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KABARETT

„Wenn die Chefin an der Bar steht und kritisch kuckt“

Theaterchef, Netzwerker, Strippenzieher: THOMAS HERMANNS hat hart für die Comedy geackert. Zeit, ein wenig ruhiger zu werden? Nicht so ganz!

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Herr Hermanns, Ihr „Quatsch Comedy Club“ hat schon länger auch in München ein schönes Zuhause gefunden – in einer Stadt, die Sie ja selbst bestens kennen, nicht zuletzt aus alten Uni-Tagen. Wie stolz sind Sie auf den Laden dort und auf was dürfen sich die Fans im neuen Jahr besonders freuen? Vor knapp drei Jahren haben wir in der Nachtkantine im Werksviertel unseren Quatsch Comedy Club eröffnet. Wir sind in der Zwischenzeit angekommen, fühlen uns zu Hause und pudelwohl!

Was macht die Besonderheit aus? Der Münchner Humor und der Quatsch Comedy Club ergänzen sich ganz wunderbar. Besonders freuen wir uns, dass der Hot Shot, unsere Nachwuchsshow so toll angenommen wird. Dieses Jahr hat ein Münchner Talent das Jahresfinale gewonnen.

Während die Jungen durchstarten, nehmen Sie sich selbst aktuell ein wenig zurück – zumindest was das Rampenlicht angeht. Wie mulmig wird Ihnen, wenn Sie an Ihren Rückzug von der „Quatsch Comedy Club“-Bühne denken? Die Knie sind nicht weich. Ich denke, mit 60 ist ein guter Zeitpunkt erreicht, das Steuer mal abzugeben. Ich habe den „Quatsch Comedy Club“ ja immer naiv und unbekümmert moderiert. Ich hatte mir ja alles so gebastelt, wie ich mir vorstellte, wie man eben durch so eine Show führt. Es gab ja keine Vorbilder, von denen ich mir was hätte abschauen können.

Woher kamen dann Ihre Ideen? Ich habe mir halt zurückgelegt, was witzig sein könnte. Ich glaube nicht, dass Vollplayback- oder Tanz-Nummern unbedingt zum Host einer Stand-up-Show gehören müssen. Aber das war eben meine individuelle Note.

Großartig! Es ist gar nicht so einfach, ein lustiger Host zu sein. Ich war in meiner Show eben immer nur der Gastgeber und kein Stand-up-Comedian. Ich muss ja zwischen so Granaten wie Michael Mittermeier oder Ilka Bessin den Künstlern den Boden bereiten.

Wie viel Überwindung kostet denn Bescheidenheit? Es ist wie bei einer guten Party. Man will, dass die Gäste glänzen. Ich musste mich zurücknehmen, trotzdem sollte ich lustig sein. Ziemlich komplizierte Sache. Moderatoren von Gameshows im Fernsehen agieren ja meistens geradlinig und an der Sache orientiert, selbst wenn sie mal den einen oder anderen flapsigen Spruch raushauen. Vom Host einer Stand-up-Show wird erwartet, dass er fast wie der Gastgeber einer Late-Night-Show am laufenden Band Gags abfeuert. In der Masse ist das ein ganz schönes Brett: Ich habe über 200 Sendungen moderiert – immer neben den stärksten Comedians Deutschlands. War ganz schön stressig, da meine Linie zu finden und den Kurs zu halten.

Wirklich keine Vorbilder? Stand-up-Shows gab es ja vor uns hierzulande gar nicht. Also hatte ich an einen Mix aus Rudi Carrell und den klassischen Showmastern meiner Kindheit gedacht. Man kommt am Anfang, in der Mitte und am Schluss. Aber was macht man zwischen den besten Comedians im Lande genau? Wie kriegt man die Sendung in den Griff? Damit müssen sich künftig meine Nachfolger rumschlagen. Ich bin gespannt auf ihre Einfälle.

THOMAS HERMANNS

Legende ohne Ende: Erfinder des „Quatsch Comedy Clubs“, studierte einst an der Münchner LMU Theaterwissenschaften und hat sich schon mit seinem „Bussi“-Musical vor der Stadt verneigt. Die Moderatorenrolle hat er aufgegeben, jetzt trifft man ihn entspannt an der Bar – auch im Club im Werksviertel. Feiern kann er auch – und wie!

Kann Trash in Kunst verwandeln: THOMAS HERMANNS

Wenn man auf die 30 Jahre zurückblickt: Erzählen Sie doch mal von den berühmtberüchtigten „Pleiten, Pech und Pannen“. Wie groß ist Ihre Angst, dass einer der Künstler ans Mikrofon tritt – und einen kompletten Blackout hat? So was gibt’s immer.

Namen bitte? Lieber nicht. Nur so viel: Es ist eine wahnsinnig einschüchternde Situation da oben auf der Bühne. Stand-up-Comedy ist eine sehr einsame Kunst. Allein mit dem Mikro. Schauspieler spielen ihre Stücke weiter, auch wenn sie einen Texthänger haben. Sängerinnen und Sänger singen ihr Lied weiter. Wenn bei uns nach 30 Sekunden niemand lacht, dann spürst du extreme Einsamkeit!

Dass Sie die Hände in den Schoss legen, ist nicht anzunehmen. Aber wem werden Sie die „Fundstücke der Woche“ in Zukunft erzählen? Es gibt so erstaunlich viel Trash im Alltag. Und den muss man besprechen. Ich hatte mich ja durch jedes Kelly-FamilyFanbuch gewühlt und jeden BoybandQuark durchgearbeitet. Inzwischen wissen die Leute ja, wie viel Quark es auf der Welt gibt und finden ihn natürlich auch selbst auf ihren Handys. Ich glaube nicht, dass ich künftig die Zusammenstellung der schlimmsten Fundstücke meinem Mann beim Frühstück vortragen werde. Ganz sicher werde ich den ganzen Unsinn da draußen weiterhin wahrnehmen. Aber ich bin froh, dass ich ihn nicht mehr durcharbeiten muss.

Wie groß ist denn ansonsten der Überdruck in Ihrem Privatleben: Müssen Sie da immer witzig sein? Ganz im Gegenteil: Dadurch dass ich mich auf den Bühnen komplett mit jeglichem Quatsch ausleben kann, schone ich mein gesamtes privates Umfeld. Ich kenne keinen Künstler, der seine Gags am Partner, dem Ehemann oder der Ehefrau ausprobiert oder Material am Frühstückstisch entwickelt. Wir werden dafür bezahlt, dass unser Job die Bühne ist. Und unsere Partner können aufatmen.

Im März lugt für Sie noch ein Großereignis um die Ecke. Wie groß ist Ihre Aufregung vor Ihrem 60. Geburtstag? Da geht’s rein ums Feiern. Ich feiere dann sogar zweimal – einmal im Ausland und einmal in Berlin. Und wir eröffnen auch dann wieder eine Spielstätte in Hamburg – an einem sehr speziellen Platz. Soll heißen: Es wird dann schnell wieder aufregend, und der Blick geht nach vorne.

Auch wenn Sie dann nicht vorne auf der Bühne stehen: In Ihren Theatern wird man Sie aber künftig schon sehen, oder? Na klar. Ich muss ja nach dem Rechten sehen. Nichts lieben Künstler ja mehr, als wenn die 60-jährige Chefin an der Bar steht und kritisch kuckt. Deshalb: Ich bin auf jeden Fall vor Ort! interview: rupert sommer