Baustelle Klimaschutz

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Themenheft von Hochparterre, April 2022

Baustelle Klimaschutz

CO -Bilanzen, Sanierungsquoten, Energiekosten und jede Menge Berechnungen: Die Erneuerung ² des Gebäudebestands ist knifflig. Pensimo gewährt Einblick in Strategien, Projekte und Zahlen.

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Editorial

Inhalt

4 « Wir kennen den richtigen Weg noch nicht » Pensimo verpflichtet sich den Klimazielen. Drei Gespräche mit Beteiligten.

10 Bildstrecke Baustoffe als Talismane: Fotografien von Maya & Daniele.

16 Fallbeispiel 1: Leichter gesagt als getan Die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen drängt – doch am Balsberg in Kloten fehlt dazu das richtige Energieversorgungsnetz.

20 Fallbeispiel 2: Alle Aspekte im Blick An der Anton-Higi-Strasse in Zürich Nord stellte sich die Frage: erneuern oder ersetzen ?

24 Fallbeispiel 3: Ein Teil des Dorfs Bei der Siedlung Tüfwis in Winkel liessen sich Erhalt und Ersatz gut kombinieren.

28 Vom Zustand des Bestands Vier anschauliche Grafiken zu den Liegenschaften von Pensimo.

Talisman Backstein Ein Steuerungsapparat Bild links, Leuchtmittel, Betonbrocken, ein Fläschchen Erdöl: Das Fotografieteam Maya & Daniele hat für die Bilder dieses Themenhefts ordinäre Bauzutaten zum Fetisch stilisiert. Denn vor lauter Kompliziertheit soll uns die Lust am Klimaschutz nicht vergehen !

Knochenarbeit für das Klima 1,77 Millionen Gebäude mit Wohnnutzung stehen aktuell in der Schweiz. Fast zwei Drittel davon werden nach wie vor mit Erdöl oder Erdgas beheizt. Auch wenn viele Kantone das weiterhin erlauben und es noch keine generelle Sanierungspflicht gibt: Diese grosse Mehrheit der Häuser muss auf Netto-Null-Kurs gebracht werden. Doch das bedeutet Knochenarbeit. Galt vor zwanzig Jahren der Neubau als der beste Weg, um den Energieverbrauch von Gebäuden zu senken, ist es inzwischen die Sanierung, am besten in Kombination mit einer Aufstockung. Durch Kriterien wie die graue Energie oder die Art der Verkehrserschliessung und Methoden wie Baustoffund Bauteilrecycling ist die Betrachtungsweise differenzierter geworden. Bei aller Ähnlichkeit von Bautypen und Bauepochen führt kein Weg daran vorbei, jedes Haus oder zumindest jede Überbauung einzeln zu betrachten. Nicht immer ist danach das beste Vorgehen klar, denn das Thema steckt voller gegenläufiger Interessen, wie Bruno Fritschi von Pensimo Management im Gespräch auf Seite 7 sagt: « Für einen Gebäudeenergieausweis der Kategorie B darf ein Gebäude künftig noch höchstens fünf Kilogramm CO pro Quadratmeter Energiebezugsfläche ausstossen. ² Sollen wir nun für viel Geld die Fassade komplett energetisch sanieren, um unter diese fünf Kilogramm zu kommen – oder ist es besser, als insgesamt ausgewogenere Lösung lediglich einen Dämmputz zu wählen, damit acht Kilogramm CO -Ausstoss in Kauf zu nehmen und die Diffe² renz finanziell zu kompensieren ? » In solch komplexen Abklärungen stecken viele institutionelle Anlegerinnen. Als eine von ihnen gewährt Pensimo in diesem Themenheft Einblick in ihre Analysen und Abwägungen, ihre Strategien und Projekte. Es ist ein Heft nah an der Praxis. Hochparterre möchte damit Vergleichsmöglichkeiten und Anhaltspunkte liefern, wie man bei dieser anspruchsvollen Aufgabe vorgehen kann. Rahel Marti

Bauen mit Vorsorgegeldern In Zusammenarbeit mit Pensimo Management sind bei Hochparterre folgende Themenhefte erschienen: – Gute Architektur. Ein Garant für langfristige Rendite ( Mai 2005 ) – Bleibende Werte. Bauen und renovieren mit Vorsorgegeldern ( Juni 2011 ) – Besser planen und günstig bauen ( April 2016 )

Impressum Verlag Hochparterre AG Adressen Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon + 41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag @ hochparterre.ch, redaktion @ hochparterre.ch Verleger Köbi Gantenbein Geschäftsleitung Andres Herzog, Werner Huber, Agnes Schmid Verlagsleiterin Susanne von Arx Konzept und Redaktion Rahel Marti Fotografie Maya & Daniele Fototeam, www.mayandaniele.com Art Direction Antje Reineck Layout Sara Sidler Produktion Linda Malzacher Korrektorat Lorena Nipkow Lithografie Team media, Gurtnellen Druck Stämpfli AG, Bern Herausgeber Hochparterre in Zusammenarbeit mit Pensimo Management AG Bestellen shop.hochparterre.ch, Fr. 15.—, € 12.—

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« Wir kennen den richtigen Weg noch nicht » Wer die Klimaziele erreichen will, bearbeitet Fragen von der Anlagestrategie bis zur Duschbrause. Und muss Widersprüche aushalten. Drei Gespräche mit Suchenden.

Die Rolle der Pensionskassen Interview: Gabriela Neuhaus

Als einer der Hauptverursacher des globalen CO -Ausstos² ses ist der Gebäudebereich beim Klimaschutz gefordert. Pensionskassen tragen dabei eine doppelte gesellschaftliche Verantwortung. Sie sollen Rentengelder so anlegen, dass diese langfristig sicher sind. Und ihre Investitionen in Immobilien sollen die Klimaziele erfüllen. Warum diese Aufgaben nahe beieinanderliegen, erläutern Jürg Tobler und Dominique Becht. Wie beeinflusst der Klimawandel die Anlage von Pensionskassengeldern ? Jürg Tobler: Wir müssen auch in hundert Jahren noch in der Lage sein, Renten auszubezahlen. Das wird nur gehen, wenn sich unsere Welt nachhaltiger entwickelt als heute. Am deutlichsten zeigt sich das beim Gebäudepark, weil dieser einen substanziellen Teil des CO -Ausstosses ver² ursacht. Als langfristige Investorinnen haben Pensionskassen deshalb ein grosses Interesse daran, ihren Immobilienbestand in Bezug auf das Klima gut zu positionieren. Dominique Becht: Bei der Stiftung Abendrot war Nachhaltigkeit bereits bei der Gründung 1984 ein zentrales Element. Heute ist sie ein Modethema. Wir haben uns deshalb die Frage gestellt, wie wir über die Diskussionen über Fussabdruck und Klima hinaus ein strategisches Orientierungstool für unsere Investitionen entwickeln können. Neu klassifizieren wir sämtliche Anlagen im Rahmen eines ‹ Impact Management Project › und versuchen damit, die Wirkung des Investors von der Wirkung der Anlage zu trennen.

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Was ist das Ziel dieses neuen Werkzeugs ? Dominique Becht: Damit wollen wir zeigen, was wir als Pensionskasse überhaupt leisten können. Das ist relativ bescheiden: Unsere Anlagestrategie steht für eine gewisse Willensäusserung, dass uns Veränderung wichtig ist, und wir engagieren uns in entsprechenden Firmen und Fonds und nehmen unser Stimmrecht wahr. Bei der Klassifizierung der Wirkung unserer Immobilien unterscheiden wir vier Kategorien. Sie reichen von ‹ Förderung von Lösungen › bis zu ‹ schädlich ›. Momentan sind 15 Prozent unseres Gebäudebestands ‹ schädlich ›. Das Killerkriterium sind die fossilen Energieträger, die wir nach Ablauf ihrer Lebensdauer durch andere Heizsysteme ersetzen. Jürg Tobler: Auch im Bestand der Anlagestiftung Turidomus laufen noch viele fossile Heizungen, da stehen wir nicht gut da. Das bedeutet aber auch, dass wir hier ein grosses Potenzial haben, etwas zu bewirken und den Bestand, den wir historisch besitzen, vorwärtszubringen. Die Pensimo Gruppe ebenso wie die Stiftung Abendrot gelten als Pioniere in Bezug auf Nachhaltigkeit bei Immobilien. Was zeichnet Ihre Geschäftsstrategie aus ? Jürg Tobler: Bei Pensimo haben wir 2016 damit begonnen, Daten zu den CO -Emissionen unserer Liegenschaften zu ² erheben. Seit 2017 erfassen wir sämtliche Verbrauchswerte systematisch und werten sie aus. Auf dieser Grundlage haben wir einen CO -Absenkpfad definiert. Das ist auf² wendig, weil man jedes Objekt einzeln anschauen muss, und es braucht sicher noch weitere Schritte. Wie wird dieser Absenkpfad umgesetzt ? Jürg Tobler: Aktuell lassen wir über das gesamte Portfolio prädiktive Heizungssteuerungen einbauen siehe ‹ Prädiktive Heizungssteuerung ›, Seite 8, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und die Anlagen effizienter und umweltscho-

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« Meine Sorge ist, dass die Regulierungen zu spät kommen und dann undifferenziert durchgegriffen wird. » Jürg Tobler

nender betreiben zu können. Nachhaltigkeit umfasst aber nicht nur den CO -Ausstoss. Wir haben den Anspruch, Häu² ser in bewohntem Zustand zu sanieren und nicht möglichst viele Ersatzneubauten zu erstellen. So sparen wir graue Energie ein und können zudem verhindern, dass die Bewohner aus ihren Wohnungen vertrieben werden. In Bezug auf die soziale Komponente von Nachhaltigkeit ist das wichtig. Und die Geschäftsstrategie der Stiftung Abendrot ? Dominique Becht: Unser Schwerpunkt liegt im Kauf alter Industrieareale, die wir gemeinsam mit den künftigen Nutzerinnen entwickeln. Langfristigkeit zu leben heisst, Substanz zu erhalten und die Klimaverträglichkeit auf lange Sicht zu verbessern. Dabei gibt es eine Reihe von Zielkonflikten. Die Klimaaspekte einer Liegenschaft umfassen Fragen zur Energieversorgung oder zu Baumaterialien. Und aufseiten der Nutzung sind die Herausforderungen etwa die Sozialverträglichkeit der Mieten, durchmischtes Wohnen oder die Vermeidung von Gentrifizierung. Wie wirkt sich das auf Ihre Areale aus ? Dominique Becht: Ein gutes Beispiel ist der Lagerplatz in Winterthur. Einen Teil des riesigen Areals, das wir gekauft haben und laufend weiterentwickeln, haben wir mit wiederverwerteten Baustoffen gebaut. Dazu braucht es Nutzer, die das unterstützen, was dank der klaren Positionierung unserer Stiftung kein Problem ist. Ein weiteres Beispiel ist der Holzmarkt in Berlin, wo wir ein Grundstück erworben, der Spekulation entzogen und im Erbbaurecht an eine Gruppe von Aktivistinnen weitergegeben haben, die dort nun ein Wohnheim für Studierende und Räume für alternative Kultur betreiben. So ermöglichen wir als langfristige Akteurin eine Subkultur an zentraler Lage.

Dominique Becht Der promovierte Volkswirt ist Leiter der Fachstelle Wertschriften der Stiftung Abendrot und vertritt diese im Verwaltungsrat der Ethos. Nach Engagements in Asien gründete er 2007 die Vermögens­verwalterin Bestideasgroup und übernahm 2012 mit einem Partner die Firma Solomania, die regionale Lebensmittel produziert.

Jürg Tobler Der stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsleitung der Pensionskasse der Stadt Zürich ist als Leiter des Geschäftsbereichs Vermögensanlagen zuständig für den Portfoliobereich Immobilien. Er ist Stif­ tungs­rat der zur Pensimo Gruppe gehörenden An­ lagestiftungen Turidomus, Pensimo und Testina.

Wie ist das Verhältnis von Kosten und Nutzen solcher Investitionen ? Stehen sie nicht im Widerspruch zum Auftrag, eine Rendite zu erwirtschaften ? Dominique Becht: Sachlich betrachtet, handelt es sich beim Klimawandel um ein Risiko, das man im Portfolio managen muss. Wenn ich dieses Risiko ausser Acht lasse, investiere ich unter Umständen in Häuser, deren Heizung ich in fünf Jahren nicht mehr betreiben darf. Da braucht es keine Wertediskussion, um zu begründen, weshalb Investitionen in klimafreundlichere Energiesysteme bei Immobilien sinnvoll sind. Ähnliches sehen wir bei den Baustoffen: Die Lieferengpässe etwa beim Aluminium haben gezeigt, dass es nicht nur aus ökologischer Sicht vernünftig ist, vermehrt auf lokale und nachwachsende Rohstoffe zu setzen. Hinzu kommt: Produkte mit einem hohen CO ² Verschleiss wie Aluminium dürften künftig deutlich teurer werden. Damit rechnet sich klimafreundlicheres Bauen auch in Bezug auf die Rendite. Jürg Tobler: Wir betrachten das Thema Nachhaltigkeit stark aus dieser Risikosicht. Bleibt die Rendite so gut wie in den letzten Jahren, ist die Herausforderung nicht allzu gross. Wenn wir aber zum Beispiel mit der Investition in effizientere Heizungsanlagen oder in wassersparende Hähne

« Eine nachhaltige Pensionskasse muss keine Wachstumstreiberin sein. Sie kann nach Nischen suchen. » Dominique Becht

die Nebenkosten senken können, wird die Liegenschaft nicht nur attraktiver, allenfalls steigt sogar die Nettorendite. Auch einen guten Umgang mit der Mieterschaft zu pflegen, wirkt sich langfristig positiv auf die Rendite aus, weil das die Fluktuation reduziert. Die Stiftung Abendrot und die Pensimo Gruppe werben mit ihrem Nachhaltigkeitsimage. Gleichzeitig tragen sie mit Investitionen in Bau- und Verdichtungsprojekte zum Wachstum auf dem Immobilienmarkt bei. Kein Widerspruch ? Dominique Becht: Uns allen ist klar, dass Wachstum ein Problem ist. Aber Rendite heisst nun mal Wachstum. Eine nachhaltige Pensionskasse muss keine Wachstumstreiberin sein, sondern sie kann nach Nischen suchen. Dort liegt unsere Verantwortung. Jürg Tobler: Das bringt uns auf die Ebene der gesellschaftlichen Fragen. In den 1970er-Jahren habe ich gelernt, dass 6,5 Millionen Menschen in der Schweiz leben. Mein Sohn lernt, dass es 8,5 Millionen sind. Den Umgang mit Zuwanderung können die Pensionskassen nicht lösen. Doch viele, die hier wohnen, sind in der zweiten Säule versichert. Damit decken die Pensionskassen ein Grundbedürfnis ab und können nicht einfach sagen, dass sie das Wachstum nicht unterstützen und keine neuen Wohnungen mehr bauen wollen. Das würde lediglich die Mietpreise im Bestand erhöhen. →

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→ Fakt ist, dass wir in der Schweiz je nach Region beachtliche Wohnungsleerstände haben. Jürg Tobler: In den Zentren, wo die Pensimo Gruppe vor allem investiert, ist die Nachfrage gross, und wir verzeichnen kaum Leerstände. Dominique Becht: Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Liegenschaften ausgelastet sind. Solange die Bevölkerung wächst, braucht es auch mehr Wohnungen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, das Wachstum möglichst umweltverträglich zu organisieren. Sind strengere Gesetze und Baustandards nötig, um den Immobilienbestand in der Schweiz in nützlicher Frist für die Klimaziele fit zu machen ? Dominique Becht: Mir ist Selbstregulierung sympathisch – aber bei der Klimafrage kommen wir irgendwann an den Punkt, an dem wir regulatorisch die Schraube anziehen müssen. Wir können darauf hinarbeiten, Mehrheiten für Verbesserungen beim Klimaschutz zu finden. Aber ich befürchte, dass es schlimme Ereignisse braucht, um die Menschen aufzuwecken. Die Regulierungen werden erst kommen, wenn es nicht mehr anders geht. Jürg Tobler: Meine Sorge ist, dass die Regulierungen zu spät kommen und dann krass und undifferenziert durchgegriffen wird. Uns muss klar sein, dass fossile Heizsysteme nicht innerhalb von zehn bis fünfzehn Jahren verschwinden. Das braucht Zeit. Wenn das zu spät realisiert wird, müssen Heizsysteme plötzlich frühzeitig entsorgt werden, weil ihre Verwendungszeit regulatorisch begrenzt ist. Das wäre eine Verschwendung von grauer Energie.

Pensimo Management und Pensimo Gruppe Die Pensimo AG wurde 1942 gegründet, die heutige Pensimo Management AG im Jahr 1993. Ihr Aktionariat setzt sich heute aus zehn Pensionskassen zusammen, die jeweils 10 Prozent des Aktien­kapitals halten. Zur Pensimo Gruppe ge­hören die vier im Immobilienbereich tätigen Anlagestiftungen Adimora, Pen­simo, Turi­ domus und Testina sowie der börsenkotierte Immobilienfonds Swiss­invest. Ferner ist sie an sieben Bewirtschaftungsunternehmen mit dem gemeinsamen Namen Regimo beteiligt. Die Anlagestiftungen fokussieren auf Wohn- und Geschäfts­ liegenschaften an guten Makrolagen. Der Liegenschaftsbestand der Pensimo Gruppe umfasst per Ende 2021 schweiz­ weit 542 Liegenschaften. Der Wert aller Portfolios beträgt 11,26 Milliarden Franken. Betreffend Nachhaltigkeit hält die 2018 verabschiedete Corporate Responsibility Policy fest, dass die Pensimo Gruppe « haushälterisch mit natürlichen Ressourcen – insbesondere dem Boden – umgeht, einen Beitrag zur Eindämmung der Klimaerwärmung leistet und sich für die Förderung der Biodiversität einsetzt ». www.pensimo.ch

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Stiftung Abendrot Die Sammelstiftung Abendrot wurde 1984 mit dem Ziel gegründet, Unternehmen und Versicherten nachhaltige Anlagemöglichkeiten für die 2. Säule zu bieten. Sie zählt heute 1230 angeschlossene Unternehmen, rund 12 900 aktiv Versicherte und gut 2200 Rentenberechtigte. Die Stiftung Abendrot stellt hohe soziale, öko­ logische und ethische Ansprüche an ihre Anlagepolitik und schliesst unter anderem Investitionen in fossile und nukleare Energieträger aus. Rund ein Drittel des Anlagevermögens ist in Immobilien investiert siehe ‹ Investment und Gemeinsinn ›, Themenheft von Hochparterre, Dezember 2020. Wie bei den Wertschriften legt die Stiftung Abendrot auch bei ihren Liegenschaften Wert auf Transparenz. Sie beurteilt ihre Anlagen nach der Methode des ‹ Impact Management Project ›, das die Auswirkungen der Investitionen auf Nachhaltigkeit misst und in einer Matrix abbildet. www.abendrot.ch

Die Grundlagen des Sanierens Interview: Rahel Marti

Um die Klimaziele zu erreichen, muss die grosse Mehrzahl der bestehenden Gebäude saniert werden, und zwar bald. Nadège Vetterli, Isabel Müller und Bruno Fritschi schildern, was das bedeutet und wo die Hürden liegen. Die Frage, ob man sanieren oder ersetzen soll, ist zwanzig Jahre alt. Damals galt der Neubau als energetisch optimal. Wo steht die Forschung heute ? Nadège Vetterli: Das beantwortet die 2021 abgeschlossene Studie ‹ StaVerdi – Städtische Verdichtung und ihre Auswirkung auf den Energieverbrauch von Schweizer Städten ›. Sie hat untersucht, wo sich aus energetischer Sicht Ersatzneubauten, Aufstockungen oder Gesamtsanierungen lohnen. Dabei flossen Kriterien wie die Art der Verkehrserschliessung oder die graue Energie ein, die vor zwanzig Jahren kaum jemand beachtete. Das Ergebnis: Meist schneidet die Sanierung mit Aufstockung am besten ab. Wird der Ersatz zur Ausnahme ? Bruno Fritschi: Es gibt kein Patentrezept – wie immer, wenn es um Immobilien geht. Lage, Objekt, Eigentümerschaft: Der Kontext ist vielschichtig. Interessen wie Ökologie, Ökonomie und Soziales widersprechen sich oft. Deshalb klären wir bei Pensimo jeden Fall qualitativ und quantitativ ausführlich ab und suchen nach dem Optimum. Gegenwärtig wird 1 Prozent des Gebäudebestands pro Jahr saniert. Stimmt diese Zahl ? Bruno Fritschi: In unserem Fall ja: Bei unserem grössten Wohnportfolio, Casareal der Anlagestiftung Turidomus, haben wir in den letzten Jahren jährlich rund 1,5 Prozent saniert. Eingerechnet sind Instandsetzungen und grössere Instandhaltungsarbeiten – und inzwischen auch der Heizungsersatz, denn ein Systemwechsel, etwa von einer Ölheizung zu Pellets oder zu einer Erdsondenwärmepumpe, ist ein ordentliches Bauprojekt. 1,5 Prozent – das ist erst die Hälfte jener 3 Prozent, die als nötig gelten, um die Klimaziele zu erreichen. Was bedeutet das für die nächsten Jahre ? Bruno Fritschi: Dass wir früher sanieren müssen – auch wenn der gängige Zyklus noch nicht beendet ist. Und es bedeutet, dass wir die schlimmsten CO -Sünder, also Öl- und Gas² heizungen, vorzeitig ersetzen müssen. Isabel Müller: Wenn wir vom Netto-Null-Ziel 2050 zurückrechnen, kommen wir bei Allianz Suisse Immobilien auf eine Sanierungsquote von fast 4 Prozent pro Jahr. Eine solch hohe Quote ist eine riesige Herausforderung in der Praxis – nur schon weil unsere internen Ressourcen in Planung und Bau begrenzt sind.

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Wie lässt sich die Quote trotzdem steigern ? Nadège Vetterli: Wenn mehr saniert werden soll, müssen wir auch einfache Massnahmen unterstützen, die Vorgaben lockern und Innovation belohnen. Aktuell gibt es keine Sanierungspflicht, und in vielen Kantonen sind beim Ersatz von Heizungen weiterhin nicht erneuerbare Energieträger erlaubt. Und wenn jemand sanieren möchte, sind die Vorgaben streng. Als Förderinstrument existiert im Moment lediglich das Gebäudeprogramm, das dieselben energetischen Werte wie für Neubauten vorschreibt. Das bedeutet hohe Kosten und ist hinsichtlich der grauen Energie nicht immer sinnvoll. Doch bei vielen Liegenschaften lohnt sich eine teure und umfassende Sanierung aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht. Die Folge: Viele Eigentümer unternehmen nichts. Da setzt man hohe Klimaziele, dort will man die Vorgaben lockern. Wie passt das zusammen ? Isabel Müller: Wir befinden uns in einer Experimentierphase. Es muss erlaubt sein, von der Norm abzuweichen und unterschiedliche Konzepte zu testen. Schliesslich transformieren wir Prototypen: Jedes Haus hat eine Architektin oder ein Architekt individuell gestaltet, und deshalb brauchen wir auch individuelle Energielösungen. Bruno Fritschi: Wir kennen momentan einfach den richtigen Weg noch nicht. Ein Beispiel: Für einen GEAK siehe ‹ GEAK ›, Seite 8 der Kategorie B darf ein Gebäude künftig noch höchstens fünf Kilogramm CO pro Quadratmeter Ener² giebezugsfläche ausstossen. Sollen wir nun für viel Geld die Fassade komplett energetisch sanieren, um unter diese fünf Kilogramm zu kommen – oder ist es besser, als insgesamt ausgewogenere Lösung lediglich einen Dämmputz zu wählen, damit acht Kilogramm CO -Ausstoss in Kauf zu ² nehmen und die Differenz finanziell zu kompensieren ? Das Thema steckt voller gegenläufiger Interessen, die wir bei jedem Projekt neu abwägen müssen.

« Bei Umbauten kommt die Kreativität von Architekturbüros nicht so zum Zug. Da herrscht noch Schema-F-Denken. » Isabel Müller

« Meist schneidet die Sanierung mit Aufstockung am besten ab. » Nadège Vetterli

Um Pilotprojekte zu fördern: Wie wäre es mit einer Anzahl Jokerprojekte pro Bauherrschaft, die bewilligt würden, ohne dass sie die Normen einhalten ? Isabel Müller: Sofort ! Aber aufgepasst: Die Arbeitskette in der Baubranche ist lang. Experimente entwerfen, das geht. Aber die Umsetzung kann an den General- und Totalunternehmen scheitern. Zum Beispiel gibt es schon lange kleine und effiziente Wärmerückgewinnungsanlagen für Duschen. Aber sie werden selten eingebaut, weil eine Strangsanierung immer nach demselben Muster abläuft. Gerade bei Umbauten kommt die Kreativität von Architekturbüros nicht so zum Zug, da herrscht noch Schema-F-Denken. Bruno Fritschi: Meines Erachtens liegt es hauptsächlich bei den Bauherrschaften, neue Ansätze zu ermöglichen und zu honorieren. Und dann braucht es eine Behörde, die mitzieht. Wie sorgen wir dafür, dass die Mieten bei einer steigenden Sanierungsquote nicht explodieren ? Bruno Fritschi: Auch da braucht es Flexibilität. Unsere Anleger sind als Pensionskassen auf eine langfristig nachhaltige Rendite angewiesen. Es ist unsere Hauptaufgabe, diese sicherzustellen. Aber wir müssen auch die sozialen Kosten im Auge behalten. Es gibt Wohnlagen, bei denen wir die Mieten nicht so erhöhen können, wie es eine umfassende Sanierung nach sich ziehen würde. Dort verzichten wir etwa auf Balkonerweiterungen, zusätzliche Nasszellen oder auf die Anpassung der Grundrisse. Beziehen Sie Ihre Mieterschaft ein, um Klimaziele zu erfüllen ? Bruno Fritschi: Wir versuchen, unsere Mieterinnen zu sensibilisieren, etwa mit Merkblättern zum Thema Lüften oder mit unserer Mieter-App, in der sie ihren Energie- und Stromverbrauch einsehen können. Aber wir versuchen auch, die Gebäude so zu konzipieren, dass wenig Wärmeverluste auftreten. Wir bieten zum Beispiel keine Kippfenster mehr an, weil sie häufig offen stehen – eine sehr ineffiziente Art zu lüften. Damit stossen wir auch auf Widerstand. Nicht selten bauen sich die Mieter den Kippmechanismus nachträglich trotzdem ein. →

Isabel Müller Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH. Seit 2017 ist sie Beirätin der Klimastiftung Schweiz, seit 2019 Expertin für Nachhaltigkeit bei Allianz Suisse Immobilien.

Nadège Vetterli Studium der Umweltingenieurwissenschaften. Seit 2018 ist sie bei Anex Ingenieure für Bauphysik und Energiesimulation zuständig. Für das Bun­ desamt für Energie leitet sie seit 2021 das Forschungsprogramm Ge­ bäude und Städte.

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Bruno Fritschi Studium der Volkswirtschaft. Seit 2016 arbeitet er bei Pensimo Management. Als Mandatsleiter ist er zuständig für die An­ lagestiftung Adimora und betreut diese auch als Portfoliomanager.

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→ Isabel Müller: Auch als Mieterin muss man einen Beitrag leisten. Schliesslich verursachen die Bewohner den CO ² Ausstoss, nicht das Haus. Müssen unsere Komfortansprüche immer vollständig erfüllt sein ? Muss es immer die 100-Quadratmeter-Wohnung sein ? Brauchen wir alle einen Arbeitsplatz und eine Wohnung ? Suffizienz und Effizienz beginnen bei uns Menschen, nicht beim Gebäude. Sollten wir angesichts all dieser Schwierigkeiten beim aufwendigen Sanieren nicht zuerst und möglichst rasch die emissionsfreie Energieversorgung fördern ? Bruno Fritschi: Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, muss die öffentliche Hand tatsächlich dringend die notwendigen Grundlagen schaffen und zum Beispiel in thermische Netze investieren. Denn Luftwärmepumpen oder Erdsonden sind nicht überall erlaubt oder möglich, und für Pelletheizungen fehlt der Platz in den Häusern. Ohne einen substanziellen Ausbau der thermischen Netze schaffen wir die Energiewende nicht. Für uns als Bauherrschaft liegt das Problem darin, dass die Netze Jahre später fertig sind als angekündigt oder Gebiete gar nicht erschlossen werden – in vielen kleineren Städten oder Agglomerationsgemeinden gibt es kaum Angebote. Woher nehmen wir die Energie für die thermischen Netze ? Nadège Vetterli: Zum Beispiel aus der Abwärme von In­dus­ trie­quartieren, Rechenzentren oder grossen Bürogebäuden, die heute einfach verpufft. Um sie zu nutzen, müssen wir Gebäudecluster bilden und strapazierfähige Geschäftsmodelle entwickeln. Im Gegensatz zum Stromnetz ist die Grundinfrastruktur für die Nutzung von Abwärme noch nicht breit vorhanden, und verglichen mit den herkömmlichen fossilen Systemen sind die Kosten relativ hoch. Im Idealfall würde diese Infrastruktur subventioniert und nur noch für den Wärmebezug oder die Wärmelieferung bezahlt oder vergütet. Es ist paradox: Wir fördern Sanierungen, aber keine einzige Methode, um die grossen Mengen an Abwärme zu nutzen.

ESG Die Abkürzung steht für die drei Kriterien Environmental, Social und Government und bezeichnet einen überprüfbaren Standard in der nachhaltigen Unternehmensführung.

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Prädiktive Heizungssteuerung Zusätzlich zur aktuellen Aussentemperatur werden auch Wettervorhersagen in die Heizungssteuerung eingespiesen. So lässt sich die Raumtemperatur vorausschauend steuern, präzise auf den Bedarf einstellen und der Energie­ verbrauch senken.

GEAK Der Gebäudeenergie­ ausweis der Kantone ist die offizielle Energie­ etikette für Gebäude. In sieben Klassen zwischen A und G bewertet er die Energieklasse von Gebäudehülle und Gebäudetechnik.

Die Hebel für die Reduktion Interview: Barbara Wiskemann

Nach der Planung und dem Bau richtet sich das Augenmerk auf die Nutzung eines Gebäudes: Auch sie bietet zahlreiche Möglichkeiten, um das Klima zu schonen. Welche Rolle die Architektur dabei spielt, diskutieren Birgit Hattenkofer, Jörg Lamster und Christian Wenger. Unser Komfortanspruch verlangt konstante Tempera­turen in der ganzen Wohnung und über das ganze Jahr. Muss und kann sich diese Gewohnheit ändern ? Jörg Lamster: Neulich haben wir als internes Spiel alte Websites von Minergie auf ihre Inhalte geprüft. 2017 zeigte die Homepage zwei relativ leicht bekleidete, sitzende Personen. Nach Bauphysiknorm wäre dafür eine Raumtemperatur von 28 Grad Celsius notwendig. Wenn man das mit Heizen anstrebt, ist das natürlich fatal. Ältere Labels versprechen also Komfort, obwohl von ihnen Energieeffizienz erwartet wird. Das sind deutliche Widersprüche. Christian Wenger: Uns ist es ein Anliegen, die Mieter zu sensibilisieren. Wir wollen keine Vorgaben machen, aber wir weisen auf die Konsequenzen hin, wenn sie beim Zähneputzen das Wasser laufen lassen, jeden Tag 15 Minuten duschen oder die Heizung im Winter auf 27 Grad hochdrehen. Unter anderem dafür haben wir 2018 die Regimo-App eingeführt. Die Mieterinnen können damit nicht nur ihren Energieverbrauch visualisieren, sondern auch Gästezimmer und Elektroautos buchen oder Dinge zum Tausch anbieten. Auch unsere Siedlungscoachs sprechen die Mieter über die App an. Birgit Hattenkofer: Wir arbeiten gerade an einem Pilotprojekt für studentisches Wohnen: eine Umnutzung mit verschiedenen Klimazonen. Allerdings wissen wir noch nicht, ob es bewilligt wird, weil die Fassadenwerte nicht den Vorschriften entsprechen. Hält Pensimo sich an Nachhaltigkeitslabels ? Birgit Hattenkofer: Abgesehen von unserem CO -Absenk² pfad – derzeit nein. Wir verstehen uns als Manufaktur, betrachten jedes Projekt einzeln und scheren nicht alle über einen Kamm. Welche Hebel sind für die Reduktion des CO -Ausstosses am wirksamsten ? ² Christian Wenger: Drei Viertel unseres Portfolios sind fossil beheizt – und das ist Standard in der Branche. Der Ersatz dieser Heizungen ist einer der wichtigsten Hebel, die wir haben. Wir haben für alle unsere Gebäude einen GEAK siehe ‹ GEAK › als Benchmark erstellen lassen, damit wir sie innerhalb des Portfolios einordnen können. Zudem stat-

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ten wir unseren Bestand gerade mit prädiktiven Heizungssteuerungen aus siehe ‹ Prädiktive Heizungssteuerung ›. Das liefert uns Verbrauchszahlen, und wir können die Heizkurven bei Bedarf an die Wetterdaten anpassen. Jörg Lamster: Momentan werden fossile Energieträger wieder teurer. Hält dieser Trend an, ist das ein weiteres Plus für fossilfreie Lösungen wie Wärmepumpen. Wäre das revidierte CO -Gesetz letztes Jahr angenommen worden, ² wäre dieser Hebel noch viel wirksamer. Aber auch die Nachfrage verändert sich. Mit der Verbreitung von ESGRatings siehe ‹ ESG › kam das Thema der ‹ stranded assets › auf – Liegenschaften, die viel CO ausstossen und deshalb ² weniger gut vermietet werden können. Mieter wie Google achten auf dieses Thema, und das ist natürlich ein Hebel, um die Anleger zum nachhaltigen Sanieren zu bewegen. Klimaneutral bedeutet nicht unbedingt kostenneutral. Wie wägen Sie zwischen diesen beiden Ansprüchen ab ? Birgit Hattenkofer: Wir prüfen jedes Projekt sorgfältig und entscheiden von Fall zu Fall, weil die Aufgaben je nach Projekt ganz unterschiedlich sind. Christian Wenger: Energetische Sanierungen kosten kurzfristig betrachtet mehr, zahlen sich jedoch schon mittelfristig aus. Jörg Lamster: Heutige ökonomische Bilanzen bewerten vor allem Neubaumassnahmen. Der Bestand wird nicht oder nur zum Teil berücksichtigt. Mit dem Netto-Null-Ziel wird sich das ändern, sodass die Vernichtung von grauer Energie bei Ersatzneubauten stärker ins Gewicht fällt. Birgit Hattenkofer: Hinzu kommt, dass 70 bis 80 Prozent der Kosten eines Gebäudes während seiner Lebensdauer anfallen. Deshalb wollen wir mehr – mehr als nur bauen, bewirtschaften, abbrechen. Die Pensimo Gruppe hat den Vorteil eines grossen Portfolioschatzes, aus dem wir Bauteile ernten können. Künftig werden wir uns stark mit dem zirkularen Bauen beschäftigen sowie mit der Weiternutzung des Bestands. Nach dem Motto: Wie machen wir die energetisch hässlichen Entlein zukunftsfähig ?

Birgit Hattenkofer Die Architektin und Projektentwicklerin mit Executive Master in Betriebs­ wirtschaft arbeitet seit 2017 bei Pensimo Management und leitet den Bereich Development.

Jörg Lamster Der Architekt und Wirtschaftsingenieur ist Gründer von Durable Planung und Beratung sowie Partner bei Wüest Partner.

Christian Wenger Der Immobilienfachmann ist seit 2019 bei Pensimo Management tätig und koordiniert zwischen dieser und der Regimo-Gruppe, die für die Bewirtschaftung der Portfolios zuständig ist.

« Die Ästhetik wird sich verändern. Daran muss man sich erst gewöhnen. » Birgit Hattenkofer

Für das Areal Zwhatt in Regensdorf, das Pensimo Management entwickelt, haben Sie sich Klimaverträglichkeit zum Ziel gesetzt. Wie gelingt es, diese in der Gesamtplanung und in den einzelnen Projekten wieder und wieder einzulösen ? Birgit Hattenkofer: Die Verfahren sind zentral. Um langfristig besondere Orte zu schaffen, bedarf es besonderer Herangehensweisen. Mit dem Charrette-Verfahren, das wir mit Michael Hauser entwickelt haben, wollten wir offener, interdisziplinärer und internationaler agieren und uns permanent mit den Teams austauschen siehe Hochparterre Wettbewerbe 4 / 18. So konnten wir die Grenzen des rechtsgültigen Gestaltungsplans ausloten, den der Vorbesitzer in Auftrag gegeben hatte. Auch der Suffizienzpitch ist unsere Erfindung: Wir gaben einen Benchmark pro Quadratmeter vor, den Perimeter und die Baumasse, aber weder Wohnungsmix noch -grössen. Dafür erhielten die Teams eine funktionale Beschreibung: ein bis zwei Bewohner, die da­ rin arbeiten, wohnen, Gäste empfangen oder Körperpflege betreiben. Die Teams mussten ein Projekt mit diesen Kenngrössen zu einem fixen Preis eingeben. Im Unterschied zu einem Gesamtleistungswettbewerb ging es dabei aber ebenso um Kreativität und Suffizienz. Zudem ist Zwhatt ein gemeinsames Pilotprojekt des Bundesamts für Umwelt, des Kantons Zürich und der Gemeinde Regensdorf, um durch klimaangepasste Aussenräume und Gebäude weniger Hitze auf dem Areal zu erzeugen. Wie verändert sich die Architektur unter den neuen Bedingungen ? Birgit Hattenkofer: Die Ästhetik wird sich verändern, zum Beispiel durch Photovoltaik an der Fassade. Daran muss man sich erst gewöhnen. Wir fordern auf allen Ebenen Qualität und Innovation, aber die Architektur darf nicht modisch wirken. Sie soll eigenständig sein und unterschiedlichste Menschen lange ansprechen. Das macht die Planung herausfordernd. Wie wirken sich diese zusätzlichen Bedingungen auf die Zusammenarbeit mit den Architektinnen aus ? Christian Wenger: Um Gebäude und Haustechnik zu vernetzen, ist zum Beispiel eine enge Kooperation im Planungsteam nötig. Das fordert alle Beteiligten, auch die Architekten. Jörg Lamster: Begleitend zu einem Studienauftrag haben wir im vergangenen Jahr Workshops zu Themen wie Lehmbau oder Regenwassernutzung durchgeführt. Die grösste Mühe damit hatte nicht die Bauherrschaft, sondern die Architekturteams, die wir im Studienauftrag gecoacht hatten. Sie waren frei, mit Lehm oder Stroh etwas Experimentelles zu planen, aber es war nicht leicht, sie auf diese neuen Wege zu leiten.

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Drei Fallbeispiele im Raum Zürich 1 Balsberg, Kloten 2 Anton-Higi-Strasse, Zürich 3 Tüfwis, Winkel Bezirk Bülach Bezirk Dielsdorf Stadt Zürich

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Fallbeispiel 1

Leichter gesagt als getan Am Balsberg in Kloten besitzt Turidomus einen stattlichen Bestand, der in vielem dem gebauten Durchschnitt entspricht – auch in der Frage, wie die fossile Wärmeversorgung erneuert werden könnte. Text: Hubertus Adam

In welchem Ausmass die Stadt Kloten mit dem 1948 in Betrieb genommenen Flughafen Zürich verbunden ist, zeigt ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung: Zählte das einstige Dorf 1950 knapp 3500 Einwohnerinnen, wurde die 10 000er-Marke 1961 überschritten, und bis heute hat sich diese Zahl noch einmal mehr als verdoppelt. Die Abhängigkeit führt dazu, dass die Stadt leidet, wenn es dem Flughafen schlecht geht – etwa infolge des Swissair-Groundings 2001 oder in den letzten zwei Jahren angesichts der Pandemie und der Reisebeschränkungen. Auch weitere Spezifika sind für eine Agglomerationsgemeinde untypisch und stehen in Zusammenhang mit dem Flughafen: Die Zahl der Arbeitsplätze ist in Kloten deutlich höher als die der Wohnbevölkerung. Einzelhaushalte sind weitverbreitet, und die vielen nur temporär vor Ort tätigen Arbeitskräfte führen zu einer überdurchschnittlichen Fluktuation. Statistisch gesehen tauscht sich die Hälfte der Klotener Bevölkerung innerhalb von fünf Jahren aus.

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Die Bebauung des Hügels Eine ganz konkrete Verbindung zum Flughafen hat die Siedlung auf dem Balsberg, einem auffälligen Moränenhügel im südlichen Teil der Gemeinde. Lange Zeit landwirtschaftlich genutzt – ein alter Bauernhof auf der Kuppe zeugt noch heute davon –, wurde das Gebiet interessant, als die Swissair Mitte der 1960er-Jahre am südwestlichen Hügelfuss ein riesiges Verwaltungsgebäude errichtete. Nach dem Grounding gelangte der Komplex 2005 an die Immobiliengesellschaft Priora, die ihn bis 2021 um drei Geschosse aufstocken liess und mit heute rund 100 000 Quadratmetern Geschossfläche als grösstes Büro­haus der Schweiz vermarktet. Zeitgleich mit dem Bau des Swissair-Hauptsitzes begann die Bebauung des Hügels mit Wohnhäusern. Diverse Parzellen wurden an verschiedene Eigentümer verkauft, der grösste Teil an die Pensionskasse der Swissair. Diese realisierte 1966 an der Hardackerstrasse direkt →

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Hardackerstrasse

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Balsbergweg 4 – 22 Themenheft von Hochparterre, April 2022 — Baustelle Klimaschutz — Leichter gesagt als getan

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Am Balsberg 32

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→ oberhalb des Verwaltungsgebäudes eine Siedlung mit 19 Mehr­familien­häusern in fünf Reihen. Sieben Jahre später folgte eine Gruppe von fünf Doppelmehrfamilienhäusern am Balsbergweg, und zwischen 1976 und 1986 kamen sechs Blöcke oben auf dem Hügel dazu. 2003 wurde das Immobilienportfolio der diversen Swissair-Pensionskassen – mit insgesamt 400 Wohnungen allein auf dem Balsberg – in die Anlagestiftung Turidomus integriert. Seither wird es von Pensimo Management geführt. Durchschnitt mit Sonderfragen In gewisser Weise ist die Bebauung am Balsberg typisch für den Immobilienbestand der Zürcher Agglomeration: durchschnittliche Architektur, weitestgehend aus der Hochkonjunkturphase der 1960er- und 1970er-Jahre, in die Jahre gekommen und in ganz unterschiedlichem Sanierungsstand. Die ältesten Gebäude an der Hard­acker­ strasse wurden 1993 erstmals aussen und 2008 auch innen saniert. Mittelfristig ist von einer neuerlichen Aussensanierung auszugehen, weil die mit Faserzementplatten verkleidete Fassade nach heutigen Massstäben kaum gedämmt ist und einem Gebäudeenergieausweis der Kantone ( GEAK ) der Kategorie E entspricht. Am Balsbergweg erfolgte 2005 eine Totalsanierung der Häuser, die bezüglich Energie­effi­zienz bereits heutigen Ansprüchen entsprach ( GEAK C ). Vier der Wohnblöcke auf dem Hügel von 1980 wurden bis 2016 umfassend saniert und farblich umgestaltet ( GEAK B ). Nur die beiden jüngsten Gebäude am Balsberg von 1986 sind noch im Originalzustand. « Für grosse institutionelle Anleger ist ein so durchmischter Gebäudebestand nicht ungewöhnlich », sagt die bei Pensimo Management für die Region zuständige Portfolio-

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managerin F ­ iona Scherkamp. Die Besonderheit für Turidomus liegt in der Häufung eigener Liegenschaften rund um den Flughafen Zürich. Die Liegenschaften wurden von Anfang an über ein Fern­wärme­verbund­netz von der Heizzentrale des benachbarten Bürokomplexes versorgt. Statt – wie es mehrfach geplant wurde und sinnvoll wäre – Abwärme oder Abfall des Flughafens zu nutzen, wird die Anlage seit Jahrzehnten durchgehend mit fossilen Brennstoffen betrieben – im Zeitalter von CO -Absenkpfaden ein zunehmendes Prob² lem. Daher hat Pensimo verschiedene Szenarien mit alternativen Wärmeversorgungen evaluieren lassen. Gasheizungen in den einzelnen Häusern würden zwar die Abhängigkeit vom Nachbarn beenden, aber lediglich eine fossile Energiequelle durch eine andere ersetzen. Erdwärmesonden und Grundwasserwärmenutzung sind aus geologischen Gründen schwierig und zudem nicht auf dem ganzen Perimeter erlaubt. Als sinnvollste Variante gelten zurzeit Aussenluftwärmepumpen, die sich auf dem Dach installieren liessen ; durch bauliche Massnahmen könnte, wo nötig, auch deren Lärmproblem entschärft werden. Nur: Für deren Betrieb reicht die aktuelle Stromversorgung des Quartiers nicht aus. Grosse Herausforderungen « Natürlich drängt die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen, gerade auch durch das 2021 beschlossene Energiegesetz im Kanton Zürich », sagt Marc Osterwalder, Leiter des Bereichs Lebensraum der Stadt Kloten. Der Geschäftsleiter der Industriellen Betriebe Kloten, Beat Gassmann, gibt zu bedenken, dass die Anpassung und der nötige Ausbau der Energieversorgungsnetze für die Ge-

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Mehrfamilienhäuser der Turidomus am Balsberg in Kloten. Quelle: Bundesamt für Landestopografie Swisstopo

meinden grosse Herausforderungen seien. Die jahr­zehnte­ alten Leitungen sind nicht auf den heutigen Bedarf ausgelegt, zu dem neben neuen Energieversorgungssystemen für Gebäude zunehmend auch Ladestationen für Elektromobilität gehören. « Für die Finanzierung neuer Leitungen sind die Eigentümer verantwortlich », meint Gassmann – was leichter gesagt ist als getan, wenn wie im Fall des Balsbergs eine Autobahn und eine Bahnlinie überbrückt werden müssten. « Die definitive Entscheidung ist noch nicht gefallen », sagt Fiona Scherkamp. Alle paar Jahre prüfe man das Thema der Energieversorgung vertieft, und man setze auch darauf, dass sich die technischen und politischen Rahmenbedingungen verbessern würden. « Solche Situationen, die Geduld erfordern, kommen in einem grossen Portfolio regelmässig vor. Wir haben mehr als genug zu sanieren und müssen unsere Ressourcen sinnvoll einteilen. Das bedeutet, dass wir die Prioritäten jedes Jahr kontrollieren und bei vielen Projekten leider abwarten müssen mit Massnahmen. » Wird der Bestand in diesem Sinn strategisch überprüft, stellt sich oft auch die Frage nach Abriss und Neubau. Doch der hohe finanzielle und energetische Aufwand lohnt sich gemäss Scherkamp nur bei stark veralteten Bauten, zum Beispiel, wenn die Nachfrage nach bestimmten Wohnungstypen fehlt oder wenn die Möglichkeit besteht, die Ausnützung deutlich zu erhöhen. Gerade diese Art der Verdichtung ist am Balsberg aber ausgeschlossen: Der private Gestaltungsplan von 1982 verhindert grundsätzliche Änderungen an der Bebauung. Aufgrund der komplizierten Eigentumsstruktur im Quartier wird er sich nur in Details revidieren lassen. Für Pensimo bleibt am Balsberg deshalb die energetische Erneuerung ihres Bestands ein vorrangiges Ziel.

1 Hardackerstrasse 17 – 37 und 18 – 32 Baujahr: 1966 Sanierungen: 1993 ( aussen ), 2008 ( innen ) Anzahl Wohnungen: 151 ( 1 ½ bis 4 ½ Zimmer ) Anzahl Parkplätze: 131 Marktwert: Fr. 62,42 Mio. Vermietbare Fläche: 9150 m² Energiebezugsfläche: 10 065 m² Heizung: Fernwärme ( fossil ) CO -Emissionen: ² 12,58 kg / m² Energiebezugsfläche GEAK: E 2 Balsbergweg 4 – 22 Baujahr: 1973 Sanierung: 2005 Anzahl Wohnungen: 71 ( 2 ½ bis 4 ½ Zimmer ) Anzahl Parkplätze: 73 Marktwert: Fr. 36,04 Mio. Vermietbare Fläche: 5426 m² Energiebezugsfläche: 5969 m² Heizung: Fernwärme ( fossil ) CO -Emissionen: ² 10,83 kg / m² Energiebezugsfläche GEAK: C 3 und 4 Am Balsberg 32 und 34 – 38 Baujahr: 1976 bis 1980 Sanierung: 2016 Anzahl Wohnungen: 133 ( 2 ½ bis 4 ½ Zimmer ) Anzahl Parkplätze: 153 Marktwert: Fr. 71,55 Mio. Vermietbare Fläche: 10 021 m² Energiebezugsfläche: 12 332 m² Heizung: Fernwärme ( fossil ) CO -Emissionen: ² 8,56 kg / m² Energie­ bezugsfläche GEAK: B / C 5 Am Balsberg 22 – 28 Baujahr: 1986, nicht saniert Anzahl Wohnungen: 45 ( 2 ½ bis 4 ½ Zimmer ) Anzahl Parkplätze: 58 Marktwert: Fr. 19,17 Mio. Vermietbare Fläche: 3783 m² Energiebezugsfläche: 5218 m² Heizung: Fernwärme ( fossil ) CO -Emissionen: ² 16,52 kg / m² Energie­ bezugsfläche GEAK: D

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Fallbeispiel 2

Alle Aspekte im Blick Erneuern oder ersetzen ? Im Fall von zwei unspektakulären Wohnhäusern in Zürich Nord prüfte Pensimo Management diese Frage genau und verglich verschiedene Varianten. Text: Barbara Wiskemann, Fotos: Thomas Kramer

Hinter dem Zürcher Käferberg liegt das Quartier Neu­-Affol­ tern. Seine Bebauung stammt mehrheitlich aus den 1950erJahren. Die meisten Häuser sind Zeilenbauten mit zwei bis drei Obergeschossen und viel grünem Abstand. Zwei Häuser an der Anton-Higi-Strasse – einer kleinen Stichstrasse, benannt nach dem Architekten Anton Higi, der von 1938 bis 1946 im Stadtrat sass – gehören der Anlagestiftung Turidomus. Sie wurden 1953 erstellt, haben je acht Wohnungen, das Dach ist nicht ausgebaut. Diese beiden Häuser prüfte Pensimo hinsichtlich CO -Ausstoss und Energiebilanz. ² Eine Studie der Firma Planzeit förderte auf der Parzelle nach geltender Bau- und Zonenordnung eine Ausnützungsreserve von 30 bis 50 Prozent zutage. Zusätzlich prüfte die Firma Durable, wie sich unterschiedliche Möglichkeiten der Erneuerung auf die Energiebilanz der nächsten dreissig Jahre auswirken würden: Abriss und Neubau, zehn Jahre Weiterbetrieb und danach Abriss und Neubau oder eine Gesamterneuerung. Für die Szenarien wurden der CO -Ausstoss und der Energieverbrauch ² im Betrieb und für die Erstellung einander gegenübergestellt. Dass man den Zeitfaktor sowie verschiedene Formen der Wärmeerzeugung miteinbezog, machte den

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Vergleich besonders aussagekräftig. Das Ergebnis: Bei Gesamterneuerung und Ersatzneubau ist der Verbrauch pro Quadratmeter und Jahr etwa gleich hoch. Projekte mit mehr Fläche nutzen die Parzelle aber effizienter und können auf dem angespannten Wohnungsmarkt von Zürich mehr Wohnraum anbieten. Aus all den Gründen entschied sich Pensimo, die Häuser abzureissen und neu zu bauen. Die grösste Ausnützung gewinnt Zur Projektierung führte Pensimo Management einen Studienauftrag durch. Wichtige Punkte im Programm waren das Netto-­Null-­Ziel im Betrieb, einfache und nachhaltige Kon­struk­ti­onen und knappe Wohnungsgrössen. Sechs Projekte wurden eingereicht, und der Vergleich ihrer Energiebilanzen macht deutlich, wie nah sie beieinanderliegen siehe Darstellungen Seiten 22 und 23. Das ausgewählte Projekt von Chebbi Thomet Bucher Architektinnen schneidet nicht einmal am besten ab. Architektonisch stellen weder dieses noch eins der anderen Projekte das Thema Klima sichtbar in den Mittelpunkt. Den Zuschlag erhielt der Vorschlag mit den tauglichsten Wohnungen und einer bereits auf diesem Projektstand hohen Ausnützung – der entscheidende →

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Situation Bestand

Situation Neubauprojekt N

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Eine der beiden Zeilen­bauten von 1953.

Das Grundstück weist eine Ausnützungsreserve von bis zu 50 Prozent auf.

Das Neubauprojekt von Chebbi Thomet Bucher Architektinnen.

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Optionen für den Neubau Ausführungsvariante tiefe Erstellungskosten tiefe Lebenszykluskosten tiefer CO -Ausstoss ² tiefe Primärenergie 94

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Erstellungskosten Die Ausführungsvariante ist die baulich teuerste.

→ Punkt bei der Frage, ob es sich bezüglich CO -Ausstoss ² lohnt, neu zu bauen. Und gute Wohnungen sind nachhaltig: Bleiben die Mieter lange im Haus, gewinnen Hausgemeinschaft und Vermieterin. Um städtebauliche Themen wie das Weiterdenken der Gartenstadt geht es im Jurybericht nicht, und auch die Anmutung des Gebäudes findet kaum Erwähnung. Wie bezieht sich der Neubau städtebaulich und architektonisch auf den Bestand, der verschwindet ? Modernisiert er die Form des abgetreppten 1970er-Jahre-Blocks oder schlägt er vollkommen neue Töne an ? Ist er volumetrisch ausufernd oder im Gegenteil diszipliniert ? Die Jury bewertete diejenigen Eingaben, die sich am offensichtlichsten um solche kontextuellen Fragen bemühten, unterschiedlich: Der expressive Vorschlag von Käferstein & Meister wolle zu viel und passe zu wenig. Der einfühlsame Entwurf von EMI Architekten erhält zwar Lob, doch für den Zuschlag reichte es nicht. Rechnen, vergleichen, lernen Beim Vorprojekt prüfte Pensimo alle Parameter, die den Neubau dem Netto-Null-Ziel am nächsten bringen würden. Projektleiter Patrick Wildberger wollte das Maximum an CO -Reduktion bezogen auf Mobilität, Erstellung und ² Betrieb herausholen – eine Herausforderung für alle Beteiligten. Materialien und Bauteile wurden mit Blick darauf verglichen, etwa Re­cy­cling­beton und Zement mit Recyclingzuschlägen unter Einbezug der statischen Belastbarkeit. Die Architektinnen lernten viel über die Feinheiten möglicher Kon­struk­tions­systeme, erzählt Karin Bucher, die das Projekt bei Chebbi Thomet Bucher leitet: zum Beispiel bei der Analyse des Vergleichs von Holzbau und Hybridbau, bei der Auswahl des Holzes – einheimisch oder nicht – oder bei der Berechnung der Querschnitte. Zusätzlich zu den für gewöhnlich verlangten Erstellungskosten hatte das Planungsteam zusammen mit Pensimo Management eine Gegenüberstellung verschiedener Projektvarianten auszuarbeiten, die weitere quantitativ messbare Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigten: Lebenszykluskosten, CO -Ausstoss, Primärenergie, Energiebedarf, ² Energiekosten und Marktwert. Von den Varianten, die je

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Lebenszykluskosten über 30 Jahre Die Ausführungsvariante zählt zu den drei teuersten.

einen dieser Aspekte favorisierten, war jene mit den tiefsten Erstellungskosten zwar 4 Prozent günstiger als die ausgewählte. Die wiederum stösst aber einen Viertel weniger CO aus. Bei der Primärenergie liegt der Verbrauch ² sogar um satte 70 Prozent tiefer als bei der kostengünstigsten Variante. Würde der Lebenszyklus über 45 Jahre betrachtet, ergäbe das in der Bilanz praktisch null. Der Paradigmenwechsel: Neben den Erstellungskosten müssen die Lebens­zyklus­kosten und die Energiekosten betrachtet werden – genauso wie beim Energieverbrauch nicht nur der Betrieb, sondern die Gesamtbilanz über die Gebrauchsdauer der Bauteile von dreissig Jahren und mehr entscheidend ist, Erstellung und Abbruch inklusive. Es sei wichtig, sagt Patrick Wildberger, die ganze Rechnerei als quantitative Grundlage für die qualitativen Entscheidungen zu verstehen. Diese lassen sich nicht allein tabellarisch abbilden, sondern fallen bei der Projektierung, in der Zusammenarbeit von Planungsteam, Bewirtschaftungs-, Construction- und Portfoliomanagement. Gebaut wird nun hybrid: Man entschied sich für einen Betonkern und Betondecken. Der Recyclinganteil der Zuschlagstoffe soll dabei möglichst hoch sein – ob bei der Tiefgaragenoder bei einer Geschossdecke –, und auch auf einen möglichst ökologischen Zement wird geachtet. Hinzu kommt eine Holzrahmenkonstruktion für die Fassade. Sie überzeugte in der Abwägung zahlreicher Aspekte, auch architektonischer und sozialer Art, obwohl ein Einsteinmauerwerk günstiger gewesen wäre. Ein reiner Holzbau und Holzdecken kamen dagegen nicht infrage: Aufgrund des Gebäudeschnitts wären die Decken zu massiv und die Raumhöhe zu niedrig geworden. Als lernende Organisation möchte Pensimo Management laufend neue Erkenntnisse gewinnen, nicht nur für sich selbst. Auch ein aufwendiger und offener Prozess lohnt sich, weil er im besten Fall dem ganzen Portfolio und dessen CO -Absenkpfad nützt. Das Fundament dafür bil² det der langfristige Anlagehorizont – wenn Liegenschaften nicht verkauft, sondern gehalten und über den gesamten Lebenszyklus optimal genutzt werden. Und künftig treten die Bauteile und Materialien danach womöglich in den nächsten Kreislauf ein.

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CO -Ausstoss ² Die Ausführungsvariante stösst 25 Prozent weniger CO ² aus als die baulich günstigste.

Die Südfassade des geplanten Neubaus.

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Primärenergie Die Ausführungsvariante ist um 70 Prozent sparsamer als die beiden baulich günstigsten.

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Energiekosten pro Jahr Die Ausführungsvariante ist die sparsamste.

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Ersatzneubau Anton-­ Higi-Strasse, 2024 Zürich Bauherrschaft, Eigen­ tümerin: Anlagestiftung Turidomus, Zürich Projektierung: Pensimo Management, Zürich Architektur: Chebbi Thomet Bucher, Zürich Auftragsart: Studienauftrag, 2020 Landschaftsarchitektur: Studio Vulkan, Zürich Anzahl Wohnungen: 24 Anzahl Parkplätze: 15 Konstruktion: Hybridbau mit Betonkern, Beton­ decken und Holzrahmen­ fassade Energiebezugsfläche: 2922,5 m² Heizungsart: Wärmeerzeugung und Raumtemperierung erfolgen durch Erdwärmesonden und Free­cooling. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 42,5 kWp vorgesehen. CO -Emission: ² voraussichtlich 0,6 kg / m² GEAK: voraussichtlich A ( Standard Minergie P ) Investitionskosten: Fr. 12,9 Mio. ( + / − 10 % ) Erdgeschoss mit sechs Wohnungen.

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Fallbeispiel 3

Ein Teil des Dorfs Die Siedlung Tüfwis in Winkel ist eine Collage aus Alt und Neu. Das ist nicht nur aus architektonischer Sicht eine Bereicherung. Text: Raya Badraun

Siedlung befand sich in der Quartiererhaltungszone, ein Einfamilienhaus in privatem Besitz und ein öffentlicher Kindergarten standen mitten auf dem Gelände, was die Veränderungsmöglichkeiten einschränkte. In zahlreichen Gesprächen mit der Gemeinde, der Schulgemeinde und den Nachbarn suchte der bei Pensimo Management damals verantwortliche Portfoliomanager Joris Van Wezemael nach Synergien. Nach und nach entdeckte er gemeinsames Potenzial siehe ‹ Besser planen und günstig bauen ›, Themenheft von Hochparterre, April 2016. Es stellte sich heraus, dass der Doppelkindergarten bald zu alt und zu klein sein würde und dass die Gemeinde künftig Alterspflegeplätze anbieten wollte. Zudem suchte die Kindertagesstätte von Winkel einen neuen Standort. Neubauten an dieser zentralen Lage im Dorf würden also viele Bedürfnisse erfüllen. Der Gemeinderat liess sich schliesslich überzeugen. Doch bei den Bewohnern war die bestehende Überbauung nach wie vor beliebt. Vor der Abstimmung zur Teilrevision Miteinander reden Es begann eine intensive Suche nach möglichen We- der Bau- und Zonenordnung im Herbst 2015, die die Vergen, um den Standort durch Neubauten nicht nur zu ver- dichtung ermöglichen sollte, war die Stimmung in Winkel ändern, sondern zu verbessern. Die Ausgangslage für die deshalb wenig wohlwollend. Es gab Gerüchte. « Und GerüchInnenentwicklung war vertrackt. Die einstige Swissair- te », sagt Monique Rijks, « sind der Tod jedes Projekts. » →

Es war eine Siedlung wie viele andere im Land: Anfang der 1970er-Jahre erstellte die Swissair in Winkel im Kanton Zürich die Überbauung Tüfwis als hochwertigen Wohnraum für ihr Personal. 2002 übernahm die Anlagestiftung Turidomus die Liegenschaft ( zusammen mit sämtlichen Immobilien aus dem Bestand der Swissair siehe Seite 16 ). Mit der Zeit war eine Totalsanierung überfällig. Die kleinen Gebäude waren in die Jahre gekommen und verbrauchten mit ihren fast ungedämmten Fassaden und Dächern viel Energie zum Heizen: pro Jahr mehr als 160 000 Liter Heizöl, was einen CO -Ausstoss von 42,55 Kilogramm pro ² Qua­drat­meter Energiebezugsfläche verursachte. Der Freiraum war verwildert und zerstückelt. Pensimo Management, verantwortlich für das Portfolio, entschied sich für einen Teilabbruch und eine neue und dichtere Ergänzungsbebauung.

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Unte trasse Hungerbüels Lochwisbach Nr. 3.0

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Tüfwiss

Situationsplan Bestand 1:500 Ersatzneubau Wohnüberbauung Tüfwis Winkel Zita Cotti Architekten AG ETH/SIA Limmatstrasse 285, 8005 Zürich

trasse

Situationsplan 1:500

Situation Siedlung Tüfwis zwischen 1974 und 2019.

Ersatzneubau Wohnüberbauung Tüfwis Winkel 0 Zita Cotti Architekten AG10 ETH/SIA Limmatstrasse 285, 8005 Zürich

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Situation nach Sanierung und Neubau.

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Sanierter Altbau mit 41 Wohnungen 2 Neubau mit 38 Wohnungen 3 Neubau mit 36 Wohnungen und einer grossen Pflegewohnung für 16 Menschen im Erdgeschoss 4 Neubau mit 18 Wohnungen 1

Regelgeschoss mit dem Altbau links und den vier Neubauten.

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5 Neubau mit 20 Wohnungen und einer Kita im Erdgeschoss 6 Kindergarten für 3 Gruppen und Hort der Schulgemeinde Winkel 7 grüner Hof 8 Spielstrasse Spichergasse

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Die Siedlung vor der Sanierung.

→ Pensimo reagierte, indem sie Rijks und Andrea Schafroth vom Kommunikationsbüro S2R engagierte. Die beiden bauten ein Netz aus Multiplikatorinnen auf – Menschen, die direkt betroffen waren oder eine wichtige Rolle im Dorf spielten. Sie konnten Rijks und Schafroth über das geplante Projekt berichten und ihre Wünsche und Ängste äussern. « Heute kann man nicht mehr einfach in den Lebensraum von Menschen eingreifen », sagt Rijks. « Bei anstehenden Veränderungen muss man demütig sein, res­p ekt­voll vorgehen und die Leute mitnehmen. » Rijks und Schafroth richteten sich in einer der Wohnungen einen Platz zum zeitweisen Arbeiten ein und informierten die Bewohnerinnen und die Menschen im Dorf regelmässig. Schliesslich nahm die Gemeinde die Änderung der Bauund Zonenordnung an, und im weiteren Projektverlauf gab es keine Einsprachen. Der enge Austausch mit der Bevölkerung war eines der nötigen Puzzleteile gewesen. Wichtiger Erhalt Die neuen Sonderbauvorschriften und ein privater Gestaltungsplan ermöglichten eine teilweise neue Bebauung und beinahe eine Verdoppelung des Volumens: Aus 80 Wohnungen wurden 153. Um diesen planerischen Mehrwert auszugleichen, finanzierte die Anlagestiftung Turidomus einen Neubau mit einem grösseren Kindergarten und Hort. Nach einem Landtausch kam dieser auf einem doppelt so gros­sen Grundstück am Rand der Überbauung zu stehen siehe Hochparterre 9 / 16. « Dank der Zusammenarbeit konnten wir beidseits Problemstellungen klären und lösen », sagt ­André Sacchet, Leiter Bau und Planung der Gemeinde Winkel. « Es war eine Win-win-Situation. » Bestandteil der Sonderbauvorschriften in der Quartiererhaltungszone war der Erhalt des grossen Mehrfamilienhauses im Westen der Siedlung. « Emotional war das wichtig für die Bewohner », sagt Monique Rijks. « Reisst man alles ab, nimmt man den Menschen die Erinnerungen. » Die Sanierung erfolgte in bewohntem Zustand, sodass die Hälfte aller Bewohnerinnen des Quartiers in ihren Wohnungen bleiben konnte. Gemeinde und Pensimo erreichten durch den Erhalt des Hauses auch ein zweites Ziel: den Erhalt von günstigem Wohnraum. « Wir haben die Kosten für die Sanierung zwar zum Teil auf die Mieten überwälzt, die Aufschläge pro Wohnung aber auf ein tragbares Mass beschränkt », fasst die heutige Port­f olio­ managerin Fiona Scherkamp zusammen.

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Bei der Sanierung wurde die ganze Gebäudehülle neu gedämmt. Damit erreichte man zwar nicht die Dämmwerte der Minergie-zertifizierten Neubauten, unterschreitet die Grenzwerte gemäss SIA 380 / 1 aber dennoch deutlich. Der architektonische Ausdruck der Fassade mit den charakteristischen Balkonen wurde bewahrt. Die Erhaltung des grössten Gebäudes sparte zudem viel graue Energie ein. Neu heizt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe den sanierten Altbau, ergänzt um eine Gasheizung für die Bedarfsspitzen. Bei den Neubauten kommen Sole-Wasser-Wärmepumpen zum Einsatz. Photo­voltaikanlagen auf den Dächern versorgen alle fünf Bauten mit Strom. « So können wir die Siedlung beinahe CO -neutral betreiben », sagt Scherkamp. ² Identität und Kontinuität Erhalt und Ersatz liessen sich bei der Siedlung Tüfwis gut kombinieren – technisch, wirtschaftlich und ortsbaulich. Mit bis zu sechs Stockwerken hatte das grosse Mehrfamilienhaus bereits eine stattliche Höhe auf dem Areal eta­bliert, was die Verdichtung vereinfachte. Seine Bausubstanz war recht hochwertig und original. « Wir waren zum Glück die Ersten, die saniert haben », sagt Architektin Zita Cotti. Auch städtebaulich und architektonisch überzeugte das Gebäude schon vor dem Eingriff: Nach aussen wirkt es raumbildend, im Innern sind die Grundrisse kompakt und gut geschnitten. Deshalb bildete der Altbau den Ausgangspunkt für Zita Cottis Entwurf, der 2016 den Studienauftrag gewann. Die Neubauten übernehmen die strukturelle Prägnanz der bestehenden Fassaden und führen mit der zweischaligen Klinkerfassade die Farbenwelt aus Braun und Beige fort. Sie sind deutlich voluminöser geworden. Gemeinsam umfassen sie wieder einen Grünraum – Garten, Treffpunkt und Spielplatz in einem. « Bauen mit dem Bestand schafft eine stärkere Identität und ermöglicht Kontinuität », bilanziert Cotti. « Trotz der Neubauten: Es ist immer noch die Siedlung Tüfwis. » Durch den Austausch mit der Bevölkerung wurde die Erneuerung zu einem beachteten Projekt in Winkel. « Der Aufwand für die Kommunikation lohnt sich », sagt Monique Rijks. « Wenn Menschen aus dem Dorf in die Siedlung ziehen und ein Kindergarten und eine Kita dazugehören, dann ist sie Teil des Dorfs und kein Fremdkörper. » Davon profitierte auch die Investorin Turidomus: Die Wohnungen wurden in zwei Etappen Anfang und Mitte 2021 fertiggestellt und waren wenige Wochen später voll vermietet.

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Die markanten Neubauten mit Klinkerfassade der Siedlung Tüfwis.

Eine der sanierten Wohnungen.

Sorgfältig materialisiertes Treppenhaus.

Aus den Neubauten blickt man teils idyllisch ins Grüne.

Themenheft von Hochparterre, April 2022 — Baustelle Klimaschutz — Ein Teil des Dorfs

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Neubauten und Sanierung Siedlung Tüfwis, 2019 – 2021 Winkel ZH Eigentümerin: Anlage­ stiftung Turidomus, Zürich Baujahr Bestand: 1974 Entwicklung: Pensimo Management, Zürich Totalunternehmung: HRS Real Estate, Frauenfeld Architektur: Zita Cotti, Zürich Auftragsart: Studien­ auftrag, 2016 Landschaftsarchitektur: Koepflipartner, Luzern Investitionsvolumen: Fr. 62,4 Mio., davon Sanie­ rung Fr. 7,8 Mio. Hinzu kommt der Marktwert des Bestands. In die Gesamt­ kosten ist ein Beitrag von Fr. 4,8 Mio. für den Neubau des Kindergartens an die Schulgemeinde Winkel eingerechnet. Anzahl Wohnungen: 153 ( 41 saniert, 112 neu ) Weitere Flächen: Pflege­ wohnung mit 16 Plätzen ; Kita mit 3 Gruppen ; Grünraum Anzahl Parkplätze: 176 in Einstellhallen, davon bislang 60 mit ElektroLadestation Wärme- und Energieversorgung: Neubauten mit Sole-Wasser-Wärmepumpen mit Erdsonden, Sanierung mit LuftWasser-Wärmepumpe mit Gas für Abdeckung der Bedarfsspitzen, überall Photo­voltaikanlagen, Komfortlüftung Energiebezugsfläche: früher 7721 m², neu 18 395 m² CO -Emissionen: früher ² 42,55 kg / m² Energie­ bezugsfläche, neu voraus­ sichtlich nahezu null GEAK: früher F, E, neu voraussichtlich A, B ( Minergie-­Zertifikat )

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Vom Zustand des Bestands « Gehe von deinen Beständen aus, nicht von deinen Parolen. » Das Zitat von Gottfried Benn mag im Immobilienkontext weit hergeholt wirken, trifft aber zu. Denn Pensimo Management muss die Substanz und den Zustand ihrer Portfolios genau kennen, um sie auf Klimakurs zu bringen. Die Grafiken geben Aufschluss über den aktuellen Zustand und die Strategie der 528 Liegenschaften der Pensimo-Portfolios in der Schweiz ( Stand Ende 2020 ). Infografiken: Hahn + Zimmermann

Zürcher Unterland

Untersee

Basel-Stadt

Weinland Thurtal Oberthurgau

BruggZurzach

Winterthur

Glattal-Furttal

St. Gallen

Fricktal Wil Unteres Baselbiet

Baden

Oberes Baselbiet Zürich

Rheintal

Olten Laufental

Aarau

Mutschellen Zürcher Oberland

Limmattal

Solothurn

Linthgebiet Biel

Oberaargau

Werdenberg

Freiamt

Knonaueramt

Zimmerberg

Erlach-Seeland Bern

Pfannenstiel

March-Höfe

Zug Luzern

Murten

Glarner Unterland Chur

Yverdon La Sarine

Sarneraatal

Sense Lausanne

Uri

Thun La Gruyère

Nyon

Morges Oberengadin Vevey

Genf Bellinzona

Visp

Lugano

Mendrisio

Eine Frage der Lage Die Liegenschaften der Pensimo-Portfolios sind in der ganzen Schweiz verteilt, die grosse Mehrheit steht in städtischen Zen­ tren und Agglomerationen. Der Immobilien­ bewerter Wüest Partner berücksichtigt in seiner Einstufung der Makro- und Mikro­ lage Aspekte wie das wirtschaftliche Um-

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feld und die Erreichbarkeit und beurteilt ihre Lagequalität fast immer als überdurchschnittlich bis sehr gut. Dieser Faktor ist zum Beispiel für den Klimaschutz wichtig: Zen­tral gelegene Gebäude sind sehr gut mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar und öfter mit Fernwärme erschlossen.

Qualitätskoeffizient ( Lage- und Objektqualität gewichtet ) Quelle: Wüest Partner, Stand Ende 2020 ≥ 4,5 4,0 3,5 3,0 ≤ 2,5

sehr gut gut überdurchschnittlich durchschnittlich unterdurchschnittlich

Vermietbare Fläche in m² pro MS-Region 100 000

10 000 1000

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Sortierung nach Baujahr

ältere Objekte

neuere Objekte

1950er-Jahre 48 Objekte vor 1950 74 Objekte

1960er-Jahre 109 Objekte

1980er-Jahre 65 Objekte 1970er-Jahre 75 Objekte

ab 2000 70 Objekte 1990er-Jahre 63 Objekte

Baujahre und Sanierungszyklen Werden die Liegenschaften nach dem Jahrzehnt ihrer Erstellung sortiert, zeigt sich eine für die ganze Schweiz typische Konzentration bei den Bauten der 1960erbis 1990er-Jahre. Seit 2000 entstanden weniger, dafür grössere Über­bauungen.

Die Sanierungszyklen sind klar ablesbar: Pensimo Management hat bereits viele ältere Gebäude renoviert oder verdichtet ersetzt. In den nächsten 10 Jahren kommen grosse Gruppen aus den 1980er- und 1990er-Jahren an die Reihe – inklusive Heizungsersatz.

Sanierungsbedarf Dringend: in weniger als 3 Jahren Demnächst: in 4 bis 10 Jahren Mittelfristig: in 10 bis 20 Jahren Langfristig: in mehr als 20 Jahren

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Vermietbare Fläche in m² pro Liegenschaft 30 000 10 000 1000

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Wärmepumpen / Pellets Energiebezugsfläche ( EBF ) total: 36 065 m2 Ø CO2 pro m2: 4,86 kg

Fernwärme EBF total: 433 853 m2 Ø CO2 pro m2: 9,86 kg

Erdgas EBF total: 675 075 m2 Ø CO2 pro m2: 21,38 kg

Erdöl EBF total: 387 985 m2 Ø CO2 pro m2: 34,31 kg

Brennstoffe und CO2-Ausstoss Der grösste Teil der Liegenschaften wird – schweizweit typisch – noch mit den fossilen Brennstoffen Erdöl oder Erdgas beheizt. Die Grafik zeigt deutlich, dass diese Heizungstypen besonders viel CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche

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ausstossen und dadurch tiefrot erscheinen. Da sich Fernwärme auf verschiedene Arten erzeugen lässt, ist sie nicht in jedem Fall eine klimafreundliche Lösung. In den nächsten Jahren muss der Anteil an Heizungssystemen mit Wärmepumpen oder CO2-neutralen Holzpellets stark steigen.

Energiebezugsfläche ( EBF ) in m² pro Liegenschaft 20 000 10 000 CO2-Emissionen ( kg / m² EBF ) 0

20

40

60

82

1000

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CO2-Emissionen ( kg / m² EBF ) 90

80

70

60

50

40

30

20

10

0 Dringend < 3 Jahre

Demnächst 4 – 10 Jahre

Heizungstyp, CO2-Ausstoss und Sanierungsfahrplan Die Säulengrafik verschmilzt die Daten zu Heizungstypen und Sanierungsfahrplan, da bei einer Totalsanierung meist auch die Heizung ersetzt wird. Es zeigt sich, dass nur etwa die Hälfte der Liegenschaften mit

fossilen Heizungen in den nächsten 10 Jahren saniert werden soll. Viele wären erst in 10 bis 20 Jahren wieder an der Reihe. Deshalb steht bei vielen Gebäuden voraussichtlich ein vorgezogener Ersatz der Heizung bevor: eine aufwendige und teure Aufgabe.

Mittelfristig 10 – 20 Jahre

Langfristig > 20 Jahre

Heizungstyp Wärmepumpen / Pellets Fernwärme Erdgas Erdöl

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Vermietbare Fläche in m² pro Liegenschaft 30 000 10 000 1000

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Baustelle Klimaschutz Fast zwei Drittel der Immobilien mit Wohnnutzung in der Schweiz werden nach wie vor mit Erdöl oder Erdgas beheizt. Diesen Gebäudebestand auf Netto-Null-Kurs zu bringen, verlangt Knochenarbeit. Bei aller Ähnlichkeit von Bau­ typen und Bau­epochen führt kein Weg daran vorbei, die Möglichkeiten für jedes Haus oder zumindest für jede Überbauung einzeln zu untersuchen und abzuwägen. Viele institutionelle Anlegerinnen stecken in diesen komplexen Abklärungen. Als eine von ihnen gewährt Pensimo in diesem Themenheft Einblick in ihre Analysen, Strategien und Projekte. Damit liefert sie Ver­ gleiche und Anhaltspunkte, wie der Gebäudebestand saniert und erneuert werden kann. www.pensimo.ch

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Hochparterre X / 18 — Titel Artikel


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