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Tafeln, wo die Wäsche hängt

Fokus Tafeln, wo die Wäsche hängt Andreas Hoffmann, unvermeidlich die Frage zu Corona. Berlin ist stark von Neuinfektionen betroffen, vor allem in Neukölln. Wie gehen Sie mit der Pandemie derzeit um?

Vor zehn Jahren haben zwei Quereinsteiger eine Berliner Wäscherei zum Restaurant umgebaut. Ihre unkonventionelle Gastro- und Deko-Idee «Lavanderia Vecchia» hat sich bis heute bewährt.

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INTERVIEW Jörg Ruppelt  BILDER zVg

Der coolste «Italiener» Berlins liegt im Stadtteil Neukölln, versteckt in einem zweiten Hinterhof. Authentisch, oder besser gesagt waschecht, ist hier nicht nur die Küche, sondern auch die Deko: Zwischen den Tischen sind Wäscheleinen mit Geschirrtüchern gespannt und in der Mitte des Raums steht eine alte Waschmaschine vom Dachboden, die zu einem sprudelnden Brunnen umfunktioniert worden ist. Dort kommt das Trinkgeld rein. Betreiber des Ladens sind Renate und Andreas Hoffmann, Quereinsteiger mit besonderer Liebe zu italienischem Essen und mediterraner Kultur. Sie haben aus einer ehemaligen Wäscherei die «Lavanderia Vecchia» gemacht. Eine ihre Gründungsvisionen: «Wenn die Gäste zu uns essen kommen, können sie gleich ihre Wäsche zum Waschen mitbringen und aufhängen». Das hat zwar nicht geklappt, dennoch ist die «Lavanderia Vecchia» seit 2010 in der Erfolgsspur. Auch in Pandemie-Zeiten. Andreas Hoffmann: Das ist aktuell eine schwierige Situation. Wir versuchen, sofern wir offen haben dürfen, unseren Gästen ein sicheres und glückliches Restaurant-Erlebnis zu bereiten. Wir haben natürlich alle branchenspezifischen Vorgaben umgesetzt. Zusätzlich haben wir den Vorteil, dass wir schon immer relativ grosszügig bestuhlt haben. Ausserdem verfügen wir seit Beginn über eine Lüftungsanlage, die mindestens sechs Mal in der Stunde die Luft komplett austauscht und durch Wärmerückgewinnung eine effiziente Erwärmung der Zuluft erlaubt. Jetzt haben wir auch noch einen kuscheligen beheizten Aussenbereich geschaffen, der gut angenommen wird.

Wie sieht es mit der Gästezahl aus?

Natürlich haben wir allein aufgrund der Abstandsvorgaben weniger Gäste und müssen vielen absagen, die gerne kommen würden. Wir haben die Platzzahl in der «Lavanderia Vecchia» von ursprünglich 50 auf 30 reduzieren müssen.

«Wer hat, muss auch geben. Bei uns bekommen HartzIV-Empfänger einen Rabatt von 4 Euro auf die Gerichte.»

Andreas Hoffmann, Inhaber der «Lavanderia Vecchia» in Berlin-Neukölln.

Vor zehn Jahren haben Sie mit Ihrer Frau die «Lavanderia Vecchia» eröffnet. Erzählen Sie uns doch kurz, wie es dazu kam?

Ich war Vertriebsleiter in der IT-Industrie und meine Frau Hausverwalterin. Wir standen vor dem Punkt, uns neuen Herausforderungen zu stellen. In dieser Zeit wurde die Gewerbefläche, eine Wäscherei in unserer Immobilie, frei. Und so entstand schnell die Idee, im Kopf bereits →

Viele raffinierte Vorspeisen, Primi, Secondi und Desserts lassen die Gäste eine italienische Familienfeier am Sonntagmittag nachempfinden.

In einer offen Showküche bereiten Küchenchef Jacopo Camilli und sein Team die Gerichte zu.

Typisch für KiezHäuser in BerlinNeukölln: Der Eingang zum Restaurant befindet sich im zweiten Hinterhof der Flughafenstrasse 46.

vorhandene Konzepte in der Realität umzusetzen.

Warum musste es unbedingt ein italienisches Restaurant sein?

Italien hat uns unser Leben lang begleitet. Ich habe in den 1990er-Jahren in Mailand gearbeitet und seit 15 Jahren besitzen meine Frau und ich ein Ferienhaus auf dem Land.

Der Umbau einer alten Wäscherei zu einem Gastrobetrieb muss ein Vermögen gekostet haben. Wie haben Sie das alles finanziert?

Wir hatten aus unseren früheren Tätigkeiten genug Eigenmittel, um das zu stemmen. Insgesamt steckten wir rund 150 000 Euro in die «Lavanderia Vecchia». Sechs Monate bauten wir um. Viele Arbeiten wie Elektro und Dekoration haben wir selbst geleistet.

Wie und wo haben Sie sich gastronomisches Knowhow geholt?

Wir sind unser Leben lang gerne und sehr viel essen gegangen und hatten so sehr konkrete Vorstellungen vom Ergebnis. Das Hintergrundwissen, wie man dahin kommt, hat unser erster Küchenchef Benni Bräuniger uns vermittelt.

Nach der Eröffnung 2010 wurden Sie mit viel Lob überhäuft. Die Presse schrieb vom «Wunder von Neukölln». Hat sich das hinterher in steigenden Gästezahlen bemerkbar gemacht?

Oh ja – das war unerwartet rasant, wie sich unser guter Ruf in Berlin herumgesprochen hat, sodass wir schon bald komplett ausgebucht waren.

Was findet sich heute noch aus alten WäschereiZeiten in Ihrem Restaurant?

Die Installation der Dampfrohre für die Mangel und die

Gut zu wissen:

In Zusammenhang mit Covid-19 wird viel über Aerosole, winzige Schwebeteilchen, in geschlossenen Räumen diskutiert. In der Berliner «Lavanderia Vecchia» gibt es keine Klimaanalage und es wird auch keine Luft umgewälzt. Dicke Luft herrscht trotzdem nicht. Das Restaurant verfügt über eine spezielle Lüftungsanlage, ausgelegt auf bis zu 4000 Kubikmeter pro Stunde. Alle zehn Minuten wird die Luft im Gastraum der «Lavanderia Vecchia» komplett getauscht.

Beheizung der Waschmaschinen haben wir gelassen. Ansonsten haben wir natürlich auch historisches Material zusammengetragen, auch die Wäscheschränke haben wir behalten. Highlight des gesammelten Materials ist die Waschmaschine vom Dachboden, die heute als Brunnen im Zentrum des Restaurants steht.

Wie sieht Ihr Mittagsangebot aus?

Wir bieten das wöchentlich wechselnde Abendmenu à la carte an. Drei verschiedene Antipasti, zwei «Primi», darunter Pasta mit Schwertfisch für 10 Euro, zwei «Secondi» ab 14 Euro wie Dorade, Speck, Lakritz, Paprika und Kartoffel und ein Dessert für vier Euro.

Und was servieren Sie am Abend?

Ein Fünf-Gänge-Menü mit zwei Mal Antipasti, Primo, Secondo und Dolce inklusive Getränke für 45 Euro. Dieses gibt es auch in einer vegetarischen Variante.

In verschiedenen Medien war zu lesen, dass Sie vom

Mit stilsicherer Hand gestaltete Renate Hoffmann die Industrieräume der alten Wäscherei zu einer italienischen Strassenszene. Besonderer Clou sind die von unten beleuchteten Tische, die schöne Schuhe zur Geltung bringen.

Trinkgeld einen Mittagstisch für Bedürftige anbieten.

Jein. Das war die Idee, hinter der das Team auch stand, war jedoch so betriebswirtschaftlich nicht umzusetzen. Also haben wir es anders gelöst. Heute bekommen Hartz-IV-Empfänger einen Rabatt von 4 Euro auf die Gerichte. Vor Corona haben wir an jedem letzten Mittwoch des Monats ein Gratismenü rausgegeben. Besucherzahl zirka 120 bis 150 Personen. Ein Konzept steht und fällt mit den Mitarbeitenden. Ist es in Berlin schwer, gute Kräfte für Küche und Restauration zu bekommen?

Es ist nicht einfach, aber wir stellen fast nur Italiener ein, von denen viele neu in Berlin sind und bei uns die erste legale Arbeit in Deutschland finden. Das ist eine richtige Erfolgsgeschichte, und wir verdanken das natürlich der Attraktivität der Stadt. •

KONTAKT

Lavanderia Vecchia Flughafenstrasse 46 D-12053 Berlin Tel. +49 306 2722152 www.lavanderiavecchia.de

Wettbewerb

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A UV-C-Licht

B AB-C-Licht

C DE-F-Licht

Senden Sie die richtige Antwort bis zum 17. Februar 2021 an wettbewerb-booklet@ hotellerie-gastronomie.ch

Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Wir gratulieren:

Die Gewinnerin des Wettbewerbs aus dem Themenmagazin «Convenience & Take-away» ist: Rosa Flores, 1217 Meyrin.

Herausgeberin Hotel & Gastro Union Adligenswilerstrasse 22 · 6002 Luzern Tel. 041 418 22 22 (Geschäftsstelle Luzern) Tel. 021 616 27 07 (Geschäftsstelle Lausanne) info@hotelgastrounion.ch www.hotelgastrounion.ch

Verlag Hotellerie Gastronomie Verlag Adligenswilerstrasse 29/27 · 6006 Luzern Tel. 041 418 24 40, Fax 041 418 24 71 joerg.ruppelt@hotellerie-gastronomie.ch www.hotellerie-gastronomie.ch

Verlagsleitung Mario Gsell, Jörg Ruppelt (stv.)

Chefredaktion Jörg Ruppelt, Ruth Marending (stv.)

Verkauf Josef Wolf (Leitung), Marion Riedi (Sales Consultant), Beat Unternährer (Sales Consultant), Iris Fischer (Buchhaltung) Karin Huwyler (Kundendienst Anzeigen, Adressverwaltung)

Redaktion Patrick Claudet (Redaktionsleitung Hotellerie Gastronomie Hebdo), Andrea Decker, Riccarda Frei, Mario Gsell, Angela Hüppi, Désirée Klarer, Ruth Marending, Sarah Sidler, Gabriel Tinguely

Gestaltung Pierina Bucher (Leitung) Luka Beluhan (Grafiker) Carolina Schöpfer (Polygrafin)

Produktion Esther Kurmann (Produktion Anzeigen)

Gestalterische Mitarbeit Jakob Ineichen (Fotografie) Claudia Link (Fotografie)

Korrektorat Swissprinters AG, Zofingen

Übersetzung Bertrand Denzler

Druck Swissprinters AG, Zofingen

Sonderbeilagenserie «Themenmagazin» Der Hotellerie Gastronomie Zeitung wird in loser Folge die Fachbeilagenserie «Themenmagazin» beigelegt. Die vorliegende Ausgabe ist dem Thema «Küche & Raum» gewidmet und erscheint unter demselben Namen «Küche & Raum». Themenmagazine zu weiteren Themen folgen.

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