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Berater & Kanzleien

INDat Report 02_2020 Berater & Kanzleien

Mit der Autorität als Entscheider Konsens generieren

München. Sein Hauptbetätigungsfeld bringt es mit sich, dass RA Prof. Dr. Markus Stadler über konkrete Fälle nicht sprechen darf, denn die doppelnützige Treuhand verlangt häufig auch nach deren Beendigung Vertraulichkeit. Verkaufs- bzw. Insolvenztreuhandschaften wie Mefro Wheels und Elumatec sind publik geworden, auch der aktuelle Fall Eismann ist bekannt, bei denen Stadler, der auch Partner der Kanzlei Wellensiek ist, als Geschäftsführer der Cornelius Treuhand als sog. Treuhänder aktiv (gewesen) ist. Zu Stadlers Expertise zählen u. a. auch das Steuerrecht sowie komplexe Insolvenzpläne.

Text: Peter Reuter

Eigentlich schien seine berufliche Laufbahn als anwaltlicher Berater schon vorbestimmt zu sein, nachdem er sich seit 1997 in zwei Kanzleien auf die Bereiche Gesellschaftsrecht und Merger & Acquisitions (M&A) spezialisiert und bei der internationalen Großkanzlei Noerr zusätzlich dem Steuer- und dem Insolvenzrecht verschrieben hatte. Doch dann kam es anders als geplant. Eigentlich sollte Stadler im Jahr 2003 bei der Auto-Teile-Unger Gruppe (A.T.U), einem Mandanten der Kanzlei Noerr, die den Buy-out an die Beteiligungsgesellschaft Doughty Hanson begleitet hatte, den geplanten Börsengang auf Unternehmensseite betreuen. Doch der Börsengang kam nicht zustande, weil die Unternehmensgruppe im Mai 2004 dem Einstieg der New Yorker Beteiligungsgesellschaft KKR den Vorzug gab. Eigentlich sei mit diesem Ereignis seine Aufgabe, den Börsengang rechtlich zu begleiten, beendet gewesen, sagt Stadler, doch dann sei er bei A.T.U »hängen geblieben« – es wurden schließlich fast sechs Jahre –, weil sich mit dem Einstieg des Investors interessante Perspektiven eröffneten, das Unternehmen zu entwickeln und daran an verantwortlicher Stelle mitzuwirken. Im Nachhinein seien diese sechs Jahre eine besonders wertvolle Erfahrung in gelebter Betriebswirtschaft gewesen, bemerkt Stadler, die ihm später nicht nur bei den Sanierungen in den Treuhandschaften, sondern auch in der Restrukturierungsberatung zugutegekommen seien.

Seit Dezember 2003 leitete Stadler die Abteilung Corporate and Legal Affairs von A.T.U sowie den Bereich Investor Relations für den 2004 i. H. v. 150 Mio. Euro begebenen nachrangigen zehnjährigen Bonds. Auch übernahm Stadler die Funktion des Unternehmenssprechers. Als die Gewinne der Gruppe die hohe Fremdverschuldung infolge des LBO nicht mehr tragen konnten und A.T.U fortan Restrukturierungsprogramme entwickeln und umsetzen musste, sei er hauptsächlich mit diesen Sanierungsmaßnahmen beschäftigt gewesen. Es gab für Stadler aber noch eine weitere gestalterische Aufgabe: A.T.U hatte ein Unternehmen für Autoglasservice (Scheibenaustausch und Sofort-Steinschlagreparatur) erworben, für das Stadler die Geschäftsführung übernahm; dort baute er insbesondere die Versicherungskooperationen aus. Mit der A.T.U First Glas GmbH, die sich zur Nummer zwei dieser Branche in Deutschland habe entwickeln können, habe die Gruppe »viel auffangen können«, sie habe zeitweise etwa ein Viertel zum EBITDA beigetragen.

Unter anderem vor dem Hintergrund, dass Weiden in der Oberpfalz, der Hauptsitz von A.T.U, nicht der Mittelpunkt für sein ganzes Leben werden sollte, und da er bereits Kontakte zur Kanzlei Wellensiek unterhielt, übernahm er nach fast sechs Jahren praktischer Erfahrungen als Restrukturierer im Jahr 2009 als dessen Büroleiter und Partner den Standort München der Kanzlei Wellensiek. Dieses Büro zählte schon seinerzeit die Insolvenzverwaltung nicht zum Portfolio, und daran werde sich auch nichts ändern. Die Fokussierung auf Beratung und Treuhandschaften unter Ausschluss der Insolvenzverwaltung fördere die unterstützende Zusammenarbeit mit anderen Verwaltern z. B. bei komplexen Insolvenzplänen, in der Eigenverwaltung oder bei steuerrechtlichen Fragen. Am Standort München ist derzeit ein fünfköpfiges Team tätig, das auch den Bereich M&A abdeckt. Beim IT-Unternehmen HOB GmbH & Co. KG übernahm Stadlers Team z. B. die Funktion des Eigenverwalters.

3-Säulen-Modell mit Zu- und Abgängen

Die traditionsreiche Kanzlei Wellensiek, die in den vergangenen Jahren einige personelle Abgänge zu verzeichnen hatte, ist derzeit an 14 Standorten mit insgesamt etwa 110 Mitarbeitern, darunter acht Equity-Partner, präsent und fußt auf einem sog. 3-Säulen-Modell aus Insolvenzverwaltung, Treuhandschaften und Beratung. Zum Februar 2019 schloss sich RA Prof. Dr. Jan Roth an, der u. a. den neuen Geschäftsbereich Nachlassvermögensverwaltung leitet; mit ihm kamen weitere neun Rechtsanwälte bzw. Verwalter samt Teams hinzu. Im August 2019 wuchs der Kölner Standort um zwei weitere Verwalter, sodass Wellensiek derzeit elf Verwalter zählt.

6 Fragen an Markus Stadler

Aus der Cornelius Treuhand Holding GmbH & Co. KG mit Sitz in Frankfurt am Main, deren Mitgesellschafter und -geschäftsführer Stadler ist, schied Anfang des Jahres der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Florian Dausend aus. Anders als bei der Insolvenzverwaltung, bei der das Verfahren an die nat. Person geknüpft ist, laufen die Treuhandschaften über dafür eigens gegründete Special Purpose Vehicles (SPV), deren alleiniger Gesellschafter wiederum die Cornelius Treuhand ist. Ein Geschäftsführer der Cornelius Treuhand fungiert dann als federführender Geschäftsführer für die entsprechende Treuhand.

Mit Einstieg in die Kanzlei Wellensiek im Jahr 2009 kam Stadler sehr schnell mit seinen Erfahrungen im Gesellschafts- und Steuerrecht sowie M&A und Restrukturierung mit den Kanzleipartnern RA Christopher Seagon und RA Alfred Hagebusch überein, die die Gründer der Cornelius Treuhand sind, dass auch er vom Standort München aus Treuhandschaften managen sollte. Für ihn, so Stadler, sei diese neue Aufgabe das ideale Forum gewesen, um seine bisherigen Fähigkeiten zu bündeln. Vor allem an der Seite von Hagebusch arbeitete sich Stadler in diesen neuen Bereich ein.

Ein aktueller Fall aus dem vergangenen Jahr ist die Treuhandschaft über die Eismann-Gruppe, einem Anbieter von Tiefkühlprodukten, die Freshfields Bruckhaus Deringer als Berater » Hätten Sie sich nicht für diese Laufbahn entschieden, welcher berufliche Weg wäre für Sie vorstellbar gewesen? Elektrotechnik, Medizin oder Bauingenieurwesen. » Gibt es eine Fertigkeit oder Befähigung, die Sie jüngst erlernt haben oder die Sie gerade erwerben?

Ja, man lernt im Leben nie aus … versuche, kleine Kinder zu erziehen. » Welches nicht berufsspezifische Buch lesen Sie gerade? Wolf Haas, »Junger Mann«. » Wovon hätten Sie gerne mehr? Familienleben. » An welchen materiellen Dingen hängen Sie besonders? An unserem (kleinen) Garten, unserer Bibliothek und der Standuhr von meinen Großeltern. » Welchen Fehler würden Sie heute nicht mehr machen? Zu glauben, dass die Theorie der Realoptionen im privaten Leben Anwendung findet.

der Gruppe bei »ihrer umfassenden Sanierung und nachhaltigen Restrukturierung der Gesamtkapitalstruktur« begleitet hat, wie die Wirtschaftskanzlei in einer Mitteilung bekannt gemacht hat. Zur Umsetzung des mit einem europäischen Bankenkonsortium erarbeiteten Gesamtfinanzierungskonzepts sei die Einbringung der Anteile der Eismann-Gruppe in eine von der Cornelius Treuhand betreute doppelnützige Treuhandstruktur (Markus Stadler) erforderlich gewesen, heißt es weiter in der Mitteilung. Stadler bezeichnet diese Treuhandschaft als »Sonderfall«, denn hier sei es um ein durchaus komplexes finanzwirtschaftliches Finanzierungskonzept gegangen, operativ sei Eismann ein recht starkes Unternehmen.

INDat Report 02_2020 Zu Treuhandschaften führen meistens Konstellationen, in denen der Gesellschafter kein zusätzliches Kapital mehr einbringen kann oder will. Wirtschaftlich betrachtet »gehört« das Unternehmen dann den Fremdkapitalgebern (zumeist Banken). Übergibt der Eigenkapitalgeber seine Anteile an den Treuhänder, übernimmt dieser eine doppelte Aufgabe: Zum einen sorgt er über die Ausübung der Gesellschafterrechte auf der Basis eines Sanierungsgutachtens (IDW S 6) dafür, dass die notwendige Restrukturierung still und störungsfrei abläuft. Zum anderen kümmert er sich um die Kapitalgenerierung, die der Gesellschafter nicht mehr übernimmt, was häufig in einem M&A-Prozess mündet. Man spricht dann von einer Verkaufstreuhand. In der Regel handle es sich allerdings um offene Prozesse, betont Stadler, die im Durchschnitt etwa drei Jahre beanspruchten. Es komme auch vor, dass kein M&A-Prozess erforderlich ist, wenn aufgrund der operativen Restrukturierung das Unternehmen so viele Gewinne generiert, dass das Eigenkapital »wieder aufgefüllt« ist und der Gesellschafter seine Anteile zurückerhalten kann, was als Sanierungstreuhand bezeichnet wird. In einem seiner Fälle, der nahezu sechs Jahre still und »ohne Hektik« abgelaufen sei, habe sich die Ertragskraft des Unternehmens so stabilisiert, dass auf der Basis der heruntergetilgten Kredite das Gros der Banken, die auf die Treuhandlösung gedrungen hatten, zur Refinanzierung bereit gewesen sei. Hier habe das Vertrauen zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern wiederhergestellt werden können, sowohl die Gesellschafter als auch das Management seien an Bord geblieben. In diesem sechsjährigen Prozess habe eine der Banken ihre Forderungen an einen »namhaften« Londoner Debt Fonds verkauft, der dann mit Zustimmung der anderen Banken Teil des Treuhandvertrags geworden sei.

Botschafter für deutsches Treuhandmodell in London

Die doppelnützige Treuhandschaft ist klassischerweise ein Instrument deutscher Geschäftsbanken, die sie als atypische Kreditsicherheit entwickelt haben. In letzter Zeit beobachtet Stadler, dass Debt Fonds häufiger Kredite von Banken erwerben, die sich weniger (lange) bei Restrukturierungen engagieren wollen oder können. Allerdings brauche es einen erheblichen Aufklärungsbedarf über den Treuhandvertrag. Als er mit Hagebusch dieses Instrument einem Loan-Verbriefer in London erläutert habe (Konstellation: Immobilien in Deutschland, ausländischer Servicer, ausländische Kreditgeber), überzeugte diesen die doppelnützige Treuhand als Verwertungstool, sodass er die beiden »Botschafter« für diesen Immobilienfall als Treuhänder engagierte. Der Fall Mefro Wheels, ein Hersteller und Anbieter von Stahlrädern mit Sitz in Solingen mit seinerzeit 3000 Mitarbeitern weltweit und einem Jahresumsatz von 500 Mio. Euro, sei von Anfang an als strukturierte Verkaufstreuhand geplant gewesen, berichtet Stadler. Die Übertragung der Anteile an die SPV der Cornelius Treuhand erfolgte 2016, die Restrukturierung und der M&A-Prozess liefen bis Mitte 2018. Der strategische Investor Accuride Corporation aus den USA übernahm die Mefro Wheels GmbH im Zuge eines Share Deals und erhielt alle Arbeitsplätze und Standorte.

Die Treuhandlösung hat immer eine Konfliktsituation zum Ausgang, ein fehlendes Vertrauen zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern. Dieser Lösungsweg lässt sich aber nur im Konsens arrangieren, da der Gesellschafter als Treugeber den Treuhandvertrag mitunterschreiben muss. Wiederum lässt sich der Gesellschafter nicht ganz freiwillig auf dieses Konstrukt ein, allerdings machen die Fremdkapitalgeber die doppelnützige Treuhand zur Kreditauflage. Eine der vielen Aufgaben des Treuhänders bestehe darin, erläutert Stadler, eine Vermittlungsfunktion als Inhalt des Treuhandauftrags zu erfüllen, beide Seiten wieder zu einem konstruktiven Miteinander zu führen. Diese Integrationsaufgabe sei eine der Fertigkeiten, die er über die Jahre habe entwickeln können mit dem Ergebnis, dass »seine« Treugeber später auch den M&A-Vertrag mitunterschrieben, was streng genommen meist rechtlich nicht erforderlich ist. Im Übrigen ergebe sich nicht selten, dass man dem Gesellschafter später »noch eine Rolle überlässt«. Für die Cornelius Treuhand könne er sagen, dass man noch nie mit einem Treugeber im Streit auseinandergegangen ist oder er den Vorwurf erhoben hat, sein Unternehmen »verscherbelt« zu haben. Diesen Konsens über die mehrjährige Laufzeit zu genieren, sei die hohe Kunst des Treuhänders. Zwar müsse der Treuhänder die Stakeholder vom eingeschlagenen Weg überzeugen, er agiere aber als der Entscheider mit voller Autorität. Häufig wird im Treuhandkonstrukt ein Beirat installiert, dem (wie dem Treuhänder) das Management je nach Treuhandvertrag wichtige Entscheidungen zur Genehmigung vorzulegen hat. Apropos Gesellschafter: Handelt es sich um mehrere Gesellschafter, gelte es, so Stadler, eine derart beschaffene Mehrheit für die Treuhandlösung zu gewinnen, die mögliche gesellschaftsrechtliche Eingriffsmöglichkeiten ausschließt, die den Prozess torpedieren könnten.

Treuhandschaften sind bekanntermaßen kein Massenphänomen – Stadler gibt an, zumeist mit zwei oder drei parallel befasst zu sein –, auch gebe es keinen (oft nachgefragten) Mustertreuhandvertrag, wenngleich bestimmte Klauseln dieselben seien – jeder Fall sei individuell, man müsse die jeweilige (Konflikt)situation genau erforschen und analysieren. Außerdem müsse stets ein belastbares und aktuelles Sanierungsgutachten

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Unternehmensprofil: Küchenhersteller mit Produktionsstandort in Deutschland Hintergrund: Absatzrückgang führte zu Liquiditätsengpässen Unabgestimmter Führungsstil des Managements hatte Insolvenzantrag zur Folge Projekt: Nach Scheitern des Investorenprozesses Betriebsstilllegung One Square wurde für den Verkauf der Betriebsimmobilien mandatiert Schlüsselmaßnahmen: Bewertung der Produktionsstätte sowie der dazugehörigen Wohnimmobilien, Frei- und Agrarflächen Aufgeteilter Investorenprozess zur Erreichung der verschiedenen Zielgruppen Ansprache regionaler und nationaler Projektentwickler, um Potential der Liegenschaft herauszustellen, um ein wertmaximierendes Ergebnis zu erlangen Resultat: Verkauf Wohnimmobilien im Bieterwettbewerb an Privatpersonen Veräußerung von Freiflächen an angrenzende Industrieunternehmen Entwicklung der Produktionsflächen als Logistikstandort Vermarktungsprozess abgeschlossen

vorliegen, oft stelle sich der Einstiegszeitpunkt als bereits zu spät heraus. Diese vielen Voraussetzungen erklärten, warum das Tool dann nicht immer zur Anwendung kommt, das auch das Ziel verfolgt, eine Wertevernichtung in der Insolvenz zu vermeiden. Ein leicht abgewandeltes und in der Praxis laut Stadler noch nicht häufig genutztes Treuhandmodell ist die sog. Insolvenztreuhand, die erst im laufenden Insolvenzverfahren installiert wird, um die Betriebsfortführung und den späteren Verkauf zu strukturieren, wofür als ein Beispiel die Elumatec-Gruppe (ein Maschinen- und Anlagenbauer) steht. Ähnlich einer Auffanggesellschaft wird dabei ein im Kern profitables oder noch profitabel zu machendes Unternehmen frühzeitig im Insolvenzverfahren auf eine Treuhandgesellschaft übertragen. Die Cornelius Treuhand hielt über die Elumatec Beteiligungsgesellschaft die neu geschaffene Elumatec AG samt ihrer Tochtergesellschaften bis zur deren Verkauf. Die Treuhandlösung habe Anfang 2014 den Rahmen geschaffen, dass Elumatec unabhängig vom Markt ohne negative Auswirkungen auf den operativen Geschäftsbetrieb agieren und fast zweieinhalb Jahre bis zur Marktfähigkeit fortgeführt werden konnte, so Stadler. Das habe zudem Vertrauen bei Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten erzeugt. Wirtschaftlich gehört das Unternehmen weiter der Insolvenzmasse, der Verwalter ist der Treugeber und der Verkaufserlös fließt direkt an die Gläubiger. Im Jahr 2016 erfolgte der Verkauf der Gruppe an die italienische Cifin-Gruppe mit Erhalt der 700 Arbeitsplätze und des Standorts Mühlacker. Die Gläubiger erhielten eine Quote weit über der ursprünglich erwarteten, verkündete die Elumatec AG. Im Fall der Remag AG handelte es sich um eine vorinsolvenzliche Restrukturierungstreuhand, die allerdings in einer Insolvenz mündete. Im Rahmen der dann eingeleiteten Eigenverwaltung hielt die Cornelius Treuhand die Anteile der operativen Einheiten während des Sanierungsprozesses. Alle sieben Gruppengesellschaften konnten innerhalb von vier Monaten an drei verschiedene Investoren verkauft werden, sodass 300 der 490 Arbeitsplätze erhalten blieben.

Bei P+S Werften hat Sanierungstreuhand nicht funktioniert

Ein aufsehenerregender Fall, der ursprünglich als stille Sanierungstreuhand geplant gewesen war, ist der der P+S Werfen GmbH. Der Alleingesellschafter Hegemann war nicht mehr in der Lage, das notwendige Eigenkapital bereitzustellen, Gläubiger der Werftengruppe waren das Land Mecklenburg-Vorpommern sowie ein Konsortium aus Nord/LB und KfW IPEX. Wegen des hohen finanziellen Engagements des Landes befasste sich ein Untersuchungsausschuss des Landtags im Zuge der im August 2012 eingetretenen Insolvenz mit der Angelegenheit, dessen Beschlussempfehlung und Sachstandsbericht 2016 veröffentlicht wurde. Hier fungierte die Cornelius Treuhand über die SPV HSW seit 2010 als Treuhänder, deren Geschäftsführer Stadler war. Bei P+S kam es zur Einrichtung eines fünfköpfigen Beirats, der wichtigen Entscheidungen der Geschäftsführung zustimmen musste. Da der Fall noch nicht abgeschlossen ist und eine Schadenersatzklage des Verwalters der P+S

INDat Report 02_2020 Berater & Kanzleien

» Prof. Dr. Markus Stadler, Rechtsanwalt, FA StR, Partner bei Wellensiek und geschäftsführender Gesellschafter der Cornelius Treuhand Holding GmbH & Co. KG, geboren 1969 in München; 1990–1996 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg und Referendariat; 1996 Postgraduiertenstudium Master of Laws (LL. M.), 1997 Master of Business Administration (M. B. A.) an der University of Texas at Austin, 1998 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Augsburg mit dem Thema »Die Beratung des Vorstands der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat«; 1997–1999 RA bei der Kanzlei Herren & Partner in München; 2000–2003 RA bei Noerr in München; 2003–2008 Head of Corporate Affairs und General Counsel der A.T.U Auto-Teile-Unger Gruppe sowie Geschäftsführer der A.T.U First Glass GmbH; seit 2009 RA und Partner bei Wellensiek in München sowie Chief Legal and Compliance Officer der Cornelius Treuhand Holding; seit 2014 Professur für Betriebswirtschaftslehre an der FOM Hochschule München; Mandate: Eismann-Gruppe, Mefro Wheels, Remag Gruppe, Elumatec-Gruppe, hülsta (jeweils Treuhandschaften); Beratungsmandate: Loewe, Fachklinik Osterhofen, Gerry Weber, Laurèl, HPI AG, Kronenbrot.

Werften gegen KPMG wegen des angeblich fehlerhaften Sanierungsgutachtens noch anhängig ist, kann sich Stadler nicht äußern, würde aber P+S Werften nicht zuletzt wegen der politischen Dimension als einen der komplexesten Fälle bezeichnen. Der Bericht des U-Ausschusses zitiert im Übrigen Zeugenaussagen, wonach Vertretern des Landes MecklenburgVorpommern das Konstrukt der doppelnützigen Treuhand unbekannt gewesen sei, auf das die Banken aber gedrungen hätten. Auch offenbart der Bericht des U-Ausschusses, dass sich die Kosten der Treuhandschaft in den Jahren 2010 und 2011 auf insgesamt 1,7 Mio. Euro belaufen haben sollen. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Treuhandgebühren geringer als die Kosten eines Insolvenzverfahrens sind.

Die Zukunft und Attraktivität der doppelnützigen Treuhand als Restrukturierungsinstrument sieht Stadler positiv mit Blick auf die Umsetzung des präventiven Restrukturierungsrahmens. Ähnlich wie es RA/WP Andreas Ziegenhagen im Kommentar »Präventive Restrukturierung« darlegt, könnten Restrukturierungsplan gemäß pRR und doppelnützige Treuhand miteinander kombiniert werden, sodass sich z. B. unter der Ägide des Plans mit den entsprechenden Mehrheiten (75 %) bestimmte Maßnahmen der Treuhandschaft umsetzen ließen, über die sich kein Konsens hat erzielen lassen. Stadlers weitere Expertise, die im Steuerrecht, war besonders nach der am 08.02.2017 veröffentlichten Entscheidung des BFH zum Sanierungserlass sehr gefragt, wie Übergangsregelungen und Gestaltungsmöglichkeiten bis zu einer neuen gesetzlichen Lösung aussehen könnten (siehe Stadler in NZI 2018, 49 ff.). Beim Insolvenzplan der Laurèl GmbH, an dem Stadler beratend beteiligt war, habe man den schon fortgeschritten entwickelten Plan, den das AG München dann am 31.07.2017 beschloss und der am 14.08.2017 rechtskräftig wurde, noch im Zuge einer Einzelfallentscheidung mit einer »sehr konstruktiven« Finanzverwaltung »retten« können. Allerdings habe man sich auf den Kompromiss einlassen müssen, dass das Finanzamt auch die Insolvenzquote erhält. Für die weitere Übergangszeit habe sich dann als rechtssichere Lösung nur das System »Erwerb der Insolvenzforderungen durch den Investor mit qualifiziertem Rangrücktritt« angeboten, dass der Investor die Insolvenzquote als Forderungskaufpreis erwirbt und dann an die Gläubiger ausschüttet – der Nachteil für den Investor ist, dass die Forderungen in der Bilanz stehen. Trennte er sich von ihnen, stellte sich wieder das Problem des Sanierungsgewinns. Bei dieser Übergangslösung hat Stadler z. B. die Insolvenzpläne bei verschiedenen M&A-Prozessen im Health-Care-Bereich beratend unterstützt.

Gefragt war Stadler auch beim komplexen Insolvenzplan für die Gerry Weber International AG. Im Auftrag der Eigenverwaltung hatten er und sein Team ein Konstrukt entworfen, das jedem der Gläubiger Lösungen zur Auswahl bot. Dabei hatten die Gläubigergruppen unterschiedliche Angebote zur Befriedigung ihrer Forderungen erhalten, die passgenau auf die jeweiligen Interessenlagen zugeschnitten waren. Die Höhe der jeweiligen Insolvenzquote setzte sich – je nach Gruppe unterschiedlich – aus verschiedenen Bausteinen zusammen, z. B. aus einer festen Barquote von 12,0 %, zusätzlichen Mitteln aus künftigen Desinvestments der Gesellschaft oder aus dem Bezug von wertaufholenden Finanzinstrumenten wie Anleihen und Wandelschuldverschreibungen. In der Summe reichten die kalkulatorischen Befriedigungsquoten von rd. 32 % bis zu mehr als 50 % der jeweiligen Forderungen. Dieses Angebot sollte die Annahmechancen des Plans erhöhen, sagt Stadler. Am 18.09.2019 nahmen die Gläubiger – bis auf die Aktionäre – den Plan zum Erhalt des Unternehmens mit großer Mehrheit an.

Als ob Stadler noch nicht genug beschäftigt ist, hat er sich seit 2009 der Lehre verpflichtet, seit 2014 verstärkt er das Professorenteam der FOM Hochschule in München und deckt als Professor für BWL den Bereich Financial Management ab. Da die Vorlesungen der berufsbegleitenden FOMStudiengänge abends oder am Wochenende stattfinden und die älteren Studierenden mit ihrem Berufshintergrund einen Zugewinn für alle einbrächten, ergebe sich eine auch für ihn interessante Interaktion, die ihm trotz der zusätzlichen Arbeit Spaß bereite, sein Wissen zu vermitteln, denn er könne gleichzeitig einiges dazulernen. «

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