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Thomas Schneider für Hall of Fame vorgeschlagen
INTERVIEW MIT THOMAS SCHNEIDER
von Helena Stanek
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Weltweit gibt es ‚nur‘ neun Personen, die in die offizielle Taekwondo Hall of Fame „Outstanding instructors“ aufgenommen wurden. Thomas Schneider ist einer davon. Die Ehrung wird am 19. August 2022 in New Jersey in Amerika sein. Thomas Schneider ist für die Hall of Fame vorgeschlagen worden, weil er in der NWTU über 1.000 Trainer ausgebildet und im Verein über 160 Kukkiwon-DAN-Träger geprüft hat. Er wurde von Gerard Robbins (Gründer der Hall of Fame) angeschrieben, dass er diese Ehrung erhalten soll. Ebenso wird Chan Ok Choi für seine Verdienste im Wettkampf geehrt. Thomas Schneider wird für seine Trainer- und Ausbildungsdienste geehrt. Wir haben mit Thomas Schneider gesprochen.
Berichte uns doch in wenigen Sätzen von deiner Leidenschaft für den Kampfsport. Wie bist du zum Kampfsport gekommen und was waren besonders prägende Momente?
1973 habe ich in der Schule ein Plakat gesehen und meine Handballkameraden erzählten mir damals, dass sie auch Taekwondo machen. 1973 war Taekwondo noch ein fremdartiger Begriff. Es kursierten Karate und Judo. Ein Freund von mir hatte dann das Plakat vom Taekwondo aufgehangen. Auf dem Plakat war Meister Kwon Jae-hwa zu sehen. Und 1975 war dann bei uns die erste Deutsche Formen Meisterschaft des Deutschen Judo Bundes. Ehrengast war hier Meister Kwon und ich durfte bei einer Vorführung als GelbGürtelträger mitmachen. Die hohen Tritttechniken von Meister Kwon und das Auftreten, seine Persönlichkeit hat mich sehr fasziniert. Ebenso die Härte und die Disziplin. Das wollte ich auch. damals auch Henk Meijr und viele weitere Kämpfer mit Rang und Namen – auch aus anderen Sportarten wie etwa Kickboxen, Karate oder Kung-Fu. Wir wollten zeigen, dass es im Taekwondo tolle Beintechniken gibt. Damals gab es ja noch nicht so viele Turniere und darum kämpfte man stets in vielen verschiedenen Richtungen, also im Safety-Kampf, Westenkampf, Formen und Bruchtest. Da ist man manchmal mit einem blauen Auge eine Form gelaufen.
Der Titel hat mir sehr viele internationale Kontakte gebracht, die auch weiterhin meine Freunde sind. Und er hat mich motiviert, mehr und besser zu trainieren. Und ich habe mich dann auch dazu verpflichtet gefühlt, öfter und regelmäßiger internationale Turniere zu besuchen. Als dann Taekwondo 1988 olympisch wurde, habe ich mich dann nur noch auf den Westenkampf mit meinem Verein konzentriert.
Wann war dein Karriereende?
1991 habe ich den Trainer A-Schein gemacht und ich musste mich auch persönlich neu orientieren. Die Aufgaben im Sport wurden immer mehr. Aber ich hatte auch zwei schwere Verletzungen, wegen denen ich auf der Arbeit eine Abmahnung bekam. Mein Chef konnte die vielen Fehltage nicht mehr akzeptieren. Im Alter von 34 Jahren habe ich gesagt, dass ich mich eher auf die Trainerarbeit beziehungsweise Landes- und Bundeskampf richtertätigkeit konzentrieren möchte.
Der Vize-WM-Titel war sportlich gesehen sicher dein Highlight als aktiver Kämpfer. Was macht diesen Titel so besonders für dich?
Meine Wettkampfkarriere begann ich nach meinem Vorbild Kwon Jae-hwa, natürlich ohne Kontakt. Über dem Mitbegründer der DTU und NWTU, Walter Löh, lernte ich aber auch den Westenkampf kennen. Ich wurde Referent für Leichtkontakt in der NWTU und habe dadurch auch im Kader mitgekämpft und meine Westenerfahrungen verbessert. In England war schließlich die erste offene Weltmeisterschaft, wo wir als NWTU-Team gestartet sind und sensationell VizeWeltmeister im Safety-Kampf wurden. Am Start waren
Du pflegst weiterhin über die Sozialen Medien Kontakt zu alten Weggefährten in der Taekwondo-Welt. Gibt es Personen, die du auch nach langer Zeit abseits der akti-
ven Wettkampffläche als deine Freunde bezeichnest? Welche Kontakte sind für dich immer noch sehr freundschaftlich?
Ich komme eigentlich in meinem Bundesland NordrheinWestfalen mit allen gut aus. Ich betreue ja seit vielen Jahren unzählige Trainer und habe ihnen auch schon häufig die Trainerlizenz verlängert. Viele waren bei mir im Verein zu Gast oder ich war mit ihnen in Europa unterwegs. Wir halten Kontakt über die sozialen Medien, aber auch auf Turnieren sieht man sich oder man telefoniert auch mal. Mein Trainer, Kim woo Kang, ist jetzt 83 Jahre alt und ich lade ihn auch immer gerne zu mir ein. Viele haben bei ihm gelernt und ich pflege gerne den Kontakt zu ihm.
Als Bildungsreferent der NWTU betreust du neben deiner Trainertätigkeit ebenfalls ein wichtiges Ehrenamt. Welchen Stellenwert hat die Weiterbildung von Trainern im Taekwondo für dich?
Weiterbildung hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Aber wir bilden mittlerweile viel mehr Trainer aus als früher und daher haben wir auch viel mehr Wissende. Das Problem ist, dass mir oft eher die Ausbilder für die Trainer fehlen. Gallionsfiguren wie etwa Dr. Dirk Jung, der selbst erfolgreicher Wettkämpfer war und das nötige Knowhow über Medizin hat, der konnte das Wissen in unserer Sportart natürlich ganz anders rüberbringen. Das war für mich immer beeindruckend.
Euer Verein ist vielfältig aufgestellt. Was sind die wichtigsten Bereiche/Säulen eures Vereins?
Ich finde alle drei Säulen wichtig: das ist der Zweikampf, der Formenbereich und die Selbstverteidigung. Kickboxen habe ich etwas aus unserem Programm herausgenommen, da die Mitbewerber bei uns in der Gegend sehr stark vertreten sind. Im Zweikampf sind wir zwar im Training aktiv, aber auf Turniere fahren wir nur sehr wenig. Häufig möchten auch die Eltern nicht, dass jedes Wochenende mit Turnieren oder Lehrgängen verplant ist. Außerdem ist das auch häufig eine Kostensache. Zweikampf ist mittlerweile sehr teuer geworden. Und das muss man auch respektieren. Ich organisiere lieber bei uns im Verein schnell und unkompliziert Mittwochabend ein Turnier und da sind dann auch alle begeistert und zufrieden mit. Eine kleine Wettkampfgruppe haben wir gerade wieder aufgebaut – einer daraus ist im Landeskader. Bei denen wissen wir genau, dass sie das wollen und dahinterstehen.
In den Sommerferien habt ihr gemeinsam mit dem Jugendamt der Stadt Viersen ein Kinderferienspaß organisiert. Wie wurde die Aktion angenommen und wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Der Landessportbund hatte eine Aktion mit dem Namen „ExtraZeit“ angeboten. Extrazeit deshalb, weil die Kinder durch Corona häufig weniger Sport in der Schule hatten
Ko Eui Min und Thomas Schneider
und dann konnten die Vereine ein Angebot für diese Kinder machen, damit sie den Sport nacharbeiten können. Da ich auch den Schulsport und eine AG betreue, habe ich eine Sommerschule organisiert. An zwölf Tagen habe ich, gemeinsam mit meinen Trainern, ein Training angeboten. Es gab Verpflegung für die Kinder und ich habe einige Referenten eingeladen. Das war insgesamt eine schöne Sache, die finanziell durch den Landessportbund stark gefördert wurde. Ich war 35 Jahre in der Sportjugend tätig und daher wusste ich, wie wir eine Förderung erreichen können.
Welche Aktionen plant ihr für das Jahr 2022?
Ky-Tu Dang war 1992 erstmals in Deutschland auf einem Lehrgang hier bei uns in Viersen. Damals hatten wir ihn als Ehrenmitglied aufgenommen. Das heißt, er ist 2022 seit dreißig Jahren Ehrenmitglied und deshalb machen wir Pfingsten 2022 noch mal einen Exklusivlehrgang mit ihm. Exklusiv deshalb, weil es auf 50 DAN-Träger beschränkt sein wird, damit jeder der Teilnehmer von seinem Wissen profitieren kann. Ky-Tu Dang ist Weltmeister, mehrfacher Europameister und hat jetzt im Kukkiwon den 9. DAN abgelegt. Er kann uns vielseitiges Wissen vermitteln und ist einfach eine Gallionsfigur, mit der es auch Spaß macht. Das ist unser Highlight in 2022.
Auch während der Lockdown-Zeit wart ihr als Verein kreativ, damit eure Mitglieder weiterhin aktiv bleiben. Was habt ihr hier auf die Beine gestellt und wie sehr hat
Das NWTU-Team bei der ersten offenen Weltmeisterschaft in England. Thomas Schneider erster von rechts
dich persönlich diese schwere Zeit beeinflusst? Hast du vielleicht auch positive Aspekte mitnehmen können?
Ich kann mich, was die Mitglieder angeht, nicht beschweren. Ich hatte zehn Kündigungen aber auch zwanzig Neuanmeldungen. Ich habe in dieser Zeit also auch etwas gewonnen. Ich habe festgestellt, dass ich, wenn ich online aktiv war, noch intensiver Tipps geben konnte. Die Leute hatten ja keine Anfahrt und man hatte einfach etwas mehr Zeit – auch mal für lockere Gespräche. Ich habe immer geschaut, dass der Unterricht aufeinander aufbaut und dass wir uns immer nur auf einen Bereich konzentrieren, auf Beintechniken oder Armtechniken beispielsweisen. Es gab immer ein bestimmtes Thema für jede Trainingseinheit. So konnten die Teilnehmer das auch für sich abhaken und wussten, dass sie ihre Grundbasis erarbeitet haben. Die Gürtelprüfungen wurden dann auch online abgehalten. Anfangs war das Online-Training ein etwas komisches Gefühl. Man musste ja auch erstmal die Räumlichkeiten herrichten. Mein Vorteil ist auch, dass ich seit 1995 eine eigene Sporthalle für uns habe. So können wir sieben Tage die Woche trainieren. Da die Schule keinen Sportunterricht anbieten durfte, konnten wir in der Halle all unser Equipment liegen lassen. So hatten wir für mehrere Monate einen sehr gut ausgestatteten Dojang mit Matten, Sandsäcken und allem, was sonst dazugehört. Mit unserem Hygienekonzept konnten wir so super trainieren. Das hat gut geklappt.
Nach so vielen Jahren als Trainer gilt es sicher auch für dich, stets neue Anreize zu finden. Vor einiger Zeit hast du den Poomsae Kaderlehrgang in Hennef besucht. Was konntest du von dieser Maßnahme mitnehmen?
Man sieht online ja viel in den Sozialen Medien. Aber live zu sehen, wie so ein Training abläuft und wie sie das Training im Bundeskader aufbauen, war klasse. Diese Möglichkeit sollte man auch anderen Trainern bieten. Das ist etwas, was mir ein wenig fehlt: Der Kontakt zwischen den Bundestrainern und den Landestrainern und den Trainern im Ländle. Die Trainingsmethoden haben sich sehr gewandelt und ich finde es schön, Alt und Neu zu kombinieren. Beides gehört dazu. Beides sollte man erfahren und beachten. Freestyle live zu sehen, wie die Sportler trainieren, das war für mich sehr interessant. Das sehe ich auch immer bei meinen Trainer-Lehrgängen – wenn wir uns zum Beispiel einen Olympiakampf angucken. Dann gibt es die Teilnehmer, die nur über das neue Taekwondo „meckern“ und sagen: Das ist ja gar nicht mehr wie früher. Dann gibt es aber auch die Spitzensportler, die beim Lehrgang ihren Trainerschein machen, und ihre Eindrücke mit einbringen. Und am Ende des Lehrgangs haben sich beide Seiten angenähert und ihren Horizont erweitert.
Abschließend zu deinen besonderen Ehrungen in den letzten Monaten: Mit der Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen und der Aufnahme in die offizielle Taekwondo-Hall of Fame wurdest du in kurzer Zeit im würdigen Rahmen in der Congress-Halle Münster gleich doppelt für deine Verdienste im Sport geehrt. Was bedeutet dir diese Ehrung innerhalb NRW?
Mein Dank gilt den Menschen, die mich dafür vorgeschlagen haben. Ich bin das älteste Vorstandsmitglied in der NWTU oder der, der am längsten dabei ist. Über Musa Cicek ist das damals alles in die Wege geleitet worden. Es ist eine große Ehre, aber darum trage ich die Nase nun nicht hoch. Und man fragt sich natürlich auch: Was kommt noch? Ist es nun vorbei?