5 minute read

Symposien & Vorträge

Österreichischer Wunschzettel zum präventiven Rahmen

Nürnberg. Am 24.01.2020 fand ein Austausch von Praktikern und Rechtswissenschaftlern aus Deutschland und Österreich in Nürnberg statt. Den Deutsch-Österreichischen Rechts- und Praxisvergleich im Insolvenzrecht richteten die FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) – Forschungsstelle für Bank- und Kapitalmarktrecht in Nordbayern – und ReTurn (Forum für Restrukturierung und Turnaround Management, Wien) aus. Einen Schwerpunkt bildete die Umsetzung der Richtlinie zur präventiven Restrukturierung in beiden Ländern.

Text: Rechtsanwalt Christoph Sorg, Schultze & Braun

Der Vorstand von ReTurn – Forum für Restrukturierung und Turnaround Management, Dr. Christian Grininger (Raiffeisenlandesbank Oberösterreich), begrüßte die Teilnehmer und führte in die Agenda ein. Die fachliche Moderation der Veranstaltung übernahm Prof. Dr. Robert Freitag von der Universität ErlangenNürnberg. RegDir Alexander Bornemann (inzwischen MinRat), Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), sprach zum Thema »Der EU-Restrukturierungsrahmen – Umsetzung in Deutschland«. Er wies auf den Stand der Ge

RegDir Alexander Bornemann

setzgebung hin und bat insoweit um Verständnis, dass er zum derzeitigen Zeitpunkt seiner Ministerin nicht vorgreifen könne. Formal soll es sich grundsätzlich um ein Verfahren handeln, welches eine präventive, insolvenz(verfahrens)abwendende Ausrichtung durch Erleichterung von Restrukturierungslösungen im Vorfeld des förmlichen Insolvenzverfahrens hat. Das Globalziel: Der präventive Rahmen soll sich in das bestehende (und im Kern bewährte) System, das mit den sog. ESUG-Verfahren funktionale Entsprechungen zum präventiven Rahmen bereits kenne, einfügen. Bornemann wies darauf hin, dass das Verfahren in kein Insolvenzverfahren eingebettet sei und die Richtlinie eine zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nicht vorsehe. Es bestehe demnach kein Bestellungsautomatismus. Ferner führte er aus, dass sich auch noch offene Fragen zur Einbindung des Restrukturierungsbeauftragten in das künftige Berufsrecht stellten.

Univ.-Prof. Dr. Christian Koller (Universität Innsbruck) stellte im Anschluss den Stand der Umsetzung des EU-Restrukturierungsrahmens in Österreich vor. Der österreichische Gesetzgeber habe auch noch keinen Entwurf vorgelegt, sodass er am Vortragstag nur von wahrzunehmenden Tendenzen berichtet könne. Später referierte dann auch RAin Miriam Simsa von der Wiener Kanzlei Schönherr über Tendenzen der Umsetzungsdiskussion in Österreich. In Österreich gebe es, so Koller, derzeit eine hohe Erfolgsquote bei außergerichtlichen Restrukturierungen. Das in Österreich geltende Unternehmensreorganisationsverfahren (URG) sei in der Praxis allerdings gescheitert und finde in der Anwendung nahezu keine praktische Relevanz. Die Sanierung im Insolvenzverfahren durch einen Sanierungsplan funktioniere in der österreichischen Praxis sehr gut, rund ein Drittel der eröffneten Verfahren würde mit einer Durchschnittsquote von über 20% abgeschlossen.

Die österreichische Justizverwaltung sei zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht so weit wie die Kollegen in Deutschland, meinte Koller. Als Tendenz sei aber wahrzunehmen, dass es keine Einschränkung auf jur. Personen bei der Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens geben soll, sämtliche Unternehmungen sollen einbezogen werden. Zugangskriterium bei nat. Personen könnten die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung sein. Bei jur. Personen und Gesellschaften seien die Zugangskriterien noch unklar, man debattiere über die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. das Vorliegen einer Fortbestehensprognose. Das präventive Verfahren soll durch den Schuldner ausreichend vorbereitet werden, die Vorlage der Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre sei dafür erforderlich sowie eine Bestandsfähigkeitsprüfung. Diese Kriterien sollten sachgerechte Zugangsbeschränkungen zu den Verfahren (nur Schuldnerantrag) darstellen. Hinsichtlich der Öffentlichkeit des Verfahrens plane man wohl ein

Prof. Dr. Christian Koller

Wahlrecht. Zuständig für das neue präventive Verfahren sollen die bisherigen Insolvenzgerichte sein. Es werde zurzeit der Trend wahrgenommen, so Koller, dass regelmäßig ein gerichtlicher Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden sollte. Ein gerichtliches Moratorium soll nach derzeitigem Stand nur stattfinden, wenn die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten ist. Bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit soll es kein gerichtliches Moratorium geben. Die Höchstfrist des Moratoriums dürfe insgesamt sechs Monate betragen, eine Wirkung gegenüber nicht verfahrensbeteiligten Dritten sei derzeit nicht angedacht. Beim Restrukturierungsplan stelle man sich in Österreich die Forderungsprüfung durch den Restrukturierungsbeauftragten vor. Beim Plan denke man an eine doppelte Mehrheit, 75 % Forderungsmehrheit und einfache Kopfmehrheit. Bei der Debatte um den Crossclass Cram-down beobachte er einen restriktiven Ansatz, zudem eine Präferenz für die »Regel des absoluten Vorrangs«.

Im Anschluss beleuchteten RAe Dr. Jörn Kowalewski und Dr. Jan-Philipp Praß (beide Latham & Watkins) den momentanen Diskussionsstand in Deutschland aus Praktikersicht und verglichen diesen mit dem Entwurf der Niederlande. Dieser als schuldnerfreundlich wahrgenommene niederländische Entwurf könne die praktische Bedeutung des englischen Scheme of Arrangement einnehmen, so fassten die Referenten Praxisstimmen zusammen. Im niederländischen Entwurf seien insbesondere Vertragsanpassungen vorgesehen, die im Rahmen eines deutschen Insolvenzplans nicht möglich sind. So könnten, nach derzeitigem niederländischen Entwurfsstand, unter gewissen Voraussetzungen Sicherheiten freigegeben werden und auch Änderungen von Mietvertragskonditionen möglich sein.

Wie schon erwähnt, ging Simsa aus Sicht der Praktikerin auf die gegenwärtigen Umsetzungstendenzen in Österreich ein. Es werde spekuliert, ob ein neues Gesetz das bisherige URG ersetzt. Das URG finde, so auch die Einschätzung der Referentin, keine Anwendung. Sie geht davon aus, dass Gesellschaften und unternehmerisch tätige nat. Personen in den Anwendungsbereich fallen. Arbeitnehmerforderungen und Pensionsanwartschaften seien voraussichtlich bei dem Verfahren ausgenommen. Die Praktikerin führte ebenfalls aus, dass hinsichtlich der Öffentlichkeit des Verfahrens in Österreich ein Wahlrecht des Schuldners vorstellbar sei. Eine Prozesssperre während des laufenden Verfahrens hält sie für eher unwahrscheinlich. Nachgedacht werde über eine dreimonatige Vollstreckungssperre, die ggf. um weitere drei Monate verlängert werden kann. Diese Exekutionssperre soll jedoch bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit nicht zur Anwendung kommen. In Ansehung des frühen Stadiums im Umsetzungsprozess trug Simsa einen von ihr erstellten Wunschzettel an die österreichische Legislative vor: Die Besteuerung des Sanierungsgewinns gem. § 23 a KStG soll auch im Restrukturierungsverfahren Anwendung finden; die Übertragung von Forderungen sollen von der Zessionsgebühr ausgenommen werden; es soll klare Regelungen zum Anfechtungsschutz geben, um für die Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen; die Frage, ob der Restrukturierungsbeauftragte auch Insolvenzverwalter werden kann, soll vom Gesetzgeber geklärt werden; die Warenkreditversicherer sollen einbezogen werden und ein DebtEquity-Swap soll ermöglicht werden. Es schloss sich sodann eine von Professor Freitag moderierte Paneldiskussion an. Insbesondere erörterte man die Bedeutung eines wirksamen Obstruktionsverbots.

Management von Problemkrediten bei der Austrian Anadi Bank

Nach der Mittagspause hielt Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel (Technische Hochschule Nürnberg) einen interdisziplinären und kurzweiligen Einführungsvortrag zur Glücksforschung. Der Vortrag erfolgte unter der Überschrift »Glücksforschung – worauf es im Leben wirklich ankommt«. Ruckriegel machte deutlich, dass die Glücksforschung verschiedene Fragen der Wirtschaftswissenschaften, Psychologie, Soziologie, Medizin und Neurobiologie betrifft und ein in der praktischen Bedeutung aufstrebendes Forschungsgebiet sei.

Zum Veranstaltungsende dieses gelungenen Erfahrungsaustauschs mit den österreichischen Kollegen sprach Magister Gabriele Schiemer (Head of Credit Risk Management von der Austrian Anadi Bank) über »Die Vorgaben der EBA zum Problemkreditmanagement Best Practice«. Schiemer schilderte die Abläufe eines Non-performing Exposures (deutsch: notleidender Kredit) aus der Sicht der Bank. Eine Forderung gelte als »forborne«, wenn auf Kundenseite Schwierigkeiten bestehen und die Bank durch bestimmte Transaktionen Erleichterungen gewährt. Der Forbearance-Status werde auf Kontoebene geführt. Jedes Kreditgeschäft (Neu- oder Änderungsgeschäft) könne demnach eine Forbearance-Maßnahme beinhalten. Es werde daher bei jedem Neu- oder Änderungsantrag geprüft, ob eine Forbearance-Maßnahme gewährt wurde. Kunden, die als non-performing oder forborne klassifiziert sind, befänden sich in einer einjährigen Beobachtungsphase. Nach Ablauf der Beobachtungsphase würden die Konten vierteljährlich in der Prüfliste »Forborne Konten – Beobachtungsphase abgelaufen« aufgelistet und zwecks Reklassifizierung überprüft. « 57

This article is from: