SPIRIT of Styria - 01/2021 - Coverstory

FEB 2021

N°01

€ 4,50

OF ST YRIA

Österreichische Post AG / MZ / 17Z040992 M / Grazetta GmbH, Opernring 4, 8010 Graz/ Jahrgang 05/ Nummer 01/ Preis: Euro 4,50/ Foto: Oliver Wolf

WIRTSCHAFT / WANDEL / WACHSTUM

SCHUBKRAFT

FÜR KMU

4.

Sparringpartner, Ideenbringer, Problemlöser: So helfen Gerald Jaritz (l.) und Jürgen ­Götzenauer steirischen KMU durch die Krise und auf das nächste Level

GeburtstagsAusgabe

BOOMTOWN LEOBEN

DIE LEHREN AUS DER PANDEMIE

HIRNSCHMAL Z FÜR DEN MARS

Forschung, Start-ups und Hightech: der Aufschwung der Montanstadt

Talk am Ring: Experten aus Pharma und Medizin ziehen Zwischenbilanz

Best-Practice: Künstliche Intelligenz für die Welt und den Weltraum

SPI R I T

„CORONA DIENT DERZEIT ALS GENERAL-URSACHE FÜR ALLES, WAS IN EINEM UNTERNEHMEN AUCH SCHON VORHER NICHT RICHTIG FUNKTIONIERT HAT.“ JÜRGEN GÖTZENAUER SCHUBKRAFT

„UNTERNEHMEN MÜSSEN JETZT DIE ZEIT DER KRISE NUTZEN, UM SICH FÜR DAS DANACH BESTMÖGLICH ZU POSITIONIEREN.“ GERALD JARITZ SCHUBKRAFT

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N° 01 FEBRUAR / 2021

COVERSTORY – SCHUBKRAFT

TEXT FOTOS

S PI R I T

WOLFGANG SCHOBER OLIVER WOLF

A NPACK EN STAT T AUSSIT ZEN

Pragmatisch-empathische Umsetzer: Die langjährigen Industriemanager Jürgen ­Götzenauer und Gerald Jaritz bündeln ihr Know-how und verleihen heimischen KMU ­ als Sparringpartner, Problemlöser und Ideenbringer unternehmerische Schubkraft.

Warum sich Corona perfekt als Feigenblatt eignet, wie Betriebe aus der Schockstarre in die Handlungsfähigkeit kommen und warum ein Webshop noch keinen Digitalisierungsschub bedeutet, erklärt das charismatische Duo im großen „SPIRIT of Styria“-Interview.

Es heißt „Never waste a good crisis”. Lassen Unter­nehmen die Potenziale der Krise ungenützt?

Götzenauer: Das passiert in der Praxis häufiger, als man denkt. Augen zu, Ohren zu und hoffen, dass man irgendwie durchkommt. Aber eine Krise lässt sich nicht einfach aussitzen. Auch das Verkennen der wahren Ursachen einer Krise ist fatal. Derzeit dient Corona als Entschuldigung und General-Ursache für alles, was in einem Unternehmen auch schon vorher nicht richtig funktioniert hat. Corona eignet sich perfekt als Feigenblatt für hausgemachte Miseren, die durch die Pandemie oft nur verstärkt bzw. sichtbar gemacht werden.

Jaritz: Ich sehe derzeit zwei Gruppen von Unternehmen: die einen, die wirklich große Probleme haben, vielleicht sogar ums Überleben kämpfen und denen es wohl zynisch anmutet, die Krise als Chance zu sehen. Die zweite Gruppe von Unternehmen steht eigentlich ganz gut da bzw. gehört im besten Fall zu den Krisengewinnern, und hat die Chance, wieder auf die Füße zu fallen, wenn die Krise vorbei ist. Was beide eint, ist, dass sie gerade jetzt eine Perspektive von außen brauchen. Die einen, weil sie es nicht schaffen zu überleben, wenn sie sich nicht helfen lassen. Und die anderen, weil sie es verabsäumen, die Zeit der Krise ausreichend zu nutzen, um sich für das Danach bestmöglich zu positionieren.

Denn dazu braucht es einen Perspektivenwechsel – den Blick von unternehmensfremden Experten mit spezifischer Branchenerfahrung.

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Erkennen Unternehmen den Bedarf an externer Unterstützung, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen?

Nach dem Motto „Schön, aber wir haben derzeit andere Sorgen.“

SCHUBKRAFT TEAM- UND ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Götzenauer: Es ist ähnlich wie in der Medizin, wenn man schwer erkrankt. Man kann es verdrängen, aber die meisten würden wohl versuchen, die besten Experten zu konsultieren, die sie kriegen können, wenn sie in ihrer Existenz bedroht sind.

So erkennen mittlerweile auch viele Unternehmen die Notwendigkeit, in schwierigen Situationen auf Experten von außen zurückzugreifen, um durchzukommen. Auch aus psychologischen Gründen: In einer Krisensituation sind Menschen meist nicht in der Lage, objektive, rationale Entscheidungen zu treffen. Statt kreative Lösungen zu finden, verharren sie im Schockzustand, statt so rasch wie möglich in die Handlungsfähigkeit zu kommen. Vieles hat mit Psychologie zu tun – und dem Konzept der Selbstwirksamkeit. Jeder von uns braucht die Vorstellung, dass wir unser Leben aktiv steuern und gestalten können – das gilt auch für Unternehmen.

Gemeinsame Marke der b­ eiden lang­jährigen Industrie­m anager und nunmehrigen Unternehmensberater Jürgen Götzenauer und Gerald Jaritz www.schubkraft.co

Jaritz: Voraussetzung ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Wer sich stets nur in seiner eigenen Weltsicht fortbewegt, kann sehr schnell in eine Abwärtsspirale geraten. Das Hereinholen einer Außenperspektive muss auch nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden sein, im Gegenteil: So wie Menschen, die einen Facharzt konsultieren, durch eine Versicherung abgesichert sind, gibt es auch für Un-

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COVERSTORY – SCHUBKRAFT

JÜRGEN GÖTZENAUER Lehre als Betriebs­ elektriker, danach berufsbegleitend HTL für Elektrotechnik Studium der ­Technischen ­Informatik sowie Betriebs­ wirtschaft Promotion in Wirtschafts­ wissenschaften Management-­ Ausbildung an der ­renommierten ­W harton-School (USA) 20 Jahre in ­unterschiedlichen Management­ positionen in Wirt­ schaft und Industrie Seit 2019 selbst­ständiger ­Unternehmensberater Entwickelte den Beratungs­ansatz „TRIANGEL PRINZIP®“ mit Fokus auf Strategie, Organisation und Innovation

JÜRGEN GÖTZENAUER: „WIR SEHEN UNS ALS EMPATHISCHE PR AGMATIK ER, DIE DIE ÄRMEL HOCHK REMPELN UND MIT DEM TE AM VOR ORT GEMEINSAM ANPACK EN.“

ternehmen eine Art Versicherung – in Form von Förderungen, die von diversen Stellen für Beratungen gewährt werden. Hier gibt es eine Reihe von Förderungsinstrumenten, die viel zu wenig genutzt werden. Auf diese Weise können wir für Unternehmen den maximalen Benefit zu den geringstmöglichen Kosten herausholen.

Auf welche Unternehmen fokussieren Sie sich mit Schubkraft?

Götzenauer: Wir konzentrieren uns klar auf KMU – egal aus welcher Branche. KMU und Konzerne unterscheiden sich deutlich in ihrem Zugang zu Problemlösungen. Wir wollen keine überbordenden Strategiepapiere abliefern, sondern in Unternehmen aktiv mitarbeiten und in sehr kurzer Zeit Lösungen erzielen. Wir entsprechen nicht dem Typus Schlips tragender McKinsey-Berater, die große akademische Töne spucken, sondern wir sehen uns als empathische Pragmatiker, die die Ärmel hochkrempeln und mit dem Team vor Ort gemeinsam anpacken. Dabei können wir auf unsere berufliche Erfahrung und unser methodisches Wissen aus unseren Ausbildungen zurückgreifen.

Jaritz: Unser Vorteil: Wir haben im Laufe unserer operativen Karrieren viele Herausforderungen und Probleme bereits selbst am eigenen Leib erlebt und erlitten und wissen daher, was es heißt, Organisation und Kulturen anzupassen und Prozesse zu

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verändern. Warum sollen andere die gleichen Fehler machen, die wir schon gemacht haben? Konzerne und KMU verwenden zwar die gleichen Kennzahlen, haben aber gänzlich andere Voraussetzungen. Geht ein Innovationsprojekt in einem Konzern schief und wird dabei viel Geld verbraten, wird es als „lessons learned“ ohne große Konsequenzen verbucht, wohingegen ein ähnliches Projekt in einem KMU rasch existenzgefährdend sein kann. Der Blick von außen kann hier entscheidend sein, wenn Unternehmen dieses „Valley of death“ übersehen. Zudem erarbeiten wir auf das Unternehmen individuell angepasste Lösungen, die so rasch wie möglich einen Nutzen erzielen, statt vorgefertigte Schablonen zu verwenden. Entscheidend ist die gemeinsame Umsetzung.

Daher versuchen wir den Begriff „Berater“ ohnehin zu vermeiden und sehen uns vielmehr als Sparringpartner von Unternehmen. Unser Credo: Gut zuhören, individuelle Lösungen erarbeiten, gemeinsam umsetzen und rasch Ergebnisse erzielen.

Götzenauer: Wir liefern nicht nur einen Schlachtplan, sondern können das KMU auch temporär für Projekte mit unserer eigenen personellen Schubkraft unterstützen. Wir gehen für die Zeit des Projekts mit an Bord und agieren aktiv als Teil der Mannschaft und stehen nicht nur am Ufer, um dem Kapitän von ferne zuzurufen, was er zu tun hat. Dabei gilt: What you see is what you get. Wer Schubkraft bestellt, kriegt 100 % Jaritz und Götzenauer – wir N° 01 FEBRUAR / 2021

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GERALD JARITZ Studium und Promotion der Physik

GER ALD JARITZ: „DIGITALISIERUNG UND INNOVATION DÜRFEN K EINE SCHL AGWÖRTER BLEIBEN. HE ADLINES OHNE INHALTE – DAS WIRD NICHT FUNK TIONIEREN.“

13 Jahre im Bereich R&D, zuletzt als CTO und Prokurist eines international tätigen Automobilzulieferers Seit 2019 selbst­ ständiger Unter­ nehmensberater mit den Schwerpunk­ ten ­Strategie, Organisations­ entwicklung und Innovation Leidenschaftlicher Imker („SteirerBiene“) und Anbieter von FührungskräfteWorkshops schicken niemanden anderen. Auch das unterscheidet uns von klassischen Beratern. Daher ist es auch elementar, dass die Chemie mit den Auftraggebern stimmt. Wenn wir das Gefühl haben, in ein Umfeld gerufen zu werden, wo Statusgehabe und ähnliche Dinge entscheidend sind oder wenn es nur um Systembefriedigung geht, dann sind wir draußen.

Denn einer der wesentlichen Treiber in unser beider Entscheidung, selbstständig zu werden, war ja der Wunsch, wertschöpfen zu wollen und echten Mehrwert zu erzielen. Wir tragen keine Masken – im übertragenen Sinn – , sondern wollen unsere Persönlichkeiten mit all unseren Ecken und Kanten einbringen.

Anders als bei technokratischen Konzernberatern, wo einzig und allein Prozesse und Zahlen entscheiden, geht es bei uns immer um die Menschen und handelnden Personen, daher fühlen wir uns in einem KMU-Umfeld deutlich besser aufgehoben.

Welchen klassischen Fehler in Strategie und Organisation begehen Unternehmen häufig?

Jaritz: Oft werden in Unternehmen Systeme oder Prozesse implementiert, ohne auf die Organisation zu achten. Da kann es dann zum Beispiel sein, dass ein teures ERP-System eingeführt wird und trotzdem machen die Mitarbeiter parallel noch ihre Excel-Liste, die ausgedruckt und weitergegeben wird. Gerade bei Digitalisierungsprojekten müssen Organisation und Mitarbeiter mitgenommen sowie 12

Prozesse angepasst werden – sonst verlagert sich der Bottleneck lediglich, den man eigentlich ausmerzen wollte.

Götzenauer: All diese Dinge haben viel mit Kommunikation zu tun. Man muss absolut klar sein in der Kommunikation – man sieht es ja an der Bundesregierung. Wenn man Stehsätze verwendet und alle drei Wochen sagt „Die nächsten 14 Tage werden entscheidend sein“, dann greift das nicht mehr, selbst wenn es stimmt. Gleichzeitig gibt es in der Kommunikation den schönen Spruch: Der Mensch erträgt fast jedes Wie, wenn er das Warum kennt. Klar, in einer komplexen Situation muss man auch simplifizieren, schon allein aus Zeitgründen, aber man darf nicht übersimplifizieren. Man darf sehr komplexe Probleme nicht mit einer allzu simplen Lösung attackieren und dabei wesentliche Themen außen vor lassen.

Jaritz: “Keep it simple, but not simpler!” Das ist ja mittlerweile ein gesellschaftliches Problem, dieses Übersimplifizieren – aufgrund der Schnelllebigkeit unserer Welt. Nicht nur bei Corona, in vielen Bereichen, etwa beim technischen Fortschritt gibt es einen exponentiellen Verlauf. Menschen können mit linearem Fortschritt gut umgehen, aber mit Exponentialkurven tun sie sich schwer. Tatsächlich werden die Systeme komplexer und auch chaotiN° 01 FEBRUAR / 2021

scher, die Vorhersagbarkeit schwindet. In so einem Umfeld musst du als Unternehmen anders agieren, um handlungsfähig und letztlich wettbewerbsfähig zu bleiben.

wutscher.com

Götzenauer: Dazu kommt eines: Die Gesellschaft verschiebt sich radikal in Richtung Wissensgesellschaft. Damit die Steiermark weiterhin wettbewerbsfähig bleibt, müssen die Betriebe extrem innovativ sein – aber nicht als Schlagwort, sondern beinhart in der Realität. Betriebe sind gefordert, systematisch und methodisch zu innovieren. Für die Umsetzung brauchen Unternehmen die richtige Strategie und Organisation, sonst werden wir auf Sicht gegenüber den Big Playern weltweit massiv verlieren. Wir haben keine Bodenschätze, die produzierenden Betriebe stehen im globalen Wettbewerb massiv unter Druck und der Tourismus kann uns nicht erhalten – das heißt, ein großer Teil der Wertschöpfung muss künftig über Kreativität und Innovation, also über Kopfarbeit, passieren.

Was unterscheidet „systematisches methodisches Innovieren“ von herkömmlichem Innovationsdenken?

Götzenauer: Dasselbe, was einen Profisportler vom Hobbysportler unterscheidet. Beide machen Sport, aber der eine macht es systematisch und professionell inklusive Trainings- und Ernährungsplan, Zielsetzungen und -kontrolle, Coaches, Ärzte, Spezialtrainer und so weiter – im Gegensatz zum Hobbysportler. Und dementsprechend sieht auch das Ergebnis ganz anders aus. Das gilt auch für Unternehmen. Der Output ist bei jemanden, der systematisch innoviert, ein fundamental anderer als bei jenen, bei denen Innovationen dem Zufall überlassen sind. Der Begriff kommt vom lateinischen „innovare“, also Erneuerung, etwas, das in einer Krisensituation mehr denn je aktuell ist. Gefordert ist Erneuerung auf allen Ebenen, die Innovation von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen bis hin zum gesamten Geschäftsmodell.

Braucht Innovationskraft nicht auch Investitionskraft?

Jaritz: Bei Innovation denken die meisten gleich an ein neues Smartphone. Aber Innovation ist in den seltensten Fällen eine spektakuläre Hightech-Produktentwicklung. Die effizientesten und effektivsten Innovationen sind oft die, die man von außen gar nicht sieht. Es braucht auch nicht viel Aufwand, diese zu finden – oft sind es einfache Korrekturen in einem prozessualen Vorgehen. Sich erneuern kann FEBRUAR /2021 N° 01

Wenn du richtig gut aussehen willst: sehen!wutscher

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einfach nur heißen, den Denkvorgang zu ändern, es nicht mehr so zu machen, wie man es immer gemacht hat. Einen Gedanken zu ändern, kostet meist gar nix und kann bereits eine wertvolle Innovation darstellen.

Ist der Corona-bedingte Digitalisierungsschub nachhaltig?

Götzenauer: Die digitale Transformation mit allem, was dazu gehört wie KI, Big Data oder HyperAutomation, ist unabhängig von Corona der dominierende Megatrend. Im Kern geht es darum, dass Dinge, die ein Computer effizienter machen kann als ein Mensch, auch von Computern erledigt werden.

Damit bekommen wir wieder Ressourcen frei, um andere Dinge zu tun – diese Transformation passiert im großen Stil. Dieser Schub bricht massiv über uns herein. Diese Entwicklung muss man aber trennen von dem, was bei uns oft als Digitalisierung verstanden wird: Dass z.B. ein Unternehmen in der Pandemie einen Webshop eröffnet oder ein Yoga-Institut Online-Kurse anbietet. KMU sind gefordert, neue digitale Produkte und digitale Dienstleistungen zu schaffen – ein Schritt in eine gänzlich andere Welt, den ich komplett unabhängig von Corona sehe.

Jaritz: Wir beobachten, dass Firmen oft nur auf den Digitalisierungszug aufspringen, weil es alle anderen auch tun. Beim Thema Digitalisierung muss man sehr aufpassen, was es für ein einzelnes Unternehmen individuell heißt. Jedes Unternehmen hat hier einen anderen Bedarf. Digitalisierung heißt jedenfalls nicht, zwanghaft Internet-of-Things in Bereiche hineinzubringen, wo es nicht benötigt wird. Auch kann ein KI-Thema nur dann sinnvoll ins Unternehmen integriert werden, wenn ich die Mitarbeiter habe, die die KI-Systeme mit Daten füttern können. Das große Potenzial bei der Digitalisierung besteht darin, dass die Grenze wie bei der Hardware nicht mehr die Physik ist, sondern einzig und allein die menschliche Vorstellungskraft. Weil im Prinzip kann ich digital alles umsetzen, was ich mir vorstellen kann – ich bin nicht mehr an die Physik des Produkts gebunden. Dadurch erlaubt Digitalisierung eine unvorstellbare große Spielwiese – diese Idee versuchen wir als Mindset in die Köpfe von Unternehmensverantwortlichen hineinzubringen.

Der Boom von Homeoffice scheidet die Geister: Verlegenheitslösung oder Königsweg?

Vorteile bringen. Aber überall dort, wo es um die Interaktion, das menschliche Miteinander, um Kreativität und Austausch geht – ist Homeoffice aus meiner Sicht bloß eine Krücke. So wie Geschäfte zwischen Menschen entstehen, entstehen auch gute Dinge immer im Austausch miteinander. Alles, was wertschöpfend ist und wo Kreativität einfließt, funktioniert auf Dauer nicht zuhause in Heimarbeit. Anders ist das bei Routineoperationen, bei Dateneingaben, Buchhaltung oder Lohnverrechnung – nur solche Tätigkeiten eignen sich für Homeoffice. Wenn Wertschöpfendes zur Stabstelle wird, dann bedeutet das Stillstand und Rückschritt im Unternehmen.

Wie resilient sehen Sie die steirische Wirtschaft?

Sind wir ausreichend innovativ?

Jaritz: Die steirische Wirtschaft ist grundsätzlich gut aufgestellt und hat die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Ich sehe auch für die steirische AutomobilZulieferindustrie eine gute Zukunft – unabhängig von neuen Antriebssystemen. Der Trend zur E-Mobilität wird der Steiermark nicht schaden. Im Gegenteil: Es werden plötzlich Unternehmen als Zulieferer interessant, die vorher nicht im Bereich Automotive tätig waren. Elektrifizierung einhergehend mit Digitalisierung bieten vielen Betrieben neue Chancen. Die Unternehmen müssen nur aufpassen, dass sie nicht politischen Statements aufsitzen, die sich lediglich in Überschriften erschöpfen – siehe die Schlagwörter Digitalisierung und Innovation. Diese müssen auch inhaltlich wirksam werden. Headlines ohne Inhalte – das wird nicht funktionieren.

Götzenauer: Wirtschaft und Unternehmen leben von Unternehmern! Und das Unternehmertum ist gefordert wie kaum zuvor – im Sinne von Erneuerung, also Innovation, und Kreativität. Daher müssen wir alles daran setzen, Unternehmensgründungen weiter nach vorne zu treiben – gerade in der Krise muss dies noch attraktiver und leichter gemacht werden.

Wir brauchen einen Fokus auf Unternehmensgründungen, Start-up-Kultur und die Vernetzung mit der Old Economy bzw. unseren erfolgreichen Traditionsunternehmen. Da muss künftig noch mehr passieren. Hilfreich sind auch internationale Inputs sowie der Blick über die Grenzen. Wie machen es andere in Tel Aviv, Berlin oder im Silicon Valley? Wir haben extrem coole Unternehmen in der Steiermark, aber wir dürfen nicht stehen bleiben.

Jaritz: In einzelnen Bereichen mag Homeoffice

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