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ENTREVISTA Interview Interview

Ouka Leele, “La escalera del sueño de Jacob”

,,Ich befürchte, dass man uns in den Kommerz zwingt, das wir da nicht mehr raus können. Es wird zuviel von Geld und zu wenig von Inhalten geredet” “Ich habe einen Hang zum Mystischen, eine liebevolle Beziehung zum Erhabenen.” Ouka Leele (Madrid, 1957) ist die Nichte des spanischen Dichters Jaime Gil de Biedma. Sie war eine der herausragenden Gestalten der sogenannten Madrider Bewegung, die sich der Underground-Kultur verschrieben hatte und Mitte der siebziger Jahre nach Francos Tod auflebte. Leele wurde unter anderem 2005 mit dem Nationalen Fotopreis geehrt. Momentan bereitet sie sich auf drei Projekte vor: die Messe in Shanghai, eine Ausstellung im Botanischen Garten Madrid und ihre Teilnahme an der Schau Art Report Palma. Bei Ihrer ersten Fotoausstellung haben Sie sich selbst als “Designerin der mystischen Häuslichkeit” betitelt. Was ist heute davon geblieben? Davon bin ich mittlerweile weit entfernt. Trotzdem schätze ich nach wie vor die kleinen, alltäglichen Dinge. Das Alltägliche kann heilig sein, ich glaube an die Magie des Lebens.

6 IN PALMA

In Ihrer Zeit in New York erlebten Sie den Mord an John Lennon. Was war das für eine Erfahrung, was bedeutete Ihnen die Stadt? Johns Tod war ein Symbol für das Absterben bestimmter Überzeugungen und Wertevorstellungen. John und Yoko haben damals in der Presse eine Reihe wunderschöner Interviews gegeben, in denen sie sich für die Liebe zwischen Mann und Frau einsetzten, dafür, Zeit zu haben, sich um ihren Sohn zu kümmern, statt ein Beatle zu sein. Das hat mich seinerzeit sehr beeinflusst. Ich ging hin, wohin ich wollte. Ich war Gast im Haus eines Freundes in Tribeca, besuchte Galerien, schlug mich so durch. Aber der Lebensstil, den die Stadt bietet, der gefiel mir nicht. Sie haben bei so mancher Gelegenheit gesagt, der Tod sei ein Lehrer. Wie meinen Sie das? Nachdem ich drei Monate in New York gelebt hatte, kehrte ich nach Spanien zurück. Man hatte bei mir Magenkrebs festgestellt, ich musste operiert werden. Im Angesicht des Todes schätzt du das Leben viel mehr, legst mehr Wert auf die wirklich wichtigen Dinge. Und du siehst, dass das Leben wunderschön, ja, das reine Wunder ist. Der Tod zeigt, wie man leben sollte. In den zwei Jahren meiner Krankheit erkannte ich, dass das Tempo sehr wichtig ist. Ich verbrachte fünf Monate damit, ein Foto zu malen, auch wenn ich bei diesem Rhythmus nicht alle mir angebotenen Projekte umsetzen konnte. Heute bin ich vielseitiger und nutze die neue Technik, aber manchmal sehne ich mich nach der Gemächlichkeit von früher. Sprechen wir über die Bedeutung des Religiösen in ihrem Werk. Ich habe einen Hang zum Mystischen, eine Intuition, eine Sehn-

sucht nach göttlicher Liebe, eine liebevolle Beziehung zum Erhabenen, Außergewöhnlichen, das immer vorhanden ist und das mich manchmal überkommt. So ähnlich wie die Extase von Berninis „Santa Teresa“. Ich bin religiös erzogen worden und das prägt natürlich. In Murcia haben Sie eine 300 Quadratmeter große Wand gestaltet. Das hat Sie zwei Jahre Arbeit gekostet. Jetzt kann ich vor einem Bild stehen und es macht mir keine Angst, aber damals war es eine Herausforderung für mich, innerlich zu wachsen. Ich sah mich einer großen weißen Fläche gegenüber, Skizzen hatte ich vorher nicht gemacht. Ich habe das Werk „Mein metaphysischer Garten“ genannt. Erinnern Sie sich an Ihre Performance 1987 an der Göttin Cibeles in Madrid? Es war unglaublich, eine Performance mitten auf der Gran Vía. Sie haben mir ohne Probleme die Erlaubnis gegeben, noch heute treffe cih Leute, die mir sagen ‚Ich war dabei!’ Damals war man informiert, es gab nur ein paar Zeitungen. Heute leben wir isolierter, es gibt zu viele Dinge und trotz aller Technik bekommen wir nichts mit. Ihre Meinung zur aktuellen Szene in der zeitgenössischen Kunst? Ich befürchte, dass man uns in den Kommerz zwingt, das wir da nicht mehr raus können. Es wird zuviel von Geld und zu wenig von Inhalten geredet. Die aktuelle Szene langweilt mich. Wenn ich auf einer Messe ein Stück sehe, sind zuviele Dinge drum herum, so dass man es nicht sieht. Ich fände es schön, wenn die Künstler in der Lage wären, eine Art Talismann zu schaffen, so wie Raffaels Gemälde „Dame mit Einhorn“.


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