Auktionshaus im Kinsky Journal 1/2015

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Alte Meister

Gleichzeitig unterstreicht das Hundeporträt jedoch auch, dass das klassische Tierporträt per definitionem niemals ohne Rückbezug auf den Menschen existieren kann. Denn dieser ist zum einen Auftraggeber des Gemäldes und zum anderen stolzer Besitzer des porträtierten Tieres, das ihn zugleich selbst repräsentiert.

zum anderen wiederum durch die ebenfalls im Porträt zu findende herrschaftliche Selbstinszenierung als erfolgrei­ cher Jäger. Hunde wurden zu privilegierten Begleitern der gehobenen Gesellschaft, deren unterschiedliche Merk­ male man gezielt in Rassen zu züchten begann und deren Individuen mit Ehren- oder Kosenamen versehen wurden. So blieb es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wunsch der stolzen Besitzer etablierte, die treuesten Jagdbegleiter, ebenso wie die prächtigsten Reittiere in Öl unsterblich werden zu lassen. Um 1700 entwickelte sich schließlich daraus eine ganz neue Gattung von Tierporträts, in der auf die Darstellung des Menschen verzichtet und der Hund in der Landschaft, seinem natürlichen Lebensraum, alleine porträtiert wurde. Zu den Pionieren dieses neuen prägenden Typus der Tiermalerei zählen die Hofmaler

4 N. Köllisch, Herzog Albert in vorgerücktem Alter, Aquarell auf Papier, 23,7 x 16,6 cm, Albertina, Wien

Alexandre-François Desportes (1661–1743) und Jean-Bap­ tiste Oudry (1686–1755), die die Hunde der französischen Könige Ludwig XIV. und Ludwig XV. in zum Teil mit Namen versehenen Einzelbildnissen porträtierten. (Abb. 2) In manchen Schlössern entstanden ganze Galerien, die sowohl die Jagdhunde als auch die Schoßhündchen der Damen verewigen sollten. Besonders in England, mit seiner romantisierenden Vorstellung vom Leben des Menschen in Einklang mit der Natur, erreicht die Gattung des Tierporträts im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Es entsteht ein neues Spezialistentum, das sich das Porträtieren von Hunden und Pferden reicher Auftraggeber zur Aufgabe machte. Erscheinen Desportes’ und Oudrys Hunde zwar korrekt widergegeben, aber doch eher als modellhafte Archety­ pen inszeniert, gelingt es dem Engländer George Stubbs (1724–1806) durch „ein Höchstmaß an psychologischer und physiognomischer Individualisierung“2 seine Hunde­ porträts zu beseelen. Indem Stubbs nicht nur mit wis­ senschaftlichem Empirismus die jeweilige Anatomie bis ins Detail studierte, sondern auch erstmals versuchte, die Gefühlswelt der Tiere zu erfassen, erhielten seine Tierpor­ träts einen unverwechselbar bewegenden Ausdruck. Er entsprach damit dem Zeitgeist, der gerade dabei war, René ­Descartes’ (1596–1650) rationalistische Anschauung von 1 Jan van Eyck, Portät von Giovanni Arnulfini und seiner Braut Giovanna Genami, 1434, Öl auf Holz, 81,8 x 59,7 cm, The National Gallery London

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