IHWA-Programmheft_Galeriekonzert_Nikolovska_Rieger_16Febr2023

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PROGRAMM

PRIAULX RAINIER (1903–1986)

aus: Cycle for Declamation (1954) We cannot bid the fruits

AARON COPLAND (1900–1990)

aus: Twelve Poems of Emily Dickinson (1950) There came a wind like a bugle

FRANZ SCHUBERT (1797–1828)

Herbst D 945 (1828)

SERGEJ PROKOFJEV (1891–1953)

aus: Five Songs Without Words op. 3 5 (1920) Nr. 2

AARON COPLAND

aus: Twelve Poems of Emily Dickinson (1950) Dear March, come in!

FRANZ SCHUBERT

Auflösung D 807 (1824)

AARON COPLAND

aus: Twelve Poems of Emily Dickinson (1950) The world feels dusty

SERGEJ PROKOFJEV

aus: Five Songs Without Words op. 35 (1920) Nr. 5

FRANZ SCHUBERT

Verklärung D 59 (1813)

AARON COPLAND

aus: Twelve Poems of Emily Dickinson (1950)

Why do they shut me out of heaven?

FRANZ SCHUBERT

Der Unglückliche D 713 (1821)

Nacht und Träume D 827 (1825)

Pause

HOWARD SWANSON (1907–1978)

Night Song (1947)

HALE SMITH (1925–2009)

March Moon (1970)

ANA SOKOLOVIĆ (*1968)

aus: Love Songs (2008)

O Mistress Mine

FRANZ SCHUBERT

An den Mond D 193 (1815)

ROSEPHANYE POWELL (*1962)

aus: Miss Wheatley’s Garden (2014)

A Winter Twilight

MARGARET BONDS (1913–1976)

Songs of the Seasons (1955)

Poème d’Automne

Winter Moon

Young Love in Spring

Summer Storm

EMA NIKOLOVSKA, Mezzosopran

WOLFRAM RIEGER, Klavier

Du bist als Sängerin in allen Bereichen erfolgreich – Oper, Konzert, Lied, – aber Dein Herz schlägt ganz besonders fürs Lied. Ist das so – und wenn ja, warum?

Ja, das stimmt in jedem Fall – und das hat letztlich mehrere Wurzeln. Es begann eigentlich mit meiner ersten Gesangslehrerin Helga Tucker. Bei ihr habe ich im Alter von 16 Jahre die ersten Gesangsstunden genommen –und sie hat in mir die Liebe zum Lied geweckt. Sie hat mit am Anfang nämlich nur Lieder zum Singen gegeben, keine Arien, was auch absolut sinnvoll ist. Und beim Lied haben mich sofort die Texte fasziniert, die Gedichte. Ich mochte schon immer Literatur und die Kraft der Sprache – und beim Lied konnte ich mich durch diese Texte sofort ausdrücken. Das war auch der große Unterschied zur Geige. Eigentlich war die nämlich mein Instrument. Ich habe zuerst Geige studiert und Gesang nur nebenbei »just for fun« gemacht. Mit dem Gesangsstudium habe ich sehr viel später begonnen, erst mit 23. Beim Lied hat mich außerdem von Anfang an auch die Nähe zur Kammermusik angesprochen. Auch als Geigerin mochte ich Kammermusik immer ganz besonders, das gemeinsame Musizieren im Duo, Terzett oder Quartett. Und beim Lied ist das ja letztlich genauso.

Ein anderer Grund, warum mich das Lied sofort in seinen Bann gezogen hat und warum es mich von Anfang so fasziniert und begeistert hat, ist, dass es so kurz ist und dass man hier auf sehr kleinem Raum immer wieder eine neue Welt schaffen kann. Ich habe mich beim Lied nicht so unter Druck gesetzt gefühlt wie beim Erarbeiten einer Arie. Das Lied ist, finde ich, die beste Schule, um seine Technik zu entfalten und zu finden, weil es eben so klein ist. In der Oper gibt es immer so viele große Vorbilder, große Namen, das kann auch schnell entmutigend sein. Wenn man sich im Lied gefunden hat, nimmt es einem die Angst vor der großen Oper. Im Lied kann man den Druck rausnehmen und sich ausprobieren und zu

sich finden. Es gibt einem den Freiraum, sich zu entfalten, den gibt es in der Oper nicht so. Letztlich habe ich auch als Geigerin diese Limitierung empfunden, dass man da noch sehr viel mehr mit technischen Regeln usw. beschäftigt ist. Im Lied ist man viel freier.

Du bist besonders neugierig, immer wieder neues Repertoire und neue Komponisten zu entdecken, ist das richtig?

Als Geigerin bin ich in Kontakt mit sehr vielen Komponisten gekommen. Da hat man wahnsinnig viele verschiedene Klangwelten kennengelernt. Ich wollte diese Vielfalt an Stilen und Komponisten auch im Gesang finden – und habe sie im Lied gefunden. Gerade als Anfänger sind Arien oft noch zu schwierig, das limitiert die Auswahl und Bandbreite. Beim Lied gilt das nicht. Das Lied hat mich sofort durch seine Flexibiliät inspiriert. Letztlich ist das Lied – der Song – die Basiseinheit menschlichen Ausdrucks, und das gilt für alle Genres von Schubert bis zu den Beatles und Pink Floyd. Das ist alles »Song«. Diese enorme Bandbreite begeistert mich.

Was hat Dich als Liedsängerin besonders beeinflusst?

Besonders prägend war der erste Liederabend, den ich überhaupt jemals gehört habe: Das war während des Studiums in Toronto am Royal Conservatory of Music. Dort gibt es einen sehr schönen Konzertsaal, die Koerner Hall, und dort gab es ein Konzert mit Christian Gerhaher und Andràs Schiff. András Schiff kannte ich als Konzertpianisten, aber von Christian Gerhaher hatte ich noch nie gehört. Sie haben mit An die ferne Geliebte angefangen –und mir kamen da sofort die Tränen. Ich musste weinen, weil es mich so tief berührt hat, obwohl ich letztlich von den Texten nichts verstanden habe, denn ich konnte da noch gar kein Deutsch. Aber das vermag Lied! Das werde ich nie vergessen.

EMA

Das zweite prägende Erlebnis war ein Konzert mit Chris Thile wieder in der Koerner Hall. Das ist ein fantastischer Mandolinist, der u. a. auch die Violinsonaten von Johann Sebastian Bach auf Mandoline eingespielt hat. In diesem Konzert hat Chris Thile auch Bach gespielt, aber dann auch einen Blue Grass Song, dann wieder Bach und das immer weiter gemischt mit Cover-Versionen von Pop-Songs, die er mag usw. Das war fantastisch – und man hat auf einmal die Stücke von Bach ganz anders gehört, die Musik hat anders geklungen in diesem Zusammenhang zwischen Blue Grass und Pop. Das war ein ganz toller Effekt. Da habe ich gemerkt, was solche Gegenüberstellungen verschiedener Stile bewirken können. Und in einem Liedpogramm kann man so etwas eben auch besonders gut machen. Außerdem habe ich hier in diesem Konzert von Chris Thile begriffen, dass in einem Programm der Kontext wahnsinnig viel ausmacht.

Damit wären wir auch schon bei der nächsten Frage – nämlich die nach den Liedprogrammen. Was interessiert dich hier besonders?

Wie gesagt, Chris Thile hat mir gezeigt, was ein Programmkontext bewirkt, wie sich die Zusammenstellung von einzelnen Stücken auf das Hören auswirkt. Damit zu experimentieren, was man miteinander kombinieren kann und was nicht, finde ich absolut faszinierend. Wahrscheinlich wurde diese Lust am Zusammenstellen und Kombinieren von Musik schon in meinem Elternhaus geweckt. Mein Vater liebt Musik aller Genres und hat zu Hause wahnsinnig viel Musik gehört. Und zum Beispiel hat er dann für längere Autofahrten mixed tapes zusammengestellt. Da hat das schon angefangen. Und letztlich gilt das für einen Liederabend genauso wie für ein Bühnenprogramm oder ein Album von Pink Floyd –die Reihenfolge und Auswahl von Titeln, Stücken, Liedern, die Dramaturgie, wenn man so will, ist so enorm wichtig.

Themen können dabei einen groben Rahmen geben, sie sollen aber niemals eine starre Regel sein. Ein gutes Programm muss immer genau Freiräume bieten – auch fürs Publikum. Es ist wichtig, dass Programme nicht zu offensichtlich oder vorhersagbar sind. Sie müssen auch überraschen und das Publikum mit einbinden. Das ist ganz wichtig. Ein spannendes Programm soll die Zuhörer*innen einladen, vermeintlich Bekanntes auch neu und anders zu hören, und auch Überraschungen bieten. Und sicherlich ist es gut, dabei Standardrepertoire mit Neuem zu mischen, damit es immer wieder Inseln des Wiedererkennens gibt und auch die Begegnung mit Unbekanntem.

Hängt mit dieser Leidenschaft des Programmierens auch die große Neugierde zusammen, neues und unbekanntes Repertoire zu entdecken?

Research, also das Nachforschen und Suchen nach neuem Repertoire, ist so wichtig, um überhaupt herauszufinden, was am besten zu einem passt und welche Lieder in einem selbst widerhallen. Wenn ich nicht immer weiter nach neuem Repertoire forsche, bleibe ich stehen und kann vor allem nicht entscheiden, was in einem Programm am besten miteinander funktioniert. Es heißt ja nicht, das automatisch immer alles gut ist, was man dabei findet. Manchmal verläuft das auch in einer Sackgasse. Aber um zu entscheiden, welche Lieder wirklich gut sind, muss ich auch nicht so gute Lieder kennen, um das einschätzen zu können. Daher ist es immer wertvoll, etwas Neues zu entdecken, selbst wenn man es dann letztlich selbst nicht singt.

In Sachen Research hat mich auch eine Lehrerin sehr geprägt – Jane Manning, die an der Guildhall School in London unterrichtet hat und leider vor ein paar Jahren gestorben ist. Ich habe sie sehr bewundert – und sie hat zwei Bücher über Vokalrepertoire des 21. Jahrhunderts

EMA NIKOLOVSKA IM GESPRÄCH

geschrieben, ganz toll! Natürlich braucht es viel Zeit, sich intensiv nach neuen Repertoire umzuschauen und sich dieses zu erarbeiten – und nicht immer hat man in einer Gesangslaufbahn diese Zeit, so wie jetzt gerade, wo ich mich auf das Debüt als Oktavian im Rosenkavalier vorbereite. Aber mir ist das wahnsinnig wichtig – gerade auch im Hinblick auf meine Liedprogramme. Letztlich lernt man dabei auch sich selbst und seinen Körper sehr viel besser kennen. Die Zeit, die man hier investiert, zahlt sich aus durch eine tiefere Verbindung mit sich selbst. Und je mehr ich an Repertoire kenne, desto besser kann ich entscheiden, was zusammenpasst. Man baut sich dabei eine große »library of context« auf, aus der man dann seine Programme zusammenbauen kann.

Und es geht ja auch gar nicht darum, immer nur Neues in Programmen zu präsentieren – aber je größer das Wissen um das ist, was es alles gibt, desto souveräner kann man beim Programmieren entscheiden, was gut zusammenpasst. Außerdem ist es für die Stimme extrem gut, wenn man vielseitig bleibt und sich da eine große Bandbreite an Stilen und auch Sprachen bewahrt. Ich finde es zum Beispiel enorm wichtig und eben auch gut fürs Singen, wenn man in möglichst vielen Sprachen singt, auch wenn es manchmal sehr mühsam ist, sich eine neue Sprache zu erarbeiten. Aber die intensive Beschäftigung mit unterschiedlichen Sprachen ist so wertvoll – und das vermag eben auch nur das Lied, das man in einem Programm in mehreren Sprachen singt.

Vielleicht kannst Du zum Schluss noch kurz etwas zum Programm des Galeriekonzerts sagen?

Die erste Hälfte des Programms habe ich so ähnlich im vergangenen Dezember mit Kunal Lahiry in der Elbphilharmonie in Hamburg gemacht. Das hat dort sehr gut funktioniert. Der Wunsch der IHWA war ja, Lieder schwarzer Komponistinnen und Komponisten ins Pro -

gramm zu nehmen, da ich diese 2021 bei Thomas Hampsons Festival A Celebration of Black Music in Hamburg gesungen habe. Der Ausgangspunkt waren letztlich Margaret Bonds Songs of the Seasons . Die Lieder in der ersten Konzerthälfte haben aber ebenso die Jahreszeiten zum Thema, was dem gesamten Abend eine Art Klammer gibt. Der Text von John Donne im ersten Lied ist in diesem Zusammenhang ganz besonders interessant, da er die Jahreszeiten in einem übergeordneten Kontext darstellt.

Außerdem wollte ich immer schon mal Vokalisen in ein Liederabendprogramm integrieren – also Lieder ohne Worte. Das lädt das Publikum ein, die Stimme einmal ganz anders kennenzulernen und auch anders zuzuhören, das ist wie ein Innehalten, ein meditativer Moment. Ich habe die Lieder ohne Worte von Prokofjew schon auf der Geige gespielt und nun ist es besonders schön sie auch zu singen. Das erste Lied ohne Worte kommt nach dem Lied Herbst von Schubert und begleitet musikalisch den Übergang vom Herbst in den Winter. Danach kommt dann der März in Aaron Coplands Dickinson-Vertonungen, und der erste Teil endet mit dem Schubert-Lied Auflösung , das dann schon in den zweiten Teil überleitet, in dem es um Tod, Verlust, Schlaf und Nacht geht und an dessen Ende Nacht und Träume steht.

Die Lieder nach der Pause sind mit einer Ausnahme Lieder schwarzer Komponistinnen und Komponisten, was den Schwerpunkt der IHWA im Rahmen der Singing Justice Conference vom November 2022 aufgreift. Und diese Lieder greifen dann das Thema Nacht und Mond aus dem ersten Teil wieder auf. Es gibt da also immer wieder thematische Verweise und Bezüge zwischen den Liedern –und weil die Lieder nach der Pause eher dunkel sind, wollte ich mit dem A cappella-Lied von Ana Sokolović einen leichteren, helleren Moment der Abwechslung einbringen.

TEXTE

PRIAULX RAINIER

WE CANNOT BID THE FRUITS

We cannot bid the fruits come in May, nor the leaves to stick on in December. There are of them that will give, that will do justice, that will pardon, but they have their own seasons for all these, and he that knows not them, shall starve before that gift come. Reward is the season of one man, and importunity of another; Fear is the season of one man and favour of another; friendship the season of one man and natural affection of another; and he that knows not their seasons, nor cannot stay them, must lose the fruits.

John Donne (1572–1631)

AARON COPLAND

THERE CAME A WIND LIKE A BUGLE

There came a wind like a bugle, It quivered through the grass, And a green chill upon the heat So ominous did pass

We barred the windows and the doors As from an emerald ghost

The doom’s electric moccasin That very instant passed.

WIR KÖNNEN DIE FRÜCHTE NICHT BITTEN

Wir können die Früchte nicht bitten, im Mai zu kommen oder die Blätter, bis Dezember am Baum zu hängen. Es gibt diejenigen, die geben werden, die Gerechtigkeit üben, die vergeben werden, aber sie haben jeweils ihre eigenen Jahreszeiten dafür, und der, der sie nicht kennt, wird verhungern, before diese Gabe kommt.

Belohnung ist die Jahreszeit des Einen und beharrliches Begrängen die des Anderen; Angst ist die Jahreszeit des Einen und das Wohlwollen die des Anderen; Freundschaft die Jahreszeit des Einen und natürliche Warmherzigkeit die des Anderen und der, der ihre Jahreszeiten weder kennt, noch sie abstreifen kann, muss die Früchte verlieren.

Übersetzung: IHWA

EIN WIND KAM AUF, WIE EIN TROMPETENRUF

Ein Wind kam auf, wie ein Trompetenruf rauschte er durch das Gras und ein grüner Schauer durchfuhr unheilvoll die Hitze.

Wir schlossen Tür und Fenster wie von einem smaragdfarbenen Geist, der elektrische Mokassin des Schicksals ging in diesem Augenblick vorüber.

TEXTE

On a strange mob of panting trees, And fences fled away, And rivers where the houses ran The living looked that day,

The bell within the steeple wild, The flying tidings whirled. How much can come and much can go, And yet abide the world!

Emily Dickinson (1830–1886)

HERBST

Es rauschen die Winde

So herbstlich und kalt; Verödet die Fluren, Entblättert der Wald.

Ihr blumigen Auen!

Du sonniges Grün!

So welken die Blüten

Des Lebens dahin.

Es ziehen die Wolken

So finster und grau; Verschwunden die Sterne

Am himmlischen Blau!

Ach, wie die Gestirne

Am Himmel entfliehn, So sinket die Hoffnung

Des Lebens dahin!

Auf eine seltame Häufung von Bäumen und fortgeschwemmte Zäunen und Flüsse, wo früher Häuser waren, schauten alle, die noch lebten.

So ungestüm schallte die Kirchturmglocke die Botschaft wirbelte durch die Luft, So vieles kann kommen und gehen, Und doch bleibt diese Welt bestehen!

Übersetzung: Elbphilharmonie Hamburg

Ihr Tage des Lenzes

Mit Rosen geschmückt, Wo ich den Geliebten Ans Herze gedrückt! Kalt über den Hügel Rauscht, Winde, dahin!

So sterben die Rosen Des Lebens dahin.

Ludwig Rellstab (1799–1860)

AARON COPLAND

DEAR MARCH, COME IN!

Dear March, come in!

How glad I am!

I looked for you before. Put down your hat –You must have walked –How out of breath you are! Dear March, how are you? And the rest?

Did you leave Nature well?

Oh, March, come right upstairs with me, I have so much to tell!

I got your letter, and the bird’s; The maples never knew That you were coming, – I declare, How red their faces grew!

But, March, forgive me –And all those hills

You left for me to hue, There was no purple suitable, You took it all with you.

Who knocks? that April? Lock the door!

I will not be pursued! He stayed away a year, to call When I am occupied. But trifles look so trivial As soon as you have come, And blame is just as dear as praise And praise as mere as blame.

KOMM HEREIN, MEIN LIEBER MÄRZ!

Komm herein, mein lieber März!

Wie froh ich bin!

Ich wartete schon lang auf dich.

Leg deinen den Hut ab –

Du musst schnell gelaufen sein –

Du bist ja ganz außer Atem!

Mein lieber März, wie geht’s dir?

Und dem Rest?

Hast die Natur gut hinterlassen?

Oh März, komm doch mit mir hoch, ich habe dir viel zu erzählen!

Deinen Brief und den der Vögel habe ich bekommen; aber der Ahorn wusste nicht, dass du kommen würdest – ich stelle fest, wie sein Gesicht errötete!

Doch März, verzeih mir –

Denn das Färben all dieser Hügel überließest du mir, doch kein Purpur war geeigent, du nahmst es alles mit.

Wer klopft an? Der April?

Schließ die Tür ab!

Man soll mich nicht verfolgen!

Er war ein ganzes Jahr lang weg, um sich jetzt zu melden, wo ich so beschäftigt bin.

Doch Kleinigkeiten wirken so banal, sobald du da bist.

Und ein Vorwurf zählt mir so viel wie Lob und Lob so viel wie ein Tadel.

Übersetzung: Elbphilharmonie Hamburg

Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) Wintermondnacht, Februar 1919

TEXTE

AUFLÖSUNG

Verbirg dich, Sonne, Denn die Gluten der Wonne Versengen mein Gebein; Verstummet Töne, Frühlings Schöne

Flüchte dich, und lass mich allein!

Quillen doch aus allen Falten Meiner Seele liebliche Gewalten; Die mich umschlingen, Himmlisch singen –Geh’ unter Welt, und störe Nimmer die süßen ätherischen Chöre!

Johann Baptist Mayrhofer (1787–1836)

AARON COPLAND

THE WORLD FEELS DUSTY

The world feels dusty, when we stop to die... We want the dew then Honors taste dry...

Flags vex a dying face

But the least fan stirred by a friend’s hand Cools like the rain

Mine be the ministry when thy thirst comes... Dews of thyself to fetch and holy balms.

Emily Dickinson

DIE WELT WIRKT STAUBIG

Die Welt fühlt sich stauig an in unsrer Todesstunde ... Nach Tau sehnen wir uns dann, Ehre trocknet den Mund aus ...

Fahnen ärgern ein sterbendes Gesicht aber der kleinste Fächer, gerührt von der Hand eines Freundes, kühlt wie der Regen.

Mein sei der Dienst, wenn dein letzter Durst kommt, dir deinen Tau zu geben und heilige Balsame.

Übersetzung: Elbphilharmonie Hamburg

VERKLÄRUNG

Lebensfunke, vom Himmel erglüht, Der sich loszuwinden müht!

Zitternd, kühn, vor Sehnen leidend, Gern und doch mit Schmerzen scheidend –

End’ o end’ den Kampf, Natur!

Sanft ins Leben

Aufwärts schweben, Sanft hinschwinden lass mich nur.

Horch!, mir lispeln Geister zu:

»Schwester-Seele, komm zur Ruh!«

Ziehet was mich sanft von hinnen?

Was ists, was mir meine Sinne, Mir den Hauch zu rauben droht?

Seele sprich, ist das der Tod?

AARON COPLAND

WHY DO THEY SHUT ME OUT OF HEAVEN?

Why – do they shut me out of Heaven?

Did I sing – too loud?

But – I can sing a little minor, Timid as a bird.

Wouldn’t the angels try me –just – once – more –

Just – see – if I troubled them –

But don’t – shut the door!

Die Welt entweicht! Sie ist nicht mehr! Engel-Einklang um mich her!

Ich schweb im MorgenrotLeiht, o leiht mir eure Schwingen, Ihr Brüder, Geister! helft mir singen: »O Grab, wo ist dein Sieg? wo ist dein Pfeil, o Tod?«

Johann Gottfried Herder (1744–1803) nach Alexander Pope (1688–1744)

WARUM IST MIR DER HIMMEL VERSCHLOSSEN?

Warum ist mir der Himmel verschlossen? Habe ich zu laut gesungen? Aber ich kann auch leiser, so zaghaft wie ein Vogel!

Könnten die Engel mir eine Chance geben, nur noch einmal, nur um zu sehen, ob ich sie störe, aber schließe nicht die Tür!

TEXTE

Oh if I – were the Gentlemen in the White Robes and they – were the little Hand – that knocked –Could – I – forbid?

Why do they shut me out of Heaven? Did I sing too loud?

DER UNGÜCKLICHE

Die Nacht bricht an; mit leisen Lüften sinket Sie auf die müden Sterblichen herab. Der sanfte Schlaf, des Todes Bruder, winket, Und legt sie freundlich in ihr täglich Grab.

Jetzt wachet auf der lichtberaubten Erde Vielleicht nur noch die Arglist und der Schmerz; Und jetzt, da ich durch nichts gestöret werde, Lass deine Wunden bluten, armes Herz!

Versenke dich in deines Kummers Tiefen, Und wenn vielleicht in der zerriss’nen Brust Halb verjährte Leiden schliefen, So wecke sie mit grausam süßer Lust!

Berechne die verlornen Seligkeiten, Zähl’ alle Blumen in dem Paradies, Woraus in deiner Jugend goldnen Zeiten Die harte Hand des Schicksals dich verstieß!

Oh, wäre ich dieser Herr im weißen Gewand, und wären sie die kleine Hand, die klopft –würde ich sie abweisen?

Warum ist mir der Himmel verschlossen? Habe ich zu laut gesungen?

Übersetzung: Elbphilharmonie Hamburg

Du hast geliebt, du hast das Glück empfunden, Dem jede, jede Seligkeit der Erde weicht, Du hast ein Herz, das dich verstand, gefunden, Der kühnsten Hoffnung schönes Ziel erreicht. Da stürzte dich ein grausam Machtwort nieder, Aus deinen Himmeln nieder, und dein stilles Glück, Dein allzu schönes Traumbild, kehrte wieder Zur bessern Welt, aus der es kam, zurück.

Zerrissen sind nun alle süßen Bande; Mir schlägt kein Herz mehr auf der weiten Welt!

Caroline Pichler (1769 –1843)

TEXTE

NACHT UND TRÄUME

Heil’ge Nacht, du sinkest nieder; Nieder wallen auch die Träume, Wie dein Mondlicht durch die Räume, Durch der Menschen stille Brust; Die belauschen sie mit Lust, Rufen, wenn der Tag erwacht: Kehre wieder holde Nacht, Holde Träume kehret wieder.

Matthäus Kasimir von Collin (1779–1824)

HOWARD SWANSON

NIGHT SONG

Die Texte von Langston Hughes können aus rechtlichen Gründen leider nicht abgedruckt werden.

HALE SMITH

MARCH MOON

Die Texte von Langston Hughes können aus rechtlichen Gründen leider nicht abgedruckt werden.

O MISTRESS MINE

O mistress mine, where are you roaming?

O stay and hear, your true love’s coming That can sing both high and low.

Trip no further, pretty sweeting; Journeys end in lovers’ meeting, Ev’ry wise man’s son doth know.

ANA SOKOLOVIĆ

O HERRIN MEIN

O Herrin mein, was fliehst du so beklommen?

O bleib und horch, dein trautes Lieb ist kommen, Singt und singt den ganzen Tag.

Tu nicht spröd, du Süße mein, Sinkt der Tag, erwacht die Lust, S’ist nicht anders, schick dich drein!

TEXTE

What is love? ’Tis not hereafter; Present mirth hath present laughter; What’s to come is still unsure:

In delay there lies no plenty; Then come kiss me, sweet and twenty; Youth’s a stuff will not endure.

William Shakespeare (1564 – 1616)

AN DEN MOND

Geuß, lieber Mond, geuß deine Silberflimmer Durch dieses Buchengrün, Wo Fantasien und Traumgestalten immer Vor mir vorüberfliehn!

Enthülle dich, daß ich die Stätte finde, Wo oft mein Mädchen saß, Und oft, im Wehn des Buchbaums und der Linde, Der goldnen Stadt vergaß!

Enthülle dich, daß ich des Strauchs mich freue, Der Kühlung ihr gerauscht, Und einen Kranz auf jeden Anger streue, Wo sie den Bach belauscht!

Dann, lieber Mond, dann nimm den Schleier wieder, Und traur’ um deinen Freund, Und weine durch den Wolkenflor hernieder, Wie dein Verlassner weint!

Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748 – 1776)

Was ist die Liebe, bald verrostet, Heute jung und heut gekostet.

Was noch kommen soll ist weit,

Was sind künftige Genüsse?

Also komm und küss und küsse, Junges Blut hat keine Zeit.

August Wilhelm Schlegel (1767 – 1845)

TEXTE

A WINTER TWILIGHT

A silence slipping around like death, Yet chased by a whisper, a sigh, a breath;

One group of trees, lean, naked and cold, Inking their cress ’gainst a sky green-gold;

One path that knows where the corn flowers were; Lonely, apart, unyielding, one fir; And over it softly leaning down, One star that I loved ere the fields went brown.

Angelina Weld Grimké (1880 – 1958)

MARGARET BONDS

SONGS OF THE SEASONS

Die Texte von Langston Hughes können aus rechtlichen Gründen leider nicht abgedruckt werden.

WINTERDÄMMERUNG

Ein Schweigen, das wie der Tod umhergleitet, Doch verfolgt von einem Flüstern, einem Seufzer, einem Atemzug;

Eine Gruppe von Bäumen, mager, nackt und kalt, Die ihre Kresse in den grüngoldenen Himmel malen;

Ein Pfad, der weiß, wo die Kornblumen waren; Einsam, abseits, unnachgiebig, eine Tanne; Und über sie lehnt sich sanft herab,

Ein Stern, den ich liebte, ehe die Felder braun wurden.

Übersetzung: IHWA

Herausgeber Internationale Hugo -Wolf - Akademie für Gesang, Dichtung, Liedkunst e.V. Stuttgart, Jägerstraße 40, 70174 Stuttgart, Deutschland, Telefon +49(0)711-22 11 77, Fax +49(0)711. 22 79 989, info@ihwa.de, www.ihwa.de Vorstand

Prof. Dr. Hansjörg Bäzner (Vorsitzender), Hans Georg Koch (Stv. Vor sitzender), Albrecht Merz (Schatzmeister), Walter Kübler (Schrift führer), Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer (Ver tre ter der Landeshauptstadt Stuttgart), MDgt Dr. Claudia Rose (Vertreterin des Landes Baden - Württemberg), Cornelius Hauptmann, Richard Kriegbaum, Patrick Strub Künstlerischer Beirat Prof. Marcelo Amaral, Oswald Beaujean, Prof. Dr. h.c. Thomas Hampson, Prof. Christiane Iven, Dr. Regula Rapp Intendanz/ Redaktion Dr. Cornelia Weidner Textnachweis Das Gespräch mit Ema Nikolovska führte Dr. Cornelia Weidner als Originalbeitrag für dieses Programmheft. Wir danken der Elbphilharmonie Hamburg, dass wir die deutschen Übersetzungen zu den Gedichten von Emily Dickinson nutzen durften. Bildnachweis Titel (Ausschnitt), S. 16/17: Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Wintermondnacht, Februar 1919, Farbholzschnitt; Papier (elfenbeinfarben), 52,2 x 38,6 cm; Abbildung mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung der Staatsgalerie Stuttgart (www.staatsgalerie.de); Kaupo Kikkas (Ema Nikolovska), Daniel Pasche (Wolfram Rieger) Änderungen des Programms und der Mitwirkenden vorbehalten.

MITWIRKENDE

Die mazedonisch-kanadische Mezzosopranistin Ema Nikolovska wuchs in Toronto auf, wo sie Gesang bei Helga Tucker studierte und ihren Bachelor-Abschluss in Violine an der Glenn Gould School machte. Ihren Master in Gesang machte sie an der Guildhall School of Music & Drama in London, wo sie auch den Opernkurs absolvierte. 2019 bis 2022 war die junge Sängerin BBC New Generation Artist. 2019 gewann sie den ersten Preis beim Internationalen Gesangswettbewerb in ’s-Hertogenbosch sowie den Ferrier Loveday Song Prize (Kathleen Ferrier Awards). Außerdem war sie Preisträgerin bei den Young Classical Artists Trust (YCAT) International Auditions. Im Jahr 2022 wurde sie mit dem renommierten Borletti-Buitoni Trust Award ausgezeichnet.

Seit Herbst 2020 ist Ema Nikolovska Mitglied des Internationalen Opernstudios der Berliner Staatsoper »Unter den Linden«, wo sie unter anderem in Christian Josts Die Arabische Nacht , als Zweite Dame in Die Zauberflöte , Schäferin in Jenůfa , Giovanna in Rigoletto und Diane in Rameaus Hippolyte et Aricie zu erleben war. In der Spielzeit 22/23 kehrt sie an die Berliner Staatsoper als Gast zurück, um Lucile in Henzes Cubana und ihr Rollendebüt als Octavian in Der Rosenkavalier zu singen. Zu den Höhepunkten der letzten Jahre zählen Schumanns Das Paradies und die Peri mit der Staatskapelle Berlin und Marc Minkowski, Mendelssohns Elias mit dem Münchener Rundfunkorchester und Howard Arman, Mozarts Requiem mit dem Royal Philharmonic Orchestra und Adrian Partington sowie Strawinskys Pulcinella mit dem Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Barbara Hannigan. Zukünftige Engagements umfassen Mozarts Requiem mit Minkowski und der Staatskapelle Berlin sowie Jaquet de la Guerres Céphale et Procris

auf Tournee mit Reinoud van Mechelen und Nocte Temporis in Versailles, Namur und Brüssel. Als vielseitige und passionierte Liedsängerin trat Ema Nikolovska im vergangenen Jahr im Pierre Boulez Saal und im Konzerthaus Berlin, in der Elbphilharmonie Hamburg, in der Londoner Wigmore Hall, beim Schubertíada Vilabertran, beim Leeds Lieder, Aldeburgh, Verbier, Gstaad und Toronto Summer Music Festival auf. Sie arbeitete hier u. a. mit Malcolm Martineau, Wolfram Rieger, András Schiff, Graham Johnson und Joseph Middleton zusammen.

Der Pianist und Liedbegleiter Wolfram Rieger stammt aus Waldsassen (Oberpfalz/Bayern) und erhielt seinen ersten Klavierunterricht im Elternhaus sowie bei Konrad Pfeiffer in Regensburg. Sein Studium bei Erik Werba und Helmut Deutsch an der Hochschule für Musik in München, das von zunehmender Begeisterung für das Lied geprägt war, beendete er mit Auszeichnung. Meisterkurse bei Elisabeth Schwarzkopf, Hans Hotter und Dietrich Fischer-Dieskau sorgten für weitere wichtige Impulse. Noch während des Studiums wurde er von der Musikhochschule München als Gesangsbegleiter engagiert, wo er später eine eigene Liedklasse übernahm. 1998 erhielt er eine Professur für Liedgestaltung an der Berliner Hochschule für Musik »Hanns Eisler«. Wolfram Riegers rege internationale Konzerttätigkeit als Klavier- und Kammermusikpartner führte ihn in fast alle Teile der Welt. Darüber hinaus gibt er Interpretationskurse in Europa und Japan. Wolfram Rieger ist Träger der Ehrenmedaille der Franz-Schubert-Gesellschaft von Barcelona sowie der Hugo-Wolf-Medaille.

Internationale Hugo -Wolf - Akademie für Gesang, Dichtung, Liedkunst e.V. Stuttgart

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