Idea Spektrum Schweiz 39/2011

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SYNERGIE Altes Modell für Vollzeiter Eines der Bücher, das mich – nebst der Bibel – in den letzten Jahren am meisten herausgefordert hat, ist «Das normale Gemeindeleben» von Watchman Nee, einem chinesischen Christen. Die Lektüre war für einen wie mich, der von Kindesbeinen an einen Evangelikalismus westlicher Prägung erlebt hatte, ein (heilsamer) Kulturschock. Nee räumt in seinem Buch mit dem bei uns weit verbreiteten Irrtum auf, dass die drei Hauptelemente der westlichen Kirche (Gebäude, Prediger, Gottesdienst) die wichtigsten oder gar einzigen Wesenszüge einer Gemeinde nach neutestamentlichem Verständnis seien. Aber darum soll es heute nicht gehen. Vielmehr hat mich noch ein anderer, wirtschaftlich interessanter Aspekt im besagten Buch herausgefordert. Watchman

Respekt! «idea Spektrum» Nr. 38 – «Konsequent für das Leben» Ich möchte mich bei allen Frauen und Männern bedanken, die sich am «Marsch fürs Läbe» in Zürich öffentlich für den Schutz des ungeborenen Lebens eingesetzt haben. Sie verdienen unseren Respekt. In einer Zeit, in welcher vielerorts die Freiheit der Eltern höher gewichtet wird als das Leben ungeborener Kinder, ist die christliche Präsenz in der Öffentlichkeit ein starkes Zeichen, das nötiger denn je ist! Nur so kann dem heute immer stärker überbordenden Egoismus einzelner Eltern Einhalt geboten werden. Urs MArTIN, Kantonsrat SVP, Romanshorn

Liebe zu Israel

Nee widmet nämlich ein ganzes Kapitel dem Thema Finanzen. Darin provoziert er hauptsächlich mit zwei Thesen: Erstens sei es Gottes Sache, ein Werk, das er ins Leben gerufen hat, zu finanzieren. Will heissen: Gott zahlt restlos, was er bestellt. Damit stellt Nee unter anderem die üblichen Spendenaufrufe christlicher Werke radikal in Frage. Der finanzielle Engpass eines Werkes wäre auf dieser Grundlage ein potenzieller Hinweis, dass Dinge getan werden, die vom Allmächtigen vielleicht gar nie bestellt wurden. Die zweite These geht in die gleiche Richtung: Demnach dürften Vollzeiter nicht von einer Gemeinde oder einem Verein angestellt, sondern müssten selbständig und direkt von Gottes Versorgung abhängig sein. Die Begründung ist einfach: Wen der Herr beruft, den versorgt er auch. Und wenn ein Mann Gottes vom Weg abkommt, so steht seinem Chef ein ziemlich effizientes Korrektiv zur Verfügung: Ein solcher Vollzeiter wird – sobald es mit der Versorgung werde, weil es sich als Heimstätte der Juden verstehe. Und Christen würden die Regierungen ihrer Länder ermutigen, für Israel einzustehen. Im letzten Abschnitt dagegen stellt er fest, weil Christus alle Menschen liebe, dürften Christen nicht einige Menschen lieber haben als andere. Und schon gar nicht ihre Staaten. Wo stehen die letzten zwei Aussagen in der Bibel? Verbietet es mir die Bibel, ein Land meiner Wahl und damit auch dessen Bevölkerung besonders zu lieben? Verbietet sie mir, meine Frau, meine Kinder und meine Freunde mehr zu lieben als andere Menschen? Hat Gott nicht gesagt: «Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.» (Maleachi 1,3, Römer 9,1116)? Hatte nicht Jesus einen der Jünger besonders lieb? PETEr MüLLEr, Freienstein

«idea Spektrum» Nr. 35 – «Steht uns Israel näher als jedes andere Land?»

Mission gehört dazu

Im Gegensatz zu seinem Kontrahenten Jürgen Bühler nennt Frank Fornaçon, Präsidiumsmitglied des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, keine einzige Bibelstelle, um seine Aussagen zu untermauern. Schade! Am Anfang seiner Stellungnahme schreibt er, Christen würden stets darunter leiden, wenn Israel angegriffen

«Der Teufel läuft wie ein brüllender Löwe um euch herum»: Diesen Bibelvers aus dem Petrusbrief (1. Petrus 5,8) zitiert Hugo Stamm in einem Artikel im «Tages-Anzeiger» über die ICF-Kirche durchaus richtig. Wie wohl auch die meisten anderen Aussagen. Interessant sind einfach die manipulativen Zwischentöne, mit denen

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klemmt – meist viel schneller Gottes Angesicht suchen und den Grund für die Probleme beseitigen, um wieder in seiner Berufung zu laufen, als jemand, der von einer Gemeinde ein Monatsgehalt bekommt. Leider ist es bei uns nicht ganz einfach, das etablierte System zu hinterfragen, da der Monatslohn eine Art unantastbares Grundrecht darstellt und auch die AHV wenig Spielraum lässt. Und doch fände ich es reizvoll, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das unseren Vollzeitern die Selbständigkeit ermöglichen würde. Spenden würden direkt an sie überwiesen und wären (steuerpflichtiges) Einkommen. Mutmasslich würde diese Art von «Abhängigkeit in Selbständigkeit» manchen christlichen Leiter so richtig freisetzen. DANIEL ALBIETZ Der Autor ist Anwalt und Gemeinderat in Riehen BS. www.albietz.biz

Stamm die Sektenkarte spielt, ohne diesen Begriff verwenden zu müssen. Er weigert sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht nur Freikirchler, sondern auch bekennende Christen in den Landeskirchen an einen «Widersacher» glauben, der den guten Absichten Gottes entgegenwirkt. Auch das missionarische Element ist keine ICF-Erfindung, sondern gehört zum genetischen Code aller JesusNachfolger. Denn Menschen können und dürfen eingeladen werden, sich zu entscheiden, welchen Weltanschauungen sie Gehör schenken und nach welchen Werten sie ihr Leben ausrichten wollen. Und einer dieser Werte ist eben auch das grosszügige Geben, das Hugo Stamm bei Christen zu irritieren scheint. Logisch, dass Freikirchen auch ihre Existenz darauf aufbauen, und dass sie deshalb in Gefahr stehen – wie übrigens jeder finanziell herausgeforderte Fussballclub –, gelegentlich manipulativ zu werden. Dem sozialen Engagement des ICF unterstellt Stamm unlautere Motive, obwohl das Heilsarmee-Motto «Suppe, Seife, Seelenheil» ja für alle JesusNachfolger Gültigkeit hat. Ich freue mich, dass das ICF missioniert und sich um «Leidgeprüfte» kümmert. WILF GAssEr, Präsident Schweizerische Evangelische Allianz, Bern

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PODIUM Die Reichsten Die Schweiz ist laut des «Global Wealth Report» das reichste Land der Welt. Das durchschnittliche Vermögen pro Einwohner beträgt 250 000 Franken, das sind 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor (auch eine Folge des starken Frankens). Derweil kämpfen Millionen von Menschen ums Überleben. Wenn wir ein christlich geprägtes Land sein und bleiben wollen, muss uns die Überzeugung lenken, dass Armut und Not dann überwunden werden, wenn alle Menschen die ihnen zustehenden Rechte geltend machen können, die für uns selbstverständlich sind: bürgerliche und politische Rechte für Frauen und Männer, das Recht auf Bildung, Gesundheit, auf Nahrung, sauberes Wasser, auf eine intakte Umwelt, auf Frieden. Der Weg dazu ist vielfältig. Einer betrifft die Verantwortung der Wirtschaft im globalen Markt. Die Wirtschaft muss verpflichtet werden zu ethischem Handeln. Dazu gehören «Fair Trade» und die Bedingung, dass Geschäftspartner die Menschenrechte respektieren müssen. In der Zusammenarbeit sind «saubere» Partner vorzuziehen, nachhaltige Firmen, die es mit dem Verbot des Verursachens von Umweltschäden und dem Zulassen von Kinderarbeit etc. ernst nehmen. Die Chance, dass ein Reicher in den Himmel kommt, ist nicht grösser, als dass ein Kamel durchs Nadelöhr gelangt. Wir wissen um dieses biblische Bild. Aber Jesus hatte diese Antwort gegeben, ob es uns passt oder nicht. Das Milleniumsziel der Halbierung der weltweiten Armut bis 2015, zu dem sich die Schweiz verpflichtet hat, ist schlicht chancenlos mit dem derzeitigen Budget für Entwicklungszusammenarbeit. Wann will denn die Schweiz als reichstes Land den Tatbeweis antreten statt der blossen Lippenbekenntnisse der bürgerlichen Parteien? MAYA INGOLD Die Autorin ist Nationalrätin der EVP und wohnt in Winterthur. Bild: VBG


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