben mit ihrem guten Resultat auf eigenen Listen oder auf SP Listen zum nationalen Erfolg der JUSO beigetragen. « Yannick Schiess holt für die JUSO Glarus über 24% der Stimmen.»

Noch gar nicht erwähnt in der obigen Statistik ist die JUSO Glarus, die mit ihrem Präsidenten Yannick Schiess einen grandiosen Achtungserfolg einstrich. Ein Monat vor den Wahlen entschied sich die JUSO, dem Bisherigen und sonst einzigen Kandidaten Martin Landolt den Sitz streitig zu machen. Dieser wurde zwar wiedergewählt, aber es war ein klares Zeichen, dass Glarus nicht nur bürgerliche Politiker nach Bern schicken möchte.

Grosse Sitzgewinne trotz kleinem Wählerverlust. Das Resultat der SP lässt sich sehen

Man muss es nicht unnötig schönreden. Die SP hatte dieses Jahr vor allem Proporzglück. Doch sie konnte mit ihren Listenverbindungen schon mindestens 5

Sitze zulegen! Als einzige der etablierten Parteien konnte sie ihre Wähleranteile halten. Alle anderen mussten Federn lassen zu Gunsten der neuen Parteien BDP und GLP. Diese konnten auf ihr unverbrauchtes Image und ihre wohl klingenden Namen bauen. Wie viel davon übrig bleibt in den nächsten vier Jahren, werden wir sehen. Die Hoffnung auf neue Allianzen im Kampf für soziale Anliegen hat sich zumindest vergrössert. Da lacht das Herz! Die SVP hat endlich die Rechnung für ihre populistische und rassistische Hetze erhalten. Sie verliert acht Sitze und über 2% an Wählerstimmen. Dieses Resultat lässt sich verschieden interpretieren, aber eines ist klar: Der Trend ist gebrochen. Die SVP, die lange Zeit nur zulegte, fällt auf die Nase. Mit ihren Hasstiraden konnte sie dieses Mal niemanden für sich gewinnen. Dieser Verlust hat Symbolkraft! Denn auch die anderen bürgerlichen Parteien haben nun nicht mehr das Gefühl sie müssten sich der SVP annähern um Wähler zu gewinnen. Also nutzen wir die Möglichkeiten, die uns geboten werden. Vieles in der Politik gleicht einem Kreislauf, aus dem entweder eine Abwärtsspirale oder eben eine Aufwärtsspirale entstehen kann. Dieses Jahr haben wir unseren Aufwärtstrend gefestigt. Das gute Resultat sind die Lorbeeren all für unsere Anstrengungen auf diesem Weg. Ruhen wir uns nicht auf ihnen aus. Kämpfen wir weiter für mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in diesem Land! Auf dass wir in vier Jahren wieder so einen Artikel schreiben können! Venceremos!

Ein JUSO darf die neue Legislatur eröffnen: Mathias Reynard aus Savièse hat den Sprung geschafft und wird im Nationalrat unsere Interessen vertreten. Aber wer ist Mathias? L‘infrarouge l‘à démandé pour quo qu‘il va combattre dans le parlement.

Am 23. Oktober wurdest du in den Nationalrat gewählt. Ehrlich: hast du damit gerechnet? Non. Je n‘avais absolument pas prévu ça. Je n‘étais pas favori. J‘ai été très surpris par mon score et le résultat final. Cela montre qu‘il est possible d‘y arriver, même en étant très jeune et dans une ligne clairement à gauche. Le signal est fort pour la JS, avec l‘élection de Cédric aussi! Je m‘en réjouis vraiment! Für was wirst du im Nationalrat kämpfen? Gegen was wirst du dich wehren? Je vais m‘engager comme je l‘ai fait jusqu‘à maintenant sur les thèmes que je juge prioritaires : la sauvegarde des services publics ( je suis très concerné par cette problématique, venant d‘une région périphérique), l‘accès pour tous à une éducation et une formation de qualité (notamment en soutenant l‘initiative sur les bourses d‘études) et surtout, la défense des travailleurs, ouvriers et employés. Ceci est le point central pour moi, avec par exemple l‘initiative pour un salaire minimum. « Un programme doit permettre de développer des projets, des rêves. »

Was ist für dich der wichtigste Punkt im Lausanner Parteiprogramm der SP Schweiz? Gibt es Punkte, die du nicht unterstützt? Nous avons aujourd‘hui une position claire, bien ancrée à gauche. C‘est pour moi primordial. Les exemples en Europe montrent que le PS perd lorsqu‘il se montre centriste et oublie son électorat populaire. Un programme est prévu sur le long terme et doit permettre de développer des projets, des rêves, même s‘ils ne sont pas applicables à court terme. Je ne suis par contre pas favorable à une suppression pure et simple de l‘armée, comme je l‘avais déjà dit lors des débats internes à la JUSO.

Du bist jung, engagiert und eröffnest die nächste Legislatur als jüngstes Mitglied des Nationalrates. Was stellt für dich ein Engagement der jungen Generation in der Politik dar? Oui, je me réjouis d‘ailleurs de faire ce discours. Pour moi, l‘engagement des jeunes est quelque chose de très important. Dans l‘idéal, un parlement doit être à l‘image de la société : représenter autant les femmes que les hommes, les villes que la montagne, les jeunes que les plus anciens mais aussi, et il reste beaucoup à faire dans ce domaine, les différentes catégories socio-professionnelles. C‘est bon pour la démocratie! Les différentes générations sont complémentaires et apportent toutes quelque chose. Einer deiner Themen, für die du dich einsetzt, ist „unser Erbe wertschätzen“. Was meinst du damit, und was für einen Stellenwert hat die „Heimat“ für dich? Oui, je m‘engage pour défendre notre patrimoine, et par exemple les différents patois, qui sont aussi importants à mes yeux. Le patriotisme, les traditions, il ne faut pas laisser cela à l‘UDC. Être patriote, c‘est aimer son pays et vouloir lui donner la meilleure image à l‘étranger: une Suisse ouverte, engagée sur la scène internationale, solidaire et à la pointe de la recherche. Ein anderes Thema ist die Gewerkschaftsarbeit: du bist aktives Mitglied der Unia. Wo siehst du die Zukunft der Gewerkschaften und der Lohnarbeit in der Schweiz? Was muss sich verändern? Mon engagement politique est en effet avant tout guidé par l‘action syndicale. La défense des travailleurs, c‘est la raison historique de la création du PS, en Suisse comme ailleurs. Nous ne devons pas l‘oublier. La question salariale est importante. Un salaire minimum doit être instauré en Suisse. Tout travail mérite un salaire décent. C‘est une question de bon sens. Mais il y a aussi beaucoup à faire dans

d‘autres domaines : pour une retraite flexible tenant compte de la pénibilité du travail; une intervention claire de la Confédération pour lutter contre le dumping et la sous-enchère salariale; ou encore des mesures pour une amélioration des conditions de travail,… Unterstützt du die 1 zu 12-Initiative? Wieso ja/nein? Oui, bien sûr! J‘avais d‘ailleurs été récolter des signatures dans la rue pour l‘initiative avec les JS Valais romand. Notre initiative est importante car elle permettra de mettre enfin une limite aux écarts salariaux particulièrement choquants dans notre pays. Elle ne concerne d‘ailleurs absolument pas les petits entrepreneurs!

Mathias - ganz kurz Geboren am: 7. September 1987 Ausbildung: Studium in Französisch, Geschichte & Philosophie Arbeit:Lehrer im Orientierungsjahr Politik:Mitglied Grosser Rat Wallis, Mitglied Unia

(fah) Nicht nur Mathias Reynard hat den Sprung in den Nationalrat geschafft. Ebenfalls siegreich war der ehemalige JUSO-Präsident Cédric Wermuth. Dass im Aargau etwas drin liegen könnte, hat man erwartet. Cédric überraschte jedoch mit einem Glanzresultat. Er rückte einen Platz vor und überholte gar den bisherigen Nationalrat Max Chopard. Cédric landete auf dem zweiten Listenplatz direkt hinter der sensationell zur Ständerrätin gewählten Pascal Bruderer. Länger um den Sitz zittern musste der Waadtländer Jean Christoph Schwaab. Nachdem er im Oktober auf dem ersten Ersatzplatz gelandet ist, konnte er nach dem zweiten Wahlgang für die in den Ständerat gewählte Géraldin Savary nachrutschen. Somit ist die JUSO in der kommenden Legislatur mit drei Personen im Nationalrat vertreten.


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INFRARot • JUSO • Dezember 2011

Regierungsbeteiligung 7

« Wir dürfen nicht der Bürgerlichen Feigenblatt sein! » Am 5. November diskutierte die JUSO in Liestal über das Thema Regierungsbeteiligung. Das ursprüngliche Papier «Jetzt mit den Bürgerlichen brechen» wurde überraschenderweise ohne inhaltliche Debatte verworfen. Stattdessen nahm die Versammlung das Gegenpapier «Für eine sozialdemokratische Politik Verantwortung übernehmen» an. Anna Meister, Mitautorin des Grundsatzpapiers und Fabian Molina, Mitverfasser des Gegenpapiers, trafen sich im Streitgespräch wieder.

Kommentar Von Felix Graf

Eine vergebene Chance

Von Felix Graf

Anna, warum ist es wichtig, die Frage der Regierungsbeteiligung zu stellen und was bewegte dich zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe? Anna: «Wir haben heute andere Voraussetzungen für eine Regierungsbeteiligung der SP als in der Nachkriegszeit. Seit mittlerweile 20 Jahren ist der Neoliberalismus vorherrschend, zudem stehen wir vor einer schweren Wirtschaftskrise. Es gilt, die Aufgaben der Linken neu zu überdenken. Klar wollen wir Macht, aber unter welchen Bedingungen? Im Bundesrat gibt es eine klare Bürgerliche Mehrheit. Wir dürfen nicht deren Feigenblatt sein. Zudem kann man beim Bundesrat gar nicht von einem demokratischen Gremium sprechen – die SP Bundesrätinnen dürfen in der Öffentlichkeit ja nicht einmal ihre Meinung vertreten. Ausserdem können wir mit zwei Bundesrätinnen unsere Interessen gar nicht durchsetzen.»

Fabian, was hat dich dazu gebracht, ein Gegenpapier zu verfassen? Fabian: «Zunächst: Mich hat es sehr gefreut, dass dieses Positionspapier geschrieben wurde. Egal ob ein Papier gut oder schlecht ist, es dient doch der Meinungsfindung innerhalb der Partei. Und für diese Meinungsfindung war jetzt der richtige Moment. Denn im neuen Parteiprogramm hat die SP mit dem klaren Ziel Überwindung des Kapitalismus und Abschaffung der Armee Positionen eingenommen, deren Aufgabe einst Bedingung für die Aufnahme der SP in den Bundesrat war. Diese Positionen müssen nun klar verteidigt werden und dürfen durch die Bürgerlichen nicht zur Disposition gestellt werden. Trotzdem halte ich die Frage der Bundesratsbeteiligung eher für eine strategische als für eine Glaubensfrage. Ich denke es wäre heute verheerend, wenn die SP dieses wichtige Gremium den Rechten mit ihrer neoliberalen Politik überlassen würde. Der Austritt aus dem BR würde uns schaden.» Fabian, was störte dich am ursprünglichen Papier? Fabian: «Das Papier hatte keine klare Linie. Es formulierte Bedingungen für eine Bundesratsbeteiligung, die heute nie und nimmer erfüllt wären. Auch bei der historischen Analyse mangelte es.»

Fabian: « Unser Kampf findet überall statt, auch im Bundesrat.»

Weshalb lehnte die JV das ursprüngliche Papier ab? Anna: «Das ist schwierig zu sagen, da es ja keine politische Diskussion darüber gab. Das Thema Regierungsbeteiligung scheint aber für einige JUSOs eine heilige Kuh zu sein. Die Sprache unseres Papiers hat wohl auch einige abgeschreckt. Vielleicht haben einzelne JUSOs auch nicht ganz verstanden, um was es geht. Insgesamt liess sich erkennen, dass eine Mehr-

heit hinter der Regierungsbeteiligung steht. Wir akzeptieren diesen demokratischen Entscheid.» Fabian: «Es gab bei dieser JV eine Dynamik, die ich nicht erwartet habe. Ich finde es schade, dass das ursprüngliche Papier ohne politische Diskussion abgelehnt wurde. Man sollte inhaltliche Debatten führen.» Was bedeutet diese diskussionslose Verwerfung eines Papiers aus der Basis für die JUSO? Anna: «Es zeigt, dass gewisse Schichten in der Juso Angst haben vor polarisierenden politischen Debatten. Ich glaube es ist das erste Mal, dass ein Grundsatzpapier nicht diskutiert worden ist. Ich habe die JUSO immer als Partei empfunden, in der Diskussionen erwünscht sind und war sehr erstaunt, dass es dazu nicht kam. Die Diskussion, die wir dann noch führten, war eigentlich nur noch eine über verschiedene Anträge, und keine grundsätzliche mehr.» Fabian: «Ich denke, man darf die ganze Sache nicht überschätzen. Wir haben eine gute Diskussionskultur, das wird sich auch nach dieser JV nicht ändern. Positionspapiere müssen kritisch beäugt werden, sie müssen aber auch diskutiert und nicht einfach abgelehnt werden.» Was fehlt dem Gegenpapier Molina/Zürcher/Schai? Anna: «Dieses Papier ist eigentlich eine abgespeckte Version des unsrigen. Ich finde es fragwürdig, wenn man einerseits im SP-Parteiprogramm die Überwindung des Kapitalismus` fordert und dann gleichzeitig Dinge schreibt, die total weit weg vom Programm sind. In eurem Papier fehlen die konkreten Punkte. Es ist mir einfach zu schwach, auch historisch. Die sozialen Errungenschaften der Nachkriegszeit,

die ihr den SP-Bundesräten zuschreibt, kamen hauptsächlich auf Druck der Basis zustande. Ausserdem war diese wirtschaftliche Periode des Aufschwungs einmalig. Noch ein Wort zum Titel: Es geht in erster Linie um die Interessensvertretung, nicht um Verantwortung.» Fabian: «Unser Papier ist keine Light-Version. Wir sind uns bewusst, dass wir in einem kapitalistischen Staat leben. Unser Kampf findet überall statt, auch im Bundesrat. Die Frage nach der Regierungsbeteiligung ist eine Frage des Abwägens. Können wir im Bundesrat die Interessen der überwältigenden Mehrheit, die die SP vertritt, verteidigen? Dazu brauchen wir die passenden Exponenten. Leider nominiert die SP-Fraktion Leute, die sich schon verschiedentlich von unseren Positionen öffentlich distanziert haben. Hier liegt das Problem. Und nicht in der Regierungsbeteiligung an sich. Daher finde ich den Titel auch passend. Wir wollen Verantwortung übernehmen für sozialdemokratische Politik, nicht für ein bürgerliches Konstrukt.»

Anna: « Klar wollen wir Macht, aber unter welchen Bedingungen? »

Anna: «Bei den Kandidat/Innen können wir doch gar nicht auswählen. Denn die bürgerliche Mehrheit entscheidet, wer gewählt wird.Die Frage nach der Regierungsbeteiligung ist Teil einer umfassenderen Frage: Was will die SP erreichen und wofür steht sie? Die Zukunft der SP liegt in deren Entstehungsgeschichte. Also noch weit vor der Frage nach einer Bundesratsbeteiligung.»

Was wird das nun verabschiedete Papier in der SP und der Öffentlichkeit bewirken? Fabian: «Unser Papier hat schon viel bewirkt. Einige SPler sind auf mich zugekommen und haben mich auf das Papier angesprochen. Allerdings wäre es vermessen zu glauben, dass es im Dezember bei den Bundesratswahlen echten Einfluss nehmen könnte. Wichtig ist, dass es ernst genommen wird und dass wir die SP weiter auf einem linken Kurs halten können.» Was hätte das ursprüngliche Papier bewirkt? Anna: «Es hätte sicher zu intensiven und grundsätzlichen Diskussionen in der SP geführt. Unser bürgerlicher Staat hätte hinterfragt werden müssen. Beim nun verabschiedeten Papier weiss ich nicht, wie viel es wirklich bewirken kann. Es bezieht zu wenig klar Stellung in wichtigen Fragen. Mit unserem Papier wären wir sicher auf viel Gegenwind gestossen. Es hätten dadurch aber auch einige Steine ins Rollen gebracht werden können.»

Das Ergebnis der Nichteintretensabstimmung für das Positionspapier „Jetzt mit den Bürgerlichen brechen“ war ein Paukenschlag: Er wurde mit 88 zu 68 Stimmen angenommen. Damit gab es keine Diskussion über das ursprüngliche Positionspapier zur Regierungsbeteiligung der SP, um das es an der ausserordentlichen JV eigentlich hätte gehen sollen. Stattdessen drehte sich die Debatte nun um zwei Gegenpapiere. Zum Schluss wurde das Papier Molina/ Zürcher/Schai leicht abgeändert angenommen. Damit stimmte die JV einer weniger radikalen und vor allem im Ton gemässigteren Version zu. Egal, ob man sich nun eher mit dem ursprünglichen, mit einem der beiden Gegenpapiere oder mit gar keinem der Vorschläge identifizieren konnte, hinterlässt die ausserordentliche JV einen bitteren Nachgeschmack. Dass die versammelten JUSOs sich offensichtlich einer Diskussion über das ursprüngliche Papier verweigerten, stimmt nachdenklich. Man kann ein Papier schlecht finden, man kann es als in der Wortwahl unglücklich betrachten, man kann den Inhalt als unausgereift bezeichnen. Doch genau dann muss man mit Verbesserungsvorschlägen und Kritiken ans Mikrofon treten und die Punkte, die einem missfallen, ansprechen. Das bisher Geleistete kann und soll von der JV verbessert und ergänzt werden. So können gute Stellungsnahmen der JUSO zu brisanten Themen entstehen. Dies alles auch nicht zuletzt aus Respekt vor einer Arbeitsgruppe, in der sich JUSOs engagiert und viel Zeit investiert haben. Es ist zu hoffen, dass die Vorgänge an der letzten JV eine Ausnahme in der Geschichte der JUSO bleiben.


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Geschäftsleitung 9

INFRARot • JUSO • Dezember 2011

28 Milliarden – jedes Jahr Lange Jahre neoliberaler Vorherrschaft müssen ein Ende finden, Emanzipation, Befreiung und soziale Gerechtigkeit ihre Renaissance erleben. Weil dies nicht von alleine geschieht, gibt es das Denknetz.

Interview von Fabio Höhener mit Jonas Zürcher Jonas Zürcher ist das neuste Mitglied in der Geschäftsleitung der JUSO Schweiz. Das infrarot sprach mit dem Berner über die Perspektiven der JUSO und seine persönlichen Ambitionen.

Von Fabio Höhener

von David Roth, Juso-Präsident und DenknetzVorstandsmitglied und Beat Ringger, geschäftsleitender Sekretär des Denknetz

Das Denknetz ist ein wachsender Verein mit gegenwärtig 800 Einzelmitgliedern und 60 aktiv Mitwirkenden, unabhängig, jedoch gut vernetzt mit SGB-Gewerkschaften, linken Parteien und andern NGO. Neoliberale Ideologien stellen die unternehmerische Freiheit über alles andere. Im Gegensatz dazu lautet das Denknetz-Credo: Freiheit, Gleichheit und Solidarität müssen gemeinsam gefördert werden. Zu viel Ungleichheit und zu wenig Solidarität gefährden die Grundlagen der Zivilisation. Die Gewinne von heute sind die Krisen von morgen - so bringt das Denknetz auf den Punkt, was gegenwärtig abgeht. Die Vorstellung, die Gewinne von heute seien die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen trifft immer weniger zu. Denn seit 30 Jahren steigt weltweit der Anteil der Gewinne an der Wirtschaftsleistung (BIP) kontinuierlich an. Der Anteil der Investitionen in reale Wirtschaftstätigkeiten jedoch nimmt ab, und das ist brisant. Denn das bedeutet, dass die Gewinne zunehmend in die Finanzmärkte statt in reales Wirtschaften geleitet werden. Die Folge: Aufgeblähte Finanzmärkte, hochgeschraubte Renditeerwartungen, gefährliche Spekulationsblasen einerseits, zu wenig Gelder für den ökologischen Umbau und für öffentliche Dienste andererseits.

25 Milliarden rückverteilen

Die soziale und demokratische Kernaufgabe lautet heute deshalb, den gesellschaftlichen Reichtum aus den Finanz-

märkten herauszulösen und in die Zonen gesellschaftlicher Nützlichkeit zurückzuholen. Ein Weg dahin: Anständige Mindestlöhne. Ein weiterer Weg: Eine gründlich revidierte Steuerpolitik. In der neuesten Denknetz-Publikation Richtig Steuern weisen 18 Autoren und Autorinnen nach, wie die Schweiz mit Reichenund mit Unternehmenssteuern jedes Jahr 28 Milliarden Franken Mehrerträge generieren kann. Diese Gelder braucht es für Kindertagesstätten, für die Energiewende, für Entwicklungshilfe, für ein starkes Gesundheitswesen, für öffentliche Infrastrukturen, für die Bildung. Gleichzeitig werden mit diesen Steuern die Spekulationsblasen auf den Finanzmärkten gedämpft.

Reformen, die die Probleme an den Wurzeln angehen Ein guter Teil der Denkarbeit, die im Denknetz geleistet wird, findet in den sechs Fachgruppen statt. Dabei wird über die Fragmentierungen in der Politik und der Wissenschaft hinausgedacht. Ein Beispiel: Tragfähige Lösungen in der sozialen Sicherheit kommen nur zustande, wenn neben den Sozialwerken auch die Spielregeln auf den Arbeitsmärkten und die unbezahlte Care-Arbeit einbezogen werden. Auf diesem Grundgedanken basiert der Denknetz-Vorschlag einer Allgemeinen Erwerbsversicherung AEV, den wir vor zwei Jahren lanciert haben, und um den man in den Diskussionen um Existenzsicherung und Erwerbsarbeit mittlerweile

nicht mehr herumkommt. Unsere Reformkonzepte haben wir in einer Reformagenda zusammengefasst: Für eine Schweiz, die aus dem gegenwärtigen Zockermodell der Finanzeliten aussteigt, sich auf ihre Stärken besinnt und dafür sorgt, dass soziale, ökologische und ökonomische Ziele miteinander verbunden werden

Denknetz-Mitglied werden Das Denknetz ist ein linker, basisorientierter Thinktank und wird von 800 Mitgliedern getragen. Denknetz-Mitglieder erhalten das Jahrbuch und alle weiteren Buchpublikationen kostenlos zugesandt, ebenso einen vierteljährlichen Infobrief. Dieser bietet jeweils einen Überblick zu einem ausgewählten Thema, mit Dutzenden von Links zur Vertiefung. Der Mitgliederbeitrag beträgt Fr. 40.für Nicht- und wenig Verdienende und Fr. 100.- für Normalverdiendende. Mehr Informationen und der Link zum Beitreten: unter www.denknetz-online.ch Diesem Infrarot liegt eine Beitrittskarte bei.

Der 24-jährige Jonas Zürcher ist das neuste Mitglied in der Geschäftsleitung der JUSO Schweiz. Der gelernte Polymechaniker hat als GSoA-Sekretär und in seiner SP/JUSO Sektion bereits viel politische Erfahrung sammeln können. Das infrarot sprach mit dem Berner über die Perspektiven der JUSO und seine persönlichen Ambitionen. Was war deine Motivation, um für die GL zu kandidieren? Meine Motivation ist dieselbe, wie es schon im Frühling war: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der JUSO einen grossen Teil dazu beitragen können, diese Welt gerechter zu gestalten. Die konkrete Mitarbeit in der JUSO hat mich immer gereizt. Jetzt hat es geklappt. Wie warst du in der JUSO aktiv, bevor du in die GL gewählt worden bist? Ich war einige Zeit im Vorstand der JUSO Stadt Bern. Meine aktive Phase begann mit der Lancierung der 1:12 Initiative. Mein letztes Ämtli war Sekretär der JUSO Stadt Bern. Neben der JUSO war ich in anderen Projekten, wie zum Beispiel der Reitschul-Kampagne involviert. Seit diesem Frühling arbeite ich zudem als Sekretär der GSoA. Was sollte die JUSO tun, um noch mehr Menschen anzusprechen? Es muss einfach sein, in der JUSO mitzuarbeiten. Ich finde, dass die JUSO diesbezüglich auf einem guten Weg ist. Wichtig ist auch, dass die vielen Sektionen interessante Projekte verfolgen. Liegen dir gewisse politische Projekte besonders am Herzen?

Durch meine Arbeit bei der GSoA bin ich natürlich sehr sensibilisiert auf sicherheitspolitische Themen. Diese hängen eng mit anderen Themen zusammen. Das Gesicht des Kapitalismus zeigt sich in bewaffneten Konflikten am deutlichsten. Dass die Schweiz es nicht schafft, aus « Um den Kapitalismus zu überwinden, muss auf verschiedenen Ebenen gearbeitet werden.»

dem Geschäft mit dem Tod auszusteigen, ist ein Skandal! Was ist die Rolle der JUSO in der Sozialdemokratischen Familie? Ich bin froh, dass wir in der JUSO so viel Bildungsarbeit leisten. Die Aufgabe der JUSO ist es einen einfachen Einstieg in die Politik zu zeigen und ein politisches Fundament für die Mitglieder auf ihren Weg mitzugeben. Es dünkt mich, dass gerade das von der SP lange vernachlässigt wurde. Wie empfindest du die Beziehung zwischen der Basis und der GL? Mir fiel es immer sehr einfach um mit der GL oder Exponenten davon in Kontakt zu bleiben. Dies liegt nicht zuletzt auch an den Leuten in der GL, welche alle sehr zugänglich sind. Ich habe das immer sehr geschätzt und will es so beibehalten. Welche politischen Themen sind für dich zentral? Sicherheitspolitik ist der Ansatz, welchen ich jetzt am stärksten verfolge. Wie vorhin schon erwähnt, hängen viele politische Themen zusammen und ergeben ein Bild der politischen Landschaft. Um den

Kapitalismus zu überwinden, muss auf verschiedenen Ebenen gearbeitet werden. Wie sehen deine weiteren politischen Ambitionen aus? Was sind deine Pläne für die Zukunft? Gerne würde ich in einem Parlament mitbestimmen. Um in den Nationalrat gewählt zu werden geht wohl noch viel Wasser am Bundeshaus vorbei. Fast hätte ich auf der Nationalratsliste Roland Näf, unseren Präsidenten der SP Kanton Bern, überholt. Nächstes Jahr sind in Bern Stadtratswahlen. Mal sehen, ob es reicht. Gut möglich, dass es reicht. Die JUSO ist in 5 Jahren… Die JUSO hält alle Superlative unter den Jungparteien. Ich wünsche mir, dass wir unsere Ziele in politische Realität umsetzen können. Wenigstens ein Teil davon.


Kommunalpolitik 11

10 INFRARot • JUSO • Dezember 2011

Besetzen wir die Gemeindepolitik Kommunalpolitik ist bei vielen Linken verpönt. Der Sozialist und die Sozialistin denkt in globalen, das heisst internationalen Sphären. Dabei verkennt er oder sie, wie wichtig die politische Verankerung im Dorf für unsere politisches System ist

Von Fabio Höhener

Nur spärlich füllt sich die Mehrzweckhalle einer Gemeinde im schweizerischen Mittelland. Die Angestellten des Bauamtes haben den Saal grosszügig bestuhlt, bis zum Beginn der Einwohnergemeindeversammlung wird jedoch rund die Hälfte der Plätze leer bleiben. Erstaunlich, bedenkt man, dass heikle und wichtige Geschäfte auf der Traktandenliste stehen. Nur rund hundert Personen der 2500 Einwohner werden der Versammlung beiwohnen. Das bedeutet, das Quorum von 5 Prozent wird nicht erreicht und alle Entscheidungen unterliegen dem fakultativen Referendum. Anwesend sind die üblichen Verdächtigen: Das Stammpublikum einer jeder Gemeindeversammlung in der Agglomeration ist mehrheitlich alt und konservativ. Nach dem Eintreten in die umfunktionierte Turnhalle schweifen die Blicke der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zum kleinen Gästesektor. Dort sitzt am Rand des Saales die junge Sabrina Meier. Sie ist 1987 in Zürich geboren, doch auf dem Papier deutsche Staatsangehörige. Sie erbittet die politische Gemeinde um das schweizerische Bürgerrecht. Die Symbolik ist klar: Sabrina ist noch nicht Teil der Gemeinde. Will sie es werden, muss sie sich dem schweizerischen Einbürgerungsritus stellen. Die sichtlich nervöse Sabrina muss sich aber noch gedulden. Ihr Traktandum folgt erst gegen Schluss und die Traktandenliste verspricht eine lange und kontroverse Versammlung.

Sie kommt der politischen Philosophie des Volkssouveränität von Jean Jaques Rousseau am nächsten und auch die Lokalpatrioten wissen: Die Wiege der direkten Demokratie findet man an der kommunalen Gemeindeversammlung. Doch selten folgt sie dem rousseauschen Idealbild. An der Einwohnergemeinde entscheidet die Volonté de tous, also die Summe der Einzelinteressen und nicht etwa die Volonté générale, der Gemeinwille. Wer jemals an einer Budgetgemeinde teilgenommen hat, weiss von was hier die Rede ist.

« Der Gemeinderat soll unternehmerisch handeln. »

Der Finanzchef des Gemeinderats tritt ans Rednerpult. Die Powerpointfolie zeigt den Finanzplan der Gemeinde. Dieses Jahr kann er der finanziell privile-

gierten Gemeinde keine rosigen Aussichten bieten. Die Gemeinde spürt die Wirtschaftskrise. Die Einnahmen gehen zurück. Eine Steuererhöhung bleibt unvermeidlich und trotzdem wird das angesparte Eigenkapital bald aufgebraucht sein. Unruhe kommt im Saal auf. Ein Bürger und FDP Mitglied meldet sich zu Wort: «Als Unternehmer ist mir die Finanzplanung unerklärlich, wieso werden die defizitären Posten nicht aus dem Budget gestrichen?» Hinter solchen Aussagen steckt nicht bürgerliche Naivität, sondern knallharte Ideologie. Der öffentliche Sektor soll verschwinden und die Gemeinde mit ihr. Werden alle finanziell nicht lukrativen Budgetposten gestrichen, so bräuchte es auch keine Gemeinde mehr. Schule, Feuerwehr, Wasserleitungen, Strassen, Abfallentsorgung, Sozialhilfe, Alterswohnungen, Polizei und viele mehr, sind aus rein finanzieller Sicht äusserst unattraktiv. Der freisinnige Gemeinderat sieht sich gezwungen, die Frage zu beantworten.

Vom Eigeninteresse und dem Gemeinwillen Rund 82 Prozent aller Gemeinden in der Schweiz kennen die Gemeindeversammlung und nur 18 Prozent verfügen über ein Parlament. In der versammlungsdemokratischen Legislative streiten die Stimmberechtigten über die Feuerwehrfusion, die Wasserkanalrevision und selbstverständlich über die Höhe des Steuerfusses.

Dieses Bild könnte in 82 Prozent aller Gemeinden entstanden sein.

Widerwillig und halbherzig bemerkt er, dass man eine Gemeinde eben nicht wie ein Unternehmen führen könne. Der Saal scheint von dieser Antwort nicht überzeugt zu sein. Weitere Sparmöglichkeiten werden thematisiert. Wo bleibt die Linke, die dieser Ideologie widerspricht? Wo sind die Votanten, die sich gegen den Abbau wehren? Wo bleiben die SozialdemokratInnen, die über Sinn und Zweck von öffentlichen Angelegenheiten referieren? Sie alle bleiben an dieser Versammlung einmal mehr stumm.

Die SP hat die Agglo verloren

Laut einer Studie sind 49,1 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Kommunalpolitik die grösste Auswirkung auf das tägliche Leben besitzt. Weitere 30,4 Prozent behauptet dasselbe von der kantonalen und 20,5 Prozent von der nationalen Politik. Obwohl der Einfluss der Gemeinden kleiner wird und sie immer mehr nur noch Vollzugsträger von föderaler oder kantonaler Politiken sind, scheinen sie in der Wahrnehmung der BürgerInnen als diejenige politische Institution, die das tägliche Leben am stärksten prägt. Umso enttäuschender, dass die JUSO und die SP in vielen kleineren Gemeinden kaum wahrgenommen wird und dort auch nur selten im Gemeinderat vertreten ist. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Die SP stellt nur fünf Prozent aller GemeindepräsidentInnen, wobei CVP, FDP und SVP jeweils über zwanzig Prozent der Sitze beanspruchen. Die stärkste Kraft auf Gemeindeebene sind die Parteilosen. Das war nicht immer so: Im Jahre 1988 waren noch rund neunzig Prozent aller Gemeindeexekutiven in den Händen der Bundesratsparteien. Danach folgte bis 2005 die Erosion. Die Parteilosen greifen auf Kommunalebene die etablierten Parteien an, so dass alle (FDP: 10.4%, CVP: -11.7%, SP: -12.5%) massiv Federn lassen mussten. Nur der SVP (+ 12,9%)

Der Organisationsgrad der SP auf Gemeindeeben wird kleiner, nur die SVP gewinnt neue Sektionen dazu. (Quelle: Ladner 2008)

gelang es, ihren Einfluss trotz Erstarken der Parteilosen zu vergrössern. Der Erfolg der SVP auf Kommunalebene geht also Hand in Hand mit dem Aufstieg der SVP auf Bundesebene. Wieso sich die SozialdemokratInnen aus der Politik in den kleinen Gemeinden verabschiedet hat, ist

« Laut sind immer nur die Anderen.»

schwierig zu erklären. Vielleicht ist es Arroganz. Man palavert lieber über das weltpolitische Tagesgeschehen, als in der eigenen Nachbarschaft Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht wird es wieder Zeit, einen alten Slogan hervorzukramen. «Think global, act local» Die Versammlung neigt sich dem Ende zu. Am Schluss werden alle Anträge des Gemeinderats zuweilen klar angenommen. Das Dorf saniert eine Wasserlei-

tung, erhält einen Sozialdienst, führt Schulsozialarbeit ein, bürgert Sabrina ein, streicht keinen Budgetposten und erhöht die Steuern um drei Prozent auf immer noch attraktive 86 Prozent. Die Stimme der Vernunft hat gesiegt, auch wenn sie an der Versammlung kaum zu hören war. Laut waren nur die Anderen. Es wird Zeit, dass wir das ändern. Wir dürfen uns nicht zu schade sein, auch in der Kommune Politik zu betreiben. Die Themen sind wichtiger als sie wirken, denn sie treffen die Leute in ihrem Lebensmittelpunkt. Und genau dort will die JUSO und die SP erklärtermassen hin. Nehmt an den Versammlungen teil, organisiert die progressiven Kräfte, stellt Anträge, lasst euch in die Kommissionen wählen, sagt, was ihr zu sagen habt. Es ist Zeit für Occupy Agglo-Gemeinden!


12 INFRARot • JUSO • Dezember 2011

Wahlkampf und Wahlparty 2011 Junge Perspektiven «Du bist ein junges, engagiertes Mitglied der SP oder der JUSO. Du hast Lust auf politische Vernetzung und gemeinsames Engagement? Und du suchst spannende Perspektiven? Dann bist du genau richtig bei der Nachwuchsförderung von SP und JUSO. Interessiert? Mehr Infos auf juso.ch. Die Anmeldefrist läuft bis zum 31. Januar 2012.»

Impressum Herausgeber: Infrarot – Infrarouge –Infrarosso – Infracotschen · Spitalgasse 34, PF 8208, 3001 Bern, www.juso.ch,

www.jss.ch · Kontakt: infrarot@juso.ch, 031 329 69 99 · Redaktion: Clau Dermont, Felix Graf, Fabio Höhener, Samira Marty, Kristina Schüpbach, Angelo Zehr · Design & Layout: art.I.schock GmbH, Zürich, www.artischock.net · Druck: S & Z Print, 3902 Brig-Glis · Abo: Fr. 20.- / Jahr – Infrarot erscheint 6 Mal pro Jahr.


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