SPIRIT of Styria - 06/2021 – Talk am Ring

JULI 2021

N°06

€ 4,50

OF ST YRIA

Österreichische Post AG / MZ / 17Z040992 M / Grazetta GmbH, Opernring 4, 8010 Graz/ Jahrgang 05/ Nummer 06/ Preis: Euro 4,50/ Foto: Oliver Wolf

WIRTSCHAFT / WANDEL / WACHSTUM

DER NEUE WERT

DES WOHNENS GWS-Geschäftsführer Johannes Geiger über Wohnkonzepte mit Zukunft und die preisdämpfende Wirkung der gemeinnützigen Wohnbauträger

FICHTE GOES BIO-PL ASTIK

GEWINN MIT SINN

DIE ZUKUNF T DER LOGISTIK

So wollen Grazer Forscher Erdöl durch Biomasse ersetzen

SPIRIT-Talk: Was Unternehmen nachhaltig erfolgreich macht

Hightech für den Warenstrom: Steirische Logistik-Innovationen

SPI R I T

TA LK

AM RING

PROTOKOLL FOTOS

WOLFGANG SCHOBER ISTOCK, OLIVER WOLF

IST NACH DER K RISE

VOR DER KRISE? UN T ERNEHMERT UM Z WISCHEN GE WINN UND SINN Globalisierung, Ökologisierung, Digitalisierung und zunehmende Komplexität – die ­Anforderungen an Unternehmen steigen auch jenseits der Pandemie. Wie lassen sich ­­ Sinn- und Gewinnorientierung in der Wirtschaft in Einklang bringen? „SPIRIT of Styria“ lud steirische Unternehmenspersönlichkeiten zu einem hochkarätigen Round-table.

Ist nach der Krise vor der nächsten Krise? Wie können sich ­U nternehmen vorbereiten?

TALK AM RING ist ein Diskussionsformat von SPIRIT of Styria. Jeden Monat laden wir Experten zur Diskussion über ein spannendes Wirtschaftsthema an den Runden Tisch in die Redaktion am Grazer Opernring.

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Götzenauer: Corona hatte zweifellos massive Auswirkungen, hat aber auch viele andere mindestens ebenso existenzielle Krisen verdeckt. Auf der Makroebene – siehe Klimakrise, Überbevölkerung oder Verteilungsproblematik – ebenso wie auf der Ebene der Unternehmen, die schon vor Corona oftmals echte Krisen durchlebten. Dafür gibt es eine Unmenge an Ursachen. Der Spruch „Ein gesunder Mensch hat viele Wünsche, ein kranker Mensch nur einen“ trifft auch auf Unternehmen zu. Gesund zu werden bzw. wirtschaftlich gesund zu sein, steht daher bei unserer Beratungstätigkeit an erster Stelle.

Dabei gehen wir oft auch einen Schritt zurück: Denn all das, was es für ein Unternehmen braucht, um wettbewerbsfähig zu sein, fußt auf grundlegenden Rahmenbedingungen, die stimmen müssen – einen

intakten Planeten, ein funktionierendes Sozialsystem, gesunde Menschen in einer lebenswerten Umgebung. Daraus ergibt sich für Unternehmen oftmals ein Spannungsfeld – ein schmaler Grat zwischen Sinn- und Gewinnorientierung, der eigentümergeführten Unternehmen in der Regel besser gelingt als typischen Konzernvertretern. Daher arbeiten wir auch vorwiegend mit KMU zusammen. Mit ihnen gemeinsam suchen wir nach Möglichkeiten, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ohne den Blick für das Ganze aus den Augen zu verlieren.

Zotter: Wir beschäftigen uns schon länger mit ökonomischen und ökologischen Umbrüchen, den Grenzen des Wachstums, der globalen Krise sowie den Arbeitswelten der Zukunft. Absurderweise hat die jüngste Krise uns das beste Wirtschaftsjahr a ­ ller Zeiten beschert – obwohl wir pandemiebedingt

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Erst testen, dann talken: Angeregte Diskussion über das Thema „Gewinnund Sinnorientierung“ in der Redaktion von „SPIRT of Styria“ mit Herausgeber ­Siegmund Birnstingl und CR W ­ olfgang Schober

DIE TEILNEHMER 01 | Jürgen Götzenauer Schubkraft Team- und Organisationsentwicklung 02 | Josef Zotter 01

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Unternehmer „Zotter Schokoladen Manufaktur“ 03 | Roland Fink Unternehmer „niceshops“ 04 | Gerald Jaritz Schubkraft Team- und Organisationsentwicklung

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in unserem Schoko-Laden-Theater 100.000 Besucher weniger hatten. Dafür hat der Online-Bereich enorm geboomt. Uns gibt es jetzt schon seit über 30 Jahren und wir haben alles erlebt von der Pleite bis zu Höhenflügen. Als es mit Corona losging, waren wir zu Beginn wie paralysiert. Aber schon nach ein paar Wochen hat sich herausgestellt, dass es trotz allem ganz gut läuft und später sogar sensationell. Da habe ich mir die Frage gestellt: Warum ist das so? Essen die Menschen in einer Krise vielleicht mehr Schokolade als Anti-Depressivum?

Nein! Vielmehr ist es offensichtlich so, dass wir in vergangenen Jahren einfach viel Vorarbeit geleistet haben und dass die Werte, für die wir stehen, und unsere Wirtschaftsweise gerade in der Krise zum Tragen kommen und von den Menschen geschätzt werden. Mit dieser Werteorientierung erfüllen wir offenbar eine Sehnsucht der Konsumenten – das

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05 | Martin Auer

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Unternehmer „MARTIN AUER“

bekommen wir auch immer wieder bestätigt. Wir sehen ja, wie die Menschen jetzt anfangen, ihr Leben neu zu bewerten und diese extreme Beschleunigung einfach satt haben. Da ist man schnell auch bei der Facharbeiter- und Lehrlingsmangeldiskussion. Es ist Faktum: Die Jugend denkt heute ganz anders. Damit müssen wir uns als Unternehmer auseinandersetzen. Auch die Kurzarbeit hat bei vielen ein Umdenken ausgelöst. Wir spüren das im Unternehmen bereits und bekommen plötzlich viel mehr Bewerbungen von Menschen, die nur 28, 30 oder 32 Stunden arbeiten möchten. Jetzt könnte man sagen: Wie böse, die Leute wollen nicht mehr arbeiten! Aber ich glaube, wenn wir einen Wandel schaffen wollen, zum Beispiel auch den Green Deal in Europa, dann braucht es ein Umdenken auf allen Ebenen. Dazu gehört auch Arbeit und Konsum.

Ich bin sicher, wir werden künftig anders konsu-

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„Die Menschen sind sich bewusst, dass nicht alles selbstverständlich ist – alles hat ein Ablaufdatum und wir legen in die Waagschale, wofür wir unsere Lebenszeit einsetzen.“ JÜRGEN GÖTZENAUER SCHUBKRAFT TEAM- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

mieren, vielleicht weniger, aber ganz sicher besser.

Denn eines wollen wir ja alle: Qualität!

Macht dieses Qualitätsdenken krisenresilienter?

Auer: In unserem Kerngeschäft stellen wir uns die Qualitätsfrage schon lange: Was können wir unseren Kunden geben? Wofür bezahlt uns der Kunde, die Kundin wirklich? Sie tun es nicht bzw. nicht nur für Kalorien und fürs Sattmachen, sondern für die Veredelung und das Erlebnis. Letztlich geht es um die Qualität des Produkts, des Service und der Marke. Wie kommunizieren wir? Wie erscheinen wir? Wie präsentieren wir uns? Von der Einrichtung der Geschäfte bis zur Bekleidung der Mitarbeiter – all diese tausend Details. Längst geht es aber nicht nur um die Kunden da draußen, sondern auch um die Kunden da drinnen: unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch diesen müssen wir Qualität in puncto Produkt, Service und Marke bieten.

Das Produkt ist in diesem Fall der Job bzw. die Job Description. Die Service-Qualität ist die Kommunikation bzw. Wertschätzung, Empathie und Achtsamkeit im Team. Und schließlich die Marke – sie betrifft die Frage, wofür Menschen eigentlich arbeiten. Ist es ihnen egal, womit sie ihr Geld verdienen oder sehen sie darin etwas Sinn- oder Selbstwertstiftendes? Dabei kommt auch unseren Führungskräften große Verantwortung zu, indem sie den Mitarbeitern klar machen, wie groß ihre Aufgabe ist und dass sie diese gar nicht überschätzen können – es ist dieselbe respektvolle Haltung, mit der wir unseren Kundinnen und Kunden gegenüber-

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treten. Das Organigramm einmal um 180 Grad zu drehen – vielleicht wurde dieses Bewusstsein von Unternehmen in der Vergangenheit verabsäumt.

Schließlich sind Unternehmer eine Bevölkerungsgruppe, die mehr Möglichkeiten der Prägung und der Gestaltung hat als die Arbeitnehmerseite. Aber ich kann nur für unser Unternehmen sprechen und da habe ich das Gefühl, dass wir uns eine gute Position am Arbeitsmarkt erarbeiten konnten und wir uns glücklicherweise beim Rekrutieren leichter tun als andere. Klar, auch wir müssen uns immer wieder nach der Decke strecken, aber wir sind dankbar für das, was gelungen ist.

Zotter: Was den Arbeitsmarkt betrifft, müssen Unternehmer sicherlich umdenken. Wenn jemand keine Mitarbeiter für 1.500 Euro findet, dann wird er halt mehr zahlen müssen – aber da wird uns auch die Politik helfen müssen, Stichwort Lohnnebenkosten – da brauchen wir ganz dringend ein Umsteuern im Steuersystem. Was es ebenso braucht, ist eine größtmögliche Transparenz bei Preisen und Wertschöpfungsketten, weil der Konsument ist ja nicht deppert und merkt ja, wenn er beschissen wird. Daher bin ich auch so ein Verfechter des Lieferkettengesetzes und hoffe, dass es auch in Österreich bald umgesetzt wird. Unternehmer sollen Verantwortung übernehmen für die Qualität ihrer Lieferanten. Viele wehren sich dagegen und fürchten weitere Bürokratie – das stimmt zwar leider auch, aber nur auf diese Weise können wir Transparenz schaffen und dauerhaft etwas zum Besseren wenden.

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„Unser Erfolg beweist, dass die Menschen offensichtlich wieder Sehnsucht haben nach Werten und nach einem Umdenken in der Wirtschaft.“ JOSEF ZOT TER „ZOTTER SCHOKOLADEN MANUFAKTUR“

Fink: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit in vielen Aspekten nichts kostet, sondern etwas bringt. Auch bei uns war das Jahr der Pandemie unser stärkstes Wirtschaftsjahr – auch das aktuelle Jahr wird wieder ein Rekordjahr. Der Fokus lag für mich schon immer auf dem nachhaltigen Wachstum des Unternehmens und weniger auf dem Profit. Für mich war auch relativ früh klar, dass die Menschen heute einfach anders arbeiten wollen. Denn eine Zahnpasta verkaufen viele, trotzdem haben wir im Gegensatz zu anderen kein Problem, Mitarbeiter zu finden. Die spannende Frage: Warum ist das so? Die einfache Antwort: Ich war selbst immer die Benchmark bei der Frage, was ich in einem Unternehmen brauche, um mich wohlzufühlen. Das ist zum Teil ganz trivial: Ich will zum Beispiel etwas essen, etwas trinken und einen guten Kaffee haben.

Und ich will eine angenehme Arbeitsatmosphäre.

Und genau diese Benchmark setze ich für alle Mitarbeiter im Unternehmen um. Das heißt, im Grunde bin ich bin zutiefst egoistisch und meine Kolleginnen und Kollegen profitieren davon.

e­ ines der größten Probleme der Menschheit. Als Unternehmer muss ich auf jeden Fall meinen Beitrag leisten – gar keine Diskussion. Daher haben wir uns unsere Emissionen ganz genau angeschaut und versucht, möglichst transparent zu machen. Wir haben heute einen jährlichen ökologischen Fußabdruck von 1.030 Tonnen CO2, im Vergleich zu 850 Tonnen im Vorjahr – das entspricht einem Emissionswachstum von 20% bei einem Umsatzwachstum von 90%.

Damit liefern wir den Beweis, dass die Umweltbelastung nicht automatisch mit ökonomischem Wachstum mitskalieren muss. Aber Nachhaltigkeit geht für mich weit darüber hinaus und umfasst etwa auch die Gleichstellung der Geschlechter. So fällt der Gender Pay Gap bei uns überschaubar gering aus. Das sind Themen, die für unsere Gesellschaft und unsere Kolleginnen und Kollegen einfach wichtig sind. Die Menschen spüren, dass wir diese Themen ernst nehmen. Wo arbeite ich und vor allem wie? Was gibt Sinn? Welchen Impact habe ich dadurch auf die Gesellschaft? Diese Fragen zu unterschätzen ist einer der größten Fehler, den Unternehmer machen können.

So einfach?

Fink: Ja, ziemlich easy die ganze Story. (lacht) Wenn man das einmal verstanden hat, fängt man auch an, Arbeitsumgebungen anders zu planen und zu designen. Dann baust du die Hallen anders, nämlich nicht nur Logistikzentren für Produkte, sondern Räume für Menschen, die darin arbeiten.

Dazu kommen noch Themen wie der Klimaschutz – das wird ohnehin die Riesenherausforderung,

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Sie tun es nicht aus Idealismus, sondern aus wirtschaftlicher Vernunft?

Fink: Wir machen es, weil es Sinn macht. Und der Erfolg gibt uns zum Glück recht.

Zotter: Rein aus Idealismus kann ohnehin niemand ein Unternehmen führen. Letztendlich muss bei jedem von uns am Jahresende ein Plus stehen,

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„Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Nach­ haltigkeit in vielen A ­ spekten nichts kostet, sondern etwas bringt.“ ROLAND FINK „NICESHOPS“

sonst wird es uns auf Dauer nicht geben. Aber wer auf die richtigen Werte setzt, bekommt auch die Wertschätzung seiner Kunden – und damit auch Wertschöpfung. Dafür dürfen Unternehmer aber nicht nur verwalten und sich nur auf die Adminis­ tration zurückziehen, sondern müssen auch selbst an die „Werkbank“. Weil es sind immer die Mitarbei­ ter an der Front, die wissen, was funktioniert bzw. was und wie es besser funktionieren kann.

den vielen Start-ups und jungen Unternehmen, bei kleinen Händlern und Bioläden, die unsere Pro­ dukte verkaufen. Immer wieder kommen ganz viele junge Leute mit coolen Konzepten. Das ist die Ge­ schichte, die wir immer erzählen müssen: Wir brau­ chen einfach viele coole Unternehmerinnen und Un­ ternehmer. Es muss dabei nicht gleich das schnelle Wachstum sein! Im Gegenteil: Besser funktionieren­ de kleine Unternehmen statt Börsen-Highflyer.

Auer: Ganz richtig. In dieser Hinsicht sind wir ei­ gentümergeführte Unternehmen auch klar im Vor­ teil. Denn wenn wir eine tolle Idee haben, dann kön­ nen wir diese auch umsetzen und geben dafür unser Geld aus – meistens kommt es eh zurück. Sharehol­ dergetriebene Unternehmen haben das Problem, dass diese Shareholder oft nicht einmal wissen, wo das Geld im Unternehmen verdient wird. Das un­ terscheidet den Manager in der Regel auch vom Un­ ternehmer. Manager haben diese Freiheiten meist nicht. Wenn sie beginnen würden, so zu denken wie wir, dann wären sie in den meisten Fällen ihren Job bald wieder los.

Jaritz: Ich kann bestätigen, dass eigentümerge­ führte Unternehmen anders agieren als große Kon­ zerne. Diese Art der Führung ist gleichzeitig eine Kennzahl im Wertemodell eines Unternehmens und entscheidet beispielsweise auch darüber, ob es ausreichend Facharbeiter bekommt. Bei vielen Un­ ternehmen gibt es diese Kennzahl des Wertemodells nicht. Mitarbeiter haben dann oft nicht den Stellen­ wert, den sie eigentlich haben sollten. Ähnlich das Thema Ökologisierung bei Unternehmen, mit dem wir uns in unserer Beratungstätigkeit auch immer wieder beschäftigen – gerade in der Industrie. Die Maßnahmen sollten freilich kein „Greenwashing“ sein, sondern ernst gemeinte Anstrengungen – mit dem Effekt, dass sich das Recruiting verbessert.

Denn die Menschen wollen heute genau wissen, für wen sie arbeiten und gehen nicht mehr dorthin, wo es die besten Incentives gibt, sondern zu Unterneh­ men, mit denen sie sich identifizieren können.

Gleichzeitig ist das globale Wirtschaftssystem geprägt von Unternehmen, die shareholdergetrieben sind.

Zotter: Aber dieses System zerlegt sich gerade.

Ebenso wie die ungebremste Globalisierung, wo wir bis vor wenigen Jahren gedacht haben, dass wir alle Lieferketten über den kleinen Erdball spannen müs­ sen. Auch das zerlegt sich gerade. Aber es gibt ja auch erfreuliche Gegenentwicklungen – man sieht es bei

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Zotter: Wenn ich Greenwashing höre, sage ich immer: Je mehr, desto besser! Ich weiß, es ist pro­

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„Was in Unternehmen als Greenwashing beginnt, kann zum ­Einstieg in das Thema und in ­späterer Folge sogar zur DNA ­eines Unternehmens werden.“ GERALD JARITZ SCHUBKRAFT TEAM- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Neben der Ökologisierung ist die Digitalisierung ein Megatrend. Die Chancen und Risiken bei der Implementierung aus Ihrer Sicht?

ren – und häufig bleibt damit auch der Klimaschutz auf der Strecke. Ich denke, dass die Digitalisierung nicht nur mit ihren Reizen beeindrucken darf, es braucht auch Regeln. So sollte sich in jedem Algorithmus auch der Klimaschutz, in welcher Weise auch immer, wiederfinden. Darüber hinaus gebe ich – was die Möglichkeiten der Digitalisierung betrifft – aber immer zu bedenken, dass hier nicht die Physik die einschränkende Macht darstellt, sondern die Vorstellungskraft. Das ist sowohl Chance und Risiko zugleich und sollte mit einem großen Maß an Eigenverantwortung einhergehen. Ein anderer spannender Punkt, den wir beobachten, ist, dass uns zunehmend die Linearität verloren geht. Stattdessen erleben wir in vielen Dingen heute ein exponentielles Wachstum, dadurch steigt die Komplexität und die Vorhersagbarkeit für Geschäftsmodelle wird immer schwieriger. Und trotzdem gibt es diese Unternehmen – wie in dieser Runde – die es schaffen, dem Kunden die ersehnte Entschleunigung zu bieten. Damit gelingt es ihnen, ein Nutzerversprechen einzulösen, das auch unserem Credo von Schubkraft entspricht – nämlich dieser Dreiklang aus „Bewusstmachen, Erleben und Erfahren“. Allesamt machen Sie Ihre Themen bewusst, sorgen für ein echtes Erlebnis im OnlineShop, Café oder Schoko-Laden-Theater und die Menschen machen schließlich Erfahrungen, die mit einem veränderten Bewusstsein einhergehen.

Jaritz: Wir sehen, dass viele Unternehmen rund um ihr Kerngeschäft immer wieder Modelle bauen, die auf Biegen und Brechen Digitalisierung beinhalten müssen. Oft geht hier aber der Sinn massiv verlo-

Götzenauer: Wir kommen ja beide ursprünglich aus nicht-eigentümergeführten Unternehmen und kennen den ganzen „Zirkus“ in Konzernen ganz gut

vokant, weil der Begriff negativ besetzt ist – aber grundsätzlich stimmt es: Wenn ein Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht 100% Maßnahmen ankündigt und davon zumindest 10% umsetzt, ist das besser, als wenn sie gar nix machen. Darum nur her mit dem Greenwashing! (lacht) Jaritz: Tatsächlich fangen viele Initiativen in Unternehmen als Greenwashing an, die aber oft einen Einstieg in das Thema bedeuten und in späterer Folge sogar zur DNA eines Unternehmens werden können.

Schnell kann dann eine sinnstiftende Idee nicht nur inhaltlich wertvoll sein, sondern auch ökonomisch Erfolg bringen. Das passiert dann, wenn man mit Emotion und Leidenschaft seine Inhalte und Werte transportiert. In der Automobilindustrie etwa haben OEMs sogenannte Nachhaltigkeitsindizes installiert, welche die Supply Chain gemäß ihrem ökologischen Footprint durchleuchtet und so einen Mehrwert im Produkt schafft, auch wenn möglicherweise im ersten Anschein die Marge geringer wird. Aber letztlich führt es in der Transparenz gegenüber den Lieferanten, Endkunden und eigenen Mitarbeitern zum Erfolg.

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– daher sind wir ausgestiegen, um letztlich auch für uns selbst Sinn zu finden. Wir wollen unsere Expertise und unser Weltbild nun steirischen Unternehmen zur Verfügung stellen und damit einen echten Mehrwert schaffen – aber nicht als die klassischen Berater XY, sondern mit Schubkraft für heimische KMU. Dabei geht es uns um Exzellenz auf allen Ebenen und wir versuchen stets auch den volkswirtschaftlichen Blick zu wahren. Denn Tourismus, Landwirtschaft und Produktion allein wird die Steiermark im globalen Wettbewerb auf Dauer nicht ernähren. Was unseren Betrieben das Überleben sichert, sind Kreativität und Hirnarbeit – sowie Unternehmen, die auf der Ebene der Wertschätzung und des Wertes agieren. Tatsächlich sehe ich diese Diskrepanz zwischen eigentümergeführten Unternehmen, die mit Leidenschaft und Spirit agieren, und Konzernstrukturen.

Dort habe ich den Eindruck, dass neben Greenwashing oft auch eine Art New Work-Washing betrieben wird, die nach außen eine perfekte Umgebung für Mitarbeiter suggeriert. Aber wenn das nur eine Hülle ohne echten Inhalt ist, dann wird das Unternehmen die gewünschten Mitarbeiter nicht bekommen. Ich denke, spätestens seit Corona erleben wir einen Paradigmenwechsel. Die Menschen sind sich bewusst, dass nicht alles selbstverständlich ist – alles hat ein Ablaufdatum und wir legen in die W ­ aagschale, wofür wir unsere Lebenszeit einsetzen. Die Leute wollen nicht mehr irgendwo arbeiten, sondern dort, wo sie auf das Unternehmen und dessen Produkte stolz sein können. Umso wichtiger ist es für eine Firma, diesen Zustand zu erreichen – so wie die Unternehmer hier am Tisch.

Ebenfalls im Trend liegt die Regionalität. Sind Kunden bereit, mehr für Produkte aus der Region zu bezahlen?

Zotter: Das ist eine schwierige Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Es heißt zwar Regionalität ist das neue Bio – aber da bin skeptisch. Ich bin ja selbst das beste Beispiel, weil ich etwa Milch aus Tirol beziehe. Die Frage ist immer: Wo beginnt und endet Regionalität? Generell meine ich: Regionalität ist die Vorstufe zum Protektionismus. Natürlich ist das super – gerade bei Lebensmitteln, wenn diese aus der Region kommen und die Nachbarin im Garten Paradeiser zieht, aber dass man daraus automatisch den Schluss ableitet, dass der Konsument bereit ist, für regionale Produkte einen höheren Preis zu zahlen, da muss ich ehrlich sagen, das funktioniert in der Praxis nicht.

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Jaritz: Ich finde auch, dass das Argument Regionalität allein zu wenig ist, um höhere Preise zu rechtfertigen. Das nimmt einem der Konsument so nicht ab, aber die Persönlichkeiten in der Runde sind ja alle das beste Beispiel, wie es geht: Ihr verkauft ja viel mehr als ein Produkt. Ihr emotionalisiert und verkauft Werte und ein Erlebnis plus ein Produkt.

Götzenauer: Völlig richtig. Gerade in der ­C orona-Zeit wurde uns ja immer suggeriert: „Bitte, kauft nur daheim ein bei den Kleinen!“ Das ist verständlich und funktioniert auch bis zu einem gewissen Grad, vor allem bei Menschen, die schon diese Denke haben. Aber nur zu sagen, kauft beim Buchhändler ums Eck, weil Amazon böse ist, das ist mir zu wenig und funktioniert auch nicht, wie man sieht. Wir stehen nun mal im globalen Wettbewerb. Mit allen Herausforderungen, aber auch mit den damit verbundenen Chancen. Denn wenn ein lokaler, kleiner Buchhändler es schafft, ein Erlebnis zu verkaufen, dann hat er einen USP und ein Unterscheidungsmerkmal, das weit über das Produkt und die Convenience beim US-Giganten hinaus geht.

Fink: Ein Thema, das mir bei diesen Diskussionen immer zu kurz kommt, ist die Frage: Wie schaffen wir überhaupt mehr Solidarität in der Welt?

Schließlich sitzen wir Österreicher bzw. Europäer auf einem ungeheuren Reichtum mitsamt unseren Erste-Welt-Problemen. Ich finde, wir sollten uns immer auch fragen, inwieweit wir die Wirtschaft in benachteiligten Weltregionen stützen können. Bzw. ob das überhaupt möglich ist und wie sich eventuell ein Ausgleich schaffen lässt.

Götzenauer: Von der Politik würde ich mir jedenfalls keine allzu großen Antworten erwarten.

Ich glaube, dass das politische System, so wie es derzeit aufgestellt ist, national und international, viele Fragen nicht wirklich lösen kann. Ich sehe aber, dass Unternehmer heute viele Möglichkeiten haben und dieses Mehr an Möglichkeiten, einhergehend oft mit einem Mehr an Vermögen, auch vermehrte gesellschaftliche Verpflichtungen mit sich bringt.

Fink: Ich sehe noch eine andere dramatische Entwicklung, die auf uns zukommt. Im Corona-Jahr hat der Onlinehandel weltweit um 20% zugelegt.

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„Die Frage ist, ob Menschen mit ihrer Arbeit bloß Geld ­verdienen wollen oder sie darin auch etwas Sinn- oder Selbstwert­ stiftendes sehen.“ MAR TIN AUER „MARTIN AUER“

Wir sind bereits bei einem Anteil von 16 oder 17% am Gesamthandelsvolumen. Schätzungen gehen davon aus, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren auf bis zu 50% steigen wird. Das wird wohl für die gesamte Wirtschaft und vor allem für unsere Innenstädte massive Folgen haben. Auch darüber sollte man sich rechtzeitig Gedanken machen.

Gedanken machen müssen sich immer mehr Unternehmer auch über die Frage, wie sie künftig Facharbeiter und Lehrlinge bekommen. Wie attraktiv ist z.B. die Bäckerlehre?

Auer: Es ist ein wunderbarer Beruf, der höchste Anerkennung verdient – so wie auch die Menschen, die diesen Beruf erlernen oder ausüben, das beste Umfeld verdient haben. Deshalb trafen wir auch die bewusste Entscheidung für unser neues Headquar­ ter in Graz-St. Peter. Aber bloß ein schönes Gebäu­ de hinzustellen, ist zu wenig, man muss es auch mit Energie füllen. Und das haben wir vor. In unserem neuen „Atelier“ können wir unseren Mitarbeitern künftig beste Produktionsbedingungen bieten, die die Arbeit auch familienfreundlicher machen, da wir dank größerer Kühlflächen weniger in der Nacht arbeiten müssen und quasi zur Tagbäckerei werden.

Ein Quantensprung für unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter. Nicht immer verstehen kann ich daher das Lamento aus der Branche bezüglich Fach­ kräftemangel & Co. – offen gestanden, finde ich es teilweise sogar kontraproduktiv. Man hat den Ein­ druck, manchen Unternehmern macht es ja selbst

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nicht mehr wirklich Spaß – wie sollen sie da bei an­ deren Begeisterung wecken? Daran sieht man: Un­ sere Welt ist nicht logisch, sondern psychologisch.

Unser Weg ist jedenfalls ein anderer. Wir wollen einfach tolle Arbeitsplätze schaffen. Mit der engen, verwinkelten Backstube am Dietrichsteinplatz hät­ ten wir uns auf Dauer schwergetan, junge Leute zu begeistern.

Herr Fink, Sie möchten der beste Arbeitgeber Europas werden. Was muss man Mitarbeitern dafür bieten?

Fink: Ich finde, wir sind bereits der beste Arbeit­ geber Europas. Es geht immer um die Frage, wie die Leute arbeiten und wie sie wertgeschätzt wer­ den wollen. Dafür haben wir einiges zu bieten: Das reicht vom erwähnten gratis Mittagessen und Frühstück über Teilzeitmöglichkeiten bis zu Mas­ sagen und Gesundheitstrainings und vieles mehr.

Bislang hatten wir noch nie Probleme, gute Leu­ te zu bekommen – im Gegenteil: Am Standort in Paldau gibt es in der Regel lange Wartelisten, am ITlastigen Standort in Graz ist das Recruiting heraus­ fordernder, aber unsere Aktivitäten an Schulen und Unis helfen uns auch bei Mangelberufen wie der Softwareentwicklung. Auch in Wien haben wir ei­ nen tollen Standort und bald soll einer in Kroatien an einer Destination am Meer folgen. Dort wollen wir ein sogenanntes „Vacation Office“ eröffnen, wo sich Mitarbeiter für ein paar Wochen im Jahr ein­ buchen können, um von dort aus zu arbeiten. Also Vacation und Office in einem!

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