INFORMER OKT 2016

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BRENNPUNKT SPEZIAL

Organflieger bald nicht mehr in Essen-Mülheim? Foto: Christoph Bubbe

Foto: Christoph Bubbe

DIE FLUGHAFEN-GESELLSCHAFT WILL AN ORGANTRANSPORTEN MEHR VERDIENEN

Am Flughafen Essen-Mülheim starten und landen Flugzeuge der ‚Star Wings Dortmund Luftfahrt GmbH‘ mit Organen für Patienten in Essen und ganz Europa.

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schaft spielen vornehmlich erst mal nur

Fotos: Deutsche Stiftung Organtransplantation

enn sie gebraucht werwirtschaftlichen Gesichtspunkte eine den, dann geht es imRolle. „Da müssen wir alle Stellschrauben mer um Leben oder anpacken“, betont Wolfgang Sauerland Tod: Organtransporgegenüber der Redaktion. te mit dem Flugzeug. Sie sind die schnellste Möglichkeit, eine neue Niere, eine Leber oder ein Herz von A ORGANE MÜSSEN nach B zu bringen. Und dabei dürfte SCHNELL ANS ZIEL der Parkplatz vor der Tür gleich doppelt wichtig sein. Genau darum geht Inwiefern mit einem Ende des Organes momentan zwischen der ‚Flugha- transportes über Essen-Mülheim gar der fen Essen-Mülheim GmbH‘ und der Medizinstandort Essen, das UniversitätsDortmunder ‚Star Wings Dortmund klinikum und weitere Einrichtungen tanLuftfahrt GmbH‘, die seit vielen giert werden, müssten aus seiner Sicht anJahren für die ‚Deutsche Stiftung dere Stellen beurteilen. Denn das sei nicht Organtransplantation‘ (DSO) vom seine Angelegenheit. Im vergangenen Jahr Flughafen wurden allein am UniversiEssen-Mülheim (FEM) tätsklinikum aus OrgaEssen über 250 Transplantane zu den Transplantat i o n e n vo r tionszentren ge n o m m e n , innerhalb Eudarunter 117 ropas transNi e r e n- , 2 4 portiert. Und Lungen- und vor allem 113 Leberauch den transplantaschnellen tionen. „Die Die ‚Deutsche Stiftung Organtransplantation‘ nutzt den Standort Essen-Mülheim bereits seit vielen Jahren für Organtransporte. Bringservice Hauptsache für das Uniist, dass ein versitätskliOrgan das Klinikum Essen sicherstellt. Zwei Ma- nikum so schnell wie möglich erreicht“, schinen sind in Essen stationiert. macht ein Sprecher des Uniklinikums Jetzt will die Flughafen-Gesellschaft gegenüber dem INFORMER deutlich. Die bei den Organfliegern an der Gebüh- Zeit, in der das Organ nicht durchblutet renschraube drehen. Wenn auch wird, muss möglichst klein bleiben und nur mit wenigen Umdrehungen. Der ist ein entschwindendes Kriterium für den Vorstoß sorgt für reichlich Verstim- Transplantationserfolg. Ob dafür künftig direkt vor der Tür oder im 50 Kilometer mung. Letztlich müssten die Mehrkosten ohnehin nicht von der Firma ‚Star Wings‘ getragen werden, sondern von der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Über die genaue Höhe schweigt FEM-Prokurist Wolfgang Sauerland jedoch. Der Ausgang ist ungewiss. Für die Flughafen-Gesell-

Flughafen Essen-Mülheim Der Flughafen Essen-Mülheim ist bereits 1925 entstanden. Er liegt an der Grenze zwischen den beiden Städten Essen und Mülheim an der Ruhr. Der Flughafen verfügt über eine 1.553 m befestigte S-/L-Bahn und ist mit einer Befeuerungsanlage ausgestattet. Es wird nach Sichtflugregeln geflogen. Linienflugverkehr und Touristik-Charter gibt es in Essen-Mülheim nicht. Gesellschafter sind je zu einem Drittel das Land NRW, die Stadt Essen und die Stadt Mülheim an der Ruhr über die Beteiligungsholding Mülheim an der Ruhr GmbH. Geschäftsführer ist Dipl.-Ing. Günther Helmich, Aufsichtsratsvorsitzender Mülheims Oberbürgermeister Ulrich Scholten.

entfernten Dortmund gelandet werden wird, bleibt vorerst abzuwarten.

Die Grüne Ratsfraktion drängt weiter auf die Flughafenschließung im Süden der Stadt hin. Geht es nach ihr, soll der Flughafen Essen-Mülheim bereits bis Mitte 2024 geschlossen werden. „Wir müssen bereits jetzt die Weichen für eine Auflösung der Flughafengesellschaft treffen, damit mögliche Klagen gegen eine Schließung spätestens 2024 entschieden sind“, betont Ratsherr Ernst Potthoff. Seine Rede in der vergangenen Stützung des Stadtrats wirkt ideologisch geprägt, gleichsam die seines Kollegen Yilmaz Gültekin von der Linksfraktion. Der Wille zum Flughafenausstieg fehle in Stadt und Politik schlichtweg, beklagt Potthoff.

GRÜNE: FLUGHAFEN SOLL 2024 SCHLIESSEN Und spricht aus der Seele der „lärmgeplagten Leute“, die er im Umfeld des Flughafen Essen-Mülheim sieht. Dass es diese jedoch nur sehr vereinzelt gibt, verkennt der Grünen-Ratsherr dabei: So wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 14 Beschwerden bei etwa 60.000 Flugbewegungen aktenkundig. Doch das blenden die Grünen im Rat der Stadt Essen aus. Die am Flughafen ansässigen Luftverkehrsunternehmen sollten sich hingegen rechtzeitig auf das Schließungsdatum 2024 einstellen können, macht der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Ratsfraktion deutlich. Potthoff: „Die von Teilen der Politik gewünschte verlängerte Aufrechterhaltung des Flughafens bis 2034 würde die Stadt Essen wegen des hohen Subventionsbedarfes jedoch teuer zu stehen kommen. Die Stadt benötigt außerdem dringend die mit der Schließung des Flughafens freiwerdenden Flächen zur Gewerbe- und Wohnentwicklung.“ Die CDU will lieber in der Sache wei-

terkommen; auch die SPD stellt sich gegen den Vorstoß der Grünen. „Wir wollen einen geregelten Ausstieg. Und ich glaube, liebe Grüne, da haben auch Sie mitgestimmt, zu damaliger Zeit“, erlaubt sich SPD-Ratsherr Thomas Rotter einen Seitenhieb. Er sitzt dem städtischen Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung vor. Der Mediziner und Ratsherr Dr. Karlgeorg Krüger (EBB) hebt noch einmal Flughafen als wichtigen Faktor für den Gesundheitsstandort Essen hervor. Am Ende lehnt der Stadtrat den Antrag der Grünen mit einer deutlichen Mehrheit ab. Sollte der Flughafen dennoch 2034, so die bisherige Beschlusslage, schließen, dürfte aber ohnehin Schluss mit der Organfliegerei am Standort Essen-Mülheim sein. Und zugleich ein nicht zu unterschätzendes Problem für die Organversorgung in der Stadt Essen und in den Nachbarstädten entstehen. Ein Beitrag von Jöran Steinsiek und Pascal Hesse

Organspende in Deutschland In Deutschland hoffen mehr als 10.000 schwer kranke Menschen auf die Transplantation eines Organs. Für sie ist die Transplantation die einzige Möglichkeit, um zu überleben oder die Lebensqualität erheblich zu verbessern. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Menschen bereit sind, ihre Organe nach dem Tod zu spenden.Diesen Wunsch der Verstorbenen umzusetzen, ist gemeinsame Aufgabe der Krankenhäuser, der Transplantationszentren und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Die DSO nimmt als bundesweite Koordinierungsstelle für die Organspende eine zentrale Rolle im Organspendeprozess ein. Sie nimmt die Meldungen möglicher Organspender entgegen, koordiniert die »Gemeinschaftsaufgabe Organspende« und sorgt dafür, dass alle notwendigen medizinischen und organisatorischen Schritte vollzogen werden, damit Organe entnommen, an geeignete Patienten vermittelt und transplantiert werden können. Die DSO ist ausschließlich für die Koordinierung der postmortalen Organspende verantwortlich. Sie organisiert die Zusammenarbeit aller beteiligten Partner bei der Organentnahme, einschließlich der zugehörigen vorbereitenden Maßnahmen und dem anschließenden Transport der Spenderorgane in die Transplantationszentren. Zurzeit können Niere, Herz, Leber, Lunge, Pankreas und Dünndarm nach dem Tod gespendet werden. Diese Organe gehören zu den vermittlungspflichtigen Organen. Ihre Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung unterliegt den Regelungen im deutschen Transplantationsgesetz. Informationen rund um Organspenden sowie einen Organspendeausweis zum Bestellen oder Herunterladen finden sich unter: www.dso.de


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