Idea Spektrum Schweiz 17/2010

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TAGESSCHAU

ideaSchweiz l 17/2010

JOURNAL

Verein «Gemeinsam statt einsam» integrier t Menschen in Affoltern am Albis

Der letzte Gottesdienst

Ein Menü mit Dessert für fünf Franken

Die Chrischona-Gemeinde Diessenhofen feiert am 27. Juni den letzten Gottesdienst. Einstimmig haben die Mitglieder die Auflösung beschlossen, da nur noch ein Dutzend ältere Gläubige die Gottesdienste besucht. Eine Jugendarbeit fehlt seit Jahren. Die heimatlosen Mitglieder sind eingeladen, der Nachbargemeinde in Stammheim beizutreten. Die Entwicklung in Diessenhofen entspreche aber keinem Trend, wie Chrischona-Regionalleiter Samuel Studer gegenüber der «Thurgauer Zeitung» ausführte. (idea)

«Sunnebad» in der Krise? Am 1. Januar 2006 hatte das Diakonissen-Mutterhaus St. Chrischona (DMH) in Bettingen die Trägerschaft des Hauses der Stille «Sunnebad» im zürcherischen Sternenberg übernommen und in eine Stiftung umgewandelt. Nach Defiziten des Betriebs in den Jahren 2006, 2007 und 2008 hat die Stiftung nun ein Defizit von über 300 000 Franken für das überlange Geschäftsjahr 2009 (15 Monate) hinnehmen müssen. Nun wollen die Diakonissen sich vom «Sunnebad» wieder trennen. Sie schlagen der Betriebsleitung vor, eine neue Trägerschäft für das Haus der Stille zu suchen und dafür einen Verein zu gründen. Die Geschäftsleiter Susanna und Ernst Oppliger suchen nun nach einer neuen Lösung. (idea)

Zürich: So wurde gewählt Bei der zweiten Serie der Gemeindewahlen im Kanton Zürich wurde in Bertschikon Brigitte Boller (EVP) als Präsidentin des Gemeinderates wiedergewählt. In Bülach gewann die EDU mit Stefan Zimmerli einen Sitz im Stadtparlament. In Hettlingen zieht Richard Weber (EVP) neu in den Gemeinderat ein. In Kloten zieht neu Martin Jegge (EDU) ins Stadtparlament. In Seuzach fiel Barbara Maurer (EVP) als Überzählige aus dem Rennen. In Turbenthal schaffte Erna Brüngger (EVP) die Wieder wahl in den Gemeinderat. In Zell erhielt Kurt Nüesch (EVP) als Gemeinderat am meisten Stimmen bei seiner Wieder wahl. Die EVP des Kantons Zürich hält damit insgesamt 31 Sitze und die EDU 7. (idea) Bild: Mirjam Fisch

Um für einsame Menschen einen Ort der Begegnung zu schaffen, gründeten Christen in Affoltern am Albis den Verein «Gemeinsam statt einsam». Jeden Montag bietet er einen Mittagstisch für Erwachsene an. Einmal pro Monat lädt er zum Spielen oder Werken ein. Die Tafeln sind weiss gedeckt und bunt dekoriert, Sonnenlicht lässt den Raum festlich erstrahlen. David hüpft herein, glücklich, wieder in den Räumen der Chrischona-Gemeinde Affoltern am Albis zu sein. Er kennt sie vom Kochkurs her, den seine Mutter letztes Jahr besucht hat. Heute nehmen beide am Essen teil. Es gibt einen Salatteller, Kartoffelgratin, Rüebligemüse und Hackfleisch-Spiesse und zum Dessert Fruchtcreme mit Tee oder Kaffee. Der Verein «Gemeinsam statt einsam» ist für Menschen gedacht, die es leid sind, immer allein zu essen, sich den Gang ins Restaurant aber nicht leisten können. Hier kostet das Menü mit Dessert fünf Franken.

Mittagstisch in Affoltern am Albis: Nathanja, David und seine Mutter Anne-Marie Stauffer lassen sich das Essen schmecken.

ihr Engagement. Sie hatte beim Sozialdepartement der politischen Gemeinde angefragt, wie Christen die Angebote im Dorf und im Knonauer Amt ergänzen könnten. Einsamkeit sei ein Problem für viele Menschen, erfuhr sie. Es fehlten Orte der Begegnung und Möglichkeiten, Beziehungen zu pflegen. Mitglieder der Chrischona-Gemeinde diskutierten, wie dem zu begegnen sei. Warum also nicht einen Mittagstisch für Erwachsene anbieten?

Grenzen überwinden «Mein Traum ist es, dass sich alle Kirchen gemeinsam für die Menschen hier einsetzen», begründet die 50-jährige Sozialmanagerin Eveline Hedinger

«Schweizer Tafel» Die Non-Profit-Organisation ist ein Projekt der Stiftung «Hoffnung für Menschen in Not». Elf Tafeln sammeln bei über 500 Spendern täglich rund elf Tonnen einwandfreie Lebensmittel ein. Sie werden gratis an 489 Institutionen verteilt, die sich für benachteiligte Menschen einsetzen.

«Tischlein deck dich» Über 1000 ehrenamtlich Mitarbeitende sorgen für eine Umverteilung von gespendeten Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs. Bei 70 Abgabestellen decken sich in der Schweiz 9500 armutsbetroffene Personen für einen symbolischen Franken jede Woche mit einwandfreien Lebensmitteln ein.

Nächstenliebe leben Der Trägerverein «Gemeinsam statt einsam» wurde gegründet. Er zählt bereits vierzig Mitglieder. Grundlage des Vereins sei das christliche Menschenund Weltbild der Bibel, erklärt Hedinger. Das Leitbild basiere auf Werten wie Nächstenliebe, Achtung und Wertschätzung im Umgang miteinander. «Wer sich damit identifizieren kann, ist willkommen, mitzuhelfen.» Die Chrischona-Gemeinde stellt ihre Räume gratis zur Verfügung. Je drei ehrenamtliche Fünferteams wechseln sich in Küche und Service ab. Jeden Montag von 11.30 bis 13.30 Uhr wird ein Drei-Gang-Menü angeboten, das aus Gaben der «Schweizer Tafel» zusammengestellt ist. Bleiben Frischprodukte übrig, profitiert «Tischlein deck dich» davon, welche ihre Klienten am Dienstag bedient. Letztes Jahr bot der Verein einen Kochkurs an, zu dem er die Bezüger von «Tischlein deck dich» eingeladen hatte. «Gemein-

sam gesund und günstig kochen» lautete das Motto. Damit Mütter teilnehmen konnten, betreuten Ehrenamtliche ihre Kinder. Der Besuch schwankte zwischen einer und sechs Teilnehmerinnen. Doch Eveline Hedinger hat als Mutter von drei erwachsenen Kindern einen langen Atem.

Behörden empfangen Am 12. April drückte sie vor Vertretern der Chrischona-Gemeinde, anderen Kirchen und Freikirchen, des «Tischlein deck dich» und Behördenmitgliedern ihre Freude und Dankbarkeit über das neue Projekt aus. Der Verein hatte über Kirchen, Gemeinden und soziale Einrichtungen über sein Angebot informiert. Diese geben Flyer weiter oder erwerben und verschenken Essensbons.

Freundschaften entstehen Die gebürtige Kamerunerin Anne-Marie Stauffer ist alleinerziehend. «Wenn ich mit Kolleginnen zusammen bin, schauen sie ständig auf die Uhr, weil sie arbeiten gehen müssen», erzählt sie. «Ich bin froh, treffe ich hier andere Frauen.» Die Mitglieder des Vereins pflegen Kontakte und integrieren Einsame. Freiwillig Mitarbeitende erhalten einen Essensbon. Anne-Marie Stauffer überlegt sich, einzusteigen. Weil sie auf Stellensuche ist, hat sie sich noch nicht entschieden. Doch während sie erzählt, wie gut es ihr und David hier gefällt, strahlen ihre dunklen Augen. MIRJAM FISCH


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