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FRANZ SCHUBERT (1797–1828)
Heimliches Lieben D 922 (1827)
Du bist die Ruh’ D 776 (1823)
Lachen und Weinen D 777 (1822)
Die Liebe hat gelogen D 751 (1822)
Du liebst mich nicht D 756 (1822)
VIKTOR ULLMANN (1898–1944)
Drei Sonette aus dem Portugiesischen op. 29 (1940)
Briefe, nun mein!... (Sonett XXVIII)
Sag immer wieder... ((Sonett XXI)
Sein erster Kuss... (Sonett XXXVIII)
FRANZ SCHUBERT
Lied der Mignon D 877 (1826)
Erster Verlust D 226 (1815)
Wonne der Wehmut D 260 (1815)
Nähe des Geliebten D 162 (1815)
Gretchen am Spinnrade D 118 (1814)
PAUSE
FRANZ SCHUBERT
Abendbilder D 650 (1819)
Des Fischers Liebesglück D 933 (1827)
Nachtviolen D 752 (1822)
Nacht und Träume D 827 (1825)
VIKTOR ULLMANN
Six Sonnets de Louïse Labé op. 34 (1941)
1. Claire Vénus (Sonnet V)
2. On voit mourir (Sonnet VII)
3. Je vis, je meurs (Sonnet VIII)
4. Luth, Compagnon (Sonnet XII)
5. Baise, m’encor (Sonnet XVIII)
6. Oh si j’étais (Sonnet XIII)
CHRISTINA LANDSHAMER, Sopran GEROLD HUBER, Klavier
IM GESPRÄCH
DIE LIEDSÄNGERIN CHRISTINA LANDSHAMER
im Gespräch mit Dr. Cornelia Weidner
Du bist als Sängerin in allen Bereichen erfolgreich –Oper, Konzert, Lied , – aber Dein Herz schlägt ganz besonders fürs Lied. Ist das so – und wenn ja, warum?
Ja, das ist auf jeden Fall richtig! – Lieder sind wie kleine Juwelen. Auf kleinstem Raum und in extremer Konzentration hat man als Sängerin gestalterisch die größte Freiheit. Es gibt da keinen Dirigenten, kein Orchester, mit dem man sich einigen und gegebenenfalls einen Mittelweg finden muss. Es gibt nur den Sänger/die Sängerin und den Pianisten/die Pianistin. Das Lied ist die intimste Art zu musizieren – was das Schöne daran ist und zugleich auch die größte Herausforderung. Wenn man so will, ist das Lied die Kür im Gesang, künstlerisch und ausdruckmäßig das Purste, was man dem Publikum von sich geben kann.
Wann wurde diese Liebe zum Lied geweckt – bzw. wer hat Dich hier besonders beeinflusst?
Da muss ich erst einmal nachdenken, wann das war … Eigentlich war die Liebe zum Lied schon immer da (lacht) . In jedem Fall wurde das Interesse für diese musikalische Kunstform schon sehr früh bei mir geweckt – lange, bevor ich überhaupt daran gedacht habe, Gesang zu studieren. Meine Cousine war in München Klavierschülerin von Gerold Huber, und da habe ich schon sehr, sehr früh, mit gerade mal 16, die ersten Stunden des Liedduos Christian Gerhaher/Gerold Huber erleben dürfen. Da waren beide noch ganz am Anfang und völlig unbekannt. Ich hätte da niemals daran gedacht, dass ich nun selbst mal mit Gerold auf der Bühne stehen und einen Liederabend
mit ihm geben würde. Ohne also Genaueres über das Lied zu wissen, hat es mich damals schon fasziniert. Und als ich dann mit der Gesangsausbildung in München begonnen habe und mich auf die Aufnahmeprüfung an der Hochschule vorbereitet habe, hat mir meine damalige Lehrerin vor allem Lieder gegeben. Damit habe ich angefangen. Und als es dann mit dem Studienplatz geklappt hatte und ich an der Hochschule war, hat mir der Liedklassen-Unterricht von Anfang an sehr gut gefallen. Das hat mich geprägt. Ich mochte die Texte, die Gedichte. Das Lied in seiner direkten, schlichten Form hat mich schon immer mehr berührt als jede Arie.
Geprägt haben mich dann auch Lehrer wie Jan Philip Schulze, der damals noch in München war, und später Konrad Richter und Cornelis Witthoefft in Stuttgart, die diese Begeisterung für das Lied absolut gelebt haben. Ich genieße in Liederabenden einfach den direkten 1:1-Kontakt mit den Zuhörer*innen, das Pure.
Wie wichtig ist es für Dich, den »richtigen« Partner am Klavier zu haben? Was zeichnet den idealen Liedpianisten für Dich aus?
Mit dem idealen Liedpianisten muss man nicht viel reden. Man kann man direkt loslegen und versteht sich im Endeffekt blind. Es ist wichtig, dass man die gleichen Emotionen in sich trägt, gemeinsam atmet. Es ist wie eine Symbiose. So etwas lässt sich auch nicht erzwingen. Mit dem richtigen Liedpartner muss man sich nicht arrangieren. Und so ein symbiotischer Partner ist für mich in jedem Fall Gerold Huber. Er hat jedes Wort quasi in den Fingern, atmet mit dem Sänger/der Sängerin und lebt das gleichwertige kammermusikalische gemeinsame Musizieren.
IM GESPRÄCH
Wie stellst Du Deine Liederabendprogramme zusammen? Was ist Dir da besonders wichtig?
Ein Liederabendprogramm darf für mich nicht nur ein bunter Blumenstrauß sein. Mir ist wichtig, dass es einen roten Faden gibt, inhaltlich und/oder emotio nal, der das Ganze zusammenhält, sodass eine Art Gesamtkunstwerk entsteht. Dabei ist es eigentlich meistens sogar so, dass sich ein Programm wie von selbst zusammenfügt bzw. dass man es im Gefühl hat, welches Lied in ein Programm passt, wo welches Lied noch fehlt oder was zu viel ist. Das passiert eher intuitiv und aus dem Wissen, was zusammenpasst. Und dann ergibt sich das Gesamtgefüge wie von selbst.
Zum heutigen Programm: Neben Franz Schubert stehen auch Lieder des eher weniger bekannten und selten aufgeführten Viktor Ullmann auf dem Programm. Wie bist Du auf diesen Komponisten gestoßen, der ja nicht unbedingt zum gängigen Repertoire gehört?
Ursprünglich gab es ein Programm mit Liedern von Viktor Ullmann und Robert Schumann. Das habe ich mit Gerold Huber auf CD eingespielt. Schumann fühlte ich mich lange besonders nahe, ihn begriff ich leichter. Auf Gerolds Drängen hin haben wir uns dann gemeinschaftlich in Schubert vergraben. Und da ist für mich im wahrsten Sinne des Wortes der Knoten geplatzt.
Beim Zusammenstellen der Lieder für diesen Abend haben wir uns intuitiv leiten lassen und dann festgestellt, dass in den Liedern/Texten meist Nacht herrscht, also eine Tageszeit, zu der die Gedanken anfangen frei zu fließen, zu der tiefe Emotionen hoch -
kommen und im Schutz der Dunkelheit zugelassen, formuliert und auch ausgelebt werden – »Nachtträume« eben!
Die Lieder von Viktor Ullmann in diesen Kontext zu setzen, war für mich ganz logisch. Meine Faszination für diese Lieder wurde schon früh im Studium bei Konrad Richter geweckt, der ja insgesamt viel dafür getan hat, das Werk Viktor Ullmanns bekannt zu machen. Richter hatte zum Teil Ullmanns Lieder in handschriftlichen Aufzeichnungen dabei, die waren da noch gar nicht ediert oder gedruckt. Und wir haben das im Studium dann schon gesungen. Die Ausgabe mit sämtlichen Liedern von Viktor Ullmann im Schott Verlag ist ja überhaupt erst 2005 herausgekommen. So begleitet mich dieser Komponist also schon sehr lange. Und dann gibt es noch die Aufnahme mit Ullmann-Liedern von Christine Schäfer, die ich schon immer auch wegen ihrer besonderen Programmkonzeptionen und natürlich weil sie eine tolle Künstlerin ist sehr bewundert habe.
Außerdem finde ich auch hier die Texte ganz bemerkenswert von zwei außergewöhnlichen, sehr emanzipierten Frauen – Elizabeth Barett-Browning und vor allem auch Louïze Labé. Wenn man bedenkt, dass diese Texte Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden sind, so ist es doch sehr außergewöhnlich, wie deutlich sich Louïze Labé darin über ihre eigenen Gefühle äußert, was garantiert von ihren Zeitgenossen auch genau so verstanden wurde. Da war sie absolut ihrer Zeit voraus.
Herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf das Konzert!
TEXTE
FRANZ SCHUBERT
HEIMLICHES LIEBEN
O du, wenn deine Lippen mich berühren, So will die Lust die Seele mir entführen; Ich fühle tief ein namenloses Beben Den Busen heben.
Mein Auge flammt, Glut schwebt auf meinen Wangen, Es schlägt mein Herz ein unbekannt Verlangen, Mein Geist, verirrt in trunkner Lippen Stammeln Kann kaum sich sammeln.
Mein Leben hängt in einer solchen Stunde An Deinem süßen rosenweichen Munde, Und will bei deinem trauten Armumfassen Mich fast verlassen.
O! dass es doch nicht außer sich kann fliehen, Die Seele ganz in deiner Seele glühen! Dass doch die Lippen, die vor Sehnsucht brennen Sich müssen trennen!
Dass doch im Kuss mein Wesen nicht zerfließet Wenn es so fest an deinen Mund sich schließet, Und an dein Herz, das niemals laut darf wagen Für mich zu schlagen!
Karoline Louise von Klenke (1754–1802)
DU BIST DIE RUH
Du bist die Ruh, Der Friede mild, Die Sehnsucht du, Und was sie stillt.
Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier Mein Aug’ und Herz.
Kehr’ ein bei mir, Und schließe du Still hinter dir Die Pforten zu.
Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust.
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.
Dies Augenzelt
Von deinem Glanz
Allein erhellt, O füll’ es ganz.
Friedrich Rückert (1788–1866)
LACHEN UND WEINEN
Lachen und Weinen zu jeglicher Stunde Ruht bei der Lieb’ auf so mancherlei Grunde.
Morgens lacht’ ich vor Lust; Und warum ich nun weine
Bei des Abendes Scheine, Ist mir selb’ nicht bewusst.
TEXTE
Weinen und Lachen zu jeglicher Stunde
Ruht bei der Lieb’ auf so mancherlei Grunde.
Abends weint’ ich vor Schmerz; Und warum du erwachen
Kannst am Morgen mit Lachen, Muss ich dich fragen, o Herz.
Friedrich Rückert
DIE LIEBE HAT GELOGEN
Die Liebe hat gelogen, Die Sorge lastet schwer, Betrogen, ach, betrogen
Hat alles mich umher!
Es fließen heiße Tropfen
Die Wange stets herab, Lass ab, mein Herz, zu klopfen, Du armes Herz, lass ab!
August von Platen-Hallermünde (1796–1835)
DU LIEBST MICH NICHT
Mein Herz ist zerrissen, du liebst mich nicht!
Du ließest mich’s wissen, du liebst mich nicht!
Wiewohl ich dir flehend und werbend erschien, Und liebebeflissen, du liebst mich nicht!
Du hast es gesprochen, mit Worten gesagt, Mit allzu gewissen, du liebst mich nicht!
So soll ich die Sterne, so soll ich den Mond, Die Sonne vermissen? Du liebst mich nicht!
Was blüht mir die Rose? Was blüht der Jasmin? Was blühn die Narzissen? Du liebst mich nicht!
August von Platen-Hallermünde
VIKTOR ULLMANN
Texte: Elizabeth Barett-Browning (1806–1861), übertragen von Rainer Maria Rilke (1875–1926)
1. BRIEFE, NUN MEIN!...
Briefe, nun mein! Tot, bleich und lautlos dauernd! Und doch wie meine Hand sie bebend heut am Abend aufband: wunderlich erschauernd und wie belebt in meinen Schoß gestreut. In diesem wünscht er mich zum Freund. Und der bestimmt, an dem ich ihm die Hand gereicht, den Tag im Frühling ... Und ich weinte mehr darum als nötig scheint. Und der, sehr leicht, enthält: Ich liebe dich; und warf mich hin wie Gott mit Kommendem verwirft was war. Und der sagt: Ich bin dein ,– die Tinte drin verblich an meines Herzens Drängen. Ger erst dieser ... Lieber, du hast selbst verwirkt, dass ich zu sagen wagte, was er birgt.
2. SAG IMMER WIEDER...
Sag immer wieder und noch einmal sag, dass du mich liebst. Obwohl dies Wort vielleicht, so wiederholt, dem Lied des Kuckucks gleicht wie du’s empfandest: über Tal und Hag und Feld und Abhang, beinah allgemein und überall, mit jedem Frühling tönend. Geliebter, da im Dunkel redet höhnend ein Zweifelgeist mich an; ich möchte schrein: «Sag wieder, dass du liebst.» Wer ist denn bang, dass zu viel Sterne werden: ihrem Gang sind Himmel da. Und wenn sich Blumen mehren, erweitert sich das Jahr. Lass wiederkehren der Kehrreim deiner Liebe. Doch entzieh mir ihre Stille nicht. Bewahrst du sie?
TEXTE
3. SEIN ERSTER KUSS...
Sein erster Kuss berührte nur die Finger, womit ich schreibe: wie sie seither leben geweiht und weiß, unfähig zu geringer Begrüßung, doch bereit, den Wink zu geben, wenn Engel sprechen. Und es könnte nicht ein Amethyst sichtbarer sein im Tragen als dieser Kuss. Der zweite, zum Gesicht aufsteigend, blieb, wo meine Haare lagen, verloren liegen. Unwert der Verwöhnung empfing ich seine Salbung vor der Krönung. Doch feierlich wie im Zeremonial war mir der dritte auf den Mund gelegt in Purpur, und seitdem sag ich bewegt: o mein Geliebter, – stolz mit einem Mal.
FRANZ SCHUBERT
LIED DER MIGNON
Nur wer die Sehnsucht kennt Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude, Seh ich am Firmament Nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt, Ist in der Weite. Es schwindelt mir, es brennt Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt Weiß, was ich leide!
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
ERSTER VERLUST
Ach wer bringt die schönen Tage, Jene Tage der ersten Liebe, Ach wer bringt nur eine Stunde Jener holden Zeit zurück!
Einsam nähr ich meine Wunde
Und mit stets erneuter Klage Traur’ ich ums verlorne Glück.
Ach, wer bringt die schönen Tage, Wer jene holde Zeit zurück!
Johann Wolfgang von Goethe
WONNE DER WEHMUT
Trocknet nicht, trocknet nicht, Tränen der ewigen Liebe!
Ach! nur dem halbgetrockneten Auge Wie öde, wie tot die Welt ihm erscheint!
Trocknet nicht, trocknet nicht, Tränen unglücklicher Liebe!
Johann Wolfgang von Goethe
NÄHE DES GELIEBTEN
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt; Ich denke dein, wenn sich des Mondes Schimmer
In Quellen mahlt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Wege
Der Wandrer bebt.
TEXTE
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Hain, da geh’ ich oft zu lauschen, Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, es leuchten mir die Sterne.
O wärst du da!
Johann Wolfgang von Goethe
GRETCHEN AM SPINNRADE
Meine Ruh’ ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab’
Ist mir das Grab, Die ganze Welt
Ist mir vergällt.
Mein armer Kopf
Ist mir verrückt, Mein armer Sinn
Ist mir zerstückt.
Meine Ruh’ ist hin, Mein Herz ist schwer; Ich finde sie nimmer Und nimmermehr.
Nach ihm nur schau’ ich
Zum Fenster hinaus, Nach ihm nur geh’ ich Aus dem Haus.
Sein hoher Gang, Sein’ edle Gestalt, Seines Mundes Lächeln, Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede Zauberfluss,
Sein Händedruck, Und ach sein Kuss!
Meine Ruh’ ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer Und nimmermehr.
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin.
Ach dürft ich fassen Und halten ihn!
Und küssen ihn So wie ich wollt’, An seinen Küssen Vergehen sollt’!
Johann Wolfgang von Goethe
TEXTE
ABENDBILDER
Still beginnts im Hain zu tauen; Ruhig webt der Dämm’rung Grauen
Durch die Glut
Sanfter Flut,
Durch das Grün umbüschter Auen, So die trunknen Blicke schauen.
Sieh’! der Raben Nachtgefieder
Rauscht auf ferne Eichen nieder. –
Balsamduft
Haucht die Luft;
Philomelens Zauberlieder
Hallet zart die Echo wieder.
Horch! des Abendglöckleins Töne
Mahnen ernst der Erde Söhne,
Dass ihr Herz Himmelwärts,
Sinnend ob der Heimat Schöne, Sich des Erdentands entwöhne.
Durch der hohen Wolken Riegel
Funkeln tausend Himmelssiegel, Lunas Bild
Streuet mild
In der Fluten klarem Spiegel
Schimmernd Gold auf Flur und Hügel.
Von des Vollmonds Wiederscheine Blitzet das bemooste kleine Kirchendach.
Aber ach!
Ringsum decken Leichensteine Der Entschlummerten Gebein.
Ruht, o Traute! von den Wehen, Bis beim großen Auferstehn
Aus der Nacht
Gottes Macht
Einst uns ruft, in seiner Höhen
Ew’ge Wonnen einzugehen.
Johann Peter Silbert (1772 o. 77–1844)
DES FISCHERS LIEBESGLÜCK
Dort blinket
Durch Weiden, Und winket
Ein Schimmer
Blassstrahlig
Vom Zimmer
Der Holden mir zu.
Es gaukelt
Wie Irrlicht, Und schaukelt
Sich leise
Sein Abglanz
Im Kreise
Des schwankenden Sees.
Ich schaue
Mit Sehnen
Ins Blaue
Der Wellen, Und grüße
Den hellen, Gespiegelten Strahl.
TEXTE
Und springe
Zum Ruder, Und schwinge
Den Nachen
Dahin auf
Dem flachen, Kristallenen Weg.
Fein-Liebchen
Schleicht traulich
Vom Stübchen
Herunter, Und sputet
Sich munter
Zu mir in das Boot.
Gelinde
Dann treiben
Die Winde
Uns wieder
See-einwärts
Vom Flieder
Des Ufers hindann.
Die blassen
Nachtnebel
Umfassen
Mit Hüllen
Vor Spähern
Den stillen,
Unschuldigen Scherz.
Und tauschen Wir Küsse, So rauschen
Die Wellen Im Sinken
Und Schwellen, Den Horchern zum Trotz.
Nur Sterne Belauschen Uns ferne, Und baden
Tief unter Den Pfaden
Des gleitenden Kahns.
So schweben Wir selig, Umgeben
Vom Dunkel, Hoch überm
Gefunkel
Der Sterne einher.
Und weinen Und lächeln, Und meinen, Enthoben
Der Erde, Schon oben, Schon drüben zu sein.
Karl Gottfried von Leitner (1800–1890)
NACHTVIOLEN
Nachtviolen, Nachtviolen!
Dunkle Augen, seelenvolle, –Selig ist es sich versenken In den sammtnen Blau.
Grüne Blätter streben freudig Euch zu hellen, euch zu schmücken; Doch ihr blicket ernst und schweigend In die laue Frühlingsluft.
Mit erhabnem Wehmutsstrahle Trafet ihr mein treues Herz.
Und nun blüht in stummen Nächten Fort die heilige Verbindung.
Johann Baptist Mayrhofer (1787–1836)
NACHT UND TRÄUME
Heil’ge Nacht, du sinkest nieder; Nieder wallen auch die Träume, Wie dein Mondlicht durch die Räume, Durch der Menschen stille Brust; Die belauschen sie mit Lust, Rufen, wenn der Tag erwacht: Kehre wieder holde Nacht, Holde Träume kehret wieder.
Matthäus Kasimir von Collin (1779–1824)
TEXTE
VIKTOR ULLMANN
Texte: Louïze Labé (ca. 1524-1566)
CLAIRE VÉNUS
Claire Vénus, qui erres par les Cieux, Entends ma voix qui en plaints chantera, Tant que ta face au haut du Ciel luira, Son long travail et souci ennuyeux.
Mon œil veillant s’attendrira bien mieux, Et plus de pleurs te voyant jettera. Mieux mon lit mol de larmes baignera, De ses travaux voyant témoins tes yeux.
Donc des humains sont les lassés esprits De doux repos et de sommeil épris.
J’endure mal tant que le Soleil luit ;
Et quand je suis quasi toute cassée, Et que me suis mise en mon lit lassée, Crier me faut mon mal toute la nuit.
Deutsche Übertragungen: Rainer Maria Rilke
O VÉNUS
O Venus in den Himmeln, klare du, hör meine Stimme; denn solang du dort erscheinst, wird sie, ganz voll, dir immerfort die lange Arbeit singen, die ich tu.
Mein Aug bleibt sanfter wach, wenn du es siehst, und seine Flut wird strömender und fließt viel leichter hin in meine Lagerstatt, wenn seine Mühsal dich zum Zeugen hat
zur Zeit, da Schlaf und Ausruhn wohlgemeint die Menschen hinnimmt, die sich müd gedacht. Ich, ich ertrag, solang die Sonne scheint, das, was mir weh tut, und wenn ich zum Schluss zu Bette geh, fast wie entzwei: ich muss das, was mir weh tut, schrein die ganze Nacht.
TEXTE
ON VOIT MOURIR
On voit mourir toute chose animée,
Lors que du corps l’âme subtile part.
Je suis le corps, toi la meilleure part:
Où es-tu donc, ô âme bien-aimée ?
Ne me laissez par si long temps pâmée, Pour me sauver après viendrais trop tard.
Las ! ne mets point ton corps en ce hasard: Rends-lui sa part et moitié estimée.
Mais fais, Ami, que ne soit dangereuse
Cette rencontre et revue amoureuse, L’accompagnant, non de sévérité, Non de rigueur, mais de grâce amiable, Qui doucement me rende ta beauté, Jadis cruelle, à présent favorable.
JE VIS, JE MEURS
Je vis, je meurs: je me brule et me noye.
J’ay chaut estreme en endurant froidure: La vie m’est et trop molle et trop dure.
J’ay grans ennuis entremeslez de joy:
Tout à un coup je ris et je larmoye, Et en plaisir maint grief tourment j’endure: Mon bien s’en va, et à jamais il dure: Tout en un coup je seiche et je verdoye.
Ainsi Amour inconstamment me meine: Et quand je pense avoir plus de douleur, Sans y penser je me treuve hors de peine.
MAN SIEHT VERGEHEN
Man sieht vergehen die belebten Dinge, sowie die Seele nicht mehr bleiben mag. Du bist das Feine, ich bin das Geringe, ich bin der Leib: wo bist du, Seele, sag?
Lass mich so lang nicht in der Ohnmacht Trage Sorge für mich und rette nicht zu spät. Was bringt du deinen Leib in diese Lage und machst, dass ihm sein Köstlichstes enträt?
Doch wirke so, dass dieses Sich-Begegnen in Fühlbarkeit und neuem Augenschein gefahrlos sei: vollziehs nicht in verwegnen und herrischen Erschütterungen: nein, lass sanfter in mich deine Schönheit gleiten, die gnädig ist, um länger nicht zu streiten.
ICH LEB, ICH STERB
Ich leb, ich sterb: ich brenn und ich ertrinke, ich dulde Glut und bin doch wie im Eise; mein Leben übertreibt die harte Weise und die verwöhnende und mischt das Linke
Mir mit dem Rechten, Tränen und Gelächter Ganz im Vergnügen find ich Stellen Leides, was ich besitz, geht hin und wird doch ächter: ich dörr in einem, und ich grüne, beides.
So nimmt der Gott mich her und hin. Und wenn ich manchmal mein’, nun wird der Schmerz am größten, fühl ich mich plötzlich ganz gestillt und leicht.
TEXTE
Puis quand je croy ma joye estre certeine, Et estre au haut de mon desiré heur, Il me remet en mon premier malheur.
LUT, COMPAGNON
Lut, compagnon de ma calamité. De mes soupirs témoin irréprochable. De mes ennuis controlleur veritable. Tu as souuent auec moy lamenté:
Et tant le pleur piteus t’a molesté, Que commençant quelque son delectable, Tu le rendois tout soudein lamentable, Feignant le ton que plein auoit chanté.
Et si te veus efforcer au contraire.
Tu te destens et si me contreins taire: Mais me voyant tendrement soupirer,
Donnant faueur à ma tant triste pleinte: En mes ennuis me plaire suis contreinte. Et d’un dous mal douce fin esperer.
BAISE M’ENCOR
Baise m’encor, rebaise moy et baise: Donne m’en un de tes plus savoureus, Donne m’en un de tes plus amoureus: Je t’en rendray quatre plus chaus que braise.
Las, te pleins tu ? ça que ce mal j’apaise, En t’en donnant dix autres doucereus.
Ainsi meslans nos baisers tant heureus Jouissons nous l’un de I’autre à notre aise.
Und glaub ich dann, ein Dasein sei erreicht, reicht es mich nieder aus dem schon Erlösten in eine Trübsal, die ich wiederkenn.
LAUTE, GENOSSIN
Laute, Genossin meiner Kümmernis, die du ihr beiwohnst innig und bescheiden, gewissenhafter Zeiger meiner Leiden: wie oft schon klagtest du mit mir. Ich riss
dich so hinein in diesen Gang der Klagen, drin ich befangen bin, dass, wo ich je seligen Ton versuchend angeschlagen, da unterschlugst du ihn und töntest weh.
Und will ich dennoch anders dich verwenden, entspannst du dich und machst mich völlig stumm. Erst wenn ich wieder stöhne und mich härme,
kommst du zu Stimme, und ich fühle Wärme in deinem Inneren; so sei es drum: mag sanft als Leiden (was stets Leid war) enden.
KÜSS MICH NOCH EINMAL
Küss mich noch einmal, küss mich wieder, küsse mich ohne Ende. Diesen will ich schmecken, in dem will ich an deiner Glut erschrecken, und vier für einen will ich, Überflüsse will ich dir wiedergeben. Warte, zehn noch glühendere; bist du nun zufrieden? O dass wir also, kaum mehr unterschieden, glückströmend ineinander übergehn.
TEXTE
Lors double vie à chacun en suivra.
Chacun en soy et son ami vivra.
Permets m’Amour penser quelque folie:
Tousjours suis mal, vivant discrettement, Et ne me puis donner contentement, Si hors de moy ne fay quelque saillie.
OH SI J’ÉTAIS
Oh si j’étais en ce beau sein ravie
De celui-là pour lequel vais mourant; Si avec lui vive le demeurant
De mes courts jours ne m’empêchait envie;
Si m’accolant, me disait: Chère Amie, Contentons-nous l’un l’autre, s’assurant
Que jà tempête, Euripe, ni courant
Ne nous pourra déjoindre en notre vie;
Si, de mes bras le tenant accolé, Comme du lierre est l’arbre encercelé, La mort venait, de mon aise envieuse,
Lors que souef plus il me baiserait, Et mon esprit sur ses lèvres fuirait, Bien je mourrais, plus que vivante, heureuse.
In jedem wird das Leben doppelt sein. Im Freunde und in sich ist einem jeden jetzt Raum bereitet. Lass mich Unsinn reden:
Ich halt mich ja so mühsam in mir ein und lebe nur und komme nur zu Freude, wenn ich, aus mir ausbrechend, mich vergeude.
O WÄR ICH DOCH
O wär ich doch entrückt an ihn, gepresst an seine Brust, für den ich mich verzehre. Und dass der Neid mir länger nicht mehr wehre, mit ihm zu sein für meiner Tage Rest.
Dass er mich nähme und mir sagte: Liebe, wir wollen, eins im anderen genug, uns so versichern, dass uns nichts verschiebe: nicht Sturm, nicht Strömung oder Vogelflug.
Wenn dann, entrüstet, weil ich ihn umfasse, wie sich um einen Stamm der Efeu schweißt, der Tod verlangte, dass ich von ihm lasse:
Er küsste mich, es mündete mein Geist auf seine Lippen; und der Tod wär sicher noch süßer als das Dasein, seliglicher.
MITWIRKENDE

CHRISTINA LANDSHAMER Sopran
Mit ihrer Vielseitigkeit in unterschiedlichstem Repertoire ist Christina Landshamer eine weltweit gefragte Konzert-, Opern- und Lieds ä ngerin. Ihre Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Manfred Honeck, Alan Gilbert, Marek Janowski, Franz Welser-Mö st oder Christian Thielemann f ü hrte sie zu bedeutenden Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem NDR Elbphilharmonie Orchester Hamburg, zum Gewandhausorchester Leipzig, dem SWR Sinfonieorchester Stuttgart, dem Concertgebouw Orkest Amsterdam, dem Tonhalle-Orchester Zü rich, dem Orchestre de Paris, der Accademia Nationale di Santa Cecilia Rom und dem Swedish Radio Orchestra Stockholm. In Nordamerika gastierte sie u. a. beim New York Philharmonic Orchestra sowie beim Pittsburgh und beim Montreal Symphony Orchestra. In der Saison 22/23 ist die Sopranistin gleich zweimal Solistin des Leipziger Gewandhausorchesters mit einem Solo-Programm sowie mit allen sechs Kantaten des Weihnachtsoratoriums . Das Deutsche Requiem von Johannes Brahms wird sie sowohl mit den Bamberger Symphonikern in Rom als auch in Tampere aufführen. Beim NDR ist Christina Landshamer ebenfalls zwei Mal in dieser Saison zu Gast – einmal bei der Radiophilharmonie Hannover mit dem Stabat Mater von Poulenc, das andere Mal mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester und Mendelssohns Elias unter der Leitung des Chefdirigenten Alan Gilbert. Im Wiener Konzerthaus ist sie unter Franz-Welser Möst in Bachs Matthäuspassion zu hören und in Helsinki
beim Finnish Radio Symphony Orchestra unter der Leitung von Nicholas Collon.
Opernengagements f ü hrten Christina Landshamer an die Staatsoper Stuttgart, die Op é ra du Rhin in Straßburg und die Komische Oper Berlin sowie unter Nikolaus Harnoncourt ans Theater an der Wien und unter Sir Simon Rattle zu den Salzburger Festspielen. Sie sang Pamina an der Bayerischen Staatsoper sowie am Het Muziektheater Amsterdam, Ännchen in Webers Freisch ü tz unter Christian Thielemann an der Semperoper Dresden, Almirena/ Rinaldo in Glyndebourne und Sophie/ Rosenkavalier an der Lyric Opera of Chicago. An der Bayerischen Staatsoper war die Sopranistin zuletzt als Woglinde in Wagners Rheingold unter Kirill Petrenko zu erleben. In der Saison 22/23 wird Christina Landshamer in einem konzertanten Ring bei der Dresdner Philharmonie unter Marek Janowski als Woglinde zu hören sein.
Mit ihrer warmen, lyrischen Sopranstimme ist Christina Landshamer zudem eine ideale Lied s ä ngerin: Mit ihrem Klavierpartner Gerold Huber ist sie gern gesehener Gast bei der Schubertiade Schwarzenberg, dem Berliner Pierre-Boulez-Saal, der Wigmore Hall London, der Weill Recital Hall der Carnegie Hall New York, der Kioi Hall Tokio und bei der Hugo-WolfAkademie in Stuttgart.
Zahlreiche CD- und DVD-Einspielungen dokumentieren die k ü nstlerische Tä tigkeit der vielseitigen Sängerin. Zuletzt erschien eine Aufnahme mit Werken von Haydn, Mozart und Beethoven, auf der die Sopranistin gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik Berlin zu hören ist.
MITWIRKENDE

GEROLD HUBER
Klavier
Geboren in Straubing studierte Gerold Huber als Stipendiat an der Hochschule für Musik in München Klavier bei Friedemann Berger und besuchte die Liedklasse von Dietrich Fischer-Dieskau in Berlin. 1998 erhielt er gemeinsam mit dem Bariton Christian Gerhaher, mit dem er bereits seit Schülertagen ein festes Lied-Duo bildet, den Prix International Pro Musicis in Paris/New York, gefolgt von vielen weiteren Preisen. Er ist regelmäßiger Gast bei Festivals wie der Schubertiade Schwarzenberg, dem SchleswigHolstein Musik Festival, in Vilabertran (Spanien), bei den Schwetzinger SWR Festspielen, dem Festival d’Aix en Provence sowie dem Rheingau Musik Festival oder in Konzertsälen wie der Kölner Philharmonie, der Alten Oper Frankfurt, dem Wiener Konzerthaus, dem Wiener Musikverein, dem Concertgebouw Amsterdam, der Londoner Wigmore Hall, dem Lincoln Center oder der Armory in New York, dem Teatro della Zarzuela in Madrid, den Konzerthäusern in Dortmund, Essen, Baden-Baden oder dem Salzburger Festspielhaus.
Mit seinem farbenreichen, empfindsamen und intuitiven Spiel zählt Gerold Huber zu den führenden Liedpianisten unserer Zeit. Er arbeitet mit einer Vielzahl international renommierter Sängerinnen und Sänger (zusammen), darunter Christiane Karg, Julia Kleiter, Christina Landshamer, Anna Lucia Richter, Tareq Nazmi, Maximilian Schmitt, Franz-Josef Selig und Georg Zeppenfeld und natürlich der Bariton Christian Gerhaher, mit dem ihn eine langjährige Liedpartnerschaft verbindet. Als Kammermusikpartner konzer -
IMPRESSUM
tierte Gerold Huber u. a. mit dem Artemis Quartett, dem Henschel Quartett oder mit Reinhold Friedrich.
Schon seit 2013 ist Gerold Huber Professor für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik in Würzburg und erhielt im März 2022 – gemeinsam mit Christian Gerhaher – den Ruf auf dieselbe Position an der Hochschule für Musik und Theater München.
Herausgeber Internationale Hugo -Wolf - Akademie für Gesang, Dichtung, Liedkunst e.V. Stuttgart, Jägerstraße 40, 70174 Stuttgart, Deutschland, Telefon +49(0)711-22 11 77, Fax +49(0)711. 22 79 989, info@ihwa.de, www.ihwa.de
Vorstand Prof. Dr. Hansjörg Bäzner (Vorsitzender), Hans Georg Koch (Stv. Vor sitzender), Albrecht Merz (Schatzmeister), Walter Kübler (Schrift führer), Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer (Ver tre ter der Landeshauptstadt Stuttgart), MDgt Dr. Claudia Rose (Ver treterin des Landes Baden - Württemberg), Cornelius Hauptmann, Richard Kriegbaum, Patrick Strub Künstlerischer Beirat Prof. Marcelo Amaral, Oswald Beaujean, Prof. Dr. h.c. Thomas Hampson, Prof. Christiane Iven, Dr. Regula Rapp
Intendanz/Redaktion Dr. Cornelia Weidner
Textnachweis Das Gespräch mit Christina Landshamer entstand als Originalbeitrag für dieses Programmheft. Bildnachweis Marco Borggreve (Chr. Landshamer), Marion Köll (G. Huber)
Änderungen des Programms und der Mitwirkenden vorbehalten.
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