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Damenbundestrainer Boris Winkler über sein Jahr 2021

Damenbundestrainer Boris Winkler im Interview

von Helena Stanek

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DTU: 10 Internationale Turniere hast du in diesem Jahr von März bis November mit dem Damen-Team besucht. Eine beachtliche Zahl von 34 Weltranglisten-Medaillen konntet ihr sammeln. Wie wichtig war dieses Jahr im Hinblick auf Paris 2024?

Boris Winkler: Jedes Jahr ist im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris sehr wichtig. Das Ziel jeder SportlerIn soll/muss sein, sich direkt für die Spiele qualifizieren zu können, um die Kontinental-Qualifikation, die ihre eigenen Gesetze hat, zu vermeiden. Eines unserer Ziele in diesem Jahr war es, dass möglichst viele Damen die maximale Punktezahl von 40 auf den G1 und G2 Weltranglistenturnieren erreichen, um im WT-Ranking nicht abzurutschen oder gar einige Plätze gut zu machen. Ein weiteres Ziel muss sein, jedes Jahr die Punkte, die es „on Top“ gibt, abzugreifen, um die internationale Konkurrenz im WT-Ranking hinter sich zu lassen, auch hier konnten einige Damen ebenfalls wichtige Punkte mitnehmen. Zusätzlich müssen die Damen den Sprung in die Grand Prix Serie schaffen, um hier wiederum die Möglichkeit zu erhalten, weitere wichtige Punkte für das WT-Ranking zu erkämpfen. Wer sich hier regelmäßig platzieren oder einige Kämpfe gewinnen kann, macht weitere große Schritte zur direkten Qualifikation für Paris oder wäre auf der Kontinental-Qualifikation gut gesetzt.

DTU: Einige deiner Damen konnten nahezu auf jedem Turnier bis in die Medaillenränge vorkämpfen. Was lief in diesem Jahr so erfolgreich?

Boris Winkler: Im Januar 2021 habe ich die Damen übernommen. Durch die Corona-Pandemie und das Ausscheiden von Jeonji fehlte den Damen über einen gewissen Zeitraum das regelmäßige Training und die Struktur, die ich als Bundestrainer versucht habe, wieder in das Team einzubringen. Es wurden sportartspezifische Vorgaben ausgesprochen wie z. B. im Bereich technisch-taktischer Komponenten, Verbesserung der konditionellen Fähigkeiten, aber auch explizite Dinge, wie Disziplin, Höflichkeit, respektvoller Umgang, Pünktlichkeit und die richtige Kleiderordnung. Die Zusammenarbeit und die Absprachen mit den einzelnen Heimtrainern haben sehr gut funktioniert. Durch das regelmäßige Feedback und die gemeinsame Kommunikation konnten Verbesserungen im Heimtraining stattfinden und die Umsetzung, sowohl im Training, als auch bei den Wettkämpfen erfolgen. Beflügelt durch die Erfolge zu Beginn meiner Bundestrainer-Tätigkeit steigerte sich das Selbstvertrauen und die Selbstsicherheit, was darauffolgende Maßnahmen positiv beeinflusste.

DTU: Was zeichnet dein aktuelles Team aus?

Boris Winkler: Jede Sportlerin hat ihre eigenen individuellen Stärken und Schwächen und die gilt es, als Trainer herauszufiltern. Zu Beginn meiner Arbeit stand die Technikoptimierung und das Ausmerzen individueller Fehler im Vordergrund, z. B. ansatzlos starten, Blockarm zu jeder Technik, lange Kicktechniken, sauberes Absetzen nach dem Kicken, usw. Des Weiteren wurde im Taktiktraining zu verschiedenen Angriffs -und Kontersituationen Lösungsmöglichkeiten erarbeitet und umgesetzt. Durch ständiges Wiederholen werden diese Automatismen gefestigt und dadurch in Stresssituationen bei Wettkämpfen wieder abrufbar. Ergänzend haben im konditionellen Bereich Veränderungen stattgefunden. Die Damen erhielten im Bereich Kraft und Ausdauer Trainingspläne und die Vorgabe bis Ende einer jeden Woche die Umsetzung in eine vorgefertigten Excel-Tabelle einzutragen und mir zu zusenden. Die Beweglichkeit im Taekwondosport spielt eine wichtige Rolle und demzufolge wurden auch hier an Verbesserungen gearbeitet. Die Trainingspläne wurden regelmäßig kontrolliert und bei wiederholter Nichterfüllung dieser Vorgaben oder verspäteter Abgaben der Trainingspläne fand temporär eine reduzierte Berücksichtigung bei Trainings- und

Das erfolgreiche Damenteam bei dem World Taekwondo Women Champion Ship in Riyadh

Wettkampfmaßnahmen statt. Das war ein guter Filter, um die individuelle und gemeinschaftliche motivierende Haltung der Athletinnen zu ermitteln und den Optimierungswillen zu fördern. Das hat für sehr viel Akzeptanz sowie Transparenz gesorgt und das Vertrauen zueinander gestärkt.

DTU: Wie tief schmerzt die verpasste Olympiaquali?

Boris Winkler: Die Vorbereitung auf die Olympiaqualifikation verlief teilweise sehr schleppend. Wir hatten zu Beginn des Jahres mit einigen positiven CoronaFällen in unseren Reihen zu kämpfen. Aufgrund dessen haben die Vorbereitungen nur in kleinen Kreisen stattgefunden. Wir haben versucht, aus dieser unglücklichen Situation das Bestmögliche herauszuholen. Unseren pandemischen Leitlinien folgend, haben wir keine ausländischen Trainingspartner nach Deutschland hinzugezogen oder den Weg ins Ausland gesucht, um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten. Wir haben sehr viel individuell trainiert und versucht, in dieser Zeit uns optimal auf die bevorstehende Qualifikation vorzubereiten. Leider hat es nicht ausgereicht und natürlich sitzt der Schmerz tief, aber nur wer wieder aufsteht, nach vorne blickt und weiterhin hart an sich arbeitet, wird beim nächsten Mal dafür belohnt. Die Vorbereitung auf Paris 2024 läuft bereits auf vollen Touren und die Damen haben in diesem Jahr gezeigt, dass sie international mithalten können. Einige Damen haben bereits über 40 Punkte im Ranking erkämpfen können und sind hungrig auf weitere. Die positive Entwicklung und die Erfolge spiegeln sich ebenfalls im Team wider. Wir rückten als Mannschaft enger zusammen und unterstützen uns gegenseitig bei Trainings- und Wettkampfmaßnahmen. Die ersten Schritte sind getan und weitere werden folgen.

DTU: Seit Yeonji aufgehört hat, hast du die Verantwortung für die Damen übernommen. War es für die jetzige Arbeit ein Vorteil, dass du die Damen schon aus deiner Zeit mit Yeonji und auch die Strukturen in der DTU kanntest?

Boris Winkler: Dass ich Yeonji all die Zeit bei den Maßnahmen unterstützen durfte, ist für meine jetzige

Das erfolgreiche Damenteam bei den French Open in Paris.

Arbeit als zuständiger Damenbundestrainer nur von Vorteil. Ich habe die Struktur innerhalb der DTU kennenlernen dürfen. Mit Yeonj habe ich Absprachen getroffen und wir sind gemeinsam die Planungen für die jeweilige Jahre durchgegangen. Im Training hat sie mich mit eingebunden und ich durfte meine Ideen mit einbringen. Zugleich habe ich das Damenteam kennengelernt und wir konnten in diesen Zeitraum Vertrauen zueinander aufbauen. Natürlich ist jetzt die Verantwortung als zuständiger Bundestrainer größer, aber durch die viele Einblicke in den vergangenen Jahren war der Übergang nicht ganz so schwer. Ich bin dankbar, dass ich als Bundestrainer meine Vorgaben und mein Führungsstil mit einbringen darf, bin aber auch dankbar das Yeonji mich all die Jahre in den Maßen unterstützt hat.

DTU: Der RUN auf Paris ist bereits mit dem G4-Turnier in Riyadh gestartet. Was erwartet die Damen im kommenden Jahr? Was steht Wichtiges auf dem Programm?

Boris Winkler: Durch die vierte Welle der CoronaPandemie wird die Planung für das kommende Jahr 2022 relativ schwer. Was mit Sicherheit gesagt werden kann, dass alle bis dato G1-Weltranglistenturniere als G2-Turniere dotiert werden. Hier soll aus den Augen des Weltverbands mit einem geringen Aufwand die 40 Punkte erreicht werden. Die Europameisterschaft in Manchester steht bereits im Frühjahr nächsten Jahres an, sowie die Weltmeisterschaft in Wuxi (China) und zudem wird die Grand Prix Serie anlaufen. Im kommenden Jahr besteht die Möglichkeit, sehr viele WT Ranking Points zu sammeln, sofern alle geplanten Turniere stattfinden werden. Hier wird sich zeigen, wie unsere Damen aus der Winterpause zurückkommen und den Einstieg in die Wettkampfsaison meistern werden. In diesem Jahr haben wir gezeigt, dass wir international konkurrenzfähig sein können und vermehrt große Sprünge im Ranking machen konnten. Die Damen haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten sehr gut weiterentwickelt und Selbstvertrauen getankt, nun gilt es daran anzuknüpfen.

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