Der ganze Hugo Wolf XII

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DER GANZE HUGO WOLF XII

6. OKTOBER 2021, 19.00 UHR

Vortragssaal, Staatsgalerie Stuttgart

ALLE VERANSTALTUNGEN AUCH IM STREAM UNTER WWW.IHWA.DE

IN

Der Stuttgarter LiedHERBST wird gefördert im Rahmen des Impulsprogramms

»Kunst trotz Abstand« des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

ZUSAMMENARBEIT MIT
3 INHALT Programm 4 Einführung 7 Texte 12 Mitwirkende 24

HUGO WOLF (1860–1903)

ITALIENISCHES LIEDERBUCH

Ein Ständchen euch zu bringen kam ich her*

Mein Liebster singt am Haus im Mondenscheine

Man sagt mir, deine Mutter woll’ es nicht Heb auf dein blondes Haupt*

Was für ein Lied soll dir gesungen werden*

Liedpatin: Christa Tonnecker

Gesegnet sei, durch den die Welt entstund*

Liedpatin: Irene Kosel

Wohl kenn ich Euern Stand

Ihr seid die Allerschönste*

Du denkst mit einem Fädchen mich zu fangen

Hoffärtig seid Ihr, schönes Kind*

Du sagst mir, dass ich keine Fürstin sei

Lass sie nur gehn, die so die Stolze spielt*

Geselle, woll’n wir uns in Kutten hüllen*

Liedpatin: Irene Kosel

Ich esse nun mein Brot nicht trocken mehr Ich ließ mir sagen und mir ward erzählt

Auch kleine Dinge können uns entzücken

Liedpatin: Gertrud Fritz

Heut’ Nacht erhob ich mich um Mitternacht*

Liedpatin: Marie Seidler

Der Mond hat eine schwere Klag’ erhoben*

Liedpatin: Irene Kosel

Selig ihr Blinden*

Nun lass uns Frieden schließen*

Liedpatin: Irene Kosel

Wir haben beide lange Zeit geschwiegen

Liedpate: anonym

Und steht ihr früh am Morgen auf vom Bette*

O wär dein Haus durchsichtig wie ein Glas

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PROGRAMM
DER GANZE HUGO WOLF XII

Gesegnet sei das Grün

Liedpatin: Irene Kosel

Sterb’ ich, so hüllt in Blumen*

Liedpate: Javier Alonso

Wenn du, mein Liebster, steigst zum Himmel auf

Und willst du deinen Liebsten sterben sehen*

Mir ward gesagt, du reisest in die Ferne

Ihr jungen Leute, die ihr zieht ins Feld

Wenn du mich mit den Augen streifst*

Benedeit die sel’ge Mutter*

Dass doch gemalt all deine Reize wären*

Mein Liebster hat zu Tische mich geladen

Mein Liebster ist so klein

Schon streckt’ ich aus im Bett die müden Glieder*

Wie soll ich fröhlich sein

Wie viele Zeit verlor ich, dich zu lieben!*

Wer rief dich denn?

Was soll der Zorn, mein Schatz*

Nein, junger Herr, so treibt man’s nicht

Wie lange schon war immer mein Verlangen

Nicht länger kann ich singen*

Liedpatin: Christa Tonnecker

Schweig einmal still

O wüsstest du, wie viel ich deinetwegen*

Liedpatin: Christa Tonnecker

Verschling’ der Abgrund

Ich hab in Penna einen Liebsten wohnen

DIANA HALLER, MEZZOSOPRAN

MIKHAIL TIMOSHENKO, BASS-BARITON*

MARCELO AMARAL, KLAVIER

Die Lied-Reihenfolge des Programms wird mit freundlicher Erlaubnis von Anke Vondung, Werner Güra und Christoph Berner von ihrer aktuellen CD übernommen.

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»DER GANZE HUGO WOLF« – DAS ITALIENISCHE LIEDERBUCH von Susan Youens

»Auch kleine Dinge können uns entzücken, / Auch kleine Dinge können teuer sein.« Die ersten Worte dieses Liedes in Hugo Wolfs Italienischem Liederbuch sind Manifest und Credo zugleich. Aus einem kleinen Lied heraus behauptet Wolf, dass »kleine Dinge« von großem Wert sein können, dass es nicht nur auf große Werke (Opern, Sinfonien) ankommt. Wolf (1860–1903) spürte den Makel, als Lied-Komponist abgestempelt zu werden, weil er unfähig für die größeren Genres war. Falls er sich in gewisser Weise dem Vorurteil anschloss, dass Liedkomponisten Bürger zweiter Klasse seien, so wurde ihm beim Komponieren seiner Lieder doch klar: »Was ich jetzt schreibe, schreibe ich auch für die Nachwelt« – und dass dies keine Überheblichkeit war, sondern eine Tatsache! Als leidenschaftlicher Verfechter der Musik Wagners verpackte er die klanglichen Neuerungen der »post-bayreuthischen« Welt in Lieder: »Wölferls eigenes Heulen« nannte er seinen einzigartigen Stil. Als ein Bewohner von Freuds Wien, als quasi-nietzscheanischer Freidenker (aber mit einer undogmatisch spirituellen Seite) interessierte er sich für psychologische Fragen, und die von ihm geschaffenen musikalischen Charaktere sind – in ihren gemischten Motiven, lebendigen Persönlichkeiten und ihrer Fähigkeit zu Ambivalenz – dreidimensional.

Das Kind Wolf hat von seiner kärntnerisch-slowenischen Mutter Katherina Orehovnik, die gemäß Familientradition italienisches Blut hatte, wahrscheinlich viel über Italien gehört, und der sogenannte »Drang nach Italien« war seit Goethes Jugendzeit ein verbreitetes kulturelles Phänomen in Deutschland. Wolfs Textquelle für sein Liederbuch war das 1860 in Berlin erschienene Italienische Liederbuch mit italienischer Volksdichtung, übersetzt von Paul Heyse (1830–1914). Heyse erhielt 1910 den Nobelpreis für Literatur, doch sein Ruhm währte nicht über seinen Tod hinaus. Die Volksdichtungen stammten nicht aus der Feldforschung, sondern aus veröffentlichten Sammlungen:

Giuseppe Tigris Canti popolari Toscani von 1856, Angelo Dalmedicos Canti Popolari Veneziano von 1848, Niccolo Tommaseos Canti Popolari Toscani Corsi Illirici Greci von 1841 und Oreste Marcoaldis Canti popolari inediti Umbri Liguri Piceni Piemontesi Latini von 1855. Im Vorwort erzählt Heyse, dass er einen »Mittelweg« zwischen den naiven Eigenschaften der Volksdichtung und dem »affektierten und bombastischen« Wesen der deutschen Sprache schaffen wollte. Dieser »Mittelweg« bedeutet jedoch meist, dass sich die italienischen Bauernmädchen in deutsche Frauen verwandeln, die über einen größeren Wortschatz und größere Ausdrucksintensität verfügen als ihre Vorbilder. Wolf ging in dieser Transmogrifikation noch einen Schritt weiter und teilte seinem Freund Emil

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EINFÜHRUNG

EINFÜHRUNG

Kauffmann in einem Brief vom 23. Dezember 1892 mit: »Und ein warmes Herz, deß kann ich mich verbürgen, pocht in diesen kleinen Leibern meiner jüngsten Kinder des Südens, die trotz allem ihre deutsche Herkunft nicht verleugnen können.«

Wolfs Liederbuch hatte eine schwierige und langwierige Entstehungsgeschichte. Vom 25. September bis zum 14. November 1890 vertonte Wolf sieben Gedichte aus der Sammlung und erhielt dann den Auftrag (sein einziger Auftrag), die Bühnenmusik zu Henrik Ibsens Das Fest auf Solhaug zu schreiben. Heimgesucht von regelmäßig wiederkehrenden Episoden kompositorischer Blockaden konnte er erst Ende des folgenden Jahres wieder komponieren, als er zwischen 29. November und 23. Dezember 1891 fünfzehn weitere Lieder verfasste. Es folgte eine noch wesentlich längere kompositorische Durststrecke, die 1892 begann und erst 1895 von der Arbeit an seiner einzigen vollendeten Oper Der Corregidor unterbrochen wurde. Sein Leiden während dieser Zeit war intensiv; auf einem Foto von 1895 sieht Wolf aus, als wäre er körperlich gefoltert worden. Als die dürren Jahre endlich zu Ende gingen, war er nach seinen eigenen Worten »glückselig jenseits der menschlichen Vorstellungskraft«. Nach Fertigstellung der Oper kehrte er zum Italienischen Liederbuch zurück und komponierte zwischen 25. März und 30. April 1896 insgesamt 24 Lieder.

»Ich habe zwei Cabinetstücke geschrieben«, erzählte er seiner Geliebten Melanie Köchert in einem Brief ( Nicht länger kann ich singen und Schweig’ einmal still ). In einem anderen berichtet er ihr: »Ich weiß, dass Ihnen dieses Gedicht [Heut’ Nacht erhob’ ich mich um Mitternacht, Anm. S. Youens] ganz besonders gefällt, umso mehr freut es mich nun, daß dasselbe in der Sammlung nicht fehlt.« Für Liebende, deren Affäre ein Jahrzehnt lang geheim gehalten wurde, sprach dieses Gedicht wahrlich Bände. Wolf und Melanie waren außergewöhnliche Menschen, und ihre Geschichte ist eine der großen tragischen Liebesgeschichten der Jahrhundertwende.

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Giovanni Francesco Barbieri: Allegorie der Künste

Bis auf sechs der Gedichte in Wolfs Liederbuch beginnen alle als achtzeilige toskanische Rispetti, fünf sind venezianische Vilote (eine regionale Variante des Strambotto, ein Gedicht mit einer einzigen, elfsilbigen Strophe), und eines ist ein venezianisches Volksgedicht (Benedeit die sel’ge Mutter) . Das Wort »Rispetto« (Respekt) bedeutet Ehrerbietung an eine geliebte Frau. Der Sprecher sagt dasselbe auf drei oder vier verschiedene Arten, wodurch das ursprüngliche Kompliment verstärkt wird. Zum Beispiel im Lied Wir haben beide lange Zeit geschwiegen verkündet das lyrische Ich zunächst Versöhnung nach einem Streit (Wir haben beide lange Zeit geschwiegen, auf einmal kam uns nun die Sprache wieder) und erzählt uns dann dreimal, wie gesegnet, wie engelhaft dieser Frieden ist. Wolf modelliert seine Musik auf einmalige Art und Weise um die poetische Idee: Hier ist der anfängliche Konflikt zwischen zwei tonalen Zentren und deren verzögerter Auflösung in eine Tonalität die musikalische Entsprechung zum Konflikt, der durch engelhafte Intervention gelöst wird. Das Gefühl der Erfüllung, wenn die Auflösung mit ihren harfenartigen arpeggierten Akkorden endlich stattfindet, ist geradezu himmlisch.

Wolf scheute sich davor, Liederzyklen zu komponieren, vermutlich weil das zu vielen Vergleichen mit Schubert und Schumann geführt hätte (die Leute zogen sie jedoch ohnehin), aber er wünschte sich ein durch entsprechend größere Werke angesprochenes, größeres Publikum. Im Italienischen Liederbuch hören wir, wie ein Mann und eine Frau die Chronik einer Liebesbeziehung nachzeichnen, vom anfänglichen Eifer über den

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Franz Ludwig Catel: Italienische Waldlandschaft

EINFÜHRUNG

Bruch hinweg bis zum Ende. Beide sind zunächst leidenschaftlich verliebt, was sich in den Tränen der Frau zeigt, als ihr Geliebter im zweiten Lied auf eine Reise gehen muss (Mir ward gesagt, du reisest in die Ferne) und die Anbetung ihrer Schönheit durch den Mann im dritten Lied (Ihr seid die Allerschönste weit und breit) –der Mann trägt einige der schönsten Liebeslieder des gesamten Repertoires vor. Es entsteht ein enzyklopädisches Spektrum der Stimmungen und Gesichter der Liebe, einschließlich Streit, Spott, nächtlichen Ständchen, Verzweiflung, Masochismus, Leiden, Wut und schließlich Trennung. Wolf war ein wahres Genie für die wohl anspruchsvollsten humoristischen Lieder, insbesondere für den aus Wut geborenen Freudschen Humor. So besteht etwa ein Viertel des Italienischen Liederbuches aus Liedern, in denen eine Frau ihren unbefriedigenden Liebhaber verspottet, ihm Vorwürfe macht oder ihn schließlich abweist. Im abschließenden Höhepunkt des Bandes Ich hab’ in Penna einen Liebsten wohnen (Wolf verstand es, ein Publikum sowohl lachend als auch gehörig beeindruckt durch die Demonstration von Virtuosität zurückzulassen), rühmt sich eine Frau mit unwiderstehlichem Schwung und Einfallsreichtum ihrer vielen Liebhaber und sagt tatsächlich zu dem Mann, den wir die schönsten Liebeslieder haben singen hören: »Ich brauche dich nicht – ich habe schließlich all diese anderen Männer.«

Anthonie Andriessen: Italienische Landschaft mit zwei Spaziergängern und Hund

Trotz der gegensätzlichen Stimmungen ist dies das einheitlichste aller Liederbücher. Die Gedichte sind alle von anonymen Verfassern, alle vom gleichen Dichter im gleichen Stil übersetzt und alle ähnlich kurz gehalten. Konsequenterweise verleiht Wolf dem gesamten Italienischen Liederbuch eine streichquartettartige Klarheit in der Struktur (vierstimmige Sätze waren ihm immer ein besonderes Anliegen), die zum Gefühl der Geschlossenheit beiträgt. Der Komponist erzählte einmal einem Stuttgarter Gymnasiallehrer, die zweite Hälfte des Italienischen Liederbuchs enthalte vollkommenere Musik als die erste, eine Behauptung, die vielleicht vereinzelt durch Lieder wie Wohl kenn ’ ich Euern Stand und Heut ’ Nacht erhob ich mich um Mitternacht berechtigt ist, aber poetische Inhalte waren hier ebenso ausschlaggebend für kompositorische Entscheidungen

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wie auch in offensichtlich bildhafteren Liedern wie etwa Wie lange schon war immer mein Verlangen , worin ein Geiger mit Apfelbäckchen auf die musikalische Bühne tänzelt und ein »Solo« spielt. Stümperhaftigkeit wurde selten geschickter aufs Korn genommen. Das Geschrei des pianistischen Esels und die kleine, wilde Erinnerung an Beethovens Für Elise in Schweig einmal still sind weitere Beispiele für den Humor des Komponisten, aber man muss auch die vollkommenen lyrischen Momente hervorheben: die kristalline Transparenz von O wär dein Haus durchsichtig wie ein Glas , die schöne »chopineske« Mazurka im Klavier – Wolf liebte Chopins Musik – in Mein Liebster singt am Haus , die Palette der wechselnden Emotionen im Dialog zwischen einem Liebenden und seinem Herzen (Heut ’ Nacht erhob ich mich um Mitternacht) und der tiefe »Bassgrund« im gesamten Sterb ’ ich, so hüllt in Blumen meine Glieder . Letzteres ist sicherlich eine der schönsten Verwendungen des Orgelpunkts seit Bach. Das Italienische Liederbuch ist, abschließend betrachtet, der strahlende Höhepunkt von Wolfs Liedkunst – seine letzte große Anthologie. Wolf hatte sich als junger Mann mit Syphilis infiziert, und am 19. September 1897 suchte der Teufel des Wahnsinns seine Seele heim. Nach jahrelangem Leiden in einer Nervenheilanstalt starb er am 22. Februar 1903, doch der Tragödie seiner Krankheit und seines Todes steht die Schönheit seines Vermächtnisses gegenüber. Schließlich ist es nicht vielen Komponisten vergönnt, so überwältigende Kunstwerke wie dieses Liederbuch zu schaffen.

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Joseph Anton Koch: Olevano mit dem Blick auf die Campagna

HUGO WOLF

Texte: Paul Heyse (1830–1914) (nach anonymen italienischen Gedichten)

geweint, Weiß nicht vor Tränen, ob der Morgen scheint.

EIN STÄNDCHEN EUCH ZU BRINGEN KAM

ICH HER

Ein Ständchen Euch zu bringen kam ich her, Wenn es dem Herrn vom Haus nicht ungelegen.

Ihr habt ein schönes Töchterlein. Es wär Wohl gut, sie nicht zu streng im Haus zu hegen.

Und liegt sie schon im Bett, so bitt ich sehr,

Tut es zu wissen ihr von meinetwegen, Dass ihr Getreuer hier vorbeigekommen, Der Tag und Nacht sie in den Sinn genommen, Und dass am Tag, der vierundzwanzig zählt, Sie fünfundzwanzig Stunden lang mir fehlt.

Den breiten Strom am Bett weint’ ich vor Sehnen; Blind haben mich gemacht die blut’gen Tränen.

MEIN LIEBSTER SINGT AM HAUS IM MONDENSCHEINE

Mein Liebster singt am Haus im Mondenscheine, Und ich muss lauschend hier im Bette liegen.

Weg von der Mutter wend’ ich mich und weine, Blut sind die Tränen, die mir nicht versiegen.

Den breiten Strom am Bett hab ich

Man sagt mir, deine Mutter woll’ es nicht; So bleibe weg, mein Schatz, tu ihr den Willen.

Ach Liebster, nein! tu ihr den Willen nicht, Besuch mich doch, tu’s ihr zum Trotz, im stillen!

Nein, mein Geliebter, folg ihr nimmermehr, Tu’s ihr zum Trotz, komm öfter als bisher!

Nein, höre nicht auf sie, was sie auch sage; Tu’s ihr zum Trotz, mein Lieb, komm alle Tage!

HEB’

AUF DEIN BLONDES HAUPT

Heb’ auf dein blondes Haupt und schlafe nicht, Und lass dich ja von Schlummer nicht betören.

Ich sage dir vier Worte von Gewicht, Von denen darfst du keines überhören.

Das erste: dass um dich mein Herze bricht, Das zweite: dir nur will ich angehören, Das dritte: dass ich dir mein Heil befehle, Das letzte: dich allein liebt meine Seele.

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TEXTE
MAN SAGT MIR, DEINE MUTTER WOLL’ ES NICHT

WAS FÜR EIN LIED SOLL DIR GESUNGEN WERDEN

Was für ein Lied soll dir gesungen werden, Das deiner würdig sei? Wo find ich’s nur?

Am liebsten grüb’ ich es tief aus der Erden, Gesungen noch von keiner Kreatur.

Ein Lied, das weder Mann noch Weib bis heute

Hört’ oder sang, selbst nicht die ält’sten Leute.

GESEGNET SEI,

ENTSTUND

Gesegnet sei, durch den die Welt entstund; Wie trefflich schuf er sie nach allen Seiten! Er schuf das Meer mit endlos tiefem Grund, Er schuf die Schiffe, die hinübergleiten, Er schuf das Paradies mit ew’gem Licht, Er schuf die Schönheit und dein Angesicht.

IHR SEID DIE ALLERSCHÖNSTE

Ihr seid die Allerschönste weit und breit, Viel schöner als im Mai der Blumenflor.

Orvietos Dom steigt so voll Herrlichkeit, Viterbos größter Brunnen nicht empor. So hoher Reiz und Zauber ist dein eigen, Der Dom von Siena muss sich vor dir neigen. Ach, du bist so an Reiz und Anmut reich, Der Dom von Siena selbst ist dir nicht gleich.

DU DENKST MIT EINEM FÄDCHEN MICH

ZU FANGEN

Du denkst mit einem Fädchen mich zu fangen, Mit einem Blick schon mich verliebt zu machen?

WOHL KENN’ ICH EUERN STAND

Wohl kenn’ ich Euern Stand, der nicht gering.

Ihr brauchtet nicht so tief herabzusteigen, Zu lieben solch ein arm und niedrig Ding, Da sich vor Euch die Allerschönsten neigen.

Die schönsten Männer leicht besiegtet Ihr, Drum weiß ich wohl, Ihr treibt nur Spiel mit mir.

Ihr spottet mein, man hat mich warnen wollen,

Doch ach, Ihr seid so schön! Wer kann Euch grollen?

Ich fing schon Andre, die sich höher schwangen; Du darfst mir ja nicht trau’n, siehst du mich lachen.

Schon Andre fing ich, glaub’ es sicherlich.

Ich bin verliebt, doch eben nicht in dich.

HOFFÄRTIG SEID IHR, SCHÖNES KIND

Hoffärtig seid Ihr, schönes Kind, und geht

Mit Euren Freiern um auf stolzem Fuß.

Spricht man Euch an, kaum dass Ihr Rede steht,

Als kostet Euch zuviel ein holder Gruß.

Bist keines Alexanders Töchterlein,

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DURCH DEN DIE WELT

Kein Königreich wird deine Mitgift sein, Und willst du nicht das Gold, so nimm das Zinn;

Willst du nicht Liebe, nimm Verachtung hin.

DU SAGST MIR, DASS ICH KEINE FÜRSTIN

SEI

Du sagst mir, dass ich keine Fürstin sei; Auch du bist nicht auf Spaniens Thron

entsprossen.

Nein, Bester, stehst du auf bei Hahnenschrei,

Fährst du aufs Feld und nicht in Staatskarossen.

Du spottest mein um meine Niedrigkeit, Doch Armut tut dem Adel nichts zuleid. Du spottest, dass mir Krone fehlt und Wappen, Und fährst doch selber nur mit Schusters Rappen.

GESELLE, WOLL’N WIR UNS IN KUTTEN HÜLLEN

Geselle, woll’n wir uns in Kutten hüllen, Die Welt dem lassen, den sie mag ergötzen?

Dann pochen wir an Tür um Tür im Stillen:

»Gebt einem armen Mönch um Jesu willen.«

»O lieber Pater, du musst später kommen, Wenn aus dem Ofen wir das Brot genommen.

O lieber Pater, komm nur später wieder, Ein Töchterlein von mir liegt krank danieder.«

»Und ist sie krank, so lasst mich zu ihr gehen,

Dass sie nicht etwa sterbe unversehen. Und ist sie krank, so lass mich nach ihr schauen,

LASS SIE NUR GEHN, DIE SO DIE STOLZE

SPIELT

Lass sie nur gehn, die so die Stolze spielt, Das Wunderkräutlein aus dem Blumenfeld.

Man sieht, wohin ihr blankes Auge zielt, Da Tag um Tag ein andrer ihr gefällt. Sie treibt es grade wie Toscanas Fluss, Dem jedes Berggewässer folgen muss. Sie treibt es wie der Arno, will mir scheinen:

Bald hat sie viel Bewerber, bald nicht einen.

Dass sie mir ihre Beichte mag vertrauen. Schließt Tür und Fenster, dass uns keiner störe, Wenn ich des armen Kindes Beichte höre!«

ICH ESSE NUN MEIN BROT NICHT TROCKEN MEHR

Ich esse nun mein Brot nicht trocken mehr, Ein Dorn ist mir im Fuße stecken blieben.

Umsonst nach rechts und links blick ich umher, Und keinen find ich, der mich möchte lieben.

TEXTE 14

Wenn’s doch auch nur ein altes Männlein wäre, Das mir erzeigt’ ein wenig Lieb und Ehre.

Ich meine nämlich so ein wohlgestalter, Ehrbarer Greis, etwa von meinem Alter.

Ich meine, um mich ganz zu offenbaren, Ein altes Männlein so von vierzehn Jahren.

ICH LIESS MIR SAGEN UND MIR WARD

ERZÄHLT

Ich ließ mir sagen und mir ward erzählt, Der schöne Toni hungre sich zu Tode; Seit ihn so überaus die Liebe quält, Nimmt er auf einen Backzahn sieben Brote.

Nach Tisch, damit er die Verdauung stählt Verspeist er eine Wurst und sieben Brote, Und lindert nicht Tonina seine Pein, Bricht nächstens Hungersnot und Teurung ein.

AUCH KLEINE DINGE KÖNNEN UNS ENTZÜCKEN

Auch kleine Dinge können uns entzücken, Auch kleine Dinge können teuer sein.

Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken;

Sie werden schwer bezahlt und sind nur klein.

Bedenkt, wie klein ist die Olivenfrucht, Und wird um ihre Güte doch gesucht.

Denkt an die Rose nur, wie klein sie ist, Und duftet doch so lieblich, wie ihr wisst.

MITTERNACHT

Heut’ Nacht erhob ich mich um Mitternacht, Da war mein Herz mir heimlich fortgeschlichen.

Ich frug: Herz, wohin stürmst du so mit Macht?

Es sprach: Nur Euch zu sehn, sei es entwichen.

Nun sieh, wie muss es um mein Lieben stehn:

Mein Herz entweicht der Brust, um dich zu sehn!

ERHOBEN

Der Mond hat eine schwere Klag’ erhoben

Und vor dem Herrn die Sache kund gemacht; Er wolle nicht mehr stehn am Himmel droben, Du habest ihn um seinen Glanz gebracht.

Als er zuletzt das Sternenheer gezählt, Da hab es an der vollen Zahl gefehlt; Zwei von den schönsten habest du entwendet:

Die beiden Augen dort, die mich verblendet.

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HEUT’ NACHT ERHOB ICH MICH UM DER MOND HAT EINE SCHWERE KLAG’

SELIG IHR BLINDEN

Selig ihr Blinden, die ihr nicht zu schauen

Vermögt die Reize, die uns Glut entfachen;

Selig ihr Tauben, die ihr ohne Grauen

Die Klagen der Verliebten könnt verlachen;

Selig ihr Stummen, die ihr nicht den Frauen

Könnt eure Herzensnot verständlich machen;

Selig ihr Toten, die man hat begraben!

Ihr sollt vor Liebesqualen Ruhe haben.

WIR HABEN BEIDE LANGE ZEIT GESCHWIEGEN

Wir haben beide lange Zeit geschwiegen, Auf einmal kam uns nun die Sprache wieder.

Die Engel, die herab vom Himmel fliegen

Sie brachten nach dem Krieg den Frieden wieder.

Die Engel Gottes sind herabgeflogen, Mit ihnen ist der Frieden eingezogen. Die Liebesengel kamen über Nacht Und haben Frieden meiner Brust gebracht.

NUN LASS UNS FRIEDEN SCHLIESSEN

Nun lass uns Frieden schließen, liebstes Leben,

Zu lang ist’s schon, dass wir in Fehde liegen.

Wenn du nicht willst, will ich mich dir ergeben;

Wie könnten wir uns auf den Tod bekriegen?

Es schließen Frieden Könige und Fürsten, Und sollen Liebende nicht darnach dürsten?

Es schließen Frieden Fürsten und Soldaten, Und sollt’ es zwei Verliebten wohl missraten?

Meinst du, dass, was so großen Herrn gelingt, Ein Paar zufriedner Herzen nicht vollbringt?

UND STEHT IHR FRÜH AM MORGEN AUF VOM BETTE

Und steht Ihr früh am Morgen auf vom Bette, Scheucht Ihr vom Himmel alle Wolken fort,

Die Sonne lockt Ihr auf die Berge dort, Und Engelein erscheinen um die Wette Und bringen Schuh und Kleider Euch sofort.

Dann, wenn Ihr ausgeht in die heil’ge Mette, So zieht Ihr alle Menschen mit Euch fort,

Und wenn Ihr naht der benedeiten Stätte, So zündet Euer Blick die Lampen an. Weihwasser nehmt Ihr, macht des Kreuzes Zeichen

Und netzet Eure weisse Stirn sodann Und neiget Euch und beugt die Knie ingleichen –

TEXTE 16

O wie holdselig steht Euch alles an!

Wie hold und selig hat Euch Gott begabt,

Die Ihr der Schönheit Kron empfangen habt!

Wie hold und selig wandelt Ihr im Leben;

Der Schönheit Palme ward an Euch gegeben.

O WÄR DEIN HAUS DURCHSICHTIG WIE

EIN GLAS

O wär dein Haus durchsichtig wie ein Glas, Mein Holder, wenn ich mich vorüberstehle!

Dann säh ich drinnen dich ohn Unterlass, Wie blickt ich dann nach dir mit ganzer Seele!

Wie viele Blicke schickte mir dein Herz, Mehr als da Tropfen hat der Fluss im März!

Wie viele Blicke schickt ich dir entgegen, Mehr als da Tropfen niedersprühn im Regen!

GESEGNET SEI DAS GRÜN

Gesegnet sei das Grün und wer es trägt!

Ein grünes Kleid will ich mir machen lassen.

Ein grünes Kleid trägt auch die Frühlingsaue, Grün kleidet sich der Liebling meiner Augen.

In Grün sich kleiden ist der Jäger Brauch, Ein grünes Kleid trägt mein Geliebter auch;

Das Grün steht allen Dingen lieblich an, Aus Grün wächst jede schöne Frucht heran.

STERB’ ICH, SO HÜLLT IN BLUMEN

Sterb’ ich, so hüllt in Blumen meine Glieder;

Ich wünsche nicht, dass ihr ein Grab mir grabt.

Genüber jenen Mauern legt mich nieder, Wo ihr so manchmal mich gesehen habt. Dort legt mich hin, in Regen oder Wind; Gern sterb ich, ist’s um dich, geliebtes Kind.

Dort legt mich hin in Sonnenschein und Regen; Ich sterbe lieblich, sterb’ ich deinetwegen.

WENN DU, MEIN LIEBSTER, STEIGST ZUM

HIMMEL AUF

Wenn du, mein Liebster, steigst zum Himmel auf, Trag’ ich mein Herz dir in der Hand entgegen.

So liebevoll umarmst du mich darauf, Dann woll’n wir uns dem Herrn zu Füßen legen.

Und sieht der Herrgott unsre Liebesschmerzen, Macht er ein Herz aus zwei verliebten Herzen,

Zu einem Herzen fügt er zwei zusammen,

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Im Paradies, umglänzt von Himmelsflammen.

IHR JUNGEN LEUTE, DIE IHR ZIEHT INS FELD

UND WILLST DU DEINEN LIEBSTEN STERBEN SEHEN

Und willst du deinen Liebsten sterben sehen,

So trage nicht dein Haar gelockt, du Holde.

Lass von den Schultern frei sie niederwehen;

Wie Fäden sehn sie aus von purem Golde.

Wie goldne Fäden, die der Wind bewegt –

Schön sind die Haare, schön ist, die sie trägt!

Goldfäden, Seidenfäden ungezählt –Schön sind die Haare, schön ist, die sie strählt!

Ihr jungen Leute, die ihr zieht ins Feld, Auf meinen Liebsten sollt ihr Achtung geben.

Sorgt, dass er tapfer sich im Feuer hält; Er war noch nie im Kriege all sein Leben.

Lasst nie ihn unter freiem Himmel schlafen;

Er ist so zart, es möchte sich bestrafen. Lasst mir ihn ja nicht schlafen unterm Mond;

Er ginge drauf, er ist’s ja nicht gewohnt.

WENN DU MICH MIT DEN AUGEN STREIFST

MIR WARD GESAGT, DU REISEST IN DIE FERNE

Mir ward gesagt, du reisest in die Ferne. Ach, wohin gehst du, mein geliebtes Leben?

Den Tag, an dem du scheidest, wüsst’ ich gerne;

Mit Tränen will ich das Geleit dir geben. Mit Tränen will ich deinen Weg befeuchten –

Gedenk an mich, und Hoffnung wird mir leuchten!

Mit Tränen bin ich bei dir allerwärts –Gedenk an mich, vergiss es nicht, mein Herz!

Wenn du mich mit den Augen streifst und lachst, Sie senkst, und neigst das Kinn zum Busen dann, Bitt’ ich, dass du mir erst ein Zeichen machst, Damit ich doch mein Herz auch bänd’gen kann, Dass ich mein Herz mag bänd’gen, zahm und still, Wenn es vor großer Liebe springen will, Dass ich mein Herz mag halten in der Brust, Wenn es ausbrechen will vor großer Lust.

BENEDEIT DIE SEL’GE MUTTER

Benedeit die sel’ge Mutter, Die so lieblich dich geboren,

TEXTE 18

So an Schönheit auserkoren, Meine Sehnsucht fliegt dir zu!

Du so lieblich von Gebärden, Du die Holdeste der Erden, Du mein Kleinod, meine Wonne, Süße, benedeit bist du!

Wenn ich aus der Ferne schmachte Und betrachte deine Schöne, Siehe wie ich beb und stöhne, Dass ich kaum es bergen kann!

Und in meiner Brust gewaltsam

Fühl ich Flammen sich empören, Die den Frieden mir zerstören, Ach, der Wahnsinn fasst mich an!

DASS DOCH GEMALT ALL DEINE REIZE

WÄREN

Dass doch gemalt all deine Reize wären, Und dann der Heidenfürst das Bildnis fände.

Er würde dir ein groß Geschenk vereh -

ren, Und legte seine Kron’ in deine Hände. Zum rechten Glauben müsst’ sich

bekehren

Sein ganzes Reich, bis an sein fernstes Ende.

Im ganzen Lande würd’ es ausgeschrie -

ben, Christ soll ein Jeder werden und dich lieben.

Ein jeder Heide flugs bekehrte sich

Und würd’ ein guter Christ und liebte dich.

MEIN LIEBSTER HAT ZU TISCHE MICH GELADEN

Mein Liebster hat zu Tische mich geladen Und hatte doch kein Haus mich zu empfangen, Nicht Holz noch Herd zum Kochen und zum Braten, Der Hafen auch war längst entzwei gegangen. An einem Fässchen Wein gebrach es auch, Und Gläser hat er gar nicht im Gebrauch; Der Tisch war schmal, das Tafeltuch nicht besser, Das Brot steinhart und völlig stumpf das Messer.

MEIN LIEBSTER IST SO KLEIN

Mein Liebster ist so klein, dass ohne Bücken

Er mir das Zimmer fegt mit seinen Locken.

Als er ins Gärtlein ging, Jasmin zu pflücken, Ist er vor einer Schnecke sehr erschrocken. Dann setzt er sich ins Haus um zu verschnaufen, Da warf ihn eine Fliege übern Haufen; Und als er hintrat an mein Fensterlein, Stieß eine Bremse ihm den Schädel ein. Verwünscht sei’n alle Fliegen, Schnaken, Bremsen

Und wer ein Schätzchen hat aus den Maremmen!

Verwünscht sei’n alle Fliegen, Schnaken, Mücken

Und wer sich, wenn er küsst, so tief muss bücken!

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SCHON STRECKT’ ICH AUS IM BETT DIE MÜDEN GLIEDER

Schon streckt’ ich aus im Bett die müden Glieder, Da tritt dein Bildnis vor mich hin, du Traute.

Gleich spring ich auf, fahr’ in die Schuhe wieder

Und wandre durch die Stadt mit meiner Laute.

Ich sing’ und spiele, dass die Straße schallt;

So manche lauscht - vorüber bin ich bald.

So manches Mädchen hat mein Lied gerührt, Indes der Wind schon Sang und Klang entführt.

WIE SOLL ICH FRÖHLICH SEIN

Wie soll ich fröhlich sein und lachen gar, Da du mir immer zürnest unverhohlen?

Du kommst nur einmal alle hundert Jahr, Und dann, als hätte man dir’s anbefohlen.

Was kommst du, wenn’s die Deinen ungern sehn?

Gib frei mein Herz, dann magst du weitergehn.

Daheim mit deinen Leuten leb in Frieden, Denn was der Himmel will, geschieht hinieden.

Halt Frieden mit den Deinigen zu Haus, Denn was der Himmel will, das bleibt nicht aus.

WIE VIELE ZEIT VERLOR ICH, DICH ZU LIEBEN!

Wie viele Zeit verlor ich, dich zu lieben!

Hätt ich doch Gott geliebt in all der Zeit.

Ein Platz im Paradies wär mir verschrieben,

Ein Heilger säße dann an meiner Seit. Und weil ich dich geliebt, schön frisch Gesicht, Verscherzt ich mir des Paradieses Licht, Und weil ich dich geliebt, schön Veigelein, Komm ich nun nicht ins Paradies hinein.

WER RIEF DICH DENN?

Wer rief dich denn? Wer hat dich herbestellt?

Wer hieß dich kommen, wenn es dir zur Last?

Geh zu dem Liebchen, das dir mehr gefällt, Geh dahin, wo du die Gedanken hast. Geh nur, wohin dein Sinnen steht und Denken!

Dass du zu mir kommst, will ich gern dir schenken.

Geh zu dem Liebchen, das dir mehr gefällt!

Wer rief dich denn? Wer hat dich herbestellt?

TEXTE 20

WAS SOLL DER ZORN, MEIN SCHATZ

Was soll der Zorn, mein Schatz, der dich erhitzt?

Ich bin mir keiner Sünde ja bewusst, Ach, lieber nimm ein Messer wohlgespitzt

Und tritt zu mir, durchbohre mir die Brust.

Und taugt ein Messer nicht, so nimm ein Schwert, Dass meines Blutes Quell gen Himmel fährt.

Und taugt ein Schwert nicht, nimm des Dolches Stahl

Und wasch in meinem Blut all meine Qual.

NEIN, JUNGER HERR, SO TREIBT MAN’S NICHT

Nein, junger Herr, so treibt man’s nicht, fürwahr;

Man sorgt dafür, sich schicklich zu betragen.

Für Alltags bin ich gut genug, nicht wahr?

Doch Bessre suchst du dir an Feiertagen. Nein, junger Herr, wirst du so weiter sünd’gen, Wird dir den Dienst dein Alltagsliebchen künd’gen.

Ach wäre doch ein Musikus mir gut!

Nun ließ der Herr mich meinen Wunsch erlangen

Und schickt mir einen, ganz wie Milch und Blut.

Da kommt er eben her mit sanfter Miene, Und senkt den Kopf und spielt die Violine.

NICHT LÄNGER KANN ICH SINGEN

Nicht länger kann ich singen, denn der Wind

Weht stark und macht dem Atem was zu schaffen.

Auf fürcht ich, dass die Zeit umsonst verrinnt.

Ja wär ich sicher, ging ich jetzt nicht schlafen.

Ja wüsst ich was, würd ich nicht heimspazieren

Und einsam diese schöne Zeit verlieren.

SCHWEIG EINMAL STILL

Schweig einmal still, du garst’ger Schwätzer dort!

Zum Ekel ist mir dein verwünschtes Singen.

Und triebst du es bis morgen früh so fort, Doch würde dir kein schmuckes Lied gelingen.

WIE LANGE SCHON WAR IMMER MEIN VERLANGEN

Wie lange schon war immer mein

Verlangen:

Schweig einmal still und lege dich aufs Ohr!

Das Ständchen eines Esels zög ich vor.

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O WÜSSTEST DU, WIE VIEL ICH DEINETWEGEN

O wüsstest du, wie viel ich deinetwegen, Du falsche Renegatin, litt zur Nacht, Indes du im verschlossnen Haus gelegen Und ich die Zeit im Freien zugebracht.

Als Rosenwasser diente mir der Regen, Der Blitz hat Liebesbotschaft mir gebracht;

Ich habe Würfel mit dem Sturm gespielt, Als unter deinem Dach ich Wache hielt.

Mein Bett war unter deinem Dach bereitet,

Der Himmel lag als Decke drauf gebreitet,

Die Schwelle deiner Tür, das war mein Kissen –

Ich Ärmster, ach, was hab ich ausstehn müssen!

VERSCHLING’ DER ABGRUND

Verschling’ der Abgrund meines Liebsten Hütte,

An ihrer Stelle schäum’ ein See zur Stunde.

Bleikugeln soll der Himmel drüber schütten,

Und ein Schlange hause dort im Grunde.

Drin hause eine Schlange gift’ger Art, Die ihn vergifte, der mir untreu ward.

Drin hause ein Schlange, giftgeschwollen,

Und bring’ ihm Tod, der mich verraten wollen!

ICH HAB IN PENNA EINEN LIEBSTEN WOHNEN

Ich hab in Penna einen Liebsten wohnen, In der Maremmeneb’ne einen andern, Einen im schönen Hafen von Ancona, Zum Vierten muss ich nach Viterbo wandern;

Ein Andrer wohnt in Casentino dort, Der Nächste lebt mit mir am selben Ort, Und wieder einen hab’ ich in Magione, Vier in La Fratta, zehn in Castiglione.

TEXTE 22

Haben Sie ein Lieblingslied von Hugo Wolf? Als Liedpate können Sie die Aufführung dieses Liedes im Rahmen unserer Reihe »Der ganze Hugo Wolf« unmittelbar unterstützen. Außerdem tragen Sie mit diesem ganz persönlichen Beitrag zum Gelingen unseres ambitionierten Unterfangens bei, in den nächsten Jahren nahezu das komplette Liedschaffen von Hugo Wolf in Stuttgart zur Aufführung zu bringen.

Für einen Beitrag von nur 25 Euro können Sie sich aus den knapp 300 Liedern, die Hugo Wolf in seinem relativ kurzen Leben komponiert hat, ihr Lieblingslied aussuchen. Wenn gewünscht, wird der Name des Liedpaten im Programmheft des Konzerts veröffentlicht, selbstverständlich kann die Patin/der Pate aber auch ungenannt bleiben. Liedpatenschaften können natürlich auch verschenkt werden. Wer hat schon jemals ein Lied von Hugo Wolf geschenkt bekommen?

Alle Paten erhalten als Dank ein von den Künstlern, die das Lied im Rahmen unserer Reihe aufführen, signiertes Notenblatt und ein Programmheft zum Konzert. Und wer für »sein« Lied mehr geben möchte, kann dies natürlich auch gerne tun. Bei Patenschaften ab 50 Euro erhalten Sie zwei Freikarten für das Konzert, bei dem Ihr Lied erklingt, oder für ein Galeriekonzert Ihrer Wahl.

Da ständig neue Liedpaten hinzukommen, finden Sie auf unserer Webseite www.ihwa. de eine fortlaufend aktualisierte Liste der verfügbaren Lieder. Dort gibt es auch alle weiteren Informationen zu den Liedpatenschaften sowie das Formular, mit dem Sie Liedpate werden können.

LIEDPATE WERDEN! – IHR PERSÖNLICHES LIEBLINGSLIED VON HUGO WOLF

DIANA HALLER Mezzosopran

Die kroatische Mezzosopranistin Diana Haller studierte am Giuseppe Tartini Konservatorium in Triest, an der Royal Academy of Music in London sowie an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart bei Dunja Vejzović. Nach einem Jahr im Opernstudio der Staatsoper Stuttgart wurde sie in der Spielzeit 2010/11 als jüngstes Ensemblemitglied aufgenommen und singt dort alle wesentlichen Partien ihres Fachs.

In der Spielzeit 2021/22 gibt sie an der Staatsoper Stuttgart ihr Debüt als Octavian (Rosenkavalier) und ist als Hänsel (Hänsel und Gretel) , Vagaus (Juditha Triumphans) , Ruggiero (Alcina) , Adalgisa (Norma) , Cherubino (Le nozze di Figaro) und Donna Elvira (Don Giovanni) zu erleben. Beim Savonlinna Opera Festival singt sie im Juli 2022 Giulio Cesare in der gleichnamigen Oper von Händel.

Gastengagements führten sie u. a. zum London Handel Festival, an die Oper Köln, die Semperoper Dresden, die Opéra de Strasbourg, an das Opernhaus Zürich, an die Mailänder Scala, die Staatsoper Hamburg, die Opernhäuser Rijeka und Zagreb, an die Oper Frankfurt und die Metropolitan Opera New York. Bei den Salzburger Festspielen war sie in Verdis Trovatore als Ines zu erleben und debütierte beim Rossini Festival Bad Wildbad, wo sie den renommierten Internationalen Belcanto Preis erhielt, als Tancredi in der gleichnamigen Oper von Rossini.

Konzerte sang sie beim Maggio Fiorentino unter Fabio Luisi (Mahler, 8. Sinfonie) , bei den Bregenzer Festspielen unter Kirill Petrenko, unter Philippe Herreweghe war sie mit Mozarts Großer Messe in c-Moll und dem Requiem auf Tournee, unter Diego Fasolis sang sie Schumanns Requiem und Kantaten von J. S. Bach. Weitere Stationen waren u. a. Mahlers Lied von der Erde beim Heidelberger Frühling, Rossinis Stabat Mater (WDR Sinfonieorchester) und Dvořáks Requiem in der Kölner Philharmonie, Rossinis Petite Messe Solennelle (Amsterdam Concertgebouw), Mozarts Große Messe in c-Moll mit dem MDR Sinfonieorchester in Leipzig, Magdeburg und Erfurt. In der Spielzeit 2019/20 debütierte sie bei der Schubertiade Hohenems und gab weitere Liederabende u. a. bei der Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart, an der Oper Stuttgart, dem Eppaner Liedfestival, in Mexico, am Nationaltheater in Rijeka, in Wien, Zagreb und anderen.

Ihre Diskografie umfasst Werke von Händel und Bach, ein Soloalbum mit Liedern von Schumann und Wolf, Faust von Gounod und Echoes of the Grand Canal mit dem Ensemble Diderot.

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MITWIRKENDE

Diana Haller erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, wie den 1. Preis beim Internationalen Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart, die Auszeichnung für »Junge Musiker« des Sinfonieorchesters Zagreb, die Auszeichung »Nachwuchssängerin des Jahres« durch die Zeitschrift Opernwelt , den Inge-Borkh-Gedächtnispreis sowie den 1. Preis der 5th Manhattan International Music Competition 2020. Sie ist Ehrenmitglied des Kroatischen Nationaltheaters Rijeka und erhielt 2019 den Milka Trnina Award für herausragende künstlerische Leistungen.

2021 wurde Diana Haller in Stuttgart zur Kammersängerin ernannt.

MIKHAIL TIMOSHENKO

Bass-Bariton

Mikhail Timoshenko wurde 1993 in Kameikino (Russland) geboren. Nach seinem Studium an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar und der Hochschule für Musik Hans Eisler Berlin war er Mitglied der Académie de l’Opéra national in Paris.

2016 gewann er den 1. Preis beim Concours International de Chant Bordeaux Médoc, einen Sonderpreis des Cercle Carpeaux, einen Sonderpreis der Association AROP, den 1. Preis beim Siemens Opera Contest und 2017 den 1. Preis beim Internationalen Maria Callas-Wettbewerb. Zahlreiche Preise erhielt er auch im Lied-Duo mit der bulgarischen Pianistin Elitsa Desseva. Ihre Zusammenarbeit führte die beiden Künstler in Konzertsäle wie das Théâtre des Champs-Élysées, das Berliner Konzerthaus und den Stefaniensaal Graz. Zukünftige Engagements beinhalten u. a. Konzerte in der Wigmore Hall, der Opéra Bastille und beim Festival Heidelberger Frühling.

Opernengagements führten Mikhail Timoshenko in Paris an die Opéra national (Pietro, Simon Boccanegra) und die Opéra Garnier (Masetto, Don Giovanni) , an die Opéra Monte Carlo, die Opéra National de Bordeaux, die Opéra national de Lorraine Nancy (Figaro, Le nozze di Figaro) , die Ópera de Oviedo und an die Deutsche Oper am Rhein.

Mikhail Timoshenko engagiert sich zudem bei Benefizveranstaltungen des Yehudi Menuhin Live Music Now e.V. in Deutschland sowie in Zusammenarbeit mit der NonProfit-Organisation Touch in Russland in sozialen Projekten für behinderte und psychisch kranke Kinder.

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MARCELO AMARAL

Klavier

Von der New York Times gefeiert als »Liedbegleiter der Superlative« hat sich der brasilianische Pianist Marcelo Amaral als gefragter Klavierpartner von Sängern und Instrumentalisten international etabliert. Seit dem Gewinn des Pianistenpreises beim Internationalen Robert-Schumann-Liedwettbewerb 2009 arbeitete er mit zahlreichen renommierten Künstlern zusammen wie zum Beispiel Janina Baechle, Olaf Bär, Juliane Banse, Daniel Behle, John Chest, Sarah Connolly, Melanie Diener, Veronika

Eberle, Manuel Fischer-Dieskau, Soile Isokoski, Michaela Kaune, Konstantin Krimmel, Jochen Kupfer, Sophie Marilley, Nils Mönkemeyer, Niamh O’Sullivan, Christoph Pohl, Christoph Prégardien, Tobias Scharfenberger, Birgid Steinberger, Roman Trekel, Carolina Ullrich, Michael Volle, Matthias Winckhler und dem Alfama Quartet.

Mit großem Erfolg debütierte Marcelo Amaral in den vergangenen Jahren in der Wigmore Hall in London, im Musée d’Orsay in Paris sowie bei der Schubertiade in Schwarzenberg. Marcelo Amaral war zu Gast bei zahlreichen Festivals wie dem Montpellier Festival, der Mozarteum Sommerakademie, dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem International Art Song Festival, dem Ravinia Festival, dem Tuscan Sun Festival, dem Festival de Marvão und dem Oxford Lieder Festival.

Rundfunk- und Fernsehaufnahmen unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, Deutschlandfunk Kultur, WDR/ARTE, Radio France und BBC runden seine künstlerische Tätigkeit ab.

Seit 2014 hat Marcelo Amaral eine Professur für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik Nürnberg inne und ist seit 2010 Mitglied im Künstlerischen Beirat der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie.

Nach seinem Studium am Cleveland Institute of Music und der Indiana University vervollständigte er seine Studien durch die Zusammenarbeit mit namhaften Künstlern

wie Elly Ameling, Dietrich Fischer-Dieskau, Rudolf Jansen, Malcolm Martineau, Olga Radosavljevich, András Schiff, Peter Schreier und Roger Vignoles. Zudem studierte er Liedgestaltung bei Helmut Deutsch an der Hochschule für Musik und Theater München.

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MITWIRKENDE

FREITAG, 5. NOVEMBER 2021, 19.30 UHR

Paul-Lechler-Saal, Hospitalhof Stuttgart

DER GANZE HUGO WOLF XI

Mirella Hagen (Sopran)

Samuel Hasselhorn (Bariton)

Kerstin Mörk (Klavier)

Tobias Truniger (Moderation)

Herausgeber Internationale Hugo -WolfAkademie für Gesang, Dichtung, Liedkunst e.V. Stuttgart, Jägerstraße 40, 70174 Stuttgart, Deutschland, Telefon +49(0)71122 11 77, Fax +49(0)711. 22 79 919, info@ ihwa.de, www.ihwa.de

Vorstand Prof. Dr. Hansjörg Bäzner (Vorsitzender), Hans Georg Koch (Stv. Vorsitzender), Albrecht Merz (Schatzmeister), Walter Kübler (Schrift führer), EBM Dr. Fabian Mayer (Ver treter der Landeshauptstadt Stuttgart), MDgt Dr. Claudia Rose (Vertreterin des Landes Baden - Württemberg), Cornelius Hauptmann, Patrick Strub

Künstlerischer Beirat Prof. Marcelo Amaral, Oswald Beaujean, Prof. Dr. h.c. Thomas Hampson, Prof. Christiane Iven, Dr. Regula Rapp

Intendanz Dr. Cornelia Weidner

Redaktion & Satz Monika Treutwein, Dr. Cornelia Weidner

Textnachweis Der Text von Susan Youens ist ein Originalbeitrag für dieses Heft (Deutsche Übersetzung: Verena Deigendesch)

Bildnachweis S. 8: Giovanni Barbieri gen. Guercino (1591– 1666), Allegorie der Künste, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Öl auf Leinwand, 116,2 x 98 cm, Inv.Nr. 251, Staatsgalerie Stuttgart. S. 9: Franz Ludwig Catel (1778–1856), Italienische Waldlandschaft, 1830, Öl auf Leinwand, 40 x 53 cm, www.commons.wikimedia. org; S. 10: Anthonie Andriessen (1747–1813), Italienische Landschaft mit zwei Spaziergängern und Hund, um 1790/1800, Pinsel in Hell- und Dunkelgrau auf Papier, 20,4 x 15 cm, Inv.Nr. C 2017/5757,54, Staatsgalerie Stuttgart.

S. 11: Joseph Anton Koch (1768–1839), Olevano mit dem Blick auf die Campagna, 1814, Öl, Leinwand, 82 x 103 cm.

Abb. S. 8, 10 & 11 mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung der Staatsgalerie Stuttgart (www.staatsgalerie.de).

privat (Diana Haller, Mikhail Timoshenko) Nancy Horowitz (Marcelo Amaral)

Änderungen des Programms und der Mitwirkenden vorbehalten.

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