Der Wille zum Ruhm | Memoria Maxima | Cat. 85

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Der Wille zum Ruhm Ma x i m i l i a n I

LXXXV Heribert Tenschert

2020



LXXXV Werner Müller (1946 – 2019) Dem Freund und erleuchteten Büchersammler zum Andenken


Nr. 1


Der Wille zum Ruhm Memor ia M axima Da s Ge d äc ht n i swe rk K a i se r Ma x i m i l i a n s I. (14 59-1519) au f ge r u fe n i n ei ne r S a m m lu ng sei ne r Büc he r, d a r u nte r f ü n f Exe mpl a re de s Theue rd a n k von 1517

LXXXV

Heribert Tenschert 2020


Heribert Tenschert Antiquariat Bibermühle AG Bibermühle 1–2 · 8262 Ramsen · Schweiz Telefon: +41 (52) 742 05 75 · Telefax: +41 (52) 742 05 79 E-Mail: tenschert@antiquariat-bibermuehle.ch www.antiquariat-bibermuehle.com

Diese Sammlung wird in ihrer Gesamtheit zum Verkauf gestellt – mit Ausnahme von Nr. 2 –

Autor: Dr. Carsten Scholz, mit Beiträgen von Heribert Tenschert Gestaltung, Redaktion, Lektorat: Heribert Tenschert, Maria Danelius Photos und Einbandgestaltung: Viola Brunner, Heribert Tenschert Satz und PrePress: LUDWIG:media Gmbh, Zell am See Druck und Bindung: Passavia GmbH & Co. KG, Passau ISBN: 978-3-906069-34-0


Aber man kann ja mit Büchern allein kein plastisch hochgemutes Bild einer Epoche und ihrer Beweger malen. Etwa doch? Wenn nämlich die Wünsche, Leitvorstellungen, Ideen eines Befehlshabers schlackenlos in, eben, Bücher gehüllt aufträten – wenn also, prahlerisch formuliert, die Bücherliebe es über die später virulenten, widerstreitenden Inhalte gewänne? Wenn diese Wünsche Form annehmen, die Vorstellungen vom Grabe her Umriß gewinnen, die Ideen haltbar werden, ohne den „Anlasser“? Über Kaiser Maximilians Beweggründe zur Knetung seines Nachruhms ist im Katalog allseitig genug und übergenug gesagt, so wollen wir hier nur auf die Haupt-Hervorbringungen in Buchform kommen, zu denen sie in fünf Jahrhunderten geronnen sind. Daß dergleichen heute lohnen kann, zeigt, unter gänzlich anderen Auspizien, nämlich seinen Rüstungen, dem Turnierspiel und Kriegswesen, derzeit eine alle Sinne bezwingende Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum („The Last Knight“), wo, leider, gerade der Theuerdank so randständig wie möglich in einem Exemplar der zweiten Ausgabe von 1519 auftritt. Umso anspornender für unser Unternehmen, das an eben diesem einzigen zu Maximilians Lebzeiten 1517 publizierten Großwerk seine Vision in siebzehn denkwürdigen Varianten ausmalt, überflogen von der Hybris einer Handschrift (!) auf Pergament mit 118 Federzeichnungen, die dem Original aus dem Abstand von 250 Jahren schlechthin den Nimbus einer heiligen Schrift aufsetzt (und 1876 sogar als das kalligraphische Urbild des Drucks galt). Um also ein wenig vom Theuerdank, dem Anlaß und der Beweislinie dieses Katalogs zu reden: die erste Ausgabe, ein „Privatdruck“ als Ding der Unmöglichkeit sozusagen im Blitz des Wollens entstanden, war seit jeher ein frenetisch gesuchtes Buch – sein spärliches, immer ehrfürchtig vermerktes Vorkommen in den Katalogen des 18. bis 20. Jahrhunderts und die dafür aufgerufenen Preise sprechen eine feurige Sprache, sogar, wo es sich um Schönspergers Nachdruck zwei Jahre später handelte. Die Geheimnisgröße des Werks, die sich zu gleichen Teilen seiner aberwitzig ruhmseligen Produktionsdauer, der hohen Ladung seiner Bilder sowie der halsbrecherischen Druckschrift verdankte, wurde durch die Sensation einer vorweg ans Licht beförderten Auflage von zig Exemplaren auf Pergament zum Mythos gesteigert: dem des schönsten illustrierten Buchs des 16. Jahrhunderts, auf einer Höhe mit der „Hypnerotomachia Poliphili“ des Aldus Manutius von 1499 und dem Wolgemut-Pleydenwurff-Dürerschen Geschwister „Schatzbehalter“ und „Schedel“ (1491–1493). Wieviele Exemplare Maximilian drucken ließ, wissen wir nicht, aber es werden auf Papier nicht mehr als 200, auf Pergament gute 40 gewesen sein. Der ungeheure frühe Ruhm des Werks hat dafür gesorgt,


daß schon der Bibliograph der Pergamentdrucke, Joseph van Praet, im Jahr 1822 insgesamt etwa dreißig anführt, davon acht oder neun koloriert, was den Primat der letzteren auch dann erhärten würde, wüßten wir nicht, daß sowohl Maximilians eigenes Exemplar (heute ÖNB , Wien) wie auch dasjenige des Herausgebers Melchior Pfintzing (Musée Condé Chantilly, ehemals Sammlung Solar und des Duc d’Aumale) koloriert vorliegen. Es gab in den verflossenen dreihundert Jahren lange Zeiträume, in denen kein einziger Pergamentdruck im Handel oder auf Auktionen auftauchte, und wenn es der Fall war, dann handelte es sich meist um geplünderte Stücke oder Fragmente. Daß wir hier mit einer solchen Ernte aufwarten, ist einer Konstellation zu danken, die abergläubisch machen könnte: gebildet aus dem Maßwerk von Geduld, Zufall (aber es ist keiner), Glück und dem raschen Griff des Entschlossenen: „Da ist’s denn wieder wie die Sterne wollten: Bedingung und Gesetz und aller Wille Ist nur ein Wollen weil wir eben sollten – Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille …“ Wie unsere Nr. 1 ein Bild der Vollkommenheit wirft: so ausgezählt wie die Ordnungen der Engel, das Pergament von einem Weiß, das den Schnee beschämt, sein Kolorit als bewußte Diskretion, die mehr als hundert gültige Gemälde schafft und doch dem Geäste des Holzschnitts verantwortlich bleibt – man kann es nur als ein Geschenk hinnehmen, dessen wir uns durch dieses ganze nachfolgende Buch würdig erweisen wollen, auch wenn 42 Jahre Handel und Wandel in diesem Geschäft auf der Habenseite stehen dürften. Daß unser zweites Exemplar ebenso geisterhaft verwirrt, dazu in der Aura seiner erlauchten Herkunft badend (hier mit kriminologischer Akribie nachgezeichnet), und die Herrlichkeit der Illumination von Nr. 4 so gut wie allem voraus ist, was einem sonst die Augen übergehen läßt – all das sei nur ein Einladungswink zur Lektüre, über der man vom Sonnenkreis der ersten Bücher zur Kläglichkeit des Oktavdrucks von 1596 hinab steigt: muß man raisonnieren, daß es so hat sein müssen? Die Versammlung, zu der wir den Vorhang hissen, genügt sich selbst, in Fall und Stand, im Kronrat der kaiserlichen Bücherlust wie dem Bruchlager der Religionswirren und Rattenlöchern des Dreißigjährigen Kriegs, als Andenken eines groß wollenden, größer scheiternden Sterblichen und Denkmal dessen, was daraus die „gedechtnuss“ erschaffen hat. Möge er es so gewollt haben oder nicht, es ist da. Bibermühle, Dezember 2019 H. T.

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Inhaltsverzeichnis A Ein Porträt aus dem 16. Jahrhundert: Kaiser Maximilian I. in Schaube und Barett . . . . . . . . . .

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I Eine Nachschöpfung übertrumpft ihr Vorbild: Theuerdank als kalligraphische Pergamenthandschrift mit 118 originalen Federzeichnungen aus dem Umfeld Ludwigs XVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Die Erstausgabe des Theuerdank auf Pergament, in der noch unkorrigierten Variante, vollständig, breitrandig – illuminiert! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2 Ein weiteres herrlich illuminiertes Pergament-Exemplar, mit eingemaltem Wappen des Erstbesitzers . . . . . . . . . . . 106 3 Ein unkoloriertes Exemplar auf Pergament . . . . . . . . . . . 150 4 Ein unvergleichlich illuminiertes Exemplar auf Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5 Ein unkoloriertes Exemplar, breitrandig und im Einband der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 6 Die vor der ersten Ausgabe publizierte zweite Ausgabe von 1519 in einem zeitgenössischen Einband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7 Ein koloriertes Exemplar der Ausgabe von 1519 . . . . . . . 206 8 Die dritte Ausgabe (1537), gedruckt in kleineren Typen von Heinrich Steiner, die erste in handlicherem Format . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 9 Die vierte Ausgabe, gedruckt 1553 von Christian Egenolff, die erste in der Bearbeitung von Burkhard Waldis – aus den Sammlungen Seillière und Pease-Wardington . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 10 Die fünfte Ausgabe von 1563, erstmals gedruckt von Egenolffs Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 11 Die überaus seltene sechste Ausgabe von 1589 – mit einem biographischen Text von Philipp Melanchthon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

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12 „Ziemlich rohe Machwerke“: Die siebte ­Ausgabe von 1596 mit neuen Holzschnitten – ein Zeugnis für den Niedergang der Buchkultur . . . . . . . 238 13 In modernisierter Sprache: Die achte Ausgabe von 1679, in einem zeitgenössischen Pergamentband . . . . . . . . . . . . 244 14 Ein ‚optimiertes‘ Faksimile, mit Holzschnitt-Reproduktionen nach den Probedrucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 15 „Den Originaldrucken am nächsten“ – unretuschiertes Faksimile, kombiniert aus zwei Exemplaren der Erstausgabe, in der Vorzugsausgabe in Schweinsleder . . . . . . . . . . . . . 256 16 Faksimile des kolorierten Münchner Papierexemplars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 17 Faksimile des kolorierten Pergamentexemplars der Berliner Staatsbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 18 Eines der größten illustrierten ­Buchprojekte der Renaissance: Der Weißkunig im Erstdruck von 1775 . . . . . . . . . . . . . . . 268 19 Der Weißkunig von 1888: Ein nochmaliger Abdruck von den originalen Holzstöcken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 20 Der Weißkunig in der letzten Textfassung, mit Holzschnitt-Faksimiles nach den frühen Drucken . . . . . 300 21 Die Heiligen des Hauses Habsburg: Erstdruck der Holzschnitte Leonhard Becks und anderer von den originalen Stöcken: Ein gänzlich unbeschnittenes Exemplar . . . . . . 304 22 Das Turnierbuch Freydal: Vollinhaltlicher Abdruck des Textentwurfs mit Maximilians Marginalien und Faksimile aller Tafeln . . . . . . . . . . . . . . 314 22a Freydal in Farbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 23 Albrecht Dürers Randzeichnungen zum Gebetbuch Maximilians I. – eine berühmte „Inkunabel der Lithographie“ von Alois Senefelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

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24 Gebetbuch Maximilians I. – das erste vollständige Faksimile des unikalen Pracht-Exemplars in München und Besançon mit den Randzeichnungen von Dürer, Cranach, Burgkmair, Altdorfer, Baldung Grien und Breu . . . . . . . 336 25 Dasselbe, auf Pergament gedruckt, Nr. 2 von nur drei tadellosen Exemplaren . . . . . . . . . . . . 346 26 Das Gebetbuch Maximilians I., unretuschierte faksimilierte Rekonstruktion aus den Fragmenten in München und Besançon . . . . . . . . . . 366 27 Das Jagdbuch Maximilians – Originaltext und faksimilierte Tafeln, in der Vorzugsausgabe in Ganzpergament . . . . . . . . . . . . 370 28 Das Tiroler Fischereibuch – Originaltext und faksimilierte Tafeln, das Exemplar von Charles Fr. G. R. Schwerdt . . . . . . . . . 378 29 Das Fischereibuch, Faksimile der illuminierten Handschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek . . . . . . . . . . . 384 30 Das geheime Jagdbuch Maximilians – der Erstdruck des Originaltextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 31 Das monumentale Ambraser Heldenbuch mit mindestens 14 unikal ­überlieferten Texten, der letzte Höhepunkt der mittelalterlichen Buchkultur – Faksimile der Handschrift in der Österreichischen Staatsbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . 394 32 Maximilians ABC -Buch – ein Vorbild für die Gebetbuch-Type, Faksimile der Prunkhandschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . 406 33 Fortsetzung des ABC -Buchs: Grammatik, Gesundheitsregeln, Ermahnungen – Faksimile der Prunkhandschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . 410 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

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A Ein Porträt aus dem 16. Jahrhundert: Kaiser Maximilian I. in Schaube und Barett [Unbekannter Meister]. Porträt Maximilians I. Niederlande, 16. Jahrhundert. Öl auf Leinwand. Bildgröße: 577 x 446 mm. In modernem Holzrahmen mit reicher reliefierter Ornamentver­ goldung (ca. 770 mm x 635 mm). Ein Bild des Kaisers Von Kaiser Maximilian I. (1459–1519) existieren zahlreiche Porträtdarstellungen – sie präsentieren ihn in unterschiedlichen Rollen und Bildkontexten, in unterschiedlicher Haltung und Kleidung und nicht zuletzt in verschiedenen Medien: auf Münzen und Medaillen, Gemälden und Holzschnitten. Schon in ihrer Quantität liegt eine besondere Qualität: „Seine Physiognomie mit der charakteristischen Nase sollte omnipräsent sein“ [Müller, Einleitung 3]. Den Betrachter mit Abbildern gleichsam zu überwältigen versuchte das gewaltige Grabmal Maximilians: Hier sollten „40 überlebensgroße Statuen seiner Ahnen, 34 Büsten römischer Caesaren und 100 Statuetten der Heiligen des Hauses Habsburg“ [Schmidt, Literatur, 331] um sein Kenotaph aufgestellt werden. Wie vieles andere auch, wurde es erst erst posthum und nur rudimentär in der Innsbrucker Hofkirche realisiert. Ungezählte Bildnisse Maximilians finden sich in den schriftlichen biographischen „Ruhmeswerken“ Freydal, Theuerdank und Weißkunig, wo sie nicht allein illustrative Funktionen haben, sondern oft auch den Texten vorgängig sind, denen sie inhaltliche Vorgaben liefern. Im Weißkunig thematisiert ein Holzschnitt des Dürer-Schülers Hans Springinklee mit dem Titel Kaiser Maximilian ehrt das Andenken der Vorväter wohl „programmatisch den Umgang des verstorbenen Kaisers mit Literatur und Kunst […], denn unter seinem

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Befehl – der Kaiser sitzt auf dem Thron! – entstehen gleichzeitig Texte und Bilder, die damit auch als gleichwertig zu gelten haben“ [Schmidt, Literatur 334, zu Nr. 910]. Diesem Anspruch gemäß wären Bilder und Texte „nicht wechselweise voneinander abhängig, sondern sichern den Nachruhm des Kaisers selbständig auf eine jeweils besondere Weise“ [ebd.]. Angesichts der „vielgestaltigen Versuche des Kaisers, seine gedechtnus auch und gerade im Bild zu stiften“ [Schmidt, Maximilian I. 287], ist ein gemaltes Porträt Maximilians I. keineswegs nur als ‚Beilage‘ zu einer Sammlung illustrierter Bücher zum Ruhm des Kaisers anzusehen, sondern als deren essentieller Bestandteil. Dies gilt umso mehr bei dem hier präsentierten lebensgroßen Brustbild, das durchaus als zeitgenössisch anzusehen ist: Ein unbekannter Meister schuf das Ölgemälde, dem Stil nach zu urteilen, im 16. Jahrhundert. Daraus ergibt sich die spannende Frage, welchen Platz es ikonographisch und inhaltlich im vielfältigen Bilderkosmos der maximilianeischen Kunst einnimmt. Maximilian als „Privatmann“? Kaiser Maximilian ist als der „letzte Ritter“ in das kollektive Gedächtnis der Nachwelt eingegangen – und als solcher zeigt er sich gern in seinem einzigen gedruckten Gedächtniswerk, dem Theuerdank. In dem autobiographischen Schlüsselroman seiner Brautfahrt zu Maria von Burgund sieht man ihn, in zahlreiche Aventiuren verwickelt, oftmals in goldener Rüstung, häufiger noch als leidenschaftlichen Jäger im schlichten Rock, nur bei wenigen Gelegenheiten in ‚ziviler‘ Kleidung mit einem schwarzen Barett auf dem Kopf. Noch sehr fern scheint dem jungen Theuerdank die zeremoniöse Haltung zu sein, die Maximilian I. nach seiner Königskrönung ab 1495 den sogenannten Guldinern einprägen ließ – ein repräsentatives Hüftbild im Profil, „im Harnisch mit Königskrone, Schwert und Reichsapfel“ [Eisenbeiß 31], das wir ‚eigentlich‘ von einem Kaiser erwarten, der auch im wirklichen Leben Prunkrüstungen anlegte, „to construct his identity“ [Terjanian 17]. In der ersten umfassenden Abhandlung über Die Bildnisse Kaiser Maximilians I. machte Ludwig von Baldass 1913 auf ein „Bildchen in Wien“ aufmerksam: „Statt der Rüs­tung und den Reichsinsignien gewahren wir die reiche Kleidung des vornehmen Privat­mannes“ [Baldass 277; auf einem anderen fiel ihm „die ganz unlogische Kombination von Rüstung und Kappe“ auf, ebd. 265]. Der eher umschreibende Begriff verfestigte sich spätestens in der 1964 erschienenen

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Monographie Gertrud Ottos über Maximilians Hofmaler Bernhard Strigel zum ‚Inbegriff‘. Sie unterschied systematisch „zwei Haupttypen“ [Otto 66] von Maximilian-Porträts. Der eine gebe „den Kaiser wieder, geharnischt und die Krone auf dem Haupt, im Krönungsmantel, in den Händen Zepter und Schwert“ [ebd.], der andere stelle ihn „als vornehmen Privatmann dar, in Schaube und Barett“. Erneut „als vornehmer Privatmann, wohl als Stifter“, [ebd.] sei Maximilian auf einem Altarbild Bernhard Strigels mit der Darstellung der Kreuzlegende zu sehen. Diese Sprachregelung übernahm noch Hartmut Schmidt im Wetzlarer Ausstellungskatalog von 2002, der „die Darstellung des Monarchen als ‚Privatmann‘“ als „überraschendes Ergebnis“ der „Ausbildung eines neuen Bildnistyps“ ansah, den Dürer „auf die Höhe der zeitgenössischen Bildniskunst“ [Schmidt, Maximilian I. 287 sowie 288, zu Nr. 603] gehoben habe. Im Katalog zur Jubiläumsausstellung 2019 auf Schloß Tirol beschrieb Anja Eisenbeiß ein weiteres Strigel-Werk dieses Typs in Upton House, auf dem Maximilian in der rechten Hand „die Bittschrift eines Dienstmanns“ hält. Eben darum aber handele es sich hier „mitnichten um Maximilian als ‚Privatmann‘“, sondern um den „mit Regierungsgeschäften befasste[n] Fürst[en]“ [Eisenbeiß 35]. Während Strigels schon ab 1496 nachweisbarer Porträttypus des Monarchen im Harnisch „dem Geschmack des Herrschers besonders entsprochen haben muss“ [Messling 105], wie jüngst Guido Messling meinte, erschien die schlichte Darstellung in Schaube und Barett, in der Maximilian „nur durch die Ordenskollane vom Goldenen Vlies in seiner hohen Würde gekennzeichnet“ [Schmidt, Maximilian I. 288] ist, schon Ludwig von Baldass als „weniger charakteristisch“ [Baldass 277]. Diesem letzteren Grundtypus gehört unser Gemälde an, das anscheinend in der Literatur noch nicht beschrieben wurde. Physiognomisches Zu erkennen ist Maximilian auf den ersten Blick an der beinahe grotesk aus dem Dreiviertelprofil herausragenden Hakennase: „Wer irgend eine Nase zeichnen könne, wolle auch sein Portrait malen“ [Madersbacher/Pokorny 14], soll Maximilian einmal gesagt haben. Tatsächlich empfand er „seine Adlernase nicht als Makel“ – schließlich wurden schon antike Cäsaren „für ihre aquiline Nase gerühmt“, sondern er schätzte „ihren Wiedererkennungswert“ : Geriet sie einem Künstler „zu klein oder zu wenig prägnant, dann befahl er die Korrektur des Porträts, selbst wenn dafür ein Münzstempel neu geschnitten werden musste“ [ebd.]. Auch ein weiteres charak-

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teristisches Merkmal, die vorgeschobene „Habsburger Unterlippe“ (weniger der damit verbundene Vorbiß) ist auf unserem Porträt zu erkennen; und schließlich die kinnlangen glatten Haare Maximilians, die vielleicht auch eine Reminiszenz an die charismatische Bedeutung der langen Haartracht frühmittelalterlicher Frankenkönige darstellte. Darauf könnte auch die fast weiße Haarfarbe hindeuten, die sich kaum zu dem noch jugendlichen Gesamteindruck des Gesichts fügen will. Die prägnante Physiognomik verdankte sich nicht allein der Beobachtungsgabe des Malers. Vielmehr war es Maximilian selbst, der als erster römisch-deutscher Kaiser, „die naturnahe Wiedergabe der individuellen Züge seiner Erscheinung wünschte“ [Schmidt, Maximilian I. 286], um damit „ausdrücklich und nachhaltig den Bekanntheitsgrad seiner Person“ zu fördern“. Dieser Anspruch, die „Herrscherportraits zugleich auch als Individualportraits gestalten zu lassen, spiegelt sicherlich die Neubewertung der Individualität im Humanismus“ und dokumentiert zugleich Maximilians Bestreben, „Tradiertes mit Neuem zu verbinden und dieser Verbindung den unverwechselbaren Stempel seiner eigenen Person aufzudrücken“ [ebd.]. Allein in der ‚objektiven‘ physiognomischen Wiedergabe steckt also ein ‚subjektives‘ Moment, das den Kaiser eben nicht nur als Objekt, sondern in gewisser Weise als den Autor seiner ‚Selbst‘Darstellung ausweist. Der „Einsatz markanter Porträtzüge“ [Eisenbeiß 33] verband sich zum einen „mit der durch Maximilian seit 1501 forcierten Verbreitung“ seines Bildnisses in unterschiedlichen Rollen und Kontexten: Ohne diese „Technik der ‚Typisierung durch Individualisierung‘ wäre den Zeitgenossen die Identifizierung des Kaisers auf Gemälden unmöglich gewesen, auf denen Heilige seine Gesichtszüge tragen“ [ebd.]. Zum anderen bewirkte dies eine „Angleichung des Porträts in unterschiedlichen Medien“ [ebd. 34]. So konnte der Monarch auch in den Buchholzschnitten des Theuerdank und des Weißkunig unter „romanhafter Maskierung“ [Schmidt, Maximilian I. 286] wiedererkannt werden, indem Haar und Hakennase in leichter Idealisierung als stereotype, verallgemeinerte Merkmale eingesetzt wurden: „Gerade beim Fürstenbildnis steht dieser Anspruch vor der oft landläufig mit dem Begriff des Porträts verbundenen Vorstellung von einem individuellen, authentischen Bild nach dem Leben“ [Eisenbeiß 34]. Diese Form kaiserlichen ‚Eigen‘-Willens stand freilich in Spannung zu „der so ganz anders gearteten eigenwilligen und eigenfreudigen deutschen Kunst der Zeit“ [Baldass 312]. Was Ludwig von Baldass generell als Kunstprogramm Maximilians umriß, daß

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nämlich für ihn „nur der rein äußerlich dargestellte Gegenstand in Betracht [kam], der in seiner fest vorgeschriebenen, humanistisch nüchternen Tendenz dem Künstler wenig freie Entfaltung gestattete“ [ebd.], mußte speziell bei den Porträts eine gewisse ‚Stillstellung‘ des Porträtierten herbeiführen. Kleidung und Accessoires „Humanistisch nüchtern“ erscheint Maximilian vordergründig auch auf unserem Porträt: Statt eines Harnischs oder prunkvollen Umhangs trägt er eine Schaube, den „allg. zwischen 1480–1550 getragene[n] männl. Überrock“ [Lexikon der Kunst VI , 455] der wohlhabenden Stände, insbesondere der „Humanisten und Reformatoren“ [ebd.]; passend dazu ein schwarzes Barett, das Hartmut Schmidt „als eher private Form der Kopfbedeckung“ [Schmidt, Maximilian I. 288 f.] bezeichnete, das sich indes „bis heute in den Amtstrachten der Hochschulprofessoren, Richter, Geistlichen und Bürgermeister“ [Lexikon der Kunst I, 404] erhalten hat. Den Bauern war das Tragen von Schaube und Barett verboten [vgl. ebd. VI , 455] – abgesehen von dieser fast selbstverständlichen Abgrenzung kommt Maximilian, mochte der Mantel auch aus Brokat gefertigt sein, in dieser Aufmachung geradezu unauffällig, als Monarch ‚unterdeterminiert‘ daher. Zu diesem Eindruck tragen auch sein schlichtes schwarzes Hemd mit weißer Seidenborte und der undefinierte dunkle Hintergrund bei, mit dem das Barett fast zu verschwimmen scheint. Zwei unübersehbare Accessoires determinieren das Bild jedoch entschieden. Maximilian hat sich die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies umgelegt, die – hier nicht ganz deutlich erkennbar – „aus ineinanderhängenden Feuerstrahlen mit Steinen und daraus sprühenden Funken besteht“ [Musper, Burgkmair 45]. Der Orden, den der Burgunderherzog Philipp der Gute anläßlich seiner Heirat mit Isabella von Portugal 1430 gestiftet hatte, spielte am Hof des jungen Erzherzogs Maximilian „eine wesentliche Rolle“ und „strahlte auf ganz Europa aus“ [Sachse 233]. Er spiegelte „wie keine andere Einrichtung, den Geist der Epoche“ [ebd.], sollte „die Ideen der Kreuzzüge und des Rittertums wahren und so die verstreuten Gebiete Burgunds zu einer Gesinnungsgemeinschaft des Hochadels unter Führung eines Herrschers zusammenführen“. Darüber hinaus wollte Maximilian mit dem Orden „die Herrschaften der Häuser Österreich und Burgund […] staatsrechtlich und durch die politische Elite […] verbinden“ [Noflatscher 41] und eine „vraye et parfaicte congnoissaince, amour et alyance“ [zit. ebd. 45] fördern. Das ober-

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flächliche Erscheinungsbild des „Privatmannes“ wird also – wenn auch erst auf den zweiten Blick und mit einem gewissen Understatement – eindeutig dementiert. Das eigentliche Ordenskleinod, „das Schaffell, welches Jason einst auf der Insel Kolchis raubte, wie es in der Geschichte Trojas geschrieben steht“ [Silver 21], wird durch den unteren Bildrand abgeschnitten – auch hier also der eigenartige Gestus der Zurückhaltung! Gleichwohl läßt es sich nicht ‚wegdenken‘: Es erinnert an den Wunsch Maximilians, „den mythischen Helden Hektor von Troja zum Urahn der Habsburger zu machen“ [ebd.], den sein Schwiegervater Karl der Kühne in ihm entfacht hatte und der verstärkt wurde, nachdem er „durch die Heirat mit Maria von Burgund und den tragischen Tod ihres Vaters das burgundische Erbe antrat: Trojanische Geschichte stand nämlich im Zentrum der Literatur des burgundischen Hofes“, und schon Philipp der Gute hatte behauptet, er sei von trojanischer Abkunft. Zugleich ließ sich „Jasons Eroberung des Vlieses auf Kolchis mit der christlichen Rückeroberung des östlichen Mittelmeerraumes assozieren“ [ebd.], wodurch auf ideale Weise „genealogische Ziele und spirituelle Ambitionen miteinander zu verschmelzen“ [ebd. 22] waren. Diese fernen dynastischen und politischen Utopien stehen also gleichfalls ‚im Raum‘, wenn auch buchstäblich jenseits des von unserem ‚nüchternen‘ Brustbild gegebenen Bildausschnitts. Vom Schwarz des Hintergrunds hebt sich hingegen eine bunte Agraffe ab, die im 16. Jahrhundert „auf den breiten Schaukrempen der barettähnlichen Kopfbedeckungen“ üblicherweise „als meist rundes Medaillon“ mit einer „figürl. Darstellung“ [Lexikon der Kunst I, 58] getragen wurde. Möglicherweise geht diese Mode auf Pilgerabzeichen zurück. Die Szene auf dem etwas übergroß scheinenden Schmuckstück läßt sich, wenn auch schemenhaft, recht gut erkennen: Rechts sitzt Maria, auf dem Schoß das Jesukind – eine Anspielung wohl auch auf Maria von Burgund (1457–1482) und ihren Sohn Philipp den Schönen (1478–1506), der trotz seines frühen Todes die Dynastie der Habsburger fortsetzte. In der links von ihr mit erhobenen Händen knienden Männergestalt würde Maximilian eventuell als Joseph die ‚Heilige Familie‘ komplettieren – eine Stilisierung, die ihm keineswegs fern lag [vgl. Sahm 408]. Eher dürften wir aber einen der Heiligen Drei Könige „im herrscherlichen Rot der Gewandung“ [Otto 67] bei der Anbetung des Kindes erblicken; eine Rolle, in der sich Maximilian etwa auf dem Altarbild von Bernhard Strigel für das Zisterzienserkloster Salem abbilden ließ – auch dort in Brokatschaube und mit schwarzem Barett [vgl. ebd. 36 ff.]. Diskret

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tritt in dem Porträt neben die dynastische und herrscherliche auch eine religiöse Überhöhung des vermeintlichen „Privatmannes“, um sich mit den anderen Aspekten zu verschränken. Das Motiv im kunsthistorischen Kontext In seinem Habit aus Schaube und Barett steht der Maximilian unseres Porträts keineswegs allein da. Gertrud Otto überging in ihrer Monographie über Bernhard Strigel, daß nicht er, sondern schon

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Ambrogio Preda bzw. de Predis (1455 – nach 1508), der Mailänder Hofmaler der Sforza, mit dem ersten „wirklich authentische[n] Bildnis des Kaisers“ [Baldass 260] diesen Phänotyp eingeführt hatte. Preda war „vielleicht schon 1493“ [ebd.] im Gefolge von Bianca Maria Sforza, Maximilians zweiter Gemahlin, in Deutschland gewesen und wurde bald darauf von Maximilian mit ersten Aufträgen betraut. Dessen fast lebensgroßes Profilbild im Kunsthistorischen Museum Wien entstand 1502, sicherlich „nach dem Leben“ [ebd. 262]. Bemerkenswert ist die Form der Nase mit dem „starken, doch rund und ebenmäßig verlaufendem Höcker“ und einer minimalen „Einbuchtung“ [ebd.] oberhalb der Spitze, auch der Schwung der Oberlippe, die Betonung von Wangenfalte und Mundwinkel und das rundliche Kinn: All dies findet sich ähnlich auch auf unserem Gemälde wieder, das insgesamt freilich etwas kühl und wächsern gegenüber der ‚lebensnahen‘ Darstellung des Italieners wirkt. Auch motivisch verbindet die beiden Gemälde, abgesehen vom Grundtypus nicht allzuviel: Preda zeigt den König in strengem Profil vom Betrachter aus nach links gewandt, das Haar ist lichtbraun und deutlich länger, die Farbigkeit der Kleidung ist anders, wobei ein schwarzer Pelzkragen dominiert; die Agraffe an der Mütze fehlt, dafür ist das Kleinod an der Ordenskette sichtbar. Nach Ambrogio Preda wurde Bernhard Strigel (1460–1528) Maximilians Hofmaler und „eigentlicher Porträtist“, der „bei seiner getreuen Naturnachahmung und seiner Unterordnung unter den Willen des Kaisers Maximilian für diesen der richtige Mann“ [Baldass 314] gewesen sei, so Baldass. Diese Charakterisierung wird Strigel nicht ganz gerecht. Wohl spreche sich bei ihm „in der farbenfrohen Wiedergabe […] und der genauen Registrierung aller Einzelheiten“, vor allem in seinen Figurenbildern, „noch ganz das spätgotische Interesse an den Details aus“ [Otto 71], doch änderte sich dies mit dem auf 1503 datierbaren Porträt des Nürnberger Patriziers, Humanisten und Rechenmeisters Maximilians, Hieronymus Haller, in der Alten Pinakothek in München, wo dem Maler „zum erstenmal bei einem Porträtauftrag der neue Menschentypus einer geistig freien und selbstbewußten Persönlichkeit begegnet zu sein“ [Otto 72] scheint. Er ist „leicht zur Seite gerückt und wendet dem Beschauer das Gesicht, aber nicht den Blick zu. Haller trägt eine schwarze, pelzbesetzte Schaube, ein Untergewand […] und ein schwarzes Barett mit goldener Agraffe. Um den Hals liegen zwei goldene Ketten. Das von langen, braunen Haaren gerahmte ausdrucksvolle Gesicht wird von einem sensiblen Mund und sinnend ins Weite gerichteten Augen bestimmt“ [ebd.] – die Parallelen zu unserem Maximilian-

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Porträt sind evident. Im Unterschied zu früheren Werken vermeidet Strigel hier „die Vielzahl von formalen und koloristischen Einzelheiten“ und „linienhafte Härten“; er „rückt das Wichtige und Wesentliche in den Vordergrund und strebt eine Gesamtschau des Bildes an“. Nach Otto dürften es solche Bildnisse gewesen sein, „die Maximilian bestimmten, sich bald darauf immer wieder von dem schwäbischen Meister malen zu lassen“ [ebd.]. Ein in Berlin befindliches, „nach einer korrumpierten Inschrift 1504“ [ebd. 65] datiertes reines Profilporträt scheint dasjenige von Ambrogio Preda gleichsam nach rechts zu spiegeln, wenn es sich auch in stofflichen Details und im Gesichtsausdruck von diesem abhebt.

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Nach Ansicht Ottos zeigt es den Herrscher „jünger als fünfundvierzig Jahre alt“ und könnte auf eine „früher entstandene Skizze“ zurückgehen, die „das jugendliche Aussehen“ [ebd.] erklären würde – eine bedenkenswerte Parallele zu der in anderer Weise anachronistischen Erscheinung in unserem Bild. Sichtlich älter ist der Kaiser auf einer Porträtserie Strigels, die im Umfeld der Wiener Doppelverlobung von Maximilians Enkeln Ferdinand und Maria mit Ludwig und Anna von Ungarn 1515 entstand. Das Familienporträt im Wiener Kunsthistorischen Museum zeigt

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Maximilian und seine Enkel Ferdinand und Karl auch in der Kleidung vereint mit Schaube, Barett und Ordenskette, den Großvater wieder im strengen Profil nach rechts gewandt, Karl V. hingegen im Dreiviertelprofil wie auf unserem Maximilian-Porträt. In weiteren Einzelporträts variierte Strigel das Abbild des Kaisers nur leicht. Das „ausgezeichnete kleine Porträt“ [Otto 67] im Wiener Kunsthistorischen Museum zeigt ihn „vor rotgewürfeltem Hintergrund am Fenster […], souverän und ausdrucksvoll in der Haltung“ [ebd. 68], ganz ähnlich wie ein kleines Bildnis, heute in der Sammlung Kisters in Kreuzlingen [vgl. Otto, Abb. 128, und Farbabb. 11 bei Eisenbeiß 35], wo der Blick ebenfalls „durchs Fenster in eine baumbestandene Landschaft“ [ebd.] geht. Daß dadurch „der private Charakter des Bildes“ [Schmidt, Maximilian I., 288] betont würde, überzeugt allerdings wenig; diese Meinung Hartmut Schmidts ordnet sich vielmehr in die hartnäckige Fehldeutung des gesamten Bildtypus ein. Ein anderes Detail erheischt demgegenüber unsere Aufmerksamkeit: Am Barett des Kaisers scheint ebenjene Agraffe befestigt zu sein, die sich auch in unserem Porträt wiederfindet! Eine dritte, größere Variante Strigels, die „aus der Sammlung Figdor in die Gemäldegalerie der ehemaligen Staatlichen Museen nach Berlin-Dahlem gelangte“ [Otto 68], zeigt Maximilian „in seiner letzten Lebenszeit“, hier nun wie in unserem Porträt „vor neutralem Hintergrund“ [ebd. 69], der angesichts der parallelen ‚Fensterbilder‘ kein triviales Phänomen ist. Hartmut Schmidt griff in seiner Interpretation sehr hoch: „Die Ausblendung des Landschaftsmotivs mit seinem stets gegenwärtigen Hinweis auf die Wandelbarkeit der Natur und damit auf die Vergänglichkeit der irdischen Existenz betont die Zeitlosigkeit, die Maximilian als Medium der angestrebten ewigen gedechtnus favorisierte“ [Schmidt, Maximilian I. 288]. Das mag auch angesichts der lebensgeschichtlich späten Entstehungzeit denkbar sein. Der Faktor Zeit(losigkeit) spielte jedoch noch in anderer Weise eine Rolle: Unser Bild inszeniert den jugendlichen Maximilian mit weißem Haar, wohingegen es auf Strigels Berliner Altersbild „sein schönes Blond behalten“ [Baldass 271] hat. Um diese paradoxe Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zu erklären, ist eine quasi-religiöse Deutung nicht notwendig. Zum einen hatte die mittelalterliche Ikonographie mit solchen Darstellungsformen keine grundsätzlichen Schwierigkeiten, zum anderen könnte die Überlagerung der verschiedenen Altersstufen gerade beabsichtigt sein – so wie Maximilian alias Theuerdank in den drei gegnerischen Hauptleuten Fürwittig, Unfalo und Neidelhart auf allegorischer Ebene zugleich „die

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drei Lebensalter – Jugend, Mannes- und Greisenalter –“ [Müller, Literatur 147] begegnen. Etwa eine Generation jünger als Preda und Strigel ist Joos van Cleve (1485–1540), der spätere Hofmaler des französischen Königs Franz I., der um 1510 ein Porträt Maximilians malte, das auffällige Parallelen zu dem unsrigen aufweist: in der (allerdings nach links gewendeten) Dreiviertelansicht mit dem vom Betrachter abgewandten Blick ins unbestimmt Weite, in dem sehr hellen, kinnlangen und die Ohren verdeckenden Haar und schließlich im Alterseindruck, der „eher den noch jungen Erzherzog um 1480, nicht den Kaiser um 1510“ [Schmidt, Maximilian I. 288] zeigt. Auch den dunklen, „opaken und ebenmäßigen […] Fonds, wie er für die Porträtmalerei des Nordens […] um 1500–10 typisch war“ [Scailliérez 91], teilen beide Werke. Erst in Werken der 1520er Jahre modulierte und beschattete Joos van Cleve den Hintergrund stärker und begann seine Figuren dynamischer darzustellen [vgl. Scailliérez 97 und 99]. Der von Baldass sogenannte „niederländische“ Porträttypus hat sich „in zahlreichen Repliken“ [Baldass 295] erhalten, unter anderem im Statutenbuch des Ordens vom Goldenen Vlies, das „zwischen 1519 und 1531 wahrscheinlich von Simon Bening“ [ebd.; vgl. die Farbabb. bei Füssel 1] illuminiert wurde. Auch das wohl bekannteste Bildnis Kaiser Maximilians I. von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1519, dem eine „am 28. Juni 1518 während des Reichstags in Augsburg entstandene Naturstudie in Kohle“ [Schmidt, Maximilian I. 288] zugrundeliegt, folgte der „Darstellung des Monarchen als ‚Privatmann‘“, wie sich Hartmut Schmidt noch 2002 ausdrückte. Verglichen mit den spätgotisch anmutenden Abbildern Predas, Strigels und Joos van Cleves, die den Kaiser wohl schon „auch von der menschlichen Seite“ [Otto 66, vgl. dagegen Baldass 272 und 314] erfaßten, ist dies wohl „das menschlichste des alternden müden Herrschers in der Zeichnung und das repräsentativste in dem Wiener Gemälde“ [Baldass 283]. Eine andere Frage ist, ob das posthum entstandene Werk „überhaupt den Zuspruch des Kaisers gefunden“ hätte, der „Zeit seines Lebens das öffentliche Bild seiner Person bis in kleinste Einzelheiten bestimmte“ [Messling 103]. Generell gibt die maximilianeische Hofkunst ein uneinheitliches Bild ab: Sie steht zwischen mitteleuropäischer Spätgotik und italienisch beeinflußter Renaissance; „neben die Malerei der Donauschule tritt die des Nürnberger Künstlerkreises um Dürer oder des Augsburger um Burgkmair“ [Müller, Literatur 144]. In seinem letzten Jahrzehnt, so Jan-Dirk Müller, lasse sich „ein Stilwandel in Richtung

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auf eine nordeuropäische Renaissancekunst und Gelehrtenkultur beobachten“ [ebd]. In dem Porträttypus, der Maximilian mit Schaube und Barett zeigt, scheint sich diese Hinwendung auch motivisch auszudrücken; doch ist sie zeitlich nicht beschränkt. Und auch geographisch kommen Preda, Strigel, Dürer und van Cleve aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Versuchen wir, unser Bild genauer in den Kontext des Phänotyps „Schaube und Barett“ einzuordnen, so erscheint es ebenso weit entfernt von den frühen Profilbildern Predas und Strigels wie auch von den nach 1515 entstandenen Spätwerken Strigels und erst recht von dem genialen Werk Dürers von 1518/19. Am ehesten entspricht es dem „niederländische[n] Porträttypus“ [Baldass 295] Joos van Cleves, der um 1510 einen eigenartig jugendlichen Maximilian zeigt. Gehört unser eher zart wirkendes Bildnis auch nicht zu den ausdrucksstärksten, so ist die Porträttreue, wie der exemplarische Vergleich mit Predas frühem Bild zeigte, in beachtlichem Maß gegeben, und zwar durchaus überzeugender als bei dem eher blassen Cleveschen Werk. Zu diesem steht es offensichtlich in keinem direkten Abhängigkeitsverhältnis. In einer Hinsicht unterscheidet es sich von den meisten anderen Darstellungen. Geben diese Maximilian I. in der Regel in Halbfigur wieder, deuten Raumausschnitte oder sogar Landschaftsausblicke an, zeigen das gestische Spiel der Hände oder Accessoires wie Schriftrolle, Brief, Blume oder Granatapfel, so verzichtet unser recht eng gefaßtes Brustbild sogar auf das Kleinod an der Kette des Goldenen Vlieses. Dadurch wirkt es noch stärker auf ‚Wesentliches‘ reduziert – wenn auch nicht auf das ‚rein Menschliche‘ oder ‚Private‘. Rollenflexibiltät Eine wichtige Strategie des Kaisers, seine gedechtnus zu sichern, bestand in der „Aufreihung möglichst vieler facettenreicher Führungsrollen Maximilians in Text wie Bild“ [Kagerer 148] bei gleichzeitiger Reklamation maximaler Kompetenzen. So tritt er in dem monumentalen Bilderzyklus seines Triumphzugs „gleich mehrmals auf. Er nimmt chamäleongleich verschiedene Rollen ein und symbolisiert damit seine Omnipräsenz“ [Kagerer 149]. Seine humanistischen Panegyriker trugen das Ihre bei, feierten ihn „als heidnischen Sonnengott und Musenführer Apollon oder stellen ihn als Halbgott, als Herkules dar“ [Pokorny 154]. Im religiösen Bereich wurde er „häufig als Kreuzritter porträtiert bis hin zu seiner Identifizierung mit dem Ritterheiligen Georg“ [ebd.].

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Und gerade in der kirchlichen Sphäre, etwa auf Altarretabeln Bernhard Strigels, tritt Maximilian in Schaube und Barett „nicht per se als aktuell regierender Herrscher auf, sondern vertritt bedeutende Figuren, im Salemer Altar beispielsweise einen der Heiligen Drei Könige“ [Eisenbeiß 37], in einem anderen Gemälde begleitet er Kaiser Konstantin bei der Kreuztragung, in einem dritten tritt er „gar als Fürbitter auf, wenn er in einer Darstellung des Marientodes den Wiener Bischof Georg Slatkonia der Gottesmutter empfiehlt, eine Aufgabe, die sonst Heiligen vorbehalten ist“ [ebd.]; auf einer Wandmalerei im Kreuzgang des Bozener Dominikanerklosters entdeckte ihn Anja Eisenbeiß „als König Salomon“ [ebd.]. Die Zurückgenommenheit der Darstellung mit Schaube und Barett ermöglichte offenbar genau die Rollenflexibilität, die grundsätzlich zu Maximilians Selbstbild gehörte. Auf den kontextfreien Einzelporträts bietet dieser schlichte Typus eine Projektionsfläche und einen Assoziationsraum, der bei den Kaiserporträts mit Herrschaftsinsignien und Harnisch wesentlich eingeengter wäre. Er läßt erahnen, daß der rastlosen „Aufreihung möglichst vieler facettenreicher Führungsrollen Maximilians in Text wie Bild“ [Kagerer 148] möglicherweise ein Ungenügendes anhaftete. Gerade in der ‚betonten Unauffälligkeit‘ und vordergründigen Unterbestimmtheit erwiese unser Gemälde des unbekannten Meisters dann eine subtile Eigenständigkeit. Humanistisches Ingenium Das autobiographische Epos des Theuerdank kulminiert in der Schlußdarstellung Hans Burgkmairs, die den triumphierenden Ritterhelden auf einem aus Schwerten gebildeten Rad der Fortuna stehend zeigt: „Damit bezwingt er nicht nur irdische Feinde, sondern auch überweltliche Mächte, er ist der Bezwinger des eigenen unbeständigen Schicksals, domitor fortunae“ [Kagerer 148]. Und doch kam dem imperialen Machtanspruch ein anderer, geistiger in die Quere, den nach den humanistischen Litterati neuerdings auch die bildenden Künstler für sich beanspruchten. Sie wollten die Welt nicht bezwingen, sondern nach dem Muster der natura naturans mit den Mitteln von Wissenschaft und Kunst kongenial neu erschaffen. Auch Maximilian propagierte „das Leitbild eines Fürsten, der mit dem Schwert ebenso gewandt wie mit der Feder oder dem Musikinstrument hantiert, dessen ingenium, seine Anlage, sich im Krieg, in Regierung wie Wissenschaften und Kunst bewährt“ [Kagerer 148]. Doch kam es bei solcher Bewährung weniger auf „Anlage“ im Sinne

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einer – womöglich geburtsadelig – vererbten Begabung an, sondern auf den schöpferischen Geist. Bei dem Monarchen stand hingegen das Zweckhafte im Vordergrund: „Wenn Maximilian von seinem eigenen Interesse am Malen erzählt, dann steht dahinter nicht das Bild des in allen Künsten gebildeten Renaissance-Menschen, des virtuoso und dilettante, sondern er meint die Fertigkeit des Herrschers und Feldherrn, Karten, Bauten und Waffen zeichnen zu können, und als solchen präsentiert ihn auch der entsprechende Holzschnitt des Weißkunig“ [Müller, Literatur 144]. Darin zeigt Hans Burgkmair Maximilian in der Malerwerkstatt, wie er einem Zeichner – Burgkmair selbst – konkrete Anweisungen erteilt. „Thron und Geist – das ist die liberale Variante von Thron und Altar“ [ebd. 141], kommentierte Jan-Dirk Müller die asymmetrische Wahlverwandschaft: Tatsächlich kursieren von Maximilian I. eine Reihe von „Anekdoten, die ihn als Verächter höfischen Schranzentums und Verehrer von Werten jenseits der Ständegesellschaft, vor allem auch der stadtbürgerlichen Kunst, zeigen“ [ebd.]. Dabei basierte gerade diese bürgerlich-humanistische Rollenidentifikation auf einem fundamentalen Mißverständnis. Denn es „ging ihm nicht um Literatur oder Kunst als solche, sondern um Kunst als Instrument seiner Herrschaft; Medien seiner Selbstdarstellung und seines Nachruhms“ [ebd. 142], und um „self-aggrandisement rather than any real desire to promote the welfare of art“ [Dodgson I, 252]. Trotz solcher Differenzen wünschte sich Maximilian offenbar in das Collegium der Künstler und Literaten aufgenommen, indem er sich ins bürgerlich-humanistische Gelehrtenkleid aus Schaube und Barett hüllte. Auf Burgkmairs Holzschnitt trägt er zur schlichten Schaube gar den Lorbeerkranz des poeta laureatus. Mit Blick auf seine (Selbst-)Darstellung bedeutete dies, daß Maximilian nicht als ‚Objekt‘ sondern erst als ‚Subjekt‘, als Selbst-Schöpfer, zu sich kommen konnte. Und in der Tat: „Egal ob Druckwerk, das eine Handschrift nachahmt, oder Werk aus Stein – immer steht er zu seinen Ehrenwerken in enger Beziehung, sei es als Macher oder Ideengeber“ [Kagerer 148]. Diese Gedankenfigur übertrug der Humanist und Autor Conrad Celtis in das Medium eines panegyrischen Festspiels. Im Jahr 1501 ließ er in Linz in Anwesenheit Maximilians und seiner zweiten Ehefrau Bianca Maria Sforza den Ludus Dianae aufführen. Während der Kaiser im Stück von Diana, Silvanus und Bacchus direkt angesprochen und „als Jäger, als Heerführer, als Freund und Förderer der Kunst“ [Kagerer 148] gelobt wurde, so trat er hinterher selber in Aktion, um eine Dichterkrönung zu vollziehen. Alexander Kagerer brachte die Doppelrolle des Kaisers in die-

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ser cross-medialen Szene auf den Punkt: „Maximilian als Schöpfer der Kunst, der seine Dichter krönt: Eine perfekte politische Inszenierung!“ [ebd.]. Im gedruckten Text präsentierte ein Holzschnitt von Hans Burgkmair die Insignien des von Maximilian gegründeten Collegium poetarum et mathematicorum: Zwischen Szepter und Lorbeeerkranz, Ring und Siegel prangt zentral wiederum ein Barett. Das Bild des Kaisers zwischen Zweckhaftigkeit und Zeitlosigkeit Bot vor allem der Holzschnitt die Möglichkeit massenhafter Reproduzierbarkeit, so existieren auch von den Porträtgemälden „in der Regel Kopien, was den unikalen Charakter des jeweiligen Originals reduziert“ [Grebe 20], meinte Anja Grebe. Der nähere Vergleich zeigt jedoch, daß auch die „Kopien“, unabhängig vom künstlerischen Wert, unterschiedliche Akzente setzten, die über den primären Zweck Maximilians, „der Nachwelt das Bild seiner Erscheinung zu überliefern“ [Otto 66], hinausgingen. Schon wenn er Porträts von sich „als Gnadenbeweis und Auszeichnung“ [ebd.] verschenkte, wird dies adressatenbezogen in differenzierter Form geschehen sein. Doch je mehr er versuchte, „das Bild seiner Person und seiner Herrschaft durch künstlerische Auftragsarbeiten in ein für ihn günstiges Licht zu setzen, um so differenzierter wurde sein Handeln von seinen Gegnern, von seinen Freunden, aber auch von den Bürgern seines Landes wahrgenommen“ [Schmidt vom Rhein, Maximilian aus Sicht, 290], nicht zuletzt im selbstbewußten Burgund: „Dem sich selbst verherrlichenden Ritter stand das schillernde Bild einer Persönlichkeit gegenüber, die zwar volksnah, gutmütig und verschwenderisch, aber auch unausgewogen, wankelmütig und grausam sein konnte“ [ebd.]. Auch rezeptiv war dieser Herrscher kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, sein Bild ‚stillzustellen‘. Wie die Mitwelt hatte auch die Nachwelt ihre eigenen Interessen. Ludwig von Baldass schrieb: „Diese posthumen Darstellungen des Kaisers ikonographisch zu ordnen, ist eine sehr undankbare Arbeit, da wir selten in der Lage sind, wirkliche Abhängigkeit, ein direktes Kopieren vom Original nachzuweisen. Die verschiedenen Künstler haben sich durchaus nicht immer genau an ihr Vorbild gehalten, haben gewisse Züge verstärkt und andere verschliffen, je nach ihrer mehr naturalistisch charakterisierenden oder idealistisch stilisierenden Tendenz. Ja es lag vielleicht manchmal gar nicht mehr in ihrer Intention, ein wirklich in allen Details getreues Bildnis des Kaisers zu geben, sondern man begnügte sich mit einer Darstellung, die die wichtigsten Züge Maximilians erkennbar wiedergab, um so mehr

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als eine wirkliche Kontrolle wie zu Lebzeiten des Kaisers nicht mehr geübt werden konnte“ [Baldass 315]. In welchen Funktions- und Rezeptionskontext unser Bild einzuordnen ist, können wir angesichts der fehlenden Datierung nur spekulativ umreißen. Stilistisch scheint es durch die Parallelen zur Kunst Joos van Cleves, aber auch Jan Mostaerts [vgl. Baldass 332], des nachmaligen Hofmalers der Statthalterin Margarethe von Österreich, auf die Niederlande zu deuten. Ludwig von Baldass führte aus: „Während Maximilian in den Niederlanden nie rechten Fuß fassen konnte und es also erklärlich erscheint, daß wir aus den Zeiten seiner Regentschaft so wenig niederländische Bildnisse von ihm besitzen, erfreute sich seine Tochter bedeutend größerer Beliebtheit. Ihr Hof in Mecheln lockte zahlreiche Maler von Bedeutung an und da man den Familiensinn der Erzherzogin kennt, ist es begreiflich, daß man nun an ihrem Hofe und in den Niederlanden überhaupt auch dem Bilde ihres Vaters großes Interesse entgegenbrachte. […] Auch nach Margaretens Tod flaute dieses Interesse nicht vollkommen ab. Maximilian war das Bindeglied zwischen dem neuen spanischen Königshause und der alten burgundischen Herzogsfamilie, deren Andenken, mit dem an die einstige politische und kulturelle Größe vereinigt, bis weit in das XVII . Jahrhundert hinein in den Niederlanden erhalten blieb“ [Baldass 330]. Die Erinnerung aus einem gewissen zeitlichen Abstand an den jungen Erzherzog würde die unlogische ‚Historisierung‘ seines noch jugendlichen Antlitzes durch das graue Haar dann auch rezeptionsgeschichtlich plausibel machen. Zu der burgundisch-niederländischen Sichtweise würde besonders gut passen, daß das Porträt nicht den römisch-deutschen Kaiser, sondern Maximilian in quasi-bürgerlichem ‚Zivil‘ nur mit der Kollane des burgundischen Hausordens vorstellt. Selbst das Fehlen des Widderfells von Kolchis würde aus dieser ‚westlichen‘ Perspektive Sinn ergeben: Anders als im von den Osmanen direkt bedrohten Österreich und Ungarn konnte man der Idee eines Kreuzzuges und Träumen von Troja hier kaum etwas abgewinnen. Stattdessen erinnert die Agraffe in religiöser Verbrämung an Maria von Burgund und ihren früh verstorbenen Sohn Philipp den Schönen, und damit an die regionale dynastische Tradition, in die Maximilian eingefügt wird. Auch daß Maximilian ohne Hände – gleichsam ‚handlungs‘unfähig – gezeigt wird, wirkt in diesem Kontext beabsichtigt: Das Porträt ‚verkürzt‘ den Monarchen auf eine rein repräsentative Funktion.

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Nicht nur der ‚große‘ Kaiser, auch „die große Kunst tritt naturgemäß zurück“ [Baldass 316] in einer zunehmend an bürgerlichen Maßstäben orientierenden Rezeption, wie sie sich gerade in den städtereichen Niederlanden zu entfalten begann. So genügten offenbar bei unsrerem Porträt die hinlängliche Erkennbarkeit der Züge Maximilians ebenso wie der sparsame, kontextlose Bildausschnitt ‚ohne weiteres‘. Nahtlos fügte sich schließlich auch der von Maximilian selbst geprägte Bildtypus in Schaube und Barett solchen Zuschreibungen und Erwartungen. Diesen sollte mentalitätsgeschichtlich eine besonders ‚lange Dauer‘ beschieden sein. Zwar „schließt in den Niederlanden die Reihe der Maximiliansbildnisse“ [Baldass 334] mit Rubens, und hier, „wie in Deutschland und am kaiserlichen Hofe, hört mit der Mitte des XVII . Jahrhunderts das Interesse an der Person des Kaisers und an seinem Bilde gänzlich auf “. Doch mit der Romantik und dem ‚Neuhumanismus‘ des ‚bürgerlichen‘ 19. Jahrhunderts feierte seine Rezeption erneut fröhliche Urständ, in Österreich massiv gefördert durch Kaiser Franz Joseph I., „der seinen Ahn bisweilen als dynastischen Leitstern für seine eigenen kulturellen Großtaten instrumentalisierte“ [Messling 103]. Als im Jahr 1890 der Maler Julius Victor Berger mit einem Deckenbild für den Neubau des Wiener Kunsthistorischen Museums beauftragt wurde, präsentierte er Maximilian zentral „als habsburgischen ‚Ur-Mäzen‘ […], umgeben von Künstlern und Gelehrten, die ihm die Reverenz erweisen“ [ebd.]. Auch dort trug er: Schaube und Barett. Literatur: Baldass; Dodgson; Eisenbeiß; Füssel; Grebe; Kagerer; Lexikon der Kunst; Madersbacher/Pokorny; Messling; Müller, Literatur; Müller, Einleitung; Musper, Burgkmair; Noflatscher; Otto; Polleroß; Pokorny; Sachse; Sahm; Scailliérez, Schmidt, Maximilian I.; Schmidt, Literatur; Schmidt-von Rhein, Maximilian aus Sicht; Silver.

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I Eine Nachschöpfung übertrumpft ihr Vorbild: Theuerdank als kalligraphische Pergamenthandschrift mit 118 originalen Federzeichnungen aus dem Umfeld Ludwigs XVI. [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. [Faksimilierende Abschrift in Tinte der Ausgabe 1519. Paris 1771–1772]. a–h8 [e2–3 ausgelassen] i6 k–n8 o–r6 s–t8 v6 x–y8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 = 2 Bl., 559 gezählte S. Mit 118 textspiegelbreiten, halbseitigen, numerierten Federzeichnungen; jeweils am Seitenrand mit französischen Legenden in fettem blauen, von zwei mageren roten Linien begleiteten Filetenrahmen. Royal-Folio (etwa 353 mm x 235 mm). Braunroter Maroquinband des späten 18. Jahrhunderts auf sechs goldverzierte Bünde, mit goldgeprägtem Rückentitel, in den übrigen Rückenkompartimenten, jeweils in doppelten Filetenrahmen, große florale Einzelstempel, Eckfleurons und petits fers in Goldprägung; auf den Deckeln dreifacher Filetenrahmen, auf den Stehkanten doppelte fette Goldfileten, auf den Innenkanten goldgeprägte florale Bordürenrahmen, mit marmorierten Vorsätzen und Ganzgoldschnitt; in moderner dunkelblauer Halbmaroquinkassette in Buchoptik mit fünf angedeuteten Bünden und goldener Rückenprägung, mit dunkelblauem Filz ausgeschlagen, signiert J. & S. Brockman, Oxford (leicht beschabt, Vorsätze berieben, wenige Bl. mit schwachen Wasserflecken, Titel modern, aber völlig werkgerecht ‚faksimiliert‘).

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Gelungene „gedechtnus“ Das oberste Prinzip der Kunst- und Buchproduktion, die von Maximilian I. ausging und geprägt wurde, war die Bewahrung seiner gedechtnus bei Zeitgenossen und Nachgeborenen. Ihnen allen wollte er „das exemplarische Bild seiner herrscherlichen Existenz durch gemäl und schrift vor Augen führen“ [Wehmer 247 f.]. Diese Haltung bezog ihre Dignität aus der Tradition: „Das Stiften von Memoria ist ein traditionsreicher – tentativ könnte man sagen: ‚mittelalterlicher‘ Akt“ [Stauber 29 f.]. Doch zugleich lebte Maximilian in einer Zeit, die „wie kaum eine andere als Zeitenwende spürbar gewesen sein dürfte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er sich dieser Umbrüche bewusst war“ [Reich 101] – und daß sich daraus umso dringender das Bedürfnis des Bewahrens speiste. Auch inhaltlich bezieht sich dieses Bemühen auf die Vergangenheit, um ausgehend von dieser die „Jetztzeit in die Zukunft und die zukünftige Erinnerung“ [Schubert, Funktionen 275] fortzuschreiben, konkret auch als eine „vorbeugende Reaktion, aus Sorge vor dem möglichen Ende dynastischer (und monarchischer) Herrschaft“ [Noflatscher 48]. So scheint Maximilian I., der ‚letzte Ritter‘ und ‚erste Artillerist‘, der Kriegsherr und ‚heilige‘ König, der leidenschaftliche Jäger und ingeniöse Gelehrte, Imperator und ‚Mann des Volkes‘, generell als „Limesfigur“ [Schubert, Maximilian 103] janusköpfig zwischen Mittelalter und Neuzeit zu stehen. Auf der Ebene der Textgattungen äußert sich diese Position in einer „Vorliebe Maximilians für ältere, höfische Erzählformen“ [Schmidt, Literatur 325], die an seine persönlichen Bedürfnisse angepaßt und in unterschiedlicher Weise hybridisiert wurden. Ein Musterfall dafür ist das mit 118 Holzschnitten illustrierte Versepos des Theuerdank, „das einzige zu Lebzeiten des Kaisers vollendete Werk mit autobiographischem Inhalt“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian, Habsburg 228]. Um die Bewahrung und Weitergabe der konkreten Objekte als Träger der Überlieferung sicherzustellen, boten sich zwei entgegengesetzte Möglichkeiten an: entweder die der Auratisierung durch Kostbarkeit, Altertümlichkeit und Seltenheit, wenn nicht Unikalität, oder die einer möglichst weiten Verbreitung durch die Nutzung moderner Reproduktionstechniken. Maximilian bediente sich beider Strategien, „das prächtige Einzel-Exemplar steht gegenüber der – wenn auch kleinen – Serie, der medialen Vervielfältigung durch Druck oder Holzschnitt“ [Schubert, Funktionen 281]; mitunter sind beide Aspekte in irritierender, gar irreführend er Weise vermischt. Als ein „Meister der Medialisierung“ [Schubert 275] erreichte der

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Kaiser eine „Vervielfältigung der Aura seiner Person bei gleichzeitiger Begrenzung des Zugangs zu ihr“ [Müller, Literatur 148]. Auch in medialer Hinsicht sollte insbesondere der 1517 gedruckte Theuerdank, „das erste bibliophile deutsche Buch“ [Burger 17], ein „Denkmal sein, das den vergänglichen Körper des Kaisers überdauert“ [Schulze 31]. Es bot ein irisierendes Bild: Das schnörkelreiche Schriftbild war so demonstrativ mittelalterlichen Prachthandschriften entlehnt, daß man glatt übersehen konnte, daß hier ein gedrucktes Buch vorlag – zumal, wenn die qualitätvollen Holzschnitte illuminiert waren. „Kunstvoll handgeschriebene Bücher […] mit durchgängiger Illustration“ [Schmidt, Literatur 325] waren Maximilian von Kindheit an und in besonderem Maße durch das burgundische Erbe seiner Frau Maria vertraut und hatten „die erstrebenswerten Vorbilder für eigene Produktionen“ [ebd.] bereitgehalten. Eine Anzahl Exemplare des Theuerdank ließ der „Papier-Kaiser“ [Larry Silver] Maximilian kostspielig auf Pergament drucken – rund 50 Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks ein anachronistischer Sonderfall, der indes dem Einzelstück auch ‚körperlich‘ eine besondere Stabilität und Haltbarkeit verlieh. Alles in allem war der Theuerdank die „perfekte Simulation einer mittelalterlichen Handschrift“ [Kaminski 189]. Was hier nun vor uns liegt, ist sozusagen die Simulation der Simulation, ein seltsames Unikum, das unter geradezu unwahrscheinlichen Bedingungen entstand: Rund zweieinhalb Jahrhunderte nach dem Druck des Theuerdank, zu einer Zeit, als der Kult um den Kaiser längst abgeflaut war, machte sich in den Jahren 1771/72 ausgerechnet ein französischer Schreibmeister namens Lesclabart [vgl. Portalis 119] daran, den Theuerdank aufs das Sorgfältigste zu kopieren. Dieser „calligraphe très-habile à imiter les anciennes impressions et les grav. sur bois“ [Brunet V, 477; vgl. auch Bradley II , 187] schuf mit der vorliegenden Arbeit „probably the masterpiece of the French eighteenth-century school of pen-facsimilists“, wie zuletzt 1993 die Experten des Auktionshauses Sotheby urteilten. Eine Biblia pauperum von seiner Hand boten wir bereits in unserem Katalog XX an (Nr. 31a). Stimmt schon das Folioformat des Bandes von rund 35 Zentimetern Höhe mit dem der Originaldrucke in etwa überein, so ist die Abschrift nicht nur seiten- und zeilenidentisch, sondern ahmt selbst die ausladenden Schreibschwünge und Schnörkel von Hand nach, für die im Original eigens Holzschnitte angefertigt und an den Schrift-

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spiegel angesetzt worden waren, um ein handschriftliches Erscheinungsbild zu erzeugen. Die Arbeit des Kalligraphen rückt die berühmte Frakturschrift, die Maximilian eigens für den Theuerdank hatte entwerfen und schneiden lassen, in den Mittelpunkt des Interesses. Auch in ihr durchdrangen sich „das Hergebrachte und das Moderne, gotische Kalligraphie und Gutenbergs Technik“ [Wehmer 250]. Die zunächst geheimgehaltene, als exklusive Zierschrift konzipierte Fraktur wurde später „zum Inbegriff der deutschen Druckschrift“ und habe, wie nicht selten beklagt wurde, „die Deutschen in geistige Isolation und Provinzialismus geführt“ [Steinmann 252]. Auch insofern haftet der Abschrift des deutschen Ritterepos durch einen Franzosen im späten 18. Jahrhunderts etwas Paradoxes an, denn „zum europäischen Sonderfall wurden die deutschen Schriftverhältnisse“ gerade „erst im 17. und 18. Jahrhundert“ [ebd. 254]. Eben diese „caractères extraordinaires […] qui figurent d’une manière merveilleuse une belle écriture allemande“ [Brunet V, 767], zogen nun das Interesse eines französischen Bibliophilen auf sich. Schriftbild und Orthographie verweisen nicht auf den privaten Erstdruck des Theuerdank von 1517, sondern auf die erste ‚öffentliche‘ Ausgabe des Buchdruckers Schönsperger von 1519. Insofern ist das modern hinzugefügte, ebenfalls handschriftlich faksimilierte Titelblatt mit der Titelvariante von 1517 nicht ganz passend. Möglicherweise war ein solches von dem Kopisten auch absichtlich weggelassen worden, um den Eindruck eines mittelalterlichen Manuskripts, das oftmals ohne Titelblatt begann, noch zu steigern. Den Gipfel der historischen Anverwandlung stellt jedoch die Wahl des Pergaments als Beschreibstoff dar. Schon Maximilian selbst ließ einige Exemplare des Theuerdank auf Pergament drucken, um diese Anmutung zu verstärken. Die Verlagsausgabe von 1519 war demgegenüber komplett auf Papier gedruckt worden. Schon für die Zeitgenossen Maximilians waren die 118 Holzschnitte bedeutsam, nicht nur als „Merkbilder“ [Schulze 28] zu jedem einzelnen Kapitel, sondern als eine über die verbale Darstellung weit hinausgehende Visualisierung, die „dem Buch eine eigene Dimension“ verlieh, welche „die Vorstellung von dem Helden Theuerdank entscheidend mitprägt“ [ebd.]. Die Zeichner Hans Burgkmair, Leonhard Beck, Hans Schäuffelein und andere sowie die Formschneider um Jost de Negker brachten die Holzschnittkunst zugleich auf „einen ersten Höhepunkt“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian, Habsburg 229]. Sämtliche 118 textspiegelbreiten, halbseitigen, numerier-

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ten Graphiken überführte Lesclabart nun wiederum in ‚originale‘ Federzeichnungen. Eine einzige Freiheit erlaubte sich der Schreibmeister gegenüber dem ‚deutschen‘ Original: Jeweils am Seitenrand versah er die Bilder zusätzlich mit französischen Legenden, die er mit einem fetten blauen, von zwei mageren roten Linien begleiteten Filetenrahmen umgab. Dies läßt auf ein über die ‚Kuriosität‘ hinausgehendes inhaltliches Interesse des Auftraggebers schließen. Frappierend ist, daß dann die Rezeption eines der deutschen Sprache unkundigen Franzosen in etwa der eines nicht vollständig alphabetisierten Adligen des ausgehenden Mittelalters entsprach, indem sie über die Bilder und knappe Beischriften geschah. Ursprünglich enthielt das Manuskript wohl auch eine „table of contents in French at the end“ [Sotheby’s 1993], die jedoch 1993 nicht mehr vorhanden war. Das läßt an eine selektive Lektüre einzelner Passagen des Epos denken, das ohnehin tendenziell in seine 118 Einzelepisoden zerfiel. Damit rückt der Auftraggeber und Erstbesitzer des kostbaren Manuskripts selbst in den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Glücklicherweise ist er keineswegs „a mysterious figure“, wie er von Sotheby’s hingestellt wurde – wir können ihn vielmehr recht gut identifizieren: Das Buch stammt, wie bereits die britischen Kollegen ermittelten, aus der „collection of Paris d’Illins; sale, London, Edwards and Robson, 28 March 1791“; in diesem Katalog waren auch schon der Name des Schreibers und die Enstehungszeit angegeben [vgl. Edwards/Laurent, Nr. 348]. Da das Buch in den Jahren 1771 und 1772 angefertigt wurde, geschah dies höchst wahrscheinlich für Antoine Pâris d’Illins (1712–1777), den Sohn von Claude Pâris la Montagne und Neffen von Joseph Pâris-Duverney [vgl. Hoefer 39, 206 f.], beides reiche, von der Madame de Pompadour protegierte Finanziers. Vor dem Hintergrund der zerfallenden absolutistischen Monarchie in Frankreich gewinnt das Epos vom Theuerdank alias Kaiser Maximilian I. als direktes Gegenbild ein besonders scharfes Profil. Man stelle sich vor: hier der alternde Ludwig XV., der 1770 die Parlamente auflöste, fortwährend mit einer Adelsopposition kämpfte und nach dem Tod seines Sohnes als Thronfolger einen noch unmündigen Enkel hatte, dort der aufstrebende Ritter Theuerdank, der mühelos alle Gefahren und Herausforderungen bewältigt, um die Erbtochter von Burgund zur Frau zu bekommen – hier die alten Zöpfe, dort ein junger ritterlicher Jäger; hier das abgelebte Ancien Régime, dort scheinbar naiv-frisches Mittelalter.

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Weniger interessiert war Antoine Pâris d’Illins dabei anscheinend an der konkreten Geschichte und Biographie Theuerdank-Maximilians, wenngleich die im burgundisch-niederländischen Grenzsaum angesiedelten Ereignisse auch für die Geschichte Frankreichs höchst bedeutsam waren. Doch wurden die acht Blätter der Clavis, in denen der Redaktor Melchior Pfinzing Tarnnamen und Handlungsorte entschlüsselte und die Episoden zumindest ansatzweise auf die Biographie Maximilians hin transparent machte, nicht mit abgeschrieben. Es genügte vielmehr die attraktive Bildergeschichte in 118 Kapiteln. Das Fehlen der Clavis, die ohnehin als sekundärer Nachtrag Pfinzings aufgefaßt werden kann, leistet einer literarischen Wahrnehmung Vorschub, in der „Gedechtnus […] vielleicht doch nicht immer Herrscherlob“, sondern ein „weiter gefasstes Konzept der memoria“ meint, und in der die Figur des Theuerdank zu „einer typenhaft-abstrakten Herrscherpersönlichkeit“ [Kohnen 292] generalisiert wurde. Was unser handschriftliches ‚Faksimile‘ auf Pergament mit allen Mitteln vergegenwärtigte und heraufbeschwor, waren die ‚alten Zeiten‘, denen sich die Eliten des Ancien Régime mental offenbar noch immer verbunden fühlten – gegen ein von unten nachdrängendes Bürgertum, das sich in der Revolution von 1789 Bahn brechen sollte. Doch nicht nur angesichts der schleichenden Entfremdung von der eigenen Gegenwart und dem eigenen peuple mutet die ‚Allianz‘ mit einem Habsburger Dynasten geradezu natürlich an; sie wurde vielmehr auch auf der Ebene der konkreten Ereignisse aktualisiert: Am 16. Mai 1770 heiratete der Dauphin Louis, der spätere König Ludwig XVI ., Marie-Antoinette von Österreich – ein ferner Vorgeschmack auch auf die ‚Koalitionskriege‘ des alten Adels und der europäischen Feudalmächte gegen das revolutionäre Frankreich. Unmittelbar darauf gab Antoine Pâris d’Illins das prachtvolle Manuskript bei Lesclabart in Auftrag. Der relativ schlichte rote Maroquinband mit dem Rückentitel „Histoire du Chev. Tevverdannch“ reihte das Werk auch äußerlich in den Kontext der Buchkultur des späten 18. Jahrhunderts ein. Die Funktion des bibliophilen Wunderwerks kehrte sich im Vergleich mit dem Vorbild freilich geradezu um: Wollte Maximilian die Exemplare des Theuerdank-Erstdrucks nach seinem Tod an seine engsten Getreuen ausgeteilt wissen, so war es nun ein Günstling am Königshof, der sich mit der spektakulären Nachahmung mutmaßlich bei dem frischverheirateten kommenden König Ludwig XVI . und seinem engsten Kreis ins Gespräch bringen wollte.

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Antoines Sohn und Erbe, Antoine Marie Pâris d’Illins (1746–1809), war 1761 in jugendlichem Alter ins Militär eingetreten, wo er Karriere machte. Auch er war dem monarchischen Ancien Régime eng verbunden, und noch im Mai 1792 in den Generalsrang eines Maréchal de Camp erhoben worden. Mit der Französischen Revolution änderte sich jedoch alles; auch das Buch war plötzlich ‚reaktionär‘, sein Besitz brisant, möglicherweise sogar gefährlich. Zusammen mit der gesamten Bibliotheca Parisina [vgl. Rau, insbes. 316, und dort Anm. 33] ließ Pâris d’Illins es 1791 auf einer Auktion in London versteigern. Er selbst emigrierte unmittelbar nach der gescheiterten Flucht König Ludwigs XVI . im August 1792 mit La Fayette nach England. 1801 kehrte er nach Frankreich zurück, um im Heer Napoleons zu dienen. Er fiel 1809 in der Schlacht bei Ocaña in der Nähe von Madrid. In dem Moment, als es Antoine Marie Pâris d’Illins gelang, das Theuerdank-Manuskript auf der Auktion von Edwards und Robson am 28. März 1791 in London zu verkaufen (als Nr. 348 für £ 15.4.6 an „Wilson“), verlor es freilich seine politische Aura und trat in einen neuen Abschnitt seiner Geschichte ein: als Objekt bibliophiler Begierde. Nach de Ricci befand es sich in der berühmten Sammlung von Robert Lang, in dessen Auktion 1828 es allerdings nicht aufscheint. Auf der Auktion W. Bragge wurde es 1876 als Nr. 418 für £ 52.– an Davidson verkauft – als die Originalvorlage für den Druck von 1517 [!]; in der Sotheby-Auktion von Walter Sneyd von 1903 war es die Nr. 771. Später verewigte sich der österreichisch-kanadische Bankier Rudolf von Gutmann (1880–1966) auf dem Spiegel mit seinem Exlibris und auf dem Vorsatzblatt verso mit der handschriftlichen Signatur „Gu 723“. 1993 wurde die „Sammlung Rudolf von Gutmann“ von Sotheby’s in London versteigert; unser Buch (Nr. 75) wurde laut Price List von dem Londoner Händler Sam Fogg für £ 25 300 erworben. Nach über 200 Jahren gelangte das in Frankreich entstandene Buch aus dem englischen in den deutschen Sprachraum. Uns bezeugt dieses ebenso eigen- wie einzigartige ‚Faksimile‘ des Theuerdank den maximalen Erfolg und die weiträumige Strahlkraft des maximilianischen „Ruhmeswerks“ bis an die Schwelle des modernen Zeitalters – und darüber hinaus. Literatur: Bradley; Edwards/Laurent, Nr. 348; Rau; Sotheby’s 1876, Nr. 418; Sotheby’s 1903, Nr. 771; Sotheby’s 1993, Nr. 75.

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1 Die Erstausgabe des Theuerdank auf Pergament, in der noch unkorrigierten Variante, vollständig, breitrandig – illuminiert! [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. Nürnberg, Johann Schönsperger, [1517]. a–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x–y8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 A8 = 290 Bl. – Das leere Blatt P5 am Ende von Kapitel 117 wurde als letztes Blatt eingebunden. Mit 118 großen (textspiegelbreiten), im Druck numerierten Holzschnitten im Originalkolorit. Royal-Folio (ca. 369 x 243 mm). Geglätteter roter Maroquinband des frühen 18. Jahrhunderts auf fünf goldverzierte Bünde, mit goldgeprägtem Rückenschild, in den übrigen Rückenkompartimenten große florale Einzelstempel in Quadratrautenform und große Eckfleurons in Goldprägung; auf den Deckeln zwei goldgeprägte Bordürenrahmen, der innere innen und außen mit Eckfleurons, mit goldgeprägten Steh- und Innenkanten, festen Pergamentvorsätzen und Ganzgoldschnitt mit etwas Punzierung an Kopf- und Fußschnitt; in moderner Leinenkassette mit goldgeprägtem roten Leder-Rückenschild und mit Velours ausgeschlagen (beschabt, Außengelenke schadhaft aber stabil, unteres Kapitalband teils gelöst; Schließbändchen der Kassette fehlend). Maximilian und „Theuerdank“ – eine wahrhafte Legende Dies ist er – der legendäre Theuerdank, von Kaiser Maximilian I. selbst initiiert, inhaltlich konzipiert, ausgestaltet und in allen Produktionsphasen beaufsichtigt, in der ersten, für seine persönlichen Zwecke gedruckten Ausgabe. Es ist eines der mutmaßlich gut 40 auf kräftiges Pergament gedruckten Luxusexemplare, in der frühen, noch unkorrigierten Variante. Schon der Herausgeber der ersten

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historisch-kritischen Textedition, Carl Haltaus, rühmte 1836 diese „erste, höchst prachtvolle Ausgabe“ des Theuerdank als „ein Meisterstück ihrer Zeit, sowohl in Betreff des herrlichen Fracturdruckes, als auch der 118 beigefügten, herrlichen Holzschnitte“ [Haltaus 35] – in unserem Exemplar wurden diese zudem noch souverän illuminiert. Seither hat das „erste bibliophile deutsche Buch“ [Burger 17] nichts von seiner Faszination verloren, was sich nicht zuletzt in einer Reihe faksimilierter Exemplare gerade auch im Vorfeld des 500. Todesjahrs Maximilians im Jahr 2019 ausdrückt. Anders als die etablierte Gedenkkultur vermuten läßt, war allerdings weder die historische Größe, noch die gelungene gedechtnus des Habsburgers bei der Nachwelt vorgezeichnet. Verwirrungen des jungen Maximilian Der Sohn Kaiser Friedrichs III . kam am 22. März 1459 in Wiener Neustadt zur Welt. Aus der eigentlichen Residenz Wien war sein Vater von der aufständischen Bürgerschaft zuvor vertrieben worden. 1462 wurde die Familie während des Habsburger „Bruderzwistes“ in der Wiener Hofburg eingeschlossen und längere Zeit belagert – außer Lebensgefahren hatte sie auch „Not und Hunger“ [Fichtenau 6] auszustehen. Insbesondere Friedrichs energischer Gattin Eleonore von Portugal muß „die beschämende Lage […] sehr zugesetzt haben“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian, Habsburg 227]; überhaupt kritisierte sie „seine Inkonsequenz, Schwäche und Nachsichtigkeit“. So war bereits die frühe Kinderzeit Maximilians geprägt von existenziellen Bedrohungen einerseits und einem tiefen Dissens seiner Eltern andererseits. Die Last eines großen Namens wurde ihm bereits bei seiner Taufe am Osterfest 1459 mitgegeben. Nachdem sechs Jahre zuvor Konstantinopel an das Osmanische Reich gefallen war, wollte seine Mutter ihn ursprünglich „Konstantin“ als den „künftigen Wiedereroberer“ [Füssel 7] der oströmischen Kaiserstadt nennen; man einigte sich dann auf den Namen „des legendarischen Heiligen Bischof Maximilian […], der als Schutzpatron gegen die Türken galt“. Auch die osmanische Bedrohung „prägte Maximilians Jugendjahre und führte zur Gründung des St. Georg-Ritterordens und zur Kreuzfahrermentalität in vielen von Maximilians Schriften“ [ebd.]. Die moderne Psychologie würde beim kleinen Kaisersohn vielleicht auf traumatische Erfahrungen stoßen; seiner Umwelt war der gestörte Knabe ein Rätsel: „Der Prinz habe vom frühen Kindesalter bis fast an sein neuntes Lebensjahr Schwierigkeiten beim Sprechen gezeigt, zum großen Schmerz der Mutter; ja Maximilian sei ‚sprachlos‘ gewesen“. Dies lag wohl auch an einer Fehlstellung des Unterkiefers,

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einem Habsburger Erbleiden, doch Friedrich III . befürchtete noch von seinem zwölfjährigen Sprößling, „er werde dereinst ‚dumm oder stumm‘ sein“ [Fichtenau 6]. Auch bei der Erziehung „gab es Konflikte schon in Maximilians frühestem Alter, da ihn der Vater gern mit Altersgenossen in wilden Spielen herumtollen sah, während die Mutter ‚glaubte, ihr Söhnchen allein zum Eifer in der Religion anhalten zu müssen‘“ [ebd. 10]. Maximilian selbst war einerseits „stolz darauf, daß ihm schon als kleinem Kind der Donner der Geschütze um die belagerte Wiener Burg Freude bereitet hatte; heimlich sammelte er einst Schießpulver, das genügt hätte, ihn in die Luft zu sprengen“ [ebd.], andererseits sorgte seine Mutter „schon früh für die Förderung seiner geistigen Fähigkeiten und der schönen Künste, um ein Gegengewicht gegen die zu jener Zeit vorherrschende Auffassung von der Wichtigkeit der verschiedenen Sportarten und der Waffentechnik zu bilden“ [Schmidtvon Rhein, Maximilian im Spiegel 210]. Dabei konnte „die Liebe der Mutter – die vielleicht immer noch in der Sprache der Heimat zu reden pflegte – […] nicht über das gegenseitige Unverstehen des Elternpaares hinwegtäuschen“ [Fichtenau 6]. Als sie mit nur 32 Jahren starb, übersiedelte das noch nicht neunjährige „verhätschelte Kind“ [ebd. 7] endgültig „in die Knaben- und Männerwelt“, um außer Reiten, Jagen und Kämpfen „das Befehlen [zu] lernen, wie es dem künftigen Herrn des Reiches geziemte“. Wohl von beiden Elternteilen übernahm Maximilian „den unbeirrbaren Glauben an die Größe des Hauses Habsburg“ [ebd.]. Auch seine Jugend- und Schulzeit erlebte er zwiespältig. Während sich etwa sein „besonderer Widerwille“ gegen die Poetik richtete, war er „von den Historien und Taten der großherzigen Könige und Fürsten […] und der Jagd“ begeistert: „Heimlich habe er diese Dinge treiben müssen, da der Lehrer sie ihm nicht beibringen mochte und konnte, und deshalb sei er in große Unlust und Traurigkeit geraten“ [ebd. 10]. Kein Wunder, daß ihm „weder die harte Erziehung durch den Lehrer noch die höfische Bewunderung seiner Talente“ helfen konnten, „Maß und Richtung zu finden“ [ebd. 5]. In diesen ambivalenten Prägungen ist die grundlegende Signatur seines „übersteigerten Geltungsbedürfnisses“ [Hollegger 15] und Ehrgeizes zu erkennen: „Ein Sich-Messen an anderen und Planen jenseits der Realität haben diesen Herrscher zeitlebens gekennzeichnet; in vielem ist er auch in späten Jahren ein Jüngling geblieben. Mehr noch als für seine Politik gilt dies für Maximilians literarische Schöpfungen“ [Fichtenau 5]. Besonders angesichts des humanistischen „Ideals eines universalen Menschen und Herrschers“ mußte in der Lebenswirklich-

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keit „die Kehrseite solchen Beginnens zutage treten […], nervöse Unrast, Zersplitterung und [ein] Dilettantismus, der mehr den Erfolg als die Leistung sucht“ [ebd. 10]. Seine Heirat am 19. August 1478 mit der verwaisten Maria von Burgund, der Erbin des burgundisch-niederländischen ‚Mittelreichs‘ zwischen Frankreich und Deutschland, änderte sein Leben von Grund auf. In einer außen- wie innenpolitisch extrem bedrohlichen Lage hatte er sich in dem ihm unbekannten Land erstmals als Herrscher zu bewähren [vgl. Blockmans 52 und 60]. Einem Freund in Österreich schrieb der 18jährige Maximilian, „er sei der armist mensch, der weder essen, schlafen, spazieren gehen noch stechen könne aufgrund von ubrigen geschefften“ [Noflatscher 33]. Andererseits begeisterte ihn die reiche und glanzvolle Kultur Burgunds, die ihm eine neue politische, soziale und kulturelle Welt eröffnete. Auch die Ehe Maximilians mit Maria war glücklich, insbesondere trafen sich beide in der gemeinsamen Leidenschaft für die Jagd. Um so tragischer, daß die junge Frau 1482 bei einem Sturz von ihrem Jagdpferd tödlich verunglückte und ihren 23jährigen Witwer mit zwei kleinen Kindern zurückließ. Nun flammten insbesondere in den selbstbewußten Städten Flanderns Aufstände gegen den österreichischen Erzherzog neu auf; sie gipfelten in einer mehrmonatigen Gefangenschaft des Herrschers 1488 in Brügge. Mit der Übernahme Tirols und der alemannischen Vorlande 1490 und seiner Königskrönung 1493 weitete sich der Horizont seiner Herrschaft aus; von nun an entfaltete Maximilian eine „atemberaubende Reisemobilität von den Niederlanden bis nach Ungarn, in die Toskana und das Elsaß“ [Noflatscher 36] und führte zahlreiche Kriegszüge, an denen er sich auch als Kämpfer beteiligte [vgl. Prietzel 220]. Dabei herrschte stets eine „gespannte Atmosphäre im engsten Hofkreis“, die mit Maximilians „rastloser Biographie zu tun [hatte], der Hyperaktivität und ungeheuren Mobilität, häufigem Abbruch von Schlaf und so fort“ [Noflatscher 39 f.] – Begleiterscheinungen im Leben eines Strategen, der Alles „in Bewegung halten, sich möglichst wenig binden und damit die verschiedensten Möglichkeiten offen halten“ [Hollegger 12] wollte und der niemandem, „nicht einmal den eigenen Räten und Sekretären“ vertraute [ebd. 25]. Als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, zu dem er sich 1508 ohne Zutun des Papstes krönen ließ, war seine Macht „bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt“, hatte er von den Reichsständen „eine Demütigung nach der anderen hinzunehmen und mußte sich zeitweise vollends fügen, um überhaupt noch als formelles Oberhaupt geduldet zu werden“ [Schurz 160]. Durch geschickte Heiratspolitik

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schuf er allerdings die Grundlagen für eine europäische Machtstellung des Hauses Habsburg. 1517 griff er letztmals das ihm bereits in die Wiege gelegte Kreuzzugsprojekt auf, das auf dem Augsburger Reichstag 1518 rundweg abgelehnt wurde. Maximilian I. starb am 12. Januar 1519 auf einer Reise von Innsbruck nach Linz in der Burg von Wels. Verarbeitungen Die Lebensgeschichte Maximilians bildet in verfremdeter und überhöhter Form den Kern seiner ‚Gedächtniswerke‘. War er in der Realität „verstrickt in ein Netz von Kontinuitäten, Problemen und Entscheidungszwängen“, so bemühte er sich um so intensiver, durch „fast besessen anmutende Aktivitäten, […] Erinnerung an sich [zu] stiften“ [Stauber 29 f.]. Dabei ließ die Memoria „unter den Prämissen des Humanismus die Sphäre von Kirche und Fömmigkeit“ [Schauerte 95] zunehmend hinter sich – nicht zuletzt darum aber schwebte die triumphale Selbstinszenierung des Renaissance-Heros über einem „Abgrund von Verlorenheit“: Nach dem „Rückzug Gottes […] mußte nun der Mensch sich selber ehren“ [Schurz 165]. Eingebettet und abgesichert wird die Biographie Maximilians durch Darstellungen seiner genealogisch-dynastischen Herkunft; angereichert mit Reflexen auf mythische und historische Figuren ebenso wie mit Projektionen auf zukünftige, teils utopisch scheinende Rollenübernahmen und Herrschafts-Ansprüche. Diese Zweiseitigkeit prägt die Erinnerungskultur elementar: „Die gedechtnus an das Selbst wird kommenden Generationen aufgetragen; die gedechtnus an vorige Generationen ist Verpflichtung der Lebenden“ [Schubert, Funktionen 275]. Gewidmet sind die Gedächtniswerke als Fürstenspiegel zunächst den direkten Herrschaftsnachfolgern – der Weißkunig den Kaiserenkeln Karl und Ferdinand, der Theuerdank Karl allein. Ihm war Maximilian letztmalig 1517 in Brüssel begegnet, wo er ihn „in die Geheimnisse seiner Politik eingeweiht und ihn für seine künftige Regierung mit viel guten Lehren ausgestattet“ [Liliencron 323] hatte. Doch indem diese Werke die Biographie durch die literarische Gestaltung in der Art mittelalterlicher Ritterepen und ‚Heldenbücher‘ „ins Überzeitliche und Allgemeingültige“ [Schubert, Funktionen 275] erhoben und „das ideelle Selbstbild eines ritterlichen, von göttlicher Vorsehung geleiteten Herrschers“ [Messling 109] präsentierten, richteten sie sich perspektivisch an die gesamte Nachwelt zum ewigen Angedenken.

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Es ist überliefert, daß Maximilian „bei jedem Zusammensein, vor allem mit ausländischen Fürsten, Geschichtserzählungen vortrug; auch um daran seine königlichen Grundsätze darzulegen, wobei er besonders gern auf die Ruhmestaten seiner Vorfahren zu sprechen kam“ [Noflatscher 45]; seit den 1480er Jahren nachte er eigenhändige Aufzeichnungen, seit den 1490er Jahren arbeitete er an einer lateinischen Autobiographie nach dem Vorbild Cäsars und spätantiker Kaiserviten als einem – mit Horaz gesprochen – monumentum aere perennius. Dafür diktierte er zwischen Regierungsgeschäften seine Erlebnisse verschiedenen Schreibern, doch kam die Arbeit nicht über eine heterogene Materialsammlung hinaus; „zu Beginn des 16. Jahrhunderts scheint Maximilian den Plan aufgegeben zu haben“ [Müller, Literatur 147]. An dessen Stelle trat wohl ab 1506 der historiographisch angelegte deutschsprachige Weißkunig, aus dem das Turnierbuch Freydal und um 1510 das Brautfahrtsepos Theuerdank ausgegliedert wurden; punktuelle Verweise aufeinander blieben bestehen. Während Rochus von Liliencron 1873 noch die plakative Haltung vertrat, daß der Theuerdank „nur persönliche Anekdoten“ enthalte und „ausschließlich vom privaten Leben, der Weißkunig dagegen von der öffentlichen Wirksamkeit des Kaisers auf seinen Feldzügen handelt“ [Liliencron 356], zeichnet die heutige Forschung ein differenzierteres Bild, wonach sich „der Held Theuerdank zwischen naiver Tat und Heldentum bewegt“, während im Weißkunig „Historie zugleich nachgezeichnet und aufgelöst“ [Reich 99] werde. Bei beiden Texten stellt demnach die Biographie „nicht das Erzählmodell“ [Kohnen 291] dar, vielmehr handelt es sich um literarische Texte „mit der Aura des Echten, Bedeutsamen“ [ebd. 292], die einander ergänzende Rollenideale propagieren: „So lässt sich Theuerdanks fortitudo die sapientia des Weisskunig gegenüberstellen, und mit der formvollendeten Höfischkeit Freydals flankieren“ [ebd.]. Dem entsprechen die verschiedenen Textgattungen „des Ritterromans Theuerdank, der allegorisierenden Prosachronik Weißkunig“ bzw. „bildnerische Muster“ [Müller, Einleitung 5], wie die unermüdlich aneinandergereihten Turnierszenen des Freydal. Immer aber werden Geschehenes und Geschichte „durch die Mühle der Bedeutungsaufladung“ getrieben, „wobei literarische Modelle von Heldentum sowie moralische und typologische Deutungsmuster einfließen“ [Schubert, Funktionen 279]. Mit Thomas Schauerte läßt sich zusammenfassen: „Literatur, Historiographie und bildende Künste geraten in ein enges Verhältnis wechselseitiger Referenzialität“ [Schauerte 95].

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Die schiere Monumentalität und Komplexität der maximilianischen gedechtnus-Projekte erforderte die Zusammenarbeit von organisierenden und ausführenden Sekretären und Gelehrten, Zeichnern und Graphikern. Erschien Maximilian selbst ebenso „ambitiös“ wie „unstetig und sprunghaft“ [Kohler 90], so war er es doch, der alle Fäden in der Hand halten wollte und sich „als eigentlicher Autor verstand, der durch seine angebung alle Werke ins Leben gerufen hatte“ [Müller, Literatur 146]. Darüber hinaus war er „Lektor, Korrektor und Bildredakteur, Verlagshersteller und Verleger in einer Person“ [Wehmer 252]. So entstanden synthetische Gemeinschaftswerke „von höchst unterschiedlicher Qualität“, bei denen „Virtuoses neben Ungeschicktem“ [Müller, Literatur 146] steht. Viele Projekte blieben überhaupt „unausgeführt oder Fragment“ [ebd. 142] – paradoxerweise spiegelt gerade die lückenhafte Physiognomie des Ruhmeswerks authentisch das historische Gesamtbild. Als einziges der drei großen Buchvorhaben wurde der Theuerdank fertiggestellt und noch zu Lebzeiten Maximilians I. gedruckt. Wohl ab 1510 bearbeitete Maximilians Silberkämmerer Sigmund von Dietrichstein eine erste Fassung des Theuerdank. Da der Kaiser ihm am 14. Oktober 1512 den Auftrag gab, den letzten Teil, der sich „mit den Neidelhart-Episoden beschäftigt, ‚in derselben Weise herzurichten wie den Unfalo‘, können wir davon ausgehen, dass Dietrichstein mindestens zwei Drittel des bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Manuskriptes grundlegend überarbeitete“ [Füssel 42]. Am 11. Juni 1514 erhielt wiederum der Sekretär Marx Treitzsaurwein „ein ‚Gnadengeschenk‘ für die am Theuerdank vorgenommene redaktionelle Tätigkeit“, was wohl den „Übergabezeitpunkt des vollständig zusammengeführten Manuskriptes, inklusive der Einbindung der Abbildungen“ [ebd.] markiert. Mit der Endredaktion wurde dann der Nürnberger Probst Melchior Pfinzing betraut, der das Werk mit einer Widmung an Karl V., einer poetologischen Vorrede und einer Clavis versah, die neben dem Literalsinn weitere ‚verborgene‘ Sinnebenen anbot. 1517 gab er das fertige Manuskript 1517 bei Johann Schönsperger d. Ä. in den Druck. Die Erzählung der Brautfahrt des Titelhelden wird eingebettet in eine Rahmenhandlung, die damit beginnt, daß König Romreich ihn zum Ehemann seiner Tochter Ehrenreich bestimmt, was beide Brautleute akzeptieren. Vor seinem Aufbruch erscheint Theuerdank der Teufel als Gelehrter mit Krallenfüßen, der vergeblich versucht, ihn auf moralische Abwege zu locken, und ankündigt, ihn durch seine Dienstleute zu verfolgen – der Christus-Bezug ist evident (Kapitel 1–10). Auf der Reise muß der junge Ritter, begleitet nur von

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seinem Herold Ehrenhold, in 88 Kapiteln dann zahlreiche geuerlicheiten überstehen, die drei verräterische Hauptleute der Königin, Fürwittig, Unfalo und Neydelhart, für ihn arrangieren: Unfälle auf der Jagd und in alltäglichen Situationen, Krankheiten, Schiffbruch und Kriegsgefahren. Nachdem er sie sämtlich bewältigt und glücklich überstanden hat, gelangt er an den Hof Ehrenreichs, wo der zweite Teil der Rahmenhandlung beginnt: Nochmals muß er sich bewähren, indem er sechs von seinen Widersachern gedungene Ritter im Turnier besiegt. Erst nach einer Anklage – nicht durch Theuerdank, sondern durch Ehrenhold – werden die intriganten Hauptleute vor dem königlichen Gericht zur Rechenschaft gezogen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Nun verspricht Ehrenreich Theuerdank erneut die Hochzeit, doch bittet sie ihn, vorher noch gegen die Ungläubigen in den Krieg zu ziehen, die ihr Land bedrohen. Als ihm auch ein Engel erscheint und verkündet, daß er bisher lediglich weltliche Ehre erworben hat – was die Clavis freilich als „poetrey“ markiert – erklärt sich Theuerdank zum Kreuzzug bereit. Das vorletzte Kapitel 117 zeigt ihn in einem Holzschnitt zwar „an der Spitze eines Heeres, doch blieben die augenscheinlich für die Erzählung vorgesehenen drei Seiten unbedruckt. Auf diese Lücke folgt im letzten Kapitel etwas unvermittelt eine Lobrede auf Theuerdank und die Beteuerung, auch seine zukünftigen Taten dokumentieren zu wollen. Versucht man, die Handlung mit der Biographie Maximilians abzugleichen, so läßt sich unschwer die dynastisch hochbedeutende Hochzeit mit Maria von Burgund als zentrales Thema erkennen, dem die übrigen Themenkomplexe zugeordnet werden. Den zahlreichen persönlichen Gefahrensituationen, welche die Hauptmasse des Textes bilden, stand Maximilian freilich zu allen Zeiten gegenüber. Zwar betonen sie „Mut und Unerschrockenheit“ und wohl auch die „Wichtigkeit des Erhalts der Herrscherpersönlichkeit“, doch weisen sie „nicht über die einzelne Gelegenheit hinaus“ [Schubert, Funktionen 280] und glänzen vor allem durch „gesellschaftliche Folgenlosigkeit“ [ebd. 281]. Die Kämpfe mit oppositionellen Ständen, vor allem in den Niederlanden, haben nach der Hochzeit bzw. erst nach dem frühen Tod Marias stattgefunden und erscheinen im Theuerdank isoliert von allen politischen Kontexten. Von Maximilian stets beabsichtigt, jedoch nie durchgeführt wurde schließlich der Kreuzzug, der im Theuerdank auf eigenartige Weise umgangen bzw. ‚umschrieben‘ wird. Ungeachtet aller Widrigkeiten des realen Lebens und der Ungereimtheiten der Darstellung steht Maximilian im Schlußholzschnitt als der anscheinend unangefochtene, strahlende Bezwinger der Weltgeschicke auf einem Kranz aus 14 Schwertern da – es sei

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denn, das Motiv bedeutete nicht unbedingt eine „Schlussapotheose“ [Wegener 218] als „imaginierter Sieg im Heidenkampf “ oder „über die Macht der Fortuna“ [Schulze 30], sondern eine „Schwertrose“, die Schlußfigur des Schwerttanzes, in der der Anführer der Tanzgruppe wie ‚auf den Schild‘ gehoben erscheint [vgl. Strohschneider 381 gegen Ziegeler]. „Die Erzählung ist leider herzlich schlecht ausgefallen“ [Liliencron 355], urteilte Rochus von Liliencron unumwunden, gestand der „lange[n] Reihe von Jagd-, Schlacht- und anderen Anekdoten aus dem Leben des Kaisers“ aber zu, daß sie von den Zeitgenossen „mit eben demselben Behagen“ gelesen worden sei, „mit dem heute etwa ein leidenschaftlicher Jäger, der selbst das halbe Leben im Wald verbringt, eine Sammlung von Jagdgeschichten verschlingt, die jedem anderen Leser als ungenießbare Kost erscheinen“ [ebd. 356]. Karl Goedeke wunderte sich, daß der Herausgeber Pfinzing „da Uebermenschliches erblickt, wo die Spätern und die Gegenwart nichts Besonderes finden können, weil die Anschauungen über den Werth der Dinge, die ohne geistige Kraft zu vollbringen sind, sich geändert haben“ [Goedeke, Einleitung VIII f.]. Auch heutige Forscher erkennen in den Vollbringungen des ‚letzten Ritters‘ nurmehr einen „Abklatsch heroischer Taten“ [Jan-Dirk Müller, zit. nach Kohnen 270] und bemängeln die schiere „Quantität, eine Inflation von Bildern und Symbolen“ [Noflatscher 46], die „häufig unerquicklich dürre oder aber bombastische Resultate zeitigt“ und der „in der Summe etwas Monströses anhaftet“ [Petermann 60]. Allerdings liegt gerade der möglichst vollständigen „Registrierung des Gedenkwürdigen“ [Müller, Literatur 145] und der „Wiederholung und Vergegenwärtigung“ [Stauber 29] ein traditionelles Konzept der Gedächtnis-Sicherung zugrunde – wie auch ein Bild von Geschichte als der „beständigen Wiederkehr des immer Gleichen“ [Boßmeyer 227 f.]. So seien die „vielfach bemängelten Motivwiederholungen“ sowohl „typisch für mittelalterliche Ritterromane, beweist doch die Quantität der erfolgreich bestandenen Abenteuer nicht zuletzt die Qualität des Helden“ [Grebe 12], als auch für die Struktur chronikalischer Berichte, „die sich hinsichtlich der Handlungsmuster ebenfalls oft ähneln“ [ebd.]. Das additive Erzählen wird von verschiedenen Gattungsprinzipien überformt, die eine „monumentalisierend-überhöhende Darstellung“ [Müller, Literatur 145] bezwecken, etwa um Theuerdanks und damit Maximilians Handlungen „als ritterliches Tun“ erzählen zu können: „Dies führt zu Schematisierungen der adaptierten Muster und zu inneren Widersprüchen des Romans“ [KNLL 11,

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394]: So findet eine Braut-‚Werbung‘ erst gar nicht statt, die ritterlichen Taten Theuerdanks sind weder nötig, um die Auserwählte zu gewinnen, noch haben sie irgendeine soziale Bedeutung wie die klassischen Ritter-Aventiuren [vgl. Schulze 24 ff.; Kohnen 274]; moralisch ist die naive Waghalsigkeit, mit der er sich auf die teuflischen Verführungen einläßt, geradezu verwerflich [vgl. Kohnen 271 f. und 275]. Auch werden die gegnerischen Hauptleute nicht durch seine Taten, sondern durch ein – neuzeitliches – Gerichtsverfahren endgültig unschädlich gemacht. Generell bleibt die gesamte „Raum- und Zeitstruktur des Textes […] völlig wirr“ [Reich 91]. Unstimmigkeiten versucht Pfinzings angefügte Clavis durch die Behauptung eines mehrfachen, verschlüsselten Schriftsinns aufzufangen, wodurch freilich jeweils ein „konkurrierendes Deutungsangebot“ [Müller, Gedechtnus 124] gemacht wird. So stellen die drei feindlichen Hauptleute „auf der Ebene der ‚Chroniken‘ […] die Gegner Maximilians, insbesondere die oppositionellen niederländischen Stände“ [Grebe 14] dar; „auf der Ebene der ‚Wahrheit‘ sind sie als Personifikationen der Lebensalter des Helden zu verstehen“, wie es in der Clavis heißt, in religiöser Dimension sind sie schließlich „vom Teufel ausgesandte Widersacher“ [ebd.]. Auch Theuerdanks Rollenkonzepte „als Fürst, als Ritter, sowie als idealer miles christianus und Christusnachfolger“ können in den Handlungszusammenhangen von Heirat, Abenteuer und Kreuzzug nicht „überzeugend“ [Strohschneider 382] verbunden werden; vielmehr überlagern sie sich erzähllogisch „auf problematische Weise“ [ebd. 383], wie Peter Strohschneider demonstriert hat. Gerade die „heilsgeschichtliche Relevanz, die hinter jeder Heldentat stehen muss, um ihr Sinn zu verleihen“ [Reich 92], fehlt aber den profanen Heldentaten Theuerdanks, wie in der Clavis und schon im 113. Kapitel von der Königin Ehrenreich selbst bemängelt wird. Mit dem Kreuzzugsauftrag gibt sie ihm die Möglichkeit, sich auch auf diesem Feld zu bewähren. Während er im Holzschnitt zum 117. Kapitel schon als St. Georgs-Ritter loszieht, blieben die drei folgenden Seiten jedoch unbedruckt und wären durch einen Kreuzzugsbericht erst noch zu füllen: ein frappierender Ausdruck dieses Mangels! Björn Reich betonte, daß es dem Kaiser dabei „keineswegs um Selbstkritik gegangen sein dürfte, sondern eben um die Lücke als heilsgeschichtliches Faktum und als Politikum“ [ebd.], als ein Auftrag an die Nachfolger, das begonnene Werk – eingedenk Maximilians – fortzusetzen und zu vollenden. Bei ihrer letzten Begegnung des Jahres 1517 überreichte Maximilian seinem Enkel Karl vermutlich nicht nur ein Exemplar des Theuerdank, sondern forderte ihn auch zur Unterstützung des geplanten Türkenkriegs auf. Dabei sollte viel-

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leicht sogar die „absichtlich fragmentarische Selbststilisierung“ ihm „ein ewiges gedechtnus sichern“ [Reich 101]. Demgegenüber machte Dennis Wegener jüngst auf einen handschriftlichen Text im möglichen Handexemplar des Kaisers in der Bayerischen Staatsbibliothek (Rar. 325a), aufmerksam, der bezeuge, daß „das 117. Kapitel noch fertiggestellt werden sollte“ [Wegener 211]. In unserem Exemplar wurde die Lücke hingegen dadurch ‚mimimiert‘, daß man das leere Blatt P5 einfach herausnahm und als letztes Blatt nachheftete. Rabea Kohnen wies darauf hin, daß die „in Hinblick auf eine panegyrische Intention als widerständig beschriebenen Textelemente“ grundsätzlich erst „im letzten Bearbeitungsschritt“ durch Melchior Pfinzing „eingeführt oder zumindest deutlich weiterentwickelt“ [Kohnen 280] wurden. Sie sieht gerade in den durch solchen ‚EigenSinn‘ angebotenen Möglichkeiten, „das Geschehen kritisch zu reflektieren“, in dem „Spiel mit den vorgängigen Erzählmustern und dem Mit- und Gegeneinander biographischer, fiktionaler und allegorischer Deutungsmöglichkeiten […] die maßgeblichen Potentiale der Literarizität des Theuerdank“ [ebd. 288]. Trotz des „inventio-Primat[s] des Herrschers“ [Berns 93] ist jedenfalls dem arbeitsteiligen Modell der gedechtnus-Produktion „schon ein Sog inhärent, der zunehmend antiimperial, antihöfisch, antiabsolutistisch wirksam werden konnte, indem die imaginativ-inventiöse Kraft zunehmend außerhöfischen Künstlern und Gelehrten überantwortet werden musste“ und ‚absolute‘ Herrscher „allenfalls mit Zensurmaßnahmen versuchen [konnten], eine gewisse Selbstmächtigkeit“ [ebd.] zu erzielen. Im Kontext dieser säkularen Entwicklungen hat das „Ruhmeswerk“ Maximilians und insbesondere der allein vollendete Theuerdank seinen unverwechselbaren historischen Ort. Illustration Das gereimte Epos des Theuerdank ist nicht nur ein literarisches Denkmal – eine nicht minder wichtige Bedeutung kommt der visuell erfaßbaren Gestaltung, also Typographie und Illustration zu. Ruft in bildarmer Zeit eine Abbildung schon als solche eine besondere „Affektion hervor, sodass das dargestellte Ereignis ‚quasi gegenwärtig‘ vor dem Betrachter steht“ [Boßmeyer 227], verleiht sie möglicherweise „dem im Text Dargestellten Eindrücklichkeit und Aura“ und dem Ritter Theuerdank eine „herrscherliche, heroische oder sakrale Dignität, die in der Banalität des Alltags unkenntlich ist“ [Müller, Literatur 143]“, so kam hinzu, daß die Reproduktionstechniken von Druckkunst und Holzschnitt in weiten Kreisen „wohl noch immer als neuartig empfunden“ [Schmidt, Literatur 326] wur-

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den. Schon die unerhörte Quantität der 118 imposanten, textspiegelbreiten Holzschnitte im Theuerdank mußte bei den zeitgenössischen Betrachtern darum einen überwältigenden Eindruck hinterlassen. Im Zuge der Ausbreitung des Buchdrucks nahm im 16. Jahrhundert auch die Schreib- und Lesefähigkeit signifikant zu. Doch betraf dies immer noch nur einen Bruchteil der Bevölkerung; selbst für Adelige war es keineswegs selbstverständlich, daß sie lesen konnten. Diese aber stellten die hauptsächliche Zielgruppe dar, an die Maximilian den Theuerdank nach seinem Tod verteilen lassen wollte. Die Bebilderung jedes Kapitels mit einem Holzschnitt, ergänzt durch eine prägnante, zusammenfassende Überschrift, ist offenkundig auch auf den rudimentären Alphabetisierungsgrad dieses kaisertreuen Publikums berechnet. Dem entspricht die Funktion der Bilder, die oftmals „in der volkssprachigen Literatur der Zeit […] der Verständigung über den Text und seine Botschaft“ [Müller, Literatur 143] dienen, und die hier „meist genau den Text illustrieren“ [Werner 2015, 364]. So geben die Holzschnitte das Erzählte auch da getreulich wieder, wo es von der Clavis ausdrücklich dementiert wird: Die „poetrey“ des „Englisch geyst“, der laut Clavis „Theuerdanks „Cristenlich vernünfftig und gut gewissen“ andeuten soll, wird im 115. Kapitel als direktes Zwiegespräch mit einem geflügelten Knaben in weißem Gewand und Sandalen ins Bild gesetzt. Im dritten Kapitel sieht man den verstorbenen König Romreich friedlich in einem „schön garten“ liegen, nicht aber „erschlagen wunderparlich“, wie Pfinzing annotiert, und schon gar nicht nackt und schwer entstellt, wie man Karl den Kühnen auf dem Schlachtfeld von Nancy fand. Generell zeigen die Holzschnitte entsprechend den Angaben im Text „lediglich typisierte Orts- und Landschaftsansichten“ [ebd.], nicht aber die von Pfinzing angegebenen realen Handlungsorte. Die enge Verbindung von Texten und Bildern geht unmittelbar auf Anweisungen Maximilians zurück. Bereits Simon Laschitzer druckte in seiner Theuerdank-Edition von 1888 Beschreibungen und Notizen aus dem Codex 2867 der Österreichischen Nationalbibliothek ab, in denen der Kaiser den Illustratoren „bis in die kleinsten Details die Komposition und die Darstellung der Handlungen und Situationen des Helden“ vorgab und die für „Holzschnitt-Zeichner und Formschneider verbindlich“ [Boßmeyer 53] waren. Dies belegen, so Christine Boßmeyer „die zahlreichen Korrekturen an den fertigen Holzschnitten, die auf Anweisung Maximilians vorgenommen wurden, weil sie nicht den Vorgaben entsprachen“ [ebd. 54].

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Mit der bildlichen Umsetzung seiner Ideen beauftragte Maximilian eine Gruppe Augsburger Künstler. Vor allem Hans Burgkmair, der 13 Zeichnungen lieferte, besaß die „Fähigkeit, eingängig und souverän zu schildern“; sein „Talent zum mitunter auch Gefälligen, dabei jedoch Erhaben-Repräsentativen, prädestinierte ihn für seine wohl größte buchkünstlerische Aufgabe: die Arbeiten für Maximilian I.“ [Ott 238]. Sein Zunftgenosse Hans Schäufelein steuerte 21 Holzschnitte bei, von denen einer allerdings „erst in der späten Ausgabe von 1679“ [Oldenbourg, S. 75] gedruckt wurde. Ganze 77 Holzschnitte stammen von Leonhard Beck, einem früheren Gesellen Hans Holbeins d. Ä. in Frankfurt, der 1503 das Meisterrecht in Augsburg erworben hatte. Er zeigt Theuerdank mit Vorliebe „in voller Rüstung“, seine „perspektivischen Darstellungen geraten erheblich ungelenker als bei Burgkmair und Schäufelein“ [Füssel 46]. Einzelne Zeichnungen fertigten auch Wolf Traut, Jörg Breu, Erhard Schön und Hans Weiditz (umstritten). Als Holzschneider wurde der aus Antwerpen gebürtige Jost de Negker nach Augsburg geholt und von Maximilian zunächst als einziger „für diese Arbeiten autorisiert“ [ebd.]. Um das Werk schneller voranzutreiben, wurden dann auch die Formschneider Heinrich Kupherwurm aus Basel, Cornelius Lieferink aus Antwerpen und Alexis Lindt hinzugezogen. Im Theuerdank erreichte die Kunst des Holzschnitts „einen ersten Höhepunkt“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian, Habsburg 229] in ihrer Geschichte. Noch Thomas F. Dibdin schwärmte in seinem Bibliographical Decameron beeindruckt von diesen „spirited representations“: „What magnificence, variety, and richness of outline and detail! What freedom and correctness both of drawing and engraving!“ [Dibdin, Decameron I, 203 f.]. Norbert Ott brachte das Paradoxon auf den Punkt, daß „das Neue – der Buchholzschnitt als autonome Kunstform – […] auf solch hohem Niveau nur verwirklicht werden [konnte], weil er sich mit Altem – der traditionellen Funktion des anspruchsvoll illustrierten Buchs als Objekt der Selbstrepräsentation – verband“ [Ott 240 f.] Über ihre rein illustrative Funktion hinaus geben die Bilder dem Werk noch eine weitere Dimension. Allein dadurch, daß sie „das Erwartungsinteresse an dem, was dann narrativ ausgeführt wird“ [Schulze 27], zu Beginn jedes Kapitels immer wieder neu erregen, verleihen sie dem Epos eine gewisse „Kohärenz, die in der narrativen Struktur fehlt“ [ebd.]. Die dadurch gegebenen „Anschauungsimpulse“ [ebd. 28] betten das Erzählte zum einen in ein plastisches Milieu ein: „realistische Landschaften mit Bergen, Wald, wilden Tieren, Wasserläufen und Schiffen, Burgen, Städten, Stadttoren, Treppen,

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Innenräumen mit Feuer, Geschützen, Krieg, Turnieren, Gerichtsund Hinrichtungsszenen sowie repräsentative Begegnungen“ [ebd. 27]. Zum anderen tragen diese „Merkbilder mit relativ konstantem Personal in veränderten, aufregenden Gefahrensituationen […] das Wahrnehmungsinteresse weiter“, bis zu einer „zunehmende[n] Dynamisierung der Bilder zum Schluss hin“ [ebd. 28]. Insbesondere die stete „Gegenüberstellung des jeweils agierenden dämonischen Hauptmannes und des Ehrnholds, der Theuerdank wie ein Schutzgeist und Zeuge durch die bedrohlichen Situationen begleitet“, bringe, so Ursula Schulze, „das Widerspiel von Gefährdung und glücklicher Überwindung der Gefahr immer neu ins Bewusstsein“ und mache „damit ein Kontinuum deutlich“ [ebd.]. Schon beim Durchblättern des Buches entsteht so durch Wiederholung und Variation der Motive ein lebendiger, dynamischer – fast möchte man sagen: ‚filmischer‘ – Bilderkosmos, wie er sich in anderer Form in der 100 Meter langen Holzschnittfolge des Triumphzugs entrollt. Dort ist es zum einen die bildimmanente „Fülle von Bewegungsmomenten“, zum anderen die Bewegung des Betrachters „analog zum realen Festzug“ [Werner 2018, 134], die „das Medium des Bildes mit unterschiedlichen Formen der Bewegung – mit Präsenzeffekten – auflud“ [ebd. 126]. Der Effekt von Präsenz und Unmittelbarkeit wird auf andere Weise auch durch die sorgfältige Illumination sämtlicher Holzschnitte erreicht. Alle Bilder sind in Rot eingerahmt und sehr abwechslungsreich koloriert: in Gelb, Orange-Ocker (als Inkarnat), Rot, Violett, Blaugrau (für Wasser und Rüstungen), Blau und zwei Grüntönen. Auch die Intensität des Farbauftrags wird geschickt variiert: Himmel, Wolken und Berge sowie Bodenflächen wurden oft nur laviert, ebenso Flächen, die schon im Holzschnitt eine stärkere Strichelung aufweisen, mitunter sind diese auch weitgehend freigelassen – man vergleiche beispielhaft das Bild 25. Vor allem dadurch kann sich der täuschende Eindruck einer mittelalterlichen Prachthandschrift ergeben. Typographie Dasselbe Changieren zwischen Manuskript und Druck stellt sich bei der Betrachtung des Schriftbildes ein. Schon die „auf jeder Seite unterschiedliche Druckintensität, die durch die unregelmäßige Pergamentoberfläche bedingt ist“ [Grebe 27], wirkt in diese Richtung, erst recht die gesamte Typographie. Auch die Erfindung der sogenannten „Theuerdank-Type“ geht letztlich auf die Initiative Kaiser Maximilians zurück. Im Jahr 1508 bestellte er den Augsburger Jo-

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hann Schönsperger d. Ä. (um 1455–1520/21), den Stiefsohn des bekannten Inkunabeldruckers Johann Bämler, gegen ein festes Jahresgehalt von 100 Gulden zu seinem Hofdrucker, „der nur für ihn zu arbeiten hatte und die kunstvollen Typen, die Maximilian für sich entwerfen ließ, geheimhalten und nur für dessen Werke reservieren mußte“ [Müller, Literatur 143]. Die neue Frakturschrift, in späteren Jahrhunderten die deutsche Druckschrift schlechthin, sollte ursprünglich keine „kommerzielle Type werden, sondern war als luxuriöse Nachbildung einer Zierschrift“ [Steinmann 249] gedacht. Aus den Erinnerungen des Kalligraphen Johann Neudörffer von 1547 geht hervor, daß „die Vorzeichnung durch den Schönschreiber der kaiserlichen Kanzlei Vinzenz Rockner und der Schnitt der Type durch Hieronymus Andreae, den späteren Drucker Albrecht Dürers“ [Bornschlegel 166] ausgeführt wurden; unklar ist, „ob auch der Augsburger Mönch und Kalligraph Leonhard Wagner“ und „Jost de Negker als Schriftschneider“ [Steinmann 250] mitwirkten. Sicher ist, daß Maximilian auch diese Arbeiten „genau verfolgte und mit Wünschen und Anweisungen nicht zu sparen pflegte“ [ebd.]. In einer ersten Form wurde die Fraktur für das unvollendete Gebetbuch des Kaisers entworfen, von dem 1513 nur wenige Probedrucke entstanden. Sie wird „auf Vorlagen aus den Urkundenschriften der Reichskanzlei und den Lehrbüchern des jungen Maximilian zurückgeführt“ [Bornschlegel 166] und hat mit der ‚gotischen‘ Textura die betonte „Vertikalität der fetten, gleichsam gebrochenen Schäfte“ und die „Quadrangeln an den Absätzen der Mittelschäfte“ gemein. Aufgelockert wird sie durch die vermehrte Verwendung von „Unterlängen“ und „eleganten Anschwüngen der Versalien und dekorativer Zierlinien“ [ebd.]. Im vier Jahre später vollendeten Theuerdank wurde die Schrift verkleinert, war „weniger fett und dunkel“ [ebd.] und „etwas kursiver“ [Steinmann 249] als die Gebetbuch-Type, was sie der geschriebenen Schrift weiter annäherte. Diesen Eindruck verstärkte noch die Erweiterung des Alphabets „auf 88 Formen mit bis zu neun Varianten eines Buchstabens“ [Bornschlegel 166]. Und schließlich konnten diverse Schwünge und Schnörkel, die „Elefantenrüssel“, an die Buchstaben angesetzt werden. Auch hinsichtlich der Typographie lieferte die kalligraphische Handschrift demnach „den ästhetischen und qualitativen Maßstab“ [Grebe 22] für Maximilians Ruhmeswerk. Doch „die so spontan erscheinende Wirkung der Schrift beruht in Wahrheit also auf genauem Kalkül“ [ebd.]. Auf dieser Basis eroberte sich die Theuerdank-Type „eine ganz herausragende Stellung in der Schriftgeschichte“, wobei sich aus ihr schon bald „eine neue Form von Fraktur, nun wieder erheblich regelmäßi-

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ger und ausgeglichener“ [Füssel 54] herausbilden sollte. Vorerst aber trug sie mit zur Simulation der exklusiven Aura einer Prunkhandschrift bei. Mit Bedacht erfolgte auch das Seitenlayout: Die bildlosen Seiten enthalten jeweils 24 Zeilen bzw. zwölf Reimpaare, die selbst dann nicht getrennt wurden, wenn es „durch Einschübe von Titelzeilen oder Holzschnitten zu Verschiebungen“ [Grebe 21] kam – eine solche Sorgfalt gegenüber dem Inhalt wäre wohl einem Schreiber, nicht aber unbedingt einem handwerklichen Setzer zuzutrauen. Reizvoll ist auch der Wechsel zwischen engerem Blocksatz für die Prosa-Annexe und lockerem Flattersatz für den Verstext, der zusätzlich für ein lebendiges und „dynamisches Seitenbild“ [ebd.] sorgt. Varianten Auf der letzten Seite des acht Blätter umfassenden Druckbogens der Clavis ist der Druckvermerk angebracht, der Rätsel aufgibt: „Gedruckt in der Kayserlichen Stat Nürnberg durch den Eltern Hannsen Schönsperger Burger zu Augspurg“ [A8v]. Es gab verschiedene Versuche, den Widerspruch der unterschiedlichen Ortsangaben aufzulösen [vgl. Muther 115, auch Dibdin, Decameron I, 201 f.]. Zuletzt ging Anja Grebe nicht davon aus, daß Schönsperger „für die Anfertigung des Theuerdank seine Druckwerkstatt mit dem eigens angefertigten Typensatz, den Holzstöcken und sonstigen Materialien nach Nürnberg verlegt hätte“ [Grebe 26]; Dennis Wegener nahm an, daß diese Ortsangabe an Melchior Pfinzings „zu Nuremberg“ gegebene Widmung angeglichen wurde, um „ein einheitliches Erscheinungsbild“ [Wegener 211] zu geben. Carl Haltaus vermutete, von der ersten Ausgabe des Theuerdank gebe es „zwei verschiedene Abdrücke“ [Haltaus 36], stellte andererseits fest, einige Änderungen hätten „nur zum Umdruck der Differenzen enthaltenden Blätter, da die Verschiedenheiten nur die Orthographie und Züge, keineswegs das ganze Gedicht betreffen“ [ebd. 37], geführt. Simon Laschitzer verglich akribisch mehrere Exemplare und kam zu dem Ergebnis, daß die „Verschiedenheiten in den Drucken nur auf zwei verschiedene Sätze zurückgehen können“, daß man jedoch nicht von „zwei bestimmt zu trennenden Varianten“ [Laschitzer 109] sprechen könne. Nicht zu entscheiden vermochte er, ob gleichzeitig an zwei Pressen gedruckt und die einzelnen Lagen bei der Zusammensetzung zu ganzen Exemplaren gemischt wurden, oder ob aus irgendwelchen Gründen bestimmte Lagen von einem neuen Satz nachgedruckt wurden.

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Auch nach dem Druck war die Arbeit noch nicht beendet, vielmehr wurden „fehlerhafte Textstellen mit in derselben Type gedruckten Korrekturzetteln überklebt“; diese Verbesserungen wurden „mit dem Tod Maximilians eingestellt, aber nicht vollendet“ [Wegener 211]. In unserem vorliegenden Exemplar sind keine solcher Korrekturstreifchen vorhanden; lediglich die Fehlnumerierung von Bild 27 wurde von Hand korrigiert. Dieser Befund ist insofern besonders interessant, als sich die Überklebungen in allen anderen unserer Exemplare finden. In einem neueren Auktionskatalog von Christie’s wurde bemerkt, daß „most of the vellum copies contain several printed correction slips“, unklar bleibt dort jedoch der Grund für die Folgerung, „that they were printed before the paper copies“ [Christie’s 2001]. Verständlich wird dies erst durch den Abgleich mit unserem Befund, wenn man davon ausgeht, daß sämtliche Papier-, aber eben nicht alle Pergamentexemplare diesen Korrekturvorgang durchlaufen hätten. Dann aber haben wir allen Grund zu der Annahme, daß unser vorliegendes Luxusexemplar als eines der zuerst ausgedruckten – etwa noch vor dem Tod Maximilians? – beiseite genommen wurde, um prachtvoll illuminiert zu werden. Ob es dann auch schon einer herausragenden oder dem Kaiser nahestehenden Persönlichkeit geschenkt wurde? Bis heute geht die Forschung praktisch unisono davon aus, daß die erste, für den Kaiser persönlich gedruckte Ausgabe des Theuerdank in rund 300 Papier- und 40 Pergamentexemplaren gedruckt wurde. Aber der Zensus von Van Praet wies bereits mehr als 30 Pergamentexemplare nach [vgl. Van Praet IV, 234 ff.], Ebert wußte von „über 40“ [Ebert II , 953], Brunet kam auf „au moins une quarantaine“, von denen „une grande partie appartiennent à des bibliothèques publiques, et d’autres sont incomplets“ [Brunet V, 767]. Bis heute hat sich diese Zahl geringfügig vermehrt. Allerdings haben erst jüngst Stephan Müller und Dennis Wegener in einer beiläufigen Anmerkung konstatiert, die Anzahl der Drucke sei „nicht bekannt. Die in der Forschung oft genannte Anzahl von 40 Pergament- und 300 Papierexemplaren beruht auf der Fehllesung einer Quelle“ [Müller/Wegener 48, Anm. 26]. Der entsprechende Beleg im Rahmen der Dissertation Wegeners ist noch nicht publiziert. Unabhängig davon werden sich die Zahlen für die Luxusvariante auf Pergament kaum wesentlich erhöhen. Stellt man in Rechnung, daß eine Kalbshaut im günstigsten Fall zwei Doppelblätter, mit Verschnitt meistens nur eines ergab, benötigte man bei 145 Doppelblättern mindestens 100 Kälber für ein Exemplar. Bei 40 Stück wäre dies also also eine Herde von rund 4000 Tieren. Auch aus diesen

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schwindelerregenden Dimensionen wird deutlich, daß ein solcher Aufwand für ein Buch tatsächlich allein dem Kaiser möglich war. Selbstverständlich spiegelte sich in den kaiserlichen Buchgeschenken und ihrer Abstufung in der Kostbarkeit „die ständische Gliederung der Gesellschaft“ wider: Entsprechend ist „davon auszugehen, daß handgeschriebene und -gemalte Bücher für die Hand des Kaisers selbst, illuminierte Pergamentdrucke als Geschenke für Verwandte, Fürsten und Diplomaten und Normaldrucke auf Papier als kaiserliche Gnadengeschenke galten“ [Schmidt, Literatur 326 f.]. Der allgemeine Adressatenkreis für Maximilians Ruhmeswerk bestand aus einer „weitverzweigten Gruppe von Beratern, Juristen, Diplomaten und Finanzleuten im Dienst des Hofes“, also der „Schicht der nicht durch Abstammung, sondern durch Bildung und Verdienst ausgezeichneten und aufgestiegenen Personen“ [Kaulbach 16]. Da die Clavis mit der Entschlüsselung der historisch-moralischen Bedeutungsdimensionen angeblich „nur für Eingeweihte“ [Müller, Literatur 148] bestimmt war und das Werk offenbar „with and without Melchior Pfinzings clavis [Tennant 298] ausgeliefert wurde, ist denkbar, daß diese Lage bei ‚gewöhnlichen‘ Exemplaren des ‚Heldenbuchs‘ bewußt weggelassen wurde. Angesichts dieser Abstufungen wird klar, daß unser illuminiertes breitrandiges Pergamentexemplar in der frühen unkorrigierten Variante einen außerordentlichen Rang einnimmt. Der Gedanke ist verführerisch, Maximilian selbst habe es noch kurz vor seinem Tod verschenkt. Doch weiß man nur von zwei Exemplaren, daß sie der Kaiser selbst während des Augsburger Reichstags im Sommer 1518 „unter dem Eindruck seines nahenden Todes“ austeilte: „Das eine erhielt der vermutlich ebenfalls schwer kranke und kurze Zeit später verstorbene Hans von Flersheim, der nach Aussage Maximilians an mehreren der im Theuerdank erzählten Abenteuer zugegen gewesen war, das andere sein führender Illustrator Hans Burgkmair“ [Wegener 212]. Sieht man von der zeitgenössischen Eintragung „Teuerdannnckh.“ von Hand in Schönschrift auf Blatt a2 ab, zeigt unser vollständiges und tadellos erhaltenes Exemplar keine Spuren frühen Besitzes. Das Pergament weist nur die natürlichen leichten Quetschfalten und wenige kleine, teils vernähte Löchlein auf. Gebunden wurde es im frühen 18. Jahrhundert in Österreich in rotes Maroquin. Leider läßt es sich keinem in der Sekundärliteratur erwähnten Exemplare aus der Wiener Hof- bzw. kaiserlichen Privatbibliothek mit Sicherheit zuordnen. Nicht identisch ist es mit „the emperor Maximilian’s own

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copy“ der Hofbibliothek, das Dibdin mit „fifteen inches“, also 381 mm als „the largest and completest copy in existence“ in einer „recent and very commonplace binding, in russia“ [Dibdin, Tour III , 529] beschrieb und das in Van Praets Zensus wohl als Nr. 8 erfaßt ist [vgl. Van Praet IV, S. 235]. Uns liegen Akten vor, nach denen im Jahr 1935 aus der Camera Praefecti der Österreichischen Nationalbibliothek ein Pergamentexemplar des Theuerdank mit der Signatur C P 1 B 6* im Tausch gegen ein koloriertes Exemplar der Rochus-Legende an Joszef Faragó in Budapest abgegeben wurde. Doch war das abgegebene wohl unkoloriert, noch heute ist hingegen in der Camera Praefecti das einstmals benachbarte, kolorierte Pergamentexemplar mit der Signatur CP.1.B.4 ALT CP und CP.1.B.5 ALT CP vorhanden. In der Privatbibliothek von Kaiser Franz I. (1768–1835) ließ Dibdin sich zwei weitere Pergamentexemplare zeigen – „One is coloured, and the other not coloured“ –, die Van Praet wenig später in seinem Nachtrag erwähnte [Van Praet V, 376]. Unter den Einbänden erblickte Dibdin „occasional folios and quartos resplendent in morocco and gold“ [Dibdin, Tour III , 589], doch reichen diese sparsamen Angaben nicht zu einer klaren Identifizierung unseres Specimens aus. Wenn dem so wäre, könnte es nach dem Ersten Weltkrieg aus der kaiserlichen Fideikommißbibliothek ausgeschieden worden sein. Zuletzt befand sich unser Ausnahmeexemplar, ausweislich eines Exlibris auf dem Innendeckel und eines Exlibrisstempels auf dem letzten Blatt verso, im Besitz von Georges Wendling, dem Präsidenten der Vereinigung der Bibliophiles franco-suisses. Noch diese Provenienz aus einem ideellen germanisch-romanischen Übergangsraum mag ein später Reflex nicht nur auf die bibliophile sondern auch die spezielle historische Bedeutung von Maximilians Gedächtniswerk bis in die Gegenwart sein: Einerseits verband er durch seine burgundische Hochzeit den deutschen und französischen Kulturraum für lange Zeit miteinander, andererseits scherte gerade die schweizerische Eidgenossenschaft mit dem Sieg gegen Karl den Kühnen auf dem Schlachtfeld von Nancy 1477 und mit dem Schwabenkrieg 1499 gegen Maximilian faktisch endgültig aus dem Habsburgerreich aus – europäische Dialektiken, die bis heute wirksam sind. Literatur: Adams P 962; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 329; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3552; Dibdin, Decameron I, 200 ff.; Dodgson I, 252 ff., 41, Nr. 1, 504, Nr. 2 (Traut), II , 7 f., Nr. 5 (Schäufelein), 58 f., Nr. 7 (Burgkmair), 109, Nr. 2 (Breu), 123 ff., Nr. 3 (Beck), 147, Nr. 23 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 1 (Master N H); Ebert 22869; Goedeke I, 336; Graesse VI , 106 f.; Hollstein,

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German, V: 416–430 (Burgkmair); Laschitzer 108 ff.; Muther 845; Oldenbourg L 119 (Schäufelein); Panzer I, 408 ff., Nr. 885; Proctor


11180; STC German 690; Van Praet IV, 347, S. 233 ff., und V, S. 376; VD16 M 1649.


2 Ein weiteres herrlich illuminiertes Pergament-Exemplar, mit eingemaltem Wappen des Erstbesitzers [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. Nürnberg [d. i. Augsburg], Johann Schönsperger, [1517]. a–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x-–8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 A8 = 286 [statt: 290 Bl.]. – Die Blätter f2–5 entfernt; nach Lage P ist ein weiteres leeres Blatt eingebunden. Mit 116 (statt: 118) großen (textspiegelbreiten), im Druck numerierten, Holzschnitten, bis auf Nr. 20 im Originalkolorit mit Goldhöhungen. Royal-Folio (355 x 237 mm). Pergamentband der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit alten Papierschildchen auf dem Rücken, mit unterschiedlichen goldgeprägten Wappensupralibros auf den Deckeln und graublauem Schnitt, in moderner, mit Filz ausgeschlagener Pappkassette (Einband berieben und fleckig, Pergamentbezug an Gelenken und Kanten stellenweise angeplatzt und mit kleinen Fehlstellen, ohne die vier Bindebänder, Vorsätze mit Läsuren, 4 Bl. fehlend, einige Bl. mit kleinen, dem Pergament inhärenten Flecken, 2 Bl. mit geschlossenen Einrissen, einzelne Schnörkel oben ganz knapp angeschnitten). Aufstieg und Fall zweier Adelshäuser – eine faszinierende Besitzgeschichte Hier ist ein weiteres illuminiertes Pergament-Exemplar der Erstausgabe des Theuerdank vorzustellen, das dem vorigen ebenbürtig ist. Es ist innen wunderbar erhalten, das Pergament fast fleckenfrei und nur mit wenigen natürlichen Löchlein. Das Format ist etwas kleiner, so daß, wie bei den meisten Exemplaren, einzelne Schnörkel am oberen Rand angeschnitten sind; dafür erscheint uns das mal lasieren-

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de, mal deckende Kolorit noch intensiver; zudem wurde hier auch mit sparsamer Goldhöhung gearbeitet. Im Unterschied zum ersten Exemplar wurden diverse Textstellen durch Überklebungen mit kleinen bedruckten Pergamentstreifchen korrigiert. Der Vergleich gewährt interessante Aufschlüsse über die Art dieser Verbesserungen, die durchweg inhaltlicher Natur sind. Im 22. Kapitel versucht Fürwittig, Theuerdank bei einer Gemsenjagd im Gebirge buchstäblich auf Abwege zu führen. Statt des Helden stürzt jedoch Fürwittigs eigener Knecht in den Abgrund, der sich auf dem Holzschnitt noch mit letzter Kraft an einen Felsen anklammert. Im anschließenden Monolog sagt der Verräter ursprünglich: „Er hat doch mer glückes vall [/] Dann Ich weyszheit überall“ [g6v]. Die letzten beiden Worte sind überklebt mit „gescheidigkeit überal“. Als Weisheit darf nicht einmal Fürwittig selbst seine tükkische Ingeniösität bezeichnen. Im 37. Kapitel wird die Überschrift korrigiert: „Wie auf den Edlen Tewrdannck ain Gembsen Jeyd ein grosser Stein gieng dem Er aber durch sein niderpucken entweich“ [m1v], heißt es zunächst, auf dem Korrekturzettel jedoch: „der Im seinen hut vom haubt schlug“: Tatsächlich fällt der Hut auf dem Bild geradewegs dem vorne links stehenden Unfalo in die Hände, was die Dramatik des Geschehens noch zuspitzt. Eine ähnliche Situation bietet sich in Kapitel 55, das in der ersten Fassung überschrieben ist: „Wie der Edel Tewrdannck durch anweysung des valschñ Unfalo auf einem Gembsen ieid abermale[n] ein geferlicheit überstunnd dann Im ein stein seinen hut vom haubt schlug“ [r3v] – diese Information wird auf dem montierten Blättchen dahin korrigiert, daß es den Hut „nach überab geschlagen het“. Es scheint, als hätte Maximilian zwei konkrete Erlebnisse im Kopf, bei denen er Verwechselungen im nachhinein zugunsten biographischer Richtigkeit im Detail ausbügeln wollte! Eine kleine Sachkorrektur war auch im Kapitel 66 anzubringen, wo in Zeile 14 von Blatt v5r, „Der Jeger ein Schnee ryfen fand“. Eine leichte Verfärbung deutet an, daß diese Stelle mit dem berichtigten „ferrner fand“ überklebt war, wie in anderen Exemplaren auch. Auf Blatt G6r wurde in erste Zeile schließlich das Wort „kohmen“ zu „khomen“ korrigiert. Mehrere Korrekturen bzw. Ergänzungen finden sich auch in der Clavis: Bei der Erklärung zu Kapitel wurde die Zeitangabe „bey d[er Nacht]“ hinzugefügt; die zweite Hälfte des Pergamentstreifens ist allerdings abgerissen. In anderen Exemplaren ist bei Kapitel 50 die Lokalisierung „in oberschwaben“ in „Bickardey“ verändert – dies ist hier ausnahmsweise nicht der Fall. Bei Kapitel 77 wird das miß-

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glückte „Tewrdan“ zu „Tewrdanckh“ vervollständigt; bei Kapitel 76 und 99 finden sich wiedrum zwei Zusätze („auch auf dem land“ und „die dem gemeld gleich beschehen sein“). Auch bei der Clavis läßt sich also vermuten, daß der Kaiser es ‚besser gewußt‘ hat als der Endredaktor Melchior Pfinzing und er darum auf den geradezu kleinlich anmutenden, ihm aber offenbar wichtigen Änderungen bestand. Wahrscheinlich lagerte das Gros der Drucke zunächst in Augsburg, wo diese letzten Arbeiten ausgeführt werden konnten. Ohnehin hatte Maximilian verfügt, sie erst „nach seinem absterben auszutailen“ [zit. nach Boßmeyer 237]; er selbst führte wohl einige Exemplare in seinem Sarg mit sich, in dem er seine „Geschichtswerke und geheime Aktien“ [Noflatscher 40] aufbewahren ließ, nur von ganz wenigen Exemplaren weiß man, daß er sie selbst noch ausgab. Nach seinem Ableben beauftragte sein Enkel Ferdinand I. (1503–1564) den Sekretär Marx Treitzsaurwein „drei Truhen auf seine Kosten nach Wien transportieren zu lassen und sie dort in seinem Namen unter den Adel und andere Untertanen in den fünf niederösterreichischen Landen zu verteilen und ihnen zu verehren. Je eine weitere Truhe war für Adel und Untertanen in den vorderen Landen und im Lande Württemberg bestimmt. Eine der Truhen behielt Ferdinand für sich selbst“ [Boßmeyer 237, vgl. Laschitzer 110]. Mit den kostbaren Geschenken sollten „Loyalität mit dem Herrscher und dem Haus Habsburg […] belohnt und Bindungen verstärkt werden“ [Kaulbach 16] – abgestuft nach Rang und Würden, wobei illuminierte Pergamentexemplare den allergrößten Wert besaßen. Auch dieser Form der Distribution lag also also ein dynastisches und territorialstaatliches Interesse“ [ebd.] zugrunde. Im April 1522 verfügte Kaiser Karl V. dann allerdings, so viele Drucke des Holzschnittwerks „der Ehrenpforte und des Theuerdanks zu verkaufen, bis man 600 Rheinische Gulden erzielt habe. Ob dies geschehen ist, lässt sich nicht belegen, jedoch befanden sich 1526 noch sechs Truhen mit Theuerdank-Drukken in Augsburg, die schließlich auf Anweisung von Karls Bruder Erzherzog Ferdinand I. verteilt wurden“ [Wegener 212]. Ob dies die gesamte Auflage betraf, oder ob die Herrscher nicht doch einen Teil der Auflage zurückbehielten, um sie erst nach und nach verdienten Gefolgsleuten zu besonderen Anlässen zu überreichen, läßt sich aus den überlieferten Quellen nicht mehr ermitteln. Diese letztere Annahme legt allerdings die rekonstruierbare Besitzgeschichte des vorliegenden herausragenden Exemplars nahe.

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Herren von Schellenberg Demonstrativ verweist es selbst auf seine Provenienz bis hinauf zum möglichen Erstbesitzer: Auf der Titelrückseite prangt blattgroß ein gemaltes Wappen auf rotem ornamentierten Grund in einem königsblauen Rahmen mit Rankenwerk, das in den Ecken chimärisch in Delphine übergeht, oben und unten umspielt von einer grünen floralen Bordüre mit roten Ausläufern und Blüten – in einem Stil, der auf das mittlere 16. Jahrhundert hindeutet. Als das Buch 1995 erstmals in einer Münchner Auktion auftauchte, erkannten die dortigen Bearbeiter in dem schwarzen Wappentier auf gold-gelbem Grund fälschlicherweise einen Greifen und als Besitzer die oberösterreichische Adelsfamilie von Albrechtsheim. Tatsächlich handelt es sich aber um einen heraldischen Panther, bzw. um ein „Pantier“ mit einem Ochsenkopf samt Hörnern, aus dessen Körperöffnungen rote Flammen schlagen. Dieses Wappen läßt sich den erstmals 1227 erwähnten Herren von Kißlegg zuordnen [Auskunft Bernhard Peter; vgl. Siebmacher 23, VI , 2, S. 17 und Tafel 16; vgl. auch Württ. Adels- und Wappenbuch 404], die schon im 11. oder 12. Jahrhundert die Burg Kisilegge im westlichen Allgäu als Lehen des Klosters St. Gallen besaßen [vgl. Siebmacher ebd., vgl. Grimm 4]. Im Jahr 1280 hatte der letzte Herr von Kißlegg die Stadt Wasserburg am Bodensee an die Brüder Ulrich und Marquard von Schellenberg verkauft und im Jahr 1300 „seine einzige Tochter an den Sohn Marquard‘s von Schellenberg“ verheiratet; sie war „die Universalerbin der Kißlegg‘schen Güter und so kam Kißlegg an das Schellenberg‘sche Haus“ [Grimm 5], das dadurch eine eigene Herrschaft und Linie begründen konnte. Die ursprünglich ministeriale Familie von Schellenberg [vgl. Württ. Adels- und Wappenbuch 682] war vormals im Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein ansässig gewesen; mehrere ihrer Vertreter amtierten gegen Ende des 13. Jahrhunderts bereits als Landvögte in Oberschwaben [Siebmacher 23, VI , 2, S. 212]. Zur selben Zeit erlangten die Schellenberg als Reichslehen auch Burg und Herrschaft Rothenfels im Oberallgäu, die sie indes um 1332 an das Haus Montfort-Tettnang verkauften [vgl. Büchel, Regesten, I. Folge, 220]. Im Jahr 1381 wurde die Herrschaft Kißlegg geteilt; 1525 wurde eine Hälfte an einen Friedrich von Freiberg verkauft, und wechselte in kurzer Folge noch mehrere Male den Besitzer [vgl. Grimm 6 f.], während die andere Hälfte in Familienbesitz verblieb. Zur Zeit Kaiser Maximilians I. erfreute sich die in den vorderösterreichischen Landen ansässige Familie einer nicht nur geographischen

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Nähe zum Kaiserhaus. Im Jahr 1488 werden Marquard, Cunrad und Burkard von Schellenberg als „Ritter […] in der Gesellschaft St. Georgenschild“ [Siebmacher 23, VI , 2, S. 212] genannt. Der „berühmteste aller Schellenberge“ [Grimm 14] war unstreitig Hans Ulrich von Schellenberg (1487–1558), den seine Zeitgenossen zugleich als einen „Mann von imposanter Persönlichkeit“ und „als einen biedern jovialen Ritter, der jedem die rechte Antwort zu geben wußte“, schätzten. „Sein Angesicht war heroisch und männlich und seine Haare lang“ [ebd. 15 f.], wie die Maximilians. Auch hatte er – ähnlich wie von Maximilian im Weißkunig erzählt wird – eine vielseitige Ausbildung erhalten: Sein Vater „ließ ihn schon zu Hause sorgfältig unterrichten und schickte ihn hernach auf die hohe Schule zu Pavia, allwo er die beiden Rechte studirte. […] Den Doktor beider Rechte zog aber das ritterliche Waffenhandwerk mehr an“ [ebd. 14 f.], weswegen er in die Dienste Kaiser Maximilians trat, um als Landsknechtsführer zu höchstem militärischen Ruhm zu gelangen. Im Jahr 1512 befehligte er 6000 Eidgenossen, mit denen er zunächst nach Verona vorstieß und dann Pavia einnahm. „Durch der Schweizer Tapferkeit und ihrers [sic!] Anführers Kühnheit, gepaart mit Umsicht und Klugheit, wurde das Gesammtheer der Kaiserlichen, welches von den Franzosen hart bedrängt wurde, gerettet“ [Grimm 16 f.]. Maximilian ernannte Schellenberg, der alle italienischen Feldzüge mitmachte, zum Oberst und kaiserlichen Kriegsrat und ließ ihn gleich zweimal zum Ritter schlagen [vgl. ebd. 15]. Nachdem er von einer schwersten Verwundung genesen war zog er, inzwischen im Dienst Karls V., „an der Spitze seiner getreuen Schweizer […] wiederum nach Italien. Er war namentlich auch in der Schlacht bei Pavia [1525] betheiligt, in welcher der König Franz von Frankreich zum Gefangenen gemacht wurde. Später sehen wir ihn bei der Belagerung Wiens [1529] – durch Solimann – kämpfen“ [Grimm 18]. Als er des Kriegshandwerks müde geworden war, zog er sich zunächst noch nicht, wie der Kißlegger Historiograph Michael Grimm meinte, auf seinen Stammsitz zurück, sondern „verwaltete […] die Vogtei Feldkirch von der dortigen Schattenburg aus“ [Grimm, Anm. des Hrsg. S. 141], gab diesen Posten jedoch wohl „im Jahre 1549“ auf, „um die letzten Tage in der Heimat zu verleben“, wo er „im 71. Lebensjahr und […] nach einem langen und vielbewegten Leben“ [Büchel, Geschichte, II . Theil, 83] 1558 starb. In diesem Hans Ulrich von Schellenberg können wir den Empfänger des kostbaren, illuminierten Theuerdank-Exemplars auf Pergament, womöglich aus der Hand Karls V., vermuten: Nicht nur seine kriegerischen Heldentaten sowohl für Kaiser Maximilian I. als

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auch für dessen Enkel und Nachfolger, die von eminenter historischer Bedeutung waren, machen dies wahrscheinlich, sondern ganz konkret das eingemalte Wappen der Herren von Kißlegg: Denn am 10. Juli 1545 erhielten „die Brüder [Hans] Ulrich und Wolf von Schellenberg vom Kaiser Karl V. die Erlaubniß, das Wappen der ausgestorbenen Herren von Kißlegg mit dem ihrigen vereinigen zu dürfen“ [Grimm, Chronikalische Notizen, S. 104]. Bei Siebmacher etwa findet sich „das vermehrte Wappen nach dem Exlibris des Johann Friedrich v. S[chellenberg,] Freiherrn in Kisslegg, Domherrn in Mainz und Capitulars in Comburg 1698: quadrirt; 1. u. 4. [Feld] Kissleg, 2. u. 3. Schellenberg“ [Siebmacher 23, VI , 2, S. 212, und Tafel 116; vgl. auch ebd., S. 255, ferner Württ. Adels- und Wappenbuch 682 und Grimm, Tafel III , Bild 4]. Was leicht verwirren kann: Neben ihrem vermehrten, nun geviertelten Wappen durften die Schellenberg offenbar auch das ursprüngliche ungeteilte Kißlegger Wappen mit dem schwarzen Pantier führen [Büchel, Regesten, IV. Folge, 98 f., und: Ders., Geschichte, II . Theil, 82], wie es mit der korrekten Helmzier eines wachsenden Pantiers in unserem Theuerdank zu sehen ist. Dieses hatte möglicherweise das höhere Prestige, weil es mit der Herrschaft Kißlegg verbunden war, wohingegen die Schellenberg ursprünglich dem Dienstmannenstand entstammten. Zu dieser ehrenden Wappenverleihung des Jahres 1545 paßt eine Übergabe des maximilianischen ‚Heldenbuchs‘ aufs schönste: Der kaum minder als der Kaiser heldenhafte und gebildete Ritter Ulrich wird an seinem geruhsamen Lebensabend in Erinnerungen schwelgend gern manche Mußestunde mit dem Theuerdank verbracht haben. Daß mit dem berühmten Hans Ulrich auch dessen Bruder Wolf[gang] von Schellenberg (1483–1559) das verbesserte Wappen erhielt, war möglicherweise mit dem absehbaren Erbgang der Herrschaft Kißlegg verbunden: Wolfs Sohn Hans Ulrich von Schellenberg (1518–1606) war es, der die dynastische Nachfolge antrat und um 1560–1570 in Kißlegg das heutige „Alte Schloß“ erbaute. Dessen Neffe und Erbe Gabriel Dionys wiederum starb, noch „ehe er das Lehen in Empfang nehmen konnte“, und hinterließ „7 minderjährige Kinder“ [Büchel, Regesten, V. Folge, S. 99], darunter als einzigen Knaben Hans Christoph von Schellenberg. Dieser wurde 1624 volljährig [ebd. 109] und von Kaiser Ferdinand II . zu seinem Rat ernannt [vgl. ebd. 110]. Mit ihm sollte die Besitzgeschichte unseres Theuerdank neuerlich eine entscheidende Wendung nehmen. Gleich bei Antritt der Herrschaft stürzte sich der junge Herr in hochfliegende Pläne und schwerwiegende Auseinandersetzungen

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mit den Besitzern der anderen Hälfte Kißleggs, zu jener Zeit Gräfin Maria von Hohenems – und in enorme Unkosten: Am 8. Juni 1624 ließ er sich „von Kaiser Ferdinand II . mit dem Baumgartenschen halben Teil (auf Ableben der Frau Gräfin Maria zu Hohenems)“ belehnen, „gegen bare Entrichtung von 9000 fl Laudemium“ [Büchel, Regesten, V. Folge, S. 110], eine enorme Summe, zu der in der Folgezeit noch die Kosten für Prozesse kommen sollten, die Hans Christoph letztlich verlor [vgl. Grimm 6 f.]. Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges wurde Kißlegg nicht nur von militärischen Belastungen, sondern auch von Pestzügen heimgesucht: „Kein Wunder also, wenn auch der Adel, der mit den Bauern leiden mußte, verarmte“ [Büchel, Geschichte, III . Theil, 66]. Das hielt Hans Christoph, „der ohnehin das Sparen nicht verstand“ [ebd. 69], jedoch nicht davon ab, sich in ein zweites, reines Prestigeprojekt zu stürzen: Nach der grundsätzlichen Bewilligung durch Kaiser Ferdinand II . am 6. Juni 1635 wurde er am 27. Juni 1637 „in den Reichsfreiherrenstand erhoben und mußte hiefür 2362 fl bezahlen“ [Grimm, Chronikalische Notizen 108; vgl. auch Siebmacher 23, VI , 2, S. 255], was freilich „den ökonomischen Ruin der Familie von Schellenberg vollendete“ [Büchel, Geschichte, III . Theil, 66]. Johann Baptist Büchel illustrierte „die Notlage des neuen Freiherrn“ [ebd. 67] an einem von diesem eigenhändig unterzeichneten Schreiben vom 30. Juli 1637. Demnach war Schellenberg „dem Sebastian Högger, Handelsmann zu St. Gallen, […] 1500 fl schuldig geworden. Daran soll der Schuldner bar erstatten 200 fl, ferner bei Gordian Zollikofer und Dr. Rotmund in St. Gallen wieder 200 fl an dem versetzten Silbergeschirr und Goldgeschmeide vermöge Kontrakts richtig machen, und um die übrigen 1100 fl hat er ihnen als Unterpfand zugestellt eine Perlenkette […], ferner eine Kette mit einem schönen großen Kleinod […] ferner einen Bettumhang von grünem Doppeltaffet samt Zubehör, endlich einen scharlachroten Teppich“ [ebd.]. Hier wurde also buchstäblich das Tafelsilber des Freiherrn verschleudert und ihm der (Teppich-)Boden unter den Füßen weggezogen. Dann ließ auch noch „auf Andringen der Gläubiger wegen einer Forderung von 500 fl […] der Pfalzrat von St. Gallen im Dezember 1638 viele dem Freiherrn gehörige Mobilien zu Rorschach und Sulzberg mit Beschlag belegen“ [ebd. 68] – es erscheint mehr als naheliegend, daß in dieser Phase auch der wertvolle Theuerdank aus dem Haus kam. Denn in der Folgezeit gingen die Verluste erst richtig an die Substanz: 1647 verkaufte Hans Christoph „ein Gut nach dem andern, trotzdem damals die Güter wegen des fortdauernden Krieges sehr schlecht bezahlt wurden“ [ebd.], schließlich war er „in

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solcher Not, daß er sogar die Gelder mancher frommen Stiftungen und Kirchen angriff, weshalb ihn der Dekan Mauchle zu Leutkirch zur Rückgabe aufforderte, ‚um ein solchs bei Gott und der Welt verantworten zu können‘“ [ebd. 69]. In dieser Situation lassen wir Hans Christoph von Schellenberg und seine Familie zurück – ist doch der Theuerdank zu diesem Zeitpunkt bereits in andere begehrliche Hände übergegangen. Reichsgrafen von Königsegg-Rothenfels Betrachten wir den Einband aus Pergament, in den das Buch im 17. Jahrhundert neu eingebunden wurde: Er trägt auf den Deckeln zwei gleichartig gestaltete, jedoch unterschiedliche Wappensupralibros. In einem ovalen Blätterkranz befindet sich jeweils ein zentrales Wappen mit Helm und Helmzier, das von vier kleineren umgeben ist und dabei selbst oben links wiederholt wird. Die Vermutung, daß diese Anordnung die Genealogie einer identifizierbaren Person nachbildet, deren Großeltern jeweils durch die vier äußeren Wappen repräsentiert werden, hat sich bei unserer Recherche aufs glücklichste bestätigt. Das gerautete Hauptwappen auf dem Vorderdeckel, dessen zwei Farben durch die unterschiedliche Art der Goldprägung angedeutet werden, läßt sich dank der Federn als Helmzier eindeutig als dasjenige der Familie Königsegg [Siebmacher 23, V, 2 S. 2 und Tafel 2; Württ. Adels- und Wappenbuch 413 f.], also eines „der ältesten und edelsten Geschlechter des Kaiserstaates“ [Wurzbach 12, 224], identifizieren. Begleitet wird es von den Wappen dreier weiterer herausragender Adelsfamilien des schwäbisch-süddeutschen Raumes: Oben rechts die Fahne mit drei Hängeln an drei Ringen der Grafen von Montfort [Siebmacher 23, S. 20 und Tafel 19; Württ. Adelsund Wappenbuch 517 ff.], unten rechts offenbar die je vier silbernen und blauen Pfähle der Grafen Schwarzenberg [Württ. Adels- und Wappenbuch 718 und 725] und unten links das – bis zur Unkenntlichkeit beriebene – Drei-Löwen-Wappen der Familie Waldburg. Mit dieser ‚Ahnenprobe‘ läßt sich der Besitzer des zentralen Wappens genealogisch unzweideutig bestimmen: Es ist Georg Freiherr von Königsegg und Aulendorf (1568–1622), der „dem Erzherzoge Ferdinand zu Oesterreich mit vielem Ruhm als Oberstkämmerer und Landvogt zu Hagenau“ [Waibel 71; vgl. Schwennicke, Tafel 47] diente. Dessen Vater Johann Jakob (um 1512–1567) war Präsident des Reichskammergerichts gewesen, hatte 1556 Elisabeth Gräfin von Montfort geheiratet und von seinem Schwager Ulrich IX . von Mont-

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fort aus der aussterbenden Linie Tettnang-Rothenfels noch kurz vor seinem Tod „die Grafschaft Rothenfels und die Herrschaft Staufen“ [Waibel 60] um Immenstadt im Allgäu gekauft. Johann Jakobs Vater Johann hatte im Jahr 1505 eine Truchsessin von Waldburg geheiratet [vgl. Schwennicke, Tafel 47 und 154] – mit diesem Vorwissen lassen sich im Wappen unten links drei übereinanderstehende schreitende Löwen erahnen. Elisabeth von Montfort wiederum war die Tochter Hugos XIV. († 1584) und der Maria Magdalena Freiin von Schwarzenberg, Herrin von Seinsheim (1510–1543 [vgl. Schwennicke Tafel 111]. Auch deren Familie war historisch bedeutend: Ihr Vater Christoph war „Statthalter des schwäbischen Bundes zu Stuttgart“ [Württ. Adels- und Wappenbuch 718], bereits ihrem Bruder Otto Heinrich war die „Erhebung der Herrschaft Schwarzenburg zur Grafschaft“ [ebd.] gelungen. Alle vier Großeltern Georgs von Königsegg stammten damit aus dem angesehensten alten Adel Schwabens. Nicht anders verhielt es sich bei seiner Gattin Kunigunde Freiin Truchsess-Waldburg (1570–1604) [Schwennicke, Tafel 47], deren Wappen zentral den Hinterdeckel prägt: drei schreitende Löwen (bzw. heraldisch: Leoparden), mit einem Pfauenstoß als Helmzier [Württ. Adels- und Wappenbuch 964 ff.]. Wie vorn wird das Hauptwappen links oben wiederholt, um hier für Kunigundes Vater Jakob (1546–1589) bzw. ihren Großvater Georg IV. Truchsess von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (1523–1566/7) zu stehen [Schwennicke, Tafel 47 und 154]. Links unten erkennt man deutlich das viergeteilte Wappen ihrer Großmutter väterlicherseits, Johanna von Rappoltstein (1525–1569) [Schwennicke, Tafel 154]: im Herzschild drei kleine Schilde, im ersten und vierten Feld drei Adlerköpfe für die rappoltsteinische Herrschaft Hohenack, im zweiten und dritten Feld steigende rote Löwen für die Herrschaft Geroldseck. Die Familie sollte allerdings in männlicher Linie mit Graf Johann Jakob zu Rappoltstein (1598–1673) aussterben. Rechts oben steht das gleichfalls viergeteilte Wappen der Herren von Zimmern: vier einwärts gekehrte Löwen mit doppelköpfigem Adler als Herzschild [Siebmacher S. 112 und Tafel 62, vgl. Württ. Adels- und Wappenbuch 1103]. Die Mutter Kunigundes, Johanna von Zimmern-Messkirch (1548–1613) [Schwennicke Tafel 154], war die Tochter des Froben Christoph von Zimmern, des Verfassers der berühmten Zimmerischen Chronik, und der Gräfin Kunigunde von Eberstein, deren Familie 1660 im Mannesstamm erlosch – rechts unten sieht man ihr Rosen-Wappen [Württ. Adels- und Wappenbuch 144 f.]. Der Bruder Johannas, Wilhelm von Zimmern (1549–1594), war wiederum

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der letzte Vertreter dieses Geschlechtes. Als abzusehen war, daß er kinderlos bleiben würde, erhielt er hohe Ämter am Hof Ferdinands II . auf Schloß Ambras, unter anderem das des österreichischen Hofmarschalls. Nach seinem Tod teilten seine acht Schwestern das Familienerbe untereinander auf. Georg von Königsegg selbst, der seinen Allgäuer Besitzungen sowohl dieses Zimmernsche Erbe, auch und vor allem aber die Montforter Grafschaft Rothenfels hinzufügen konnte, verlegte seine Residenz in das Amtshaus in Immenstadt, das er „vom Jahre 1604 bis 1620“ [ebd. 67] zum Stadtschloß umbaute; außerdem ließ er die „GottesackerKapelle zu Immenstadt“ [ebd. 68] errichten. Mit seinen Untertanen führte er allerdings einen jahrelangen erbitterten Streit um willkürlich erhöhte Abgaben, der nur unter Habsburger Vermittlung eingehegt werden konnte. Viel später sollte sich seine Härte rächen, wie der Historiograph der Reichsgrafschaft Königsegg-Rothenfels, Aloys Adalbert Waibel, berichtete: „Als Freiherr Georg Morgens am 29. August 1622 mit seinen Hofleuten auf die Jagd […] ritt, ward er von einem Bauern geschossen. Der Freiherr sank vom Pferde“ – und verschied. „Der Mörder, namens Zobel, hatte sich öfter geäussert, er werde dem Freiherrn noch Silber genug geben“. Die Strafe war grausam: „Bußfertig“ wurde der Zobel „lebendig verviertheilt mit vier Ochsen. Die vier Theile des Hingerichteten wurden in den Regierungsbezirken an vier Orten aufgehängt und erst nach einiger Zeit in die Erde gescharrt – den Einwohnern zum warnenden Beispiele“ [ebd. 69]. Der dynastischen Erfolgsgeschichte des Hauses Königsegg tat dieser Fall keinen Abbruch. Georgs Söhne Hugo (1595/6–1666) und Johann Georg (1598–1666) [Schwennicke, Tafeln 47 und 49] teilten ihr kleines Vaterland auf und gründeten damit die Linien Rothenfels und Aulendorf [vgl. Waibel 70]. Nicht in dem ermordeten Vater, sondern in einem der beiden Söhne sehen wir den Erwerber unseres Theuerdank-Exemplars und Auftraggeber des Einbands, nicht nur weil das Wappen ihrer Mutter Kunigunde samt deren Ahnen quasi ‚auf Augenhöhe‘ mit dem des Vaters auf dem Hinterdeckel positioniert ist, sondern auch, weil ihre Karriere sie in besondere Nähe zu den österreichischen Habsburgern führte, und schließlich auch aus chronologischen Gründen. Ein würdiger Anlaß für den Erwerb des Theuerdank war im Jahr 1629 gegeben: Hatte der Bruder ihrer Mutter, Johann Jakob I. Truchsess von Waldburg, bereits 1628 die Reichsgrafenwürde erhalten, so erhob Kaiser Ferdinand II . im Jahr darauf auch „die damals lebenden

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Freiherrn von Königsegg […] für sie selbst und für ihre ehelichen Nachkommen […] in den Reichsgrafenstand“ [Waibel 70]. Bezeichnend ist der Text der Erhebungsurkunde, den Waibel in indirekter Rede wiedergibt: Demnach gezieme es sich, „daß der kaiserliche Thron sich mit Menschen so stattlicher Abkunft hohen Geschlechtes und rühmlicher Thaten ziere, und sie nach Verdienst in die Zahl an Grafen aufnehme, um dadurch auch Andere zu gleichen adelichen Tugenden und ehrlichen Ritterthaten [!] aufzumuntern“ [ebd 70 f.]. Sollte mit dem in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs längst antiquierten Begriff etwa an das Vorbild Maximilians als des – dann doch nicht – ‚letzten Ritters‘ angespielt werden? Noch deutlicher zeichnet sich die Absicht der historischen Parallelisierung im weiteren Verlauf des Textes ab, zunächst in allgemeiner Form: „Die seit einigen hundert Jahren um den kaiserlichen Hof und das heilige römische Reich sich so sehr verdient gemachten Freiherren von Königsegg verdienten diese Standeserhebung vorzüglich“. Dann heißt es konkret, „Johann Freiherr von Königsegg“ – also der Großvater Georgs in väterlicher Linie, dessen Wappen auf dem Vorderdeckel links oben voransteht – „sei wegen seiner besonderen Geschicklichkeit, vortrefflichen Eigenschaften, und hohen Einsichten von Kaiser Maximilian I. als Ambassadeur an die ottonische Pforte abgeschickt worden, und habe diese Legation zu seinem großen Selbstruhme und zur Wohlfahrt der ganzen Christenheit vollendet“. Damit wird nicht nur explizit ein persönlicher Bezug zu Maximilian hergestellt, sondern auch die am Ende des Theuerdank demonstrativ offengelassene Kreuzzugproblematik berührt, für die hier bemerkenswerterweise eine diplomatische Lösung nahegelegt wird. All diese Anspielungen belegen, wie präsent die Maximilian-Memoria auch neben der Theuerdank-Rezeption noch war. So ist sehr gut denkbar, daß einer der neuen Reichsgrafen von Königsegg, entweder Hugo (als der ältere Bruder), oder Johann Georg, schon 1629 zur Bekräftigung der Standeserhöhung wie auch der langen Verbindung mit dem Haus Habsburg den Theuerdank erwarb und mit den abstammungsbewußten Wappensupralibros in Pergament binden ließ. Die Genealogie war schon von Maximilian in besonderer Weise gepflegt worden; und auch die Erhebungsurkunde für die Königseggs legte ausdrücklich auf die stattliche Ahnenreihe als solche Wert. Demnach hatten die Freiherren „ihr adeliches Geschlecht mit altherrlichen, dem gräflichen Stande gleichgehaltenen, ja auch mit fürstlichen Familien-Vermählungen verherrlicht“ [ebd. 72]. Eben dies illustriert der Einband durch die acht Deckelwappen der Ahnen, die insbesondere auch der Memoria der im Mannesstamm aus-

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gestorbenen bzw. aussterbenden Familien Montfort-Tettnang-Rothenfels, Zimmern, Rappoltstein und Eberstein dienten. Sie zeigten andererseits, welches dynastische Erbe in den Königseggs fortlebte. Schon geographisch lag der Erwerb des Theuerdank-Exemplars von Hans Christoph von Schellenberg buchstäblich nahe, sind Immenstadt und Kißlegg doch kaum 50 Kilometer voneinander entfernt. Fraglich ist allerdings, ob es im Jahr 1629 schon zum Verkauf stand; schließlich war der erst fünf Jahre zuvor volljährig gewordene Junker von Schellenberg noch ganz von jugendlichem und dynastiebewußtem Expansionsdrang erfüllt. In den Folgejahren kam er jedoch politisch kaum voran, rieb zugleich seine materiellen Grundlagen dramatisch auf und war, wie wir sahen, spätestens 1637 zum Verkauf von diversen Kleinodien und Hausinventar gezwungen. Bei dieser Gelegenheit dürfte Hugo von Königsegg zugegriffen haben, dessen Stern nur immer weiter stieg: Bereits in der Erhebungsurkunde wurde er für seine „sehr ersprießliche[n] und ruhmwürdige[n] Dienste“ als „kaiserlicher Präsident des Kammergerichtes zu Speier“ wie auch „bei verschiedenen Empörungen und anderen Gelegenheiten“ [ebd. 72] besonders gelobt. Wurzbach berichtete: „Als der Churfürst Friedrich von der Pfalz als König von Böhmen sich der Stadt Speyer bemächtigte, weigerte sich Hugo, ihn als König von Böhmen anzuerkennen, wodurch er sich selbst nicht wenig gefährdete. Nach des Winterkönigs Sturze berief ihn Kaiser Ferdinand II . an seinen Hof, ernannte ihn zum Kammerherren und Reichshofrath, welche Stelle er auch unter Ferdinand III . bekleidete, der ihn zu mehreren diplomatischen Sendungen verwendete. Graf Hugo […] war es auch, der die kaiserliche Prinzessin Cäcilia Renata im Jahre 1637 dem Könige Ladislaus IV. als Gemahlin zuführte. Im Jahre 1641 wurde der Graf Direktor des gräflichen Kollegiums im schwäbischen Kreise und führte dieses Directorium 24 Jahre. Auch nahm er, als Leopold im Jahre 1658 die Kaiserkrone erlangte, von mehreren Reichsstädten im schwäbischen Kreise die Huldigung entgegen“ [Wurzbach 12, 227]. Warum aber Hugo und nicht sein jüngerer Bruder Johann Georg? Daß wir dem Älteren den Theuerdank zuweisen möchten, liegt weniger an dessen steilerer Karriere – immerhin trat Johann Georg in die Dienste des Tiroler „Erzherzogs Ferdinand Karl, der ihn zu seinem Oberhofmeister und Landvogt in Schwaben bestellte“ [ebd.]. Entscheidend ins Gewicht fällt vielmehr, daß Hugo bei der Erbteilung als Mittelpunkt seines Territoriums die Grafschaft Rothenfels mit Immenstadt erhielt, die sein Großvater 1567 von den Montfortern, diese aber um 1332 von den Schellenberg erworben hatten.

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In Immenstadt erbaute Hugo „ein neues Stammschloß […], ferner ein Kloster für die Kapuziner und ein Hospital“ [ebd.] als Wahrund Merkzeichen seiner Herrschaft. Eine historische Verbindung zu den früheren Besitzern von Rothenfels über drei Jahrhunderte hinweg stellte jedoch das Exemplar des Theuerdank mit dem KißleggSchellenbergschen Wappen her – eine geglückte, einmalige Aneignung von Geschichte in realer und symbolischer Form! Stellen wir Vermutungen über den weiteren Verbleib des Exemplars bei den Nachkommen Hugos an, so gelangen wir zu Franz Fidelis Anton von Königsegg-Rothenfels (1750–1804) als letztem regierenden und noch immer in Immenstadt residierenden Grafen. Durch einen pompösen Lebensstil einerseits, durch die militärischen Belastungen der Koalitionskriege gegen Frankreich andererseits war er zu Beginn des 19. Jahrhunderts so drückend verschuldet, daß er sein Land bei Kaiser Franz II . gegen die Herrschaft Boros-Sebes in Siebenbürgen eintauschte. Sein Sohn Johann Nepomuk verkaufte diese 1847, nachdem er „seinen Bruder, wie auch den 31 Jahre alten Sohn und dessen Gemahlinn und Kind, und den Schwiegersohn verloren“ [Waibel 99 f.] hatte. Er zog nach Wien, heiratete nochmals, flüchtete „wegen des Ausbruches der Revolution“ 1848 nach Graz, um sich bald darauf „mit seiner kleinen Familie zu Aussee nächst Ischl“ [ebd. 100] anzusiedeln – es fällt schwer, sich vorzustellen, daß der Theuerdank nach diesen letzten Umzügen in dem geschrumpften und verbürgerlichten Hausstand noch Platz gehabt hätte. Kneschke konnte 1864 nur noch mitteilen: „Seit 1856 fehlen unter dieser Linie alle näheren Angaben“ [Kneschke 5, 197]. Der Band trägt aus seiner Entstehungszeit noch ein Rückenschild mit dem handschriftlichen Titel „Teurdanck“ und muß ausweislich eines alten Etiketts mit der Signatur „XII 11“ einmal in einer wohlgeordneten Bücherei gestanden haben. In Van Praets Zensus von 1822 ist er jedenfalls noch nicht erfaßt [vgl. Van Praet IV, 234 f.]. Eine jüngere Hand des fortgeschrittenen 19. Jahrhunderts notierte auf dem Titelschild: „Gedruckt zu Augsburg“; eine andere unter dem in Bleistift gestrichenen Ortsnamen „Nürnberg“, worin sich die fachwissenschaftliche Diskussion der Zeit über das rätselhafte Kolophon spiegelt – und wohl auch der Umstand, daß unser Exemplar aus der Ruhe einer alten Bibliothek in die Stromschnellen des Antiquariatshandels geriet. Auch dies ist ein Indiz dafür, daß es nicht in der Linie von Johann Georg von Königsegg-Aulendorf weitergereicht wurde, die sich in ihrem Besitz bis heute erhalten hat. Damit aber verlor sich die Spur des Theuerdank-Exemplars in der Anonymität, aus der es auch nicht erlöst wurde, als es 1995 auf der Auktion 79

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bei Hartung & Hartung in München erstmals wieder in das Licht der Öffentlichkeit trat. Allzu lieblos wurde es dort als Nr. „338a“ beschrieben, das eingemalte Wappen mißdeutet, auf den Deckeln nur ein einziges Nebenwappen identifiziert und die Verschiedenheit der Wappensupralibros gleich ganz übersehen. Umso bedeutsamer, daß dem Exemplar mit der prominenten Provenienz aus den Familien Schellenberg-Kißlegg und Königsegg nun seine ‚vorderösterreichische‘ Geschichte im unmittelbaren räumlichen wie persönlichen Umkreis der Habsburger bis zum Ende des ‚Alten Reichs‘ zurückgeben werden kann! Literatur: Adams P 962; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 329; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3552; Dodgson I 252 ff., 41, Nr. 1, 504, Nr. 2 (Traut), II , 7 f., Nr. 5 (Schäufelein), 58 f., Nr. 7 (Burgkmair), 109, Nr. 2 (Breu), 123 ff., Nr. 3 (Beck), 147, Nr. 23 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 1 (Master N H); Ebert 22869; Goedeke I, 336; Graesse VI , 106 f.; Hollstein, German, V: 416–430 (Burgkmair); Muther 845; Oldenbourg L 119 (Schäufelein); Panzer I, 408 ff., Nr. 885; Proctor 11180; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1649. – Zur Provenienz: Büchel (mehrere Titel); Grimm; Kneschke; Schwennicke; Waibel; Württembergisches Adels- und Wappenbuch; Wurzbach.

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3 Ein unkoloriertes Exemplar auf Pergament [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. Nürnberg [d. i. Augsburg], Johann Schönsperger, [1517]. a–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x–y8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 A8 = 287 (statt: 290) Bl. – Das leere Blatt P5 am Ende von Kapitel 117 wurde entfernt, das fehlende Blatt v3 und das letzte Blatt P8 als Faksimiledruck auf Pergament [!] ersetzt. Mit 117 großen (textspiegelbreiten), im Druck numerierten Holzschnitten. Royal-Folio (336 x 217 mm). Roter Samtband des 17./18. Jahrhunderts auf vier Bünde über Holzdeckeln, mit zwei ziselierten Messing-Schließen und späterem punzierten Ganzgoldschnitt über marmoriertem Schnitt; in moderner weinroter Halbmaroquinkassette in Buchoptik mit vier angedeuteten Bünden und goldener Rückenprägung, mit blauem Filz ausgeschlagen, signiert J. & S. Brockman, Oxford (Samtbezug stellenweise abgerieben, Vorsätze erneuert, 2 Bl. in Faksimile ersetzt, 1 leeres Bl. entfernt, wenige Bl. etwas, letzte 3 Bl. stärker fleckig, die Schnörkel am Oberrand teils angeschnitten). „Kunstgerecht“: Die Holzschnitte in Schwarzweiß Die Schwärmereien des berühmten englischen Bibliomanen Thomas Dibdin über die Illustrationen des Theuerdank in seinem Bibliographical Decameron von 1817 klingen uns noch in den Ohren: „Almost every page is embellished […] with a spirited wood-cut“ [Dibdin, Decameron I, 201 f.]. Und: „Those immense wood-cuts are intended to give a general representation of the conquest and triumph of the arms of this mighty Emperor. What magnificence, variety, and richness of outline and detail! What freedom and correctness both of drawing and engraving!“ [ebd. 203 f.]. Bei seiner Besichtigung der illuminierten Prachtexemplare in den kaiserlichen Bibliotheken in Wien folgte allerdings die Ernüchterung: „The cuts should not have

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been coloured“ [Dibdin, Tour III , 529]. Mit dieser Meinung stand Dibdin nicht allein, sondern mitten im Mainstream der Zeit, wie auch Friedrich Adolf Ebert als biederer Bibliograph 1830 zu Protokoll gab: „Es giebt auch gleichzeitig und zwar sehr schön illuminirte Pergamentexx., sie werden aber von den kunstgerechten Sammlern den Exx. nachgesetzt, in welchen die Kunst des Holzschneiders nicht durch Farben verdeckt ist“ [Ebert II , 954]. Der gleiche Tenor fand sich wenige Jahre später bei dem um den Theuerdank sehr verdienten Philologen Carl Haltaus: Die illuminierten Exemplare seien zwar „sehr gesucht“, „jedoch den nicht illuminirten nachzusetzen, insofern durch die Farbe die Holzschnitte verdeckt werden und somit an ihrem ganzen Werthe verlieren“ [Haltaus 39]. Noch härter urteilte Jacques-Charles Brunet 1864: „Il existe quelques exempl. sur vélin avec figures enluminées, mais ils ont peu de prix aux yeux des amateurs, à moins que les peintures n’en aient été faites avec un soin particulier“ [Brunet V, 767]. Dieses Verdikt vermögen wir in keiner Weise nachvollziehen, sind doch unsere Exemplare sehr fein und differenziert koloriert, gerade auch in Rücksicht auf die zugrundeliegenden Holzschnitt-Linien, die teils nur lavierend übertuscht wurden. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, daß man über die Kolorierung von Holzschnitten unterschiedlicher Ansicht sein kann, und schon darum ist es von Bedeutung, daß unsere Kollektion von Theuerdank-Erstdrucken auch ein Pergamentexemplar mit den schwarzweiß belassenen wunderbaren Holzschnitten nach Hans Burgkmair, Hans Schäufelein und Leonhard Beck aufweisen kann, umso mehr als mit dem eigens dafür aus den Niederlanden nach Augsburg geholten Jost de Negker ein herausragender Formschneider der Hauptverantwortliche für die technische Umsetzung war. Zugleich ermöglicht dies auch einen differenzierteren Blick auf Maximilians eigene mediale Strategien. Denn machte die Illuminierung einerseits „auf überzeugende Weise deutlich, dass im Hintergrund der Bemühungen, dem Theuerdank eine exquisite Erscheinung zu sichern, immer noch die Idee illuminierter Prachthandschriften stand“ [Schmidt, Literatur 335], so wurde andererseits eben dadurch kaschiert, daß Maximilian sich bei der Bebilderung seiner Werke massiv der modernen Reproduktionstechnik des Holzschnitts bediente. Insofern ist verständlich, wenn Norbert Ott aus einem anderen Argumentationszusammenhang heraus in dem Projekt einer „auf Pergament gedruckten, illuminierten Vorzugsausgabe – mit Holzschnitten, die der Illumination gar nicht bedürfen, ja ihrer graphischen Struktur widersprechen – einen Rückschritt hinter das in

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spätmittelalterlichen Handschriftenmanufakturen bereits Erreichte“ [Ott 239] erkannte. Sehr genau sah Ott, daß es sich hier, „anders als bei den Inkunabeln der Frühzeit, die mit ihren kolorierten Holzschnitten gleichsam unbewußt die handschriftliche Überlieferungstradition des Mittelalters imitieren“, bereits um „eine ‚nostalgische Rekonstruktion‘ [M. Giesecke] nicht einer mittelalterlichen Vorlage, sondern mittelalterlichen Bewußtseins mit den modernsten technischen Mitteln“ [ebd. 240] handelt. Jedoch wird ja gerade darin eine andere Konsequenz Maximilians deutlich, der ‚das Beste aus beiden Welten‘ auf allen Gebieten für sich reklamierte. Bleiben die kleinen Eigenheiten dieses schönen Pergamentexemplars nachzutragen: Wie die meisten Exemplare hat es den Korrekturdurchgang mittels kleiner aufgeklebter Papierstreifchen über den inkriminierten Textstellen erfahren; lediglich im 36. Kapitel auf Blatt m1v scheint es sich abgelöst zu haben – hier blieb nur eine leichte Verfärbung zurück. Auffällig ist, daß der Holzschnitt 107 gleich viermal mit der gleichen gedruckten Zahl numeriert wurde. Wie in unserem ersten Exemplar wurde die Fehlnumerierung von Bild 27 von Hand korrigiert; das leere Blatt P5, das die inhaltliche ‚Lücke‘ des nicht ausgeführten Kapitels 117 markiert, wurde entfernt. Der Druck wurde neuzeitlich sehr geschickt um die zwei fehlenden Blätter v3 und P8 in Faksimile auf Pergament ergänzt und in den alten, wohl liturgischen Einband eingehängt. Da die faksimilierten Blätter gleichfalls Goldschnitt und Punzierung aufweisen, ist die Schnittbehandlung ebenfalls als neuzeitlich anzusehen. Das schöne, so gut wie fleckenfreie, oben ein wenig knapp beschnittene Pergament weist kaum Quetschfalten auf, einige Löchlein wurden sorgsam zugenäht. Literatur: Adams P 962; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 329; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3552; Dodgson I 252 ff., 41, Nr. 1, 504, Nr. 2 (Traut), II , 7 f., Nr. 5 (Schäufelein), 58 f., Nr. 7 (Burgkmair), 109, Nr. 2 (Breu), 123 ff., Nr. 3 (Beck), 147, Nr. 23 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 1 (Master N H); Ebert 22869; Goedeke I, 336; Graesse VI , 106 f.; Hollstein, German, V: 416–430 (Burgkmair); Muther 845; Oldenbourg L 119 (Schäufelein); Panzer I, 408 ff., Nr. 885; Proctor 11180; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1649.

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4 Ein unvergleichlich illuminiertes Exemplar auf Papier [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. Nürnberg [d. i. Augsburg], Johann Schönsperger, [1517]. a8 A8 b–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x–y8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 = 290 Bl. – Clavis als zweite Lage eingebunden. Mit 118 großen (textspiegelbreiten), im Druck numerierten Holzschnitten in zeitgenössischem Fürstenkolorit mit reichen Goldhöhungen. – Nr. 27 irrtümlich mit „25“ numeriert. Royal-Folio (335 x 230 mm). Mittelbrauner Maroquinband des 18. Jahrhunderts auf sechs goldschraffierte Bünde, in den Rückenkompartimenten große florale Einzelstempel (der im 2. Feld abweichend) und große Eckfleurons in Goldprägung; auf den Deckeln zwei durch Diagonallinien verbundene Goldfiletenrahmen, im Mittelfeld zentrales Fleuron in Quadratrautenform und kleinere Eckfleurons in Quadratform, mit marmorierten festen Vorsätzen und Ganzgoldschnitt; in moderner brauner Halbmaroquinkassette in Buchoptik mit sechs angedeuteten Bünden und goldener Rückenprägung, ausgeschlagen mit schwarzem Velours, signiert J. & S. Brockman, Oxford (Einband etwas beschabt und mit kleineren Nagespuren, durchgehend fingerfleckig, immer wieder etwas braunfleckig bzw. fleckig durch Farbdurchschlag, wenige Lagen am Oberrand mit Wasserfleck, einige Bl. mit meist geschlossenen Durch- und Randeinrissen und -läsuren, die Schnörkel am Oberrand gelegentlich leicht angeschnitten, Bl. G2 mit ergänzter Eckfehlstelle und etwas Schnörkelverlust).

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Das Exemplar eines unter Maximilian aufgestiegenen ‚homo novus‘? Hier nun ein Exemplar der ‚privaten‘ Erstausgabe des Theuerdank auf Papier, vollständig, einschließlich des an der richtigen Stelle belassenen leeren Blattes P5 und mit den Korrekturstreifen im Haupttext und in der Clavis, die hier als zweite Lage eingebunden ist. Trotzdem ist dieses „Normal-“ ein absolutes Ausnahmeexemplar, aus zwei Gründen: Zum einen deuten Äußerungen Eberts und Brunets, die darauf verwiesen, es gebe „sehr schön illuminirte Pergamentexx.“ [Ebert II , 954] bzw. „il existe quelques exempl. sur vélin avec figures enluminées“ [Brunet V, 767], darauf hin, daß sie – trotz der deutlich höheren Auflage von mutmaßlich 300 Stück – kolorierte Exemplare auf Papier nicht kannten, wohl auch gar nicht erwarteten. Angesichts der ‚standesgemäß‘ abgestuften Ausstattung der Specimina entsprechend Rang und Würden ihrer Empfänger ist diese Annahme durchaus berechtigt – das vorliegende Buch also, wenn nicht ein Ding der Unmöglichkeit, so doch eine Rarität. Zum anderen aber wurde es in einer Weise illuminiert, die alles, was wir bisher gesehen haben, in den Schatten stellt, und wir möchten hier auch unsere eigenen Pergamentexemplare in Fürstenkolorit durchaus mit einschließen. Doch hier bediente sich der Maler aus einer äußerst kräftigen Farbpalette mit verschiedenen Rot-, Violett-, Blau-, Grün-, Ocker- und Brauntönen, der er durch den großzügigen Einsatz von Silber – meist für Rüstungen und Wellen – sowie Gold – für Rüstungen, Kanonen und Höhungen – nicht nur Glanzlichter aufsetzte, sondern unerhörte Pracht und Festlichkeit verlieh. Dabei ist der Farbauftrag zugleich sehr detailliert und differenziert, man betrachte allein auf dem ersten Bild die Marmorsäulen, die Fußbodenfliesen und den Thronbehang. Ferne Hintergründe wie etwa die Berge auf Bild 37 kann er auch zart lavierend darstellen, oftmals erzeugt er aber eine erstaunliche, fast surreale Buntheit am Wolkenhimmel, wie auch bei Gelände- und Gesteinsformationen wie in Bild 47. Immer wieder wirken die Szenarien wie in Morgen- oder Abendrot getaucht, was der gesamten Illustration eine intensive, zugleich spannungsgeladene Grundstimmung verleiht. Leider können wir über den Erstbesitzer ledoglich Vermutungen anstellen. Da er ‚nur‘ ein Papierexemplar der Kaiserbiographie erhielt, wird er nicht zum engsten Kreis um Maximilian I. gehört haben, doch muß er als Auftraggeber der Illumination enorm finanzkräftig gewesen sein; offenbar ein sehr erfolgreicher homo novus, der in irgendeiner Form von Maximilians weitgespannten Aktivitäten pro-

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fitiert und mit ihnen aufgestiegen war – vielleicht ein reicher Bürger der ‚kaiserlichen‘ Lieblingsstädte Augsburg oder Nürnberg? Ungewöhnlicherweise wurde die Clavis als zweite Lage eingebunden, was einerseits laienhaft die Erzählung zwischen dem dritten und vierten Kapitel unterbricht, andererseits auf einen besonderen Ehrgeiz bei der Entschlüsselung des Textes hindeutet – also wieder auf eine gewünschte Nähe zum Kaiser. Die Suggestionsstrategie Melchior Pfinzings, in der Clavis würde ein nur Auserwählten vorbehaltenes Arkanwissen preisgegeben, wäre dann bei diesem Rezipienten voll aufgegangen. Ein weiteres Indiz deutet darauf hin, daß wir mit dieser Vermutung auf dem richtigen Weg sind: Auf dem Titelblatt ist unter der vierzeiligen Titelinschrift, die mit den Worten herr Tewrdannckhs endet, von zeitgenössischer Hand die Buchstabenreihe „K M E Z O V B“ eingetragen worden, was, wie die Clavis entschlüsselt, „Tewrdanck bedeut“ [A1v] – bzw. in Worten: Kaiser Maximilian, Erzherzog zu Österreich und Burgund. Die kalligraphisch-craqueléhafte Art, in der diese Versalien gestaltet wurden, und die irgendwie zu der nervösen Illumination zu passen scheint, verrät geradezu seismographisch die verschwörerisch-geheimnisvollen identifikatorischen Wonnen, die der anonyme Ersteigentümer mit dem Lebensroman seines Herrn erlebt haben mag; einige Gebrauchsspuren zeugen von intensiver früher Lektüre. Spätere Besitzer nahmen das Buch mehr als ehrwürdige Antiquität. So findet sich unter der Maximilian-Sigle der Eintrag: „Dieses Buch ist A 1712 Jahres schon 195 Jahr als da es ist getrukht worden“; vielleicht war es der Schreiber dieser Zeilen, der das Buch mit dem anständigen Kalbledereinband des 18. Jahrhunderts versehen ließ. Auf dem Vorblatt gibt schließlich der knappste Eintrag in einer Schrift wohl des frühen 19. Jahrhunderts mit „K v Macknitz“ den ersten namentlich identifizierbaren Hüter unseres kostbaren Buches preis. Literatur: Adams P 962; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 329; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3552; Dodgson I 252 ff., 41, Nr. 1, 504, Nr. 2 (Traut), II , 7 f., Nr. 5 (Schäufelein), 58 f., Nr. 7 (Burgkmair), 109, Nr. 2 (Breu), 123 ff., Nr. 3 (Beck), 147, Nr. 23 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 1 (Master N H); Ebert 22869; Goedeke I, 336; Graesse VI , 106 f.; Hollstein, German, V: 416–430 (Burgkmair); Muther 845; Oldenbourg L 119 (Schäufelein); Panzer I, 408 ff., Nr. 885; Proctor 11180; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1649.

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Abbildung aller Holzschnitte in numerischer Reihenfolge von 1 bis 118

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5 Ein unkoloriertes Exemplar, breitrandig und im Einband der Zeit [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. Nürnberg [d. i. Augsburg], Johann Schönsperger, [1517]. a–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x–y8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 A8 *2 (leer) = 290 Bl., 2 zusätzliche leere Bl. Mit 118 textspiegelbreiten, halbseitigen, im Druck numerierten Holzschnitten. – Nr. 27 irrtümlich mit „25“ numeriert. Royal-Folio (357 x 246 mm). Schweinslederband der Zeit auf vier von Streicheisenlinien begleitete Bünde auf starken Holzdeckeln mit angeschrägten Kanten, auf den Deckeln Rahmenwerk aus mehrfachen fetten Streicheisenlinien, dazwischen verschieden Rollstempelbordüren in Blind-, außen in Goldprägung, das kleine Mittelfeld mit goldgeprägten Eckfleurons und zentralem Medaillon mit goldgeprägtem und rotbraun bemaltem floral-linearem Dekor; mit zwei intakten Messingschließen und dunkelgrauem Schnitt; in moderner schwarzer Halbmaroquinkassette in Buchoptik mit fünf angedeuteten Bünden und goldener Rückenprägung, ausgeschlagen mit schwarzem Velours, signiert J. & S. Brockman, Oxford (Einband berieben und angestaubt, Medaillondekor hinten verschmiert, Papier anfangs fingerfleckig, streckenweise an den Rändern ganz leicht braun- bzw. feuchtfleckig, einige Lagen leicht gebräunt, einige Bl. mit geschlossenen Randeinrissen, fehlendes Blatt P5 in Faksimile ergänzt, H8 mit ergänztem Eckabschnitt ohne Textverlust). Ein Exemplar im zeitgenössischen Schweinslederband Um das Maß der möglichen Ausgabevarianten des Erstdrucks des Theuerdank vollzumachen, ist dieses unkolorierte Papierexemplar unverzichtbar. Schon der Erstbesitzer war sich des besonderen graphischen Werts bewußt. Dabei hatte er bemerkenswerterweise nicht nur die 118 herrlichen, kräftig abgedruckten großen Holzschnit-

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te von Hans Burgkmair, Hans Schäufelein und Leonhard Beck im Blick, sondern auch die in Holzschnitt an den Textspiegel angesetzten, Kalligraphie imitierenden Schnörkel. Denn das Buch ist mit 357 mm Höhe so breitrandig, daß die Schwünge auch oben so gut wie nie auch nur angeschnitten sind. Ein Katalog des Wiener Antiquariats Gilhofer & Ranschburg wies schon um 1929 ausdrücklich darauf hin, daß „such copies, i. e. those with broad margins are extremely rare; and we feel certain that, in view of the scarcity of the book in general, such a particularly large copy will not appear in the market for some years“ [Gilhofer & Ranschburg, Nr. 198, S. 115]. Was unser Exemplar noch zusätzlich heraushebt, ist der beeindruckende, strikt zeitgenössische Schweinslederband auf starken Holzdeckeln mit angeschrägten Kanten und zwei intakten Messingschließen. Ein Rahmenwerk aus jeweils mehrfachen fetten Streicheisenlinien, wird von verschiedenen floral-ornamentalen Rollstempelbordüren ausgefüllt. Schon Konrad Haebler stellte fest, daß „Blumen- und Blattgewinde im Laubstabmuster die ältesten Formen des Rollstempels gewesen sind“ [Haebler I, 1], während ab der Mitte des 16. Jahrhunderts eine Fülle von „religiösen und ethischen Motive[n] [ebd. 2] aufkam – ein sicheres Zeichen also, daß der schöne Einband wohl noch vom Erstbesitzer in Auftrag gegeben wurde. Die Stempel sind nicht signiert, auch stimmt keine Rolle exakt mit den bei Haebler gezeigten Beispielen überein, so daß eine genauere Bestimmung hier nicht geleistet werden kann. Festzuhalten bleibt hingegen auch mit Blick auf den Einband: „Copies of the first edition of the Theuerdanck in such fine copies and in its original bindings occur nearly never on the market“ [Gilhofer & Ranschburg, Nr. 198, S. 115]. Das Exemplar ist vollständig und wurde mit sämtlichen Korrekturstreifchen versehen; von dem auf Blatt m1v ist nur ein Teil, von dem auf G6r nur eine kleine Klebespur erhalten. Aus dem 18./19. Jahrhundert finden sich mehrere bibliographische Einträge in französischer und englischer Sprache auf dem vorderen Vorsatz; auf den Spiegel wurde ein Wappenexlibris mit der Aufschrift „Manchester Library“ und der Devise „Quod tuum tene“ sowie einer handschriftlichen Bibliothekssignatur montiert; das ist die „Chetham Library“, die 1653 gegründete älteste öffentliche Bibliothek Englands (deren schwacher Rundstempel auf dem ersten, zweiten und letzten Blatt). Dem Buch liegt ein eng passepartourierter englischer Nachstich (341 x 224 mm) eines Holzschnitts von Hans Burgkmair bei, der Maximilian in Seitenansicht und in Prunkrüstung zu Pferd vor ei-

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nem (Triumph-)Bogen zeigt; die Bildunterschrift lautet: „Maximilian Emperor of Germany &c. & c. Drest for a Tournament he was installed Knight of the Carter in the Reign of Henry the Seventh“. Stecher war Charles Turner (1773–1857), seit 1812 „Engraver in Ordinary to his Majesty“ [Thieme/Becker 33, 491]. Literatur: Adams P 962; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 329; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3552; Dodgson I 252 ff., 41, Nr. 1, 504, Nr. 2 (Traut), II , 7 f., Nr. 5 (Schäufelein), 58 f., Nr. 7 (Burgkmair), 109, Nr. 2 (Breu), 123 ff., Nr. 3 (Beck), 147, Nr. 23 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 1 (Master N H); Ebert 22869; Goedeke I, 336; Graesse VI , 106 f.; Hollstein, German, V: 416–430 (Burgkmair); Muther 845; Oldenbourg L 119 (Schäufelein); Panzer I, 408 ff., Nr. 885; Proctor 11180; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1649.

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6 Die vor der ersten Ausgabe publizierte zweite Ausgabe von 1519 in einem zeitgenössischen Einband [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und eiñſ teilſ der geschichten deſ lobliche[n] streitbareñ und hochberümbten heldſ und Ritterſ Tewrdaññckhſ. Augsburg, Johann Schönsperger, 1519. a–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x-–8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 *1 (leer) A8 *1 (leer) = 290 Bl., 2 zusätzliche Bl. – Vor und nach der Clavis wurde jeweils 1 leeres Blatt zusätzlich eingefügt. Mit 118 großen (textspiegelbreiten), im Druck numerierten Holzschnitten. – Nr. 27 irrtümlich mit „25“ numeriert. Royal-Folio (360 x 246 mm). Kalblederband der Zeit auf fünf Bünde über starken Holzdeckeln mit angeschrägten Kanten, mit altem, handbeschriftetem Papierrückenschild, in den übrigen Rückenfeldern in Blindprägung jeweils zwei quer gegenübergestellte krabbenbesetzte Wimperge in Rahmen aus dreifachen Streicheisenlinien, auf den Deckeln Rahmenwerk aus dreifachen fetten Streicheisenlinien, die Zwischenräume gefüllt mit Rollstempelbordüren (im Mittelfeld: Jagdszenen, sonst: Ranken besetzt mit Zentauren, Meerjungfrauen und verschiedenen Drachen) bzw. 2 verschiedenen floralen Einzelstempeln, auf dem Vorderdeckel oben in Blindprägung: „Tewrdanckhs“; mit Messing-Schließbeschlägen (Einband beschabt und wurmstichig, Rücken, insbesondere Kapitale, mit Fehlstellen und Einrissen, aber stabil, eine Einband-Ecke abgebrochen, Bezug an den Ecken weggeschabt, Schließbänder verloren, Papier durchgehend etwas, am Ende stärker wurmstichig, erste und letzte Lagen feuchtrandig, anfangs fingerfleckig, zahlreiche Bl. mit Randeinrissen und -läsuren, Titelbl. angestaubt und mit neu unterlegter größerer Eckfehlstelle ohne Textverlust, verso mit Verlust eines Schnörkelstücks, letztes leeres Bl. mit unterlegter größerer Eckfehlstelle).

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Die erste öffentliche Ausgabe Der Theuerdank-Druck des Jahres 1517 war ein Privatdruck des Kaisers gewesen, der auch die Verteilung streng limitiert und geregelt wissen wollte. Nach seinem Tod sollten die Bücher an ausgewählte Gefolgsleute verschenkt werden. Genau diese Absicht unterlief der Drucker Johann Schönsperger, indem er unmittelbar nach Maximilians Tod am 12. Januar 1519 den Theuerdank nachdruckte und noch im selben Jahr auf den Markt brachte. Zwar meinte Anja Grebe, daß „nach heutigen Rechtsbegriffen das copyright offensichtlich erloschen“ [Grebe 26] war, doch bemerkte Dennis Wegener, daß Schönsperger dies „trotz vorheriger Untersagung“ [Wegener 212] tat, um das „Vakuum nach dem Tod des Kaisers“ [ebd.] gewinnbringend für sich zu nutzen. Auf der Titelrückseite brachte er nun seinerseits ein „mutmaßlich gefälschte[s] Privileg“ [ebd.] des Kaisers an; auf dem Schlußblatt gab er nicht mehr Nürnberg, sondern seine Heimatstadt als Druckort an: „Gedruckt in der Kayserlichen Stat Augspurg durch den Eltern Hansen Schönsperger im Jar Tausent fünffhundert und im Neüntzehenden“ [A8v]. Er, der selbst „als Raubdrucker bekannt“ war, versuchte sich nun seinerseits „vor anderen Raubdruckern zu schützen und seine Ausgabe zu legitimieren“ [Wegener 212]. Dieses Kalkül scheint aufgegangen zu sein, denn eine weitere Ausgabe brachte erst sein früherer Geselle Heinrich Steiner im Jahr 1537 heraus (siehe Nr. 8). Vor allem aber kam Schönsperger mit seiner öffentlichen Ausgabe der Verteilung der Drucke von 1517 zuvor – insofern stellt die Edition von 1519 die zuerst publizierte dar. Von der Ausstattung her ist sie dem Privatdruck ebenbürtig: Sie hat dasselbe Format, „eben so viel Bogen, eben so viel Zeilen auf der Seite, eben so viel Signn., eben so viel und eben dieselben Holzschnitte, und ist mit eben denselben Typen und Zügen, wie jene gedruckt“ [Haltaus 43]. Gleichwohl war sie völlig neu gesetzt worden: Schon die Titel weichen leicht voneinander ab; in den Überschriften wurden „mitunter die Zeilen anders abgetheilt“, auch ist die Rechtschreibung „sehr abweichend“ [Haltaus 44]. Die in den Exemplaren von 1517 nachträglich angebrachten Ergänzungen und Korrekturen waren hier bereits im Druck realisiert. Darüber hinaus stellte schon Carl Haltaus fest, daß „viele der in der Ausg. von 1517 an den Buchstaben und Zeilen angebrachten Züge verändert, oft sogar vereinfacht“ waren. Eine Verwechslung unterlief in den Kapiteln 63 und 64, wo die Überschriften mitsamt den entsprechenden Holzschnitten vertauscht wurden [vgl. Laschitzer 111]; bei mehre-

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ren Holzschnitten wurde das Monogramm Hans Schäufeleins entfernt, evtl. aufgrund von Animositäten zwischen ihm und dem Verleger [vgl. Petermann 63]. Wie schon die Erstausgabe wurde auch die zweite von zwei unterschiedlichen Sätzen abgezogen, wie an internen Unterschieden deutlich wird. Haltaus stellte fest: „Beide sogenannte Ausgaben von 1519 sind in Titel, Privilegio und Vorrede ganz gleich, in dem Gedichte finden sich bis zur Signatur r, mit welcher das 54ste Gedicht anfängt, in Hinsicht der Orthographie und Züge Verschiedenheiten, von der Signatur r aber bis zu Ende des Gedichts ist alles gleich. Die Claves sind wieder von einander verschieden“ [Haltaus 42]. Wenngleich Haltaus eine klare zeitliche Priorität einer der beiden von ihm „B“ und „C“ genannten Varianten nicht erkennen konnte, fiel ihm auf, daß „der 2te Abdruck [C] noch mehr von meiner Ausgabe von 1517 differirt, als der erste“ [Haltaus 45]. Unser Exemplar enthält dieselben Merkmale wie Haltaus‘ Abdruck „B“ bzw. Panzers „erste Ausgabe […] A“ und Davies Variante „A“, laut VD 16 wiederum ist es der „2. Abdruck der Auflage von 1519“. Insgesamt ist die zweite Auflage zwar „in Hinsicht ihres Aeussern fast eben so schön als die erste“ [Haltaus 41], doch entging Haltaus nicht, daß „einige Buchstaben schon etwas abgenutzt erscheinen, wenn auch oft nicht sehr merklich“, und daß die „Holzschnitte an Reinheit und Deutlichkeit bei näherer Betrachtung schon verloren haben“ [ebd.]. Man kann Schönsperger zugute halten, daß er mit der Verletzung von Maximilians ausdrücklichem ‚letzten Willen‘ nicht unerheblich zu dessen gedechtnus beitrug, indem er den Theuerdank mit seiner Verkaufsausgabe erstmals einem „kapitalkräftigen literarischen Publikum zugänglich“ [Müller, Einleitung 4] machte. Dabei erscheint logisch, daß diese allein auf Papier erschien, und daß die Exemplare kaum mehr koloriert wurden. Schon hier begann sich der „elitärkonservative Anspruch“ [Ott 239] allmählich aufzulösen. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Einband, der wie bei unserer vorigen Nummer zeitgenössisch ist. Zwar sind die gleichfalls starken abgeschrägten Holzdeckel hier nur mit Kalbleder bezogen, auch ist er weniger gut erhalten, der Dekor kommt jedoch sehr schön zur Geltung. In die Rückenfelder sind mit einander gegenübergestellten, krabbenbesetzten Wimpergen gotische Architekturmotive eingestellt; auf dem Vorderdeckel findet sich oben die Bezeichnung „Tewrdannckhs“ in der gleichen – genitivischen – Schreibweise wie auf dem Titel: Offenbar war der Buchbinder funktional illiterat,

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oder er hat das Wort aus reiner Gedankenlosigkeit in dieser Form übernommen. Die Deckelprägung besteht auch hier aus Rollstempeln in einem Rahmenwerk aus Streicheisenlinien. Bei den Motiven scheint der Buchbinder von den zahlreichen ‚Jagdstücken‘ unter den Theuerdank-Illustrationen angeregt worden zu sein. Im Mittelfeld laufen vertikal drei parallele identische Bildstreifen, die einen Jäger im Wald zeigen, der einen Spieß ausgestreckt hält, in den ein kapitaler Hirsch gerade hineinrennt. Ähnliche Szenen sind im Buch mit unterschiedlichen Waffen bzw. Tieren auf den Holzschnitten 13 (ein Hirsch!), 14, 17, 19, 27 und 35 zu sehen; auf den Bildern 82, 85, 89 und 92 ‚erlegt‘ Theuerdank auf analoge Weise menschliche Gegner. „Neben den Blumengewinden sind wohl die Jagdszenen die ältesten Rollstempelmuster“, schrieb Konrad Haebler, dabei seien letztere „schon nach dem ersten Viertel des XVI . Jahrhunderts immer seltener geworden und nach dessen Mitte fast ganz verschwunden“ [Haebler I, 2] – eine schöne Bestätigung für die unmittelbare Zeitgenossenschaft des Einbands. Reizvoll sind auch die Motive auf den äußeren Bordüren: Hier verstecken sich neben Blumenkörben auch Meerweibchen, Drachen und Krebse im Gerank – eine erfrischende Vielfalt gegenüber der „erdrückende[n] Fülle der religiösen und ethischen Motive“ [ebd.], die sich auf den Rollstempelbildern der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausbreiten sollten. Auf dem vorderen Innendeckel trug sich „A. Camp“ mit dem Erwerbungsvermerk ein: „Erkauff t zu Frankfortt für 20. gulden. 1701“. In der deutschen Buch-Hauptstadt waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch vier Theuerdank-Auflagen erschienen. Literatur: Adams P 963; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767 f.; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 330; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3553; Dodgson I, 509, Nr. 19 (Traut), II , 8, Nr. 6 (Schäufelein), 59, Nr. 8 (Burgkmair), 110, Nr. 4 (Breu), 125, Nr. 5 (Beck), 147, Nr. 24 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 2 (Master N H); Ebert 22870; Goedeke I, 336; Graesse VI , 107; Hiler 843; Laschitzer 111; Lipperheide Cg 12; Muther 846; Oldenbourg L 120 (Schäufelein); Panzer II , 164., Nr. 958.b; Proctor 10939; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD 16 M 1651.

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7 Ein koloriertes Exemplar der Ausgabe von 1519 [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und eiñſ teilſ der geschichten deſ lobliche[n] streitbareñ und hochberümbten heldſ und Ritterſ Tewrdaññckhſ. Augsburg, Johann Schönsperger, 1519. a1 A8 a2–8, b–c8 d6 e–h8 i6 k–n8 o6 p–q8 r6 s–t8 v6 x–y8 z6 A-B8 C6 D-E8 F6 G-H8 I6 K-L8 M6 N8 O6 P8 = 287 (statt: 290) Bl. – Die fehlenden Blätter h4–5 in guter Kopie ersetzt, das leere Blatt P5 entfernt, die letzte Lage A nach dem Titel eingebunden. Mit 117 (statt: 118) großen (textspiegelbreiten), im Druck numerierten, kolorierten Holzschnitten. – Einige Holzschnitte in leicht abweichendem Kolorit. Royal-Folio (339 x 225 mm). Moderner blindgeprägter Kalblederband über abgeschrägten Holzdeckeln mit historisierender Blindprägung und zwei Schließen (teilweise fleckig bzw. fingerfleckig, zahlreiche reparierte Ein- und einige Ausrisse, gelegentlich mit kleinem Informationsverlust, Farbe der Holzschnitte in den gereinigten Lagen a und P leicht ausgewaschen, Schnörkel vom Beschnitt nur gelegentlich touchiert). Ein koloriertes Exemplar der zweiten Ausgabe Hatten wir schon bei Gelegenheit unseres illuminierten Papierexemplars von 1517 und des vorangegangenen Exemplars der zweiten Ausgabe von 1519 darauf hingewiesen, daß die Bemalung der Holzschnitte mit zunehmender ‚Standardisierung‘ der Drucke nur noch ausnahmsweise erfolgte, so beweist dieser Band, daß sich die zeitgenössischen Buch- und Maximilian-Verehrer keineswegs an ein solch unausgesprochenes Decorum hielten. Der unbekannte Ersterwerber war bei der Verteilung des kaiserlichen Privatdrucks offenbar leer ausgegangen, so daß er sich ein Exemplar von Schönspergers kommerziellem Zweitdruck zulegte. Damit aber gab er sich nicht zufrieden, denn er legte noch einmal eine

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erhebliche Summe für die Kolorierung an. An dieser sieht man freilich einen gehörigen Abstand zu den Werkstätten, denen die Kolorierung unserer Erstausgaben anvertraut wurde. Der Maler verfügte nur über eine beschränkte Farbpalette von Gelb, Rot bzw. Rosa, Ocker, Grau, und zwei Grüntönen. Oft läßt er größere Flächen frei, schon weil ihm Blau für den Himmel oder Wasser fehlt; auf der anderen Seite tuscht er Flächen förmlich zu, so daß die Linienstruktur der Holzschnitte verloren geht – von hier aus kann man die Kritiker einer Bemalung verstehen. Allerdings muss man konstatieren, daß z. B. die einzigen beiden kolorierten (Papier-)Exemplare der Erstausgabe von 1517, die in den letzten Jahren auf Auktionen erschienen (sale Perrette, Christie's N. Y., 5. April 2016, Nr. 477 und vente TissotDupont, Paris, 18. Oktober 2016, Nr. 442) in ebendem restringierten Kolorit unserer Nr. 7 ausgestattet waren. Andererseits können wir uns mit diesem Ergebnis in die ‚normale‘ Erwartungshaltung der Zeitgenossen hineinversetzen, die sich schon an der unerwarteten Farbigkeit in einem gedruckten Buch als solcher erfreuen mochten. Im übrigen kam es dem Erstbesitzer wohl weniger auf Repräsentation als vielmehr auf das Leseerlebnis an. So weist das Buch deutliche Gebrauchsspuren, Finger- und sonstige Flecke, Ein- und Ausrisse auf, die allerdings noch in der ersten Hälfte signifikant zurückgehen. Offenbar kämpften sich die wenigsten der frühen Leser mit Theuerdank durch die Unzahl der Episoden bis zum happy end durch. Ein später Besitzer versuchte diese Makel durch restauratorische Bemühungen nach Kräften zu tilgen; die erste und letzte Lage ließ er allerdings auf eine Art reinigen, daß das Kolorit etwas alteriert wurde. Und dennoch: was für ein Vergnügen und gleichzeitig eine vergleichende Lehre, die Parade unserer vier illuminierten oder kolorierten Exemplare abzunehmen, eine Erfahrung, die wohl als einzigartig eingestuft werden kann. Literatur: Adams P 963; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 767 f.; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 330; De Bure, Belles-Lettres, I, 728 ff., Nr. 3553; Dodgson I, 509, Nr. 19 (Traut), II , 8, Nr. 6 (Schäufelein), 59, Nr. 8 (Burgkmair), 110, Nr. 4 (Breu), 125, Nr. 5 (Beck), 147, Nr. 24 (Weiditz, „doubtful“), und 198, Nr. 2 (Master N H); Ebert 22870; Goedeke I, 336; Graesse VI , 107; Hiler 843; Laschitzer 111; Lipperheide Cg 12; Muther 846; Oldenbourg L 120 (Schäufelein); Panzer II , 164., Nr. 958.b; Proctor 10939; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD 16 M 1651.

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8 Die dritte Ausgabe (1537), gedruckt in kleineren Typen von Heinrich Steiner, die erste in handlicherem Format [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die Geferlicheite[n] und geschichten / deſ löblichen streytbaren und Hochberiempten Heldſ und Ritterſ Teürdanckſ. Augsburg, Heinrich Steiner, 21. Dezember 1537. A–Q6 R8 = 2 Bl., XCVIII gezählte Bl., 4 Bl. (letzte S. leer). Mit Titelabbildung (Wiederholung von Bl. XCVIIv) und weiteren 117 Abbildungen, alles in Holzschnitt. Folio (301 x 195 mm). Moderner Halbpergamentband mit kalligraphischem Rückenlängstitel, marmorierten Deckelbezügen und altem Farbschnitt (berieben, durchgängig nur leicht braun- und fingerfleckig, wenige Bl. mit kleinen Randläsuren, Bl. LXVI mit originalem Papierfehler). Die erste ‚Volksausgabe‘ Der Augsburger Drucker Heinrich Steiner (gest. 1548) hatte wohl als Geselle bei Johann Schönsperger d. Ä. angefangen. Er war von „unehelicher Geburt, weshalb die gewünschte Aufnahme in eine Zunft abgelehnt wurde“ [Künast 1220], erst durch seine Heirat erwarb er das Augsburger Bürgerrecht. Steiner begann 1522 bescheiden als „typischer Flugschriftendrucker, baute aber seine Offizin zur größten“ der Stadt aus. Ab 1528 stieg er in die „Publikation deutschsprachiger, reich illustrierter Bücher“ ein und vergab Aufträge an renommierte Künstler wie Jörg Breu und Hans Schäufelein“ [ebd.]. Von Schönsperger erwarb er schließlich die Holzschnitte zum Theuerdank, um 1537 die dritte Ausgabe herauszubringen. Werbewirksam illustrierte er erstmals die Titelseite, indem er Burgkmairs Schlußholzschnitt mit dem triumphierenden Maximilian auf dem Schwerterkranz vorwegnehmend wiederholte: Ähnlich wie in einem modernen Filmtrailer wird damit bereits auf das Happy End der Geschichte vorausgewiesen.

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Den Holzschnitt-Drucken von den originalen Stöcken ist die Mehrfach-Verwendung bereits deutlich anzusehen; Ebert meinte ebenso pauschal wie ungerecht, sie seien „bis zur Unerkennbarkeit abgenutzt“ [Ebert II , 954]. Eine detaillierte Bestandsaufnahme lieferte hingegen Simon Laschitzer. Er wies zunächst auf den fehlenden Holzschnitt Nr. 117 hin, an dessen Stelle inkorrekterweise Holzschnitt Nr. 16 gerückt ist, dessen eigentliches Kapitel unbebildert bleibt. Bei den Kapiteln 63 und 64 folgen zwar die Texte „in der richtigen Weise auf einander, aber die Ueberschriften mit den dazugehörigen Holzschnitten sind vertauscht“, was, so Laschitzer, vollgültig beweist, daß der Druck „nach einem Exemplar der Drucke von 1519 hergestellt worden ist“ [Laschitzer 112]. An dem Holzschnitt 63 (hier also bezeichnet mit Nr. 64) beobachtete er, daß beim Druckstock „der rechtsseitige Teil des am Boden eingesetzten Stöckchens bereits herausgefallen [war], da der Druck an dieser Stelle ganz weiss erscheint“ [ebd.]. Völlig verändert hat sich bei dieser Ausgabe das Layout. Am auffälligsten ist, daß nicht mehr in der Theuerdanktype, sondern nur mit gewöhnlichen Lettern gedruckt wurde, noch dazu zweispaltig. Die Holzschnitte stehen nicht mehr „immer an der Spitze des Textes jedes Capitels, sondern sie sind, den Raumverhältnissen entsprechend, oft auch in denselben hineingesetzt“ [ebd.]. Dadurch verminderte sich das Format, vor allem verringerte sich mit nur 108 Blättern der Gesamtumfang auf nur noch ein gutes Drittel; erstmals wurden die Blätter – römisch – gezählt. Schon hier begann also eine Entwicklung, die Hartmut Schmidt irrigerweise erst „mit der Egenolfschen 4. Auflage“ beginnen lassen wollte: die „Tradition der handlichen und wohl auch preiswerteren Volksausgaben“ [Schmidt, Literatur, 336]. Vielmehr erreichte der Theuerdank schon mit der dritten Ausgabe „erstmals eine breitere Leserschaft“ [Wegener 212]. Freilich wird auch deren Auflage nicht allzu hoch gewesen sein. Carl Haltaus mußte gestehen: „Ich habe sie nie gesehen“ [Haltaus 46]. Dennis Wegener wies darauf hin, daß sich mit der Steinerschen Ausgabe von 1537 auch die Rezeptionsweise veränderte. Sie diente „anderen Schriftstellern als Quelle, so Sebastian Frank für sein Germaniae Chronicon von 1538“ [Wegener 212], wodurch von nun an die im Theuerdank erzählten Taten und Erlebnisse Maximilians endgültig „als historisch verbürgt“ [ebd.] galten. Literatur: Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 768; vgl. Dodgson I, 509, Nr. 19; Ebert 22871; Goedeke I, 336; Graesse VI , 107; Laschitzer 112; Muther 845; Oldenbourg L 121 (Schäufelein); STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1652; nicht bei Adams.

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9 Die vierte Ausgabe, gedruckt 1553 von Christian Egenolff, die erste in der Bearbeitung von Burkhard Waldis – aus den Sammlungen Seillière und Pease-Wardington [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die Ehr und mañliche Thaten/ Geschichten unnd Gefehrlichaitenn deſ Streitbaren Ritterſ / unnd Edlen Helden Tewerdanck. Zu Ehren dem Hochloblichen Hause zu Osterreich/ und Burgundien/sc. Zum Exempel aber unnd Vorbilde allen Fürstlichenn Bluot unnd Adelſ genossen Teutscher Nation. New zuogericht/ Mit schönen Figuren unnd lustigen Reimen volendet. Frankfurt am Main, Christian Egenolff, 1553. *4 A-R6 S8 = 4 Bl., CX gezählte Bl. – Titel in Schwarz- und Rotdruck. Mit Titelabbildung (Wiederholung von Bl. LXXXIIv), einer Wappendarstellung und 118 Abbildungen, alles in Holzschnitt. Folio (312 x 198 mm). Königsblauer Maroquinband des späteren 19. Jahrhunderts auf sechs mit goldenen Punktlinien verzierte Bünde, mit goldgeprägtem Rückentitel und floral-ornamentaler Pointillévergoldung in den übrigen Rückenkompartimenten, jeweils in doppeltem Goldfiletenrahmen; auf den Deckeln in dreifachem Goldfiletenrahmen Eckstücke und rautenförmiges Mittelstück, jeweils mit kleinen „Ausblühungen“, in filigraner Pointillévergoldung, mit doppelten Goldfileten auf den Stehkanten und Rollstempelbordüren auf den Innenkanten, mit roten Maroquindoublüren mit zentralem, goldgeprägtem Wappenmedaillon und breiten Spitzenbordüren, signiert „Thibaron“ (vorn) bzw. „Wampflug“, mit doppelten Marmorpapiervorsätzen und Ganzgoldschnitt; in mit Filz ausgeschlagenem Pappschuber mit Maroquinkanten.

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Die Moral der Geschichte: Theuerdank und Maximilian aus protestantischer Perspektive Der Frankfurter Drucker Christian Egenolff (1502–1555) legte mit der „tatkräftigen Führung“ seines Unternehmens „den Grundstein zu Frankfurts überragender Stellung im deutschen Buchschaffen“ [Benzing 120]. Dabei richtete er sein Hauptaugenmerk auf das gut illustrierte Buch und versuchte stetig, seinen Vorrat an Holzschnitten durch Ankauf zu ergänzen. So erwarb er 1547 von dem Augsburger Drucker Heinrich Steiner, ein Jahr vor dessen Tod, auch die Holzstöcke des Theuerdank [vgl. Tennant 311 f.]. In der von Egenolff 1553 herausgebrachten vierten Ausgabe erscheinen wieder sämtliche 118 Holzschnitte, und zwar in der gleichen Reihenfolge wie im Erstdruck von 1517, allerdings sind sie, wie auch die Kapitel, nicht numeriert. Aus dem Holzstock Nr. 63 ist inzwischen bereits das zweite Stöckchen herausgefallen, so daß sich die verdoppelte weiße Stelle am unteren Bildrand empfindlich störend bemerkbar macht. Die Wiedergabequalität der Illustrationen bemängelte nun auch Carl Haltaus: „Die Holzschnitte sind von den frühern in so fern ganz verschieden, weil die Platten nach so vielen Abdrücken natürlich schon sehr gelitten haben mussten“ [Haltaus 49]. Format und Layout entsprechen in etwa der Steinerschen Ausgabe. Auch hier sind die Abbildungen „nicht immer zu Anfang eines jeden Kapitels, sondern öfters auch mitten in den Text“ [Laschitzer 113] gesetzt, der wiederum zweispaltig und mit kleineren Typen gedruckt wurde. Was sich signifikant verändert hat, ist der Text, „[n]ew zuogericht“ von dem zum Protestantismus konvertierten Franziskaner, Fastnachts- und Fabeldichter Burkard Waldis (um 1490–1556). Waldis veränderte und strich nicht nur zahlreiche Verse, sondern er erweiterte den Text auch erheblich, der dadurch insgesamt „von 10.509 auf 12.240 Verse wuchs“ [Wegener 212]. Damit beging er allerdings ein Sakrileg an dem inzwischen kanonisch gewordenen gedechtnusWerk Maximilians und hat letzlich „wenig Dank geerntet, sondern den Tadel der Nachwelt sich zugezogen“ [Haltaus 47]. Brunet faßte sich kurz und sprach von „presque un nouvel ouvrage, mais inférieur à l’original“ [Brunet V, 768]. Als bereits historisch-kritisch arbeitender Philologe verwies Carl Haltaus 1836 auf den generellen „Fehler damaliger Zeit, ältere Werke in neuere, zeitgemässere Worte einzukleiden, ja sogar den ganzen Sinn derselben beliebig zu verändern“. Dadurch müßten „Kraft, Geist und alterthümliche Würde eines Schriftstellers verloren gehen“, selbst wenn die „im Th[euerdank]

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vorkommenden Irrthümer“ [ebd.] Anlaß genug zu einer ‚historischkritischen‘ Bearbeitung geben konnten. Allerdings war die Wahrnehmung des Theuerdank als geschichtlicher Quelle ja bereits durch Egenolffs Ausgabe von 1537 vorgezeichnet; und in dieser Richtung ging Waldis weiter. Schon die Titelillustration tauschte er aus: Hier ist auf dem ersten, rot und schwarz gedruckten Blatt die Illustration zum 92. Kapitel zu sehen, in der Theuerdank zu Pferd einem von Neydelhart engagierten Ritter seine Lanze in den Hals stößt: So stellen wir uns klassischerweise einen Ritter vor! Tatsächlich kommt diese Konstellation ähnlich auch auf den Bildern zu den Kapiteln 82, 85 und 89, sowie analog in den Jagdszenen der Kapitel 13, 14, 17, 19, 27 und 35 vor. Im Jahr 1553 mochte man dabei schon deutlich die historische Ferne Maximilians als ‚letztem Ritter‘ empfunden haben. Andererseits beteuert gerade dieses Bild die faktische Historizität, denn Maximilian, der sich „nach der Hochzeit mit Maria von Burgund wiederholt der burgundischen Herrschaftszeichen“ bediente, kann hier „durch seine Satteldecke, die mit dem Burgunderkreuz und den Feuereisen versehen ist“ [Wegener 218], deutlich identifiziert werden. Auf der Titelrückseite folgt dann – in vielleicht doppeldeutigem Bezug – das kaiserliche Wappen vor der Anrede Karls V. durch Melchior Pfinzing. Dessen Widmung stellte Waldis selbstbewußt eine eigene an den hessischen Adligen Adolph von Dornberg zur Seite; auf dem dritten und vierten Blatt folgen ein Bericht an den Leser, die abgekürzte Clavis und ein Register. Bereits im Vorwort gab Waldis die Klarnamen der Protagonisten an: „36 Jahre nach dem Erstdruck war nun erstmals Maximilians Name im Theuerdank zu lesen“ [Wegener 212]. Mit diesem ‚historiographischen‘ Editionskonzept stand Waldis freilich auf verlorenem Posten: Wenn er etwa „die wirklichen Schauplätze entsprechend der Clavis wieder einsetzt, dann wird das Zerfallen des Raumkontinuums in disparate Schauplätze vollends evident“ [Müller, Gedechtnus 122]. Gleich eingangs seiner Widmung wies Waldis darauf hin, daß er das Werk nicht nur umgeschrieben, sondern auch „zum gebürlichen ende hinaus“ geführt habe. Und in der Tat sprach Carl Haltaus „das im Th[euerdank] nicht vorhandene 117te Gedicht, welches ganz von ihm ist, sehr an, da er es ganz im Geiste seiner äsopischen Fabeln gedichtet hat“ [Haltaus 48]. Dafür benutze Waldis die Chronik Sebastian Francks und allegorisierte die dort beschriebenen Kriege [vgl. Wegener 212].

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Auch die ‚Tendenz‘ des Werkes änderte sich. Rochus von Liliencron rügte an Waldis‘ Bearbeitung zwar generell „eine Verschlechterung“, fand sie aber „insofern nicht uninteressant, als sie erkennen läßt, daß seine Zeit an dem moralisirenden Theil des Gedichtes besonderen Gefallen fand“ [Liliencron 324 f.]. Exemplarischen Ausdruck fand dies am Schluß des Buches: Der vieldeutige Holzschnitt zum 118. Kapitel, Maximilian auf dem Schwerterkranz, wurde von Waldis dem Text nachgestellt und füllt die letzte Seite aus, überschrieben nun von einem Zweizeiler: „Der Tugent schadt falsch Untrew nit/ Ehrlich Mannhait sie zboden tritt“. Dennis Wegener paraphrasierte diese Modifikation des 91. Psalms recht frei dahingehend, daß „wer auf Gott vertraut, unverletzt auf Schwertern […] wandeln“ [Wegener 218] könne; auch sonst stach ihm „besonders ins Auge, dass der protestantische Schriftsteller alle katholischen Spezifika durch reformatorische ersetzte“ [ebd. 212]. Dadurch immerhin führte Waldis die Rezeption des Theuerdank ins ‚konfessionelle Zeitalter‘, was sich in drei weiteren Auflagen bis 1596 niederschlug. Der schöne Einband aus königsblauem Maroqin mit roter Doublüre und filigraner, floral-ornamentaler Goldprägung stammt indes aus dem Frankreich des späteren 19. Jahrhunderts. Vorn wurde er signiert von dem bekannten Pariser Buchbinder Thibaron, einem vormaligen Mitarbeiter von Trautz, der von etwa 1863 bis 1885 tätig war [vgl. Fléty 167; Devauchelle III , 278], hinten von Wampflug, einem „excellent ouvrier doreur“ [Devauchelle III , 279], der sich nach einer Tätigkeit bei Lortic und Petit selbstständig machte: „Sa dorure, d’un mérité incontestable, peut soutenir la comparaison avec Marius Michel père“ [Fléty 176]. Auf den Doublüren befindet sich ein goldgeprägtes Wappen mit der Beischrift „Bibliothèque de Mello“. Das nördlich von Paris gelegene Château de Mello hatte der Bankier François-Alexandre Seillière (1782–1850) als Familiensitz gekauft; sein Sohn François Florentin Achille Seillière (1813–1873) trug dort eine bedeutende Sammlung von Kunst und Büchern zusammen. Nach Betrugsvorwürfen wählte er den Freitod; seine Bibliothek wurde in mehreren Auktionen zerstreut, der Theuerdank am 5. März 1887 bei Sotheby’s in London (Nr. 1032: £ 25) verkauft. Dort erwarb ihn der Londoner Antiquar Robson, von diesem wahrscheinlich John William Pease (1836–1901), der Mitbegründer der Newcastle Bank – das goldgeprägte Exlibris mit dem Monogramm „DB “ unter einer Freiherrnkrone und der Devise „Pax et Spes“ auf dem hinteren Vorsatz dürfte jedenfalls das seiner Schwiegertochter Dorothy Charlotte Beaumont Pease (1891? – 1983) sein. Die Tochter des Politikers Henry Wil-

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liam Forster hatte in zweiter Ehe den zum 1st Baron Wardington geadelten John William Beaumont Pease (1869–1950) geheiratet. Ihr Sohn Christopher Henry Beaumont Pease, Lord Wardington (1924–2005) war ein bekannter Bibliophile und Mitglied des Roxburghe Clubs. Dessen Tochter Helen Elisabeth Pease brachte auf dem zweiten fliegenden Vorsatzblatt ihr illustriertes Exlibris an. Literatur: Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 768; vgl. Dodgson I, 509, Nr. 19; Ebert 22872; Goedeke II , 452; Graesse VI , 107; Laschitzer 112 f.; Muther 848; Oldenbourg L 123 (Schäufelein); STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1653; nicht bei Adams.

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10 Die fünfte Ausgabe von 1563, erstmals gedruckt von Egenolffs Erben [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Thewerdank. Deſ Edlen/ Streitbaren Helden und Ritterſ/ Ehr und mannliche Thaten/ Geschichten und Gefehrlichkeiten. Zu Ehren dem Hochlöblichen Hause zu Österreich/ und Burgundien/sc. Zum Exempel aber und Vorbilde allen Fürstlichen Blut unnd Adelsgenossen Teutscher Nation. Mit schönen Figuren und lustigen Reimen auffſ new zugericht. Frankfurt am Main, Christian Egenolffs Erben, 1563. *4 A-R6 S8 = 4 Bl., CX gezählte Bl. – Titel in Schwarz- und Rotdruck. Mit Titelabbildung (Wiederholung von Bl. LXXXIIv), einer Wappendarstellung, 118 Abbildungen und einzelnen Schmuckleisten und -vignetten, alles in Holzschnitt. Folio (310 x 197 mm). Marmorierter Halbkalblederband des späten 18. Jahrhunderts auf glatten Rücken mit schwarzem Rückenschild und etwas Rückenvergoldung (gering beschabt, Einband-Ecken etwas gestaucht, hinteres Außengelenk mit kleiner Wurmspur, Vorsätze etwas leimschattig, Tektur auf Spiegel, hinteres fliegendes Vorsatzblatt entfernt, Papier leicht gebräunt, an den Rändern wasser- und fingerfleckig, einige Bl. mit kleineren Randeinrissen, letztes Bl. mit unterlegten Fehlstellen im weißen Rand). Die zweite Auflage von Waldis‘ Bearbeitung Zehn Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen der Bearbeitung des Burkhard Waldis (1490–1556) erschien 1563 diese zweite als die insgesamt fünfte Theuerdank-Ausgabe. Es ist zugleich die erste, die von Christian Egenolffs Erben verlegt wurde. Bis 1572 führte dessen Witwe Margarethe die Druckerei gemeinsam mit ihrem Schwager Lorenz Egenolff und mit Unterstützung ihrer Schwiegersöhne. Die Neuauflage stellt eine „blosse Wiederholung der vorigen Ausgabe“ [Haltaus 49] dar, sie „besteht aus gleich viel Blättern, bringt

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dieselben Holzschnitte genau in derselben Reihenfolge und enthält auf jeder Seite gleich viel Text“ [Laschitzer 113], wobei der Satz im Detail gelegentlich leicht verändert wurde. Auch ist „das Arrangement des Textes insoferne ein anderes, als die Zeilen durchaus etwas enger aneinander gerückt sind“ [ebd.]. Wo dadurch an den Kapitelschlüssen Raum übrigblieb, wurde er mit ornamentalen und figuralen Vignetten gefüllt. Besonders passend erscheint eine mehrfach wiederholte Leiste mit einem Triumphzug der Victoria – die wie eine miniatürliche, ausschnitthafte Reverenz an Maximilians Triumphzug wirkt, eine monumentale Holzschnitt-Folge, die allerdings niemals vollendet wurde. Literatur: Adams P 964; Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 768; vgl. Dodgson I, 509, Nr. 19; Ebert 22873; Goedeke II , 452; Graesse VI , 107; Laschitzer 113; Muther 849; Oldenbourg L 124 (Schäufelein); Richter 161; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1654.

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11 Die überaus seltene sechste Ausgabe von 1589 – mit einem biographischen Text von Philipp Melanchthon [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Gedenckwürdige Historia: Deſ Edlen Streytbaren Helden und sieghafften Ritterſ Theuwrdanckſ mannliche Thaten/und außgestandene Gefährligkeiten. Jetzundt von neuwem hinzu gethan. Die Lehre so diesem Edlen Helden/in seiner ersten Jugendt/ durch einen seiner trefflichen erfahrnen Kriegsräth gegeben ist. Deßgleichen ein schöne Oration/unnd Klage/durch Philippum Melanthonem/uber dieseſ Helden todt beschehen/darinnen widerumb sein gantzeſ Leben in der kürtze erzehlet wirdt. Zu ehren dem hochlöblichen Hause zu Osterreich/ und Burgundien/sc. Zum Exempel aber unnd vorbildt allem Fürstlichen Geblüt und Adelsgenossen Teutscher Nation. Frankfurt am Main, Christian Egenolffs Erben, 1589. )(4 A-R6 S8 T6 U4 X4 = 4 Bl., CXXIIII gezählte Bl. – Titel in Schwarzund Rotdruck. Mit Titelvignette (verkleinerte Kopie von Bl. LXXXIIv), 118 Abbildungen und einzelnen Schmuckleisten und -vignetten, alles in Holzschnitt. Folio (294 x 194 mm). Moderner dunkelbrauner Halblederband auf Holzdeckeln, mit dekorativer Blindprägung im Stil der Zeit und zwei Messingschließen (Einband im unteren Bereich und am Rücken aufgehellt, eine abgerissene Schließe lose beiliegend, Papier leicht gebräunt, anfangs fingerfleckig, streckenweise mit Nässespur, Titel und letztes Bl. aufgezogen, Inhaltsverzeichnis mit repariertem Randabriß, Bl. XXXII und XXXIIII f. mit unterlegten Fehlstellen mit Text- und Bildverlust, Bl. CVI f. und CXXI-CXXIII am Seitenrand unterlegt, ältere Tafelnumerierung und wenige Marginalien in Tinte, darunter ein kalligraphischer Schnörkel auf Bl. LXXIII , Abb. auf Bl. XIIII mit abgebrochenem Kolorierungsversuch in Braun).

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„Gedenckwürdige Historia“, mit weiteren historischen Quellen angereichert Die dritte Theuerdank-Ausgabe in der Bearbeitung von Burkhard Waldis, die sechste insgesamt, erschien wiederum bei Egenolffs Erben. Im Jahr 1572 war auch Christians Witwe Margarethe verstorben, inzwischen führten die Töchter „zusammen mit ihren Ehemännern das Buchgeschäft weiter, in den ersten Jahren noch als Druckerei, dann nur noch als Verlag“ [Benzing 121]. Im Prinzip war „diese ganze Ausgabe ebenfalls nur ein Abdruck der vorigen“ [Haltaus 50]; für die Holzschnitte wurden noch immer die alten Stöcke benutzt, die inzwischen „bedeutend ausgedruckt“ [ebd.] waren. Schon auf dem Titelblatt wird jedoch eine neuerliche Veränderung spürbar: Während die dem 92. Kapitel entnommene Illustration nur noch als verkleinerter Nachschnitt wiedergegeben wird, erscheint die wortreiche Titelei auf Schnörkelgrund bereits barock aufgeschwemmt. Inhaltlich wurde das Werk durch die Beifügung dreier Texte angereichert: „eine kurze deutsche Chronik, welche Maximilians Thaten erzählt, wörtlich aus Sebastian Franck abgedruckt; 2) eine von Ph. Melanchthon zu Ehren des Kaisers [in Wittenberg] gehaltene Leichenrede, ins Deutsche übersetzt von Dr. Justus Kobler (sehr schön!) und 3) ein Gedicht, betreffend die Lehre, welche dieser Kaiser in seinem Jünglingsalter erhielt“ [Haltaus 50]. Darin spiegelt sich die weitere ‚Historisierung‘ des Theuerdank im doppelten Sinn: Je mehr die Geschichte Maximilians in die Ferne rückte, um so mehr mußte sie dem Leser durch weitere Texte ‚nahegebracht‘ werden, die das Original umranken und überwuchern wie die kalligraphischen Schnörkel die Titelinschrift. Immer mehr verflüchtigten sich hingegen die verschiedenen Bedeutungsebenen des Textes, der nun explizit als „Gedenckwürdige Historia“ – so lauten die beiden ersten Titelworte – ausgegeben wurde. Daß sich zugleich der durch den Theuerdank vermittelte Strang der Maximilian-Überlieferung immer mehr ausdünnte, wird auch an der Seltenheit dieser Ausgabe deutlich. Selbst der kundige Simon Laschitzer in Wien mußte passen: „Ein Exemplar derselben stand mir nicht zur Verfügung, daher ich nur auf Haltaus verweisen kann“ [Laschitzer 113]. Literatur: Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 768; vgl. Dodgson I, 509, Nr. 19; Ebert 22874; Goedeke II , 452 f.; Graesse VI , 107; Muther 850; Oldenbourg L 125 (Schäufelein); Richter 553; STC German 690; TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD16 M 1655; nicht bei Adams.

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12 „Ziemlich rohe Machwerke“: Die siebte Ausgabe von 1596 mit neuen Holzschnitten – ein Zeugnis für den Niedergang der Buchkultur [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Gedenckwürdige Historia: Deß Edlen uñ Streytbaren Helden/ und sieghafften Ritterſ Theurdanckſ mannliche Thaten/ unnd außgestandene Gefährligkeiten. Zu ehren dem hochlöblichen Hause zu Osterreich unnd Burgundien / sc. Zum Exempel aber unnd Vorbildt allem Fürstlichen Geblüt unnd Adelsgenossen Teutscher Nation. Frankfurt am Main, Christian Egenolffs Erben, 1596. A–Z8 Aa–Bb8 Cc4 = 7 Bl., 197 gezählte Bl. – Titel in Schwarz- und Rotdruck. Mit Titelvignette (Wiederholung von Bl. 142 und 173) und 16 weiteren Abbildungen (davon zwei identisch), alles in Holzschnitt. Oktav (187 x 143 mm). Beiger Halbmaroquinband um 1900 auf fünf von goldgeprägten Querfileten eingefaßte Bünde, mit rotem, goldgeprägtem Rückenschild, mit fetten Goldfileten auf den Deckeln, identisch marmorierten Deckelbezügen und Vorsätzen sowie altem Farbschnitt (berieben, Papier gebräunt, vereinzelt mit schwachen Feuchtigkeitsspuren am Seitenrand, Bl. 2–3 oben mit minimaler Randfehlstelle, Bl. 108 mit angesetzter Eckfehlstelle ohne Textverlust). Rückschritt der Buchkultur, fortschreitende Popularisierung Diese Oktavausgabe sei „nichts als eine elende Fabrikarbeit von Seiten Egenolfs“, schimpfte Carl Haltaus 1836, im gerade aufkommenden Fabrikzeitalter: „Ganz erbärmlich sind die 17, natürlich ganz kleinen, und zum Theil gar nicht zu den Gedichten passenden Holzschnitte. Die Lettern wären gut, allein da das Papier sehr schlecht ist, so ist der Druck auch nicht besser. Sie ist übrigens nichts weiter als Abdruck der Ausgabe von 1563, nur hie und da in der Orthogra-

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phie verändert, auch fehlt das Register und in dem Berichte an den Leser steht 1596 statt 1563“ [Haltaus 50]. Tatsächlich scheint sich der Niedergang der Buchkultur noch vor dem Dreißigjährigen Krieg in dieser siebten Ausgabe des Theuerdank – der vierten Waldisschen – eindrücklich widerzuspiegeln. Oder war es nur der Niedergang des Verlags Egenolffs Erben, der das bescheidene Buch nur wenige Jahre vor seinem eigenen Untergang im Jahr 1602 herausgab? Am eklatantesten wirkt der quantitative wie qualitative Rückgang der Illustration. Vielleicht gab der verkleinerte Titelholzschnitt der sieben Jahre zuvor erschienenen sechsten Ausgabe die Idee zu diesem handlichen Büchlein, denn er findet auch auf dem Oktavformat dieses Titelblatts genügend Platz. Für die übrigen Illustrationen brauchte man andere Lösungen, und diese fielen in der Tat kümmerlich aus: Unter den nur 17 Holzschnitten, von denen einer allein dreimal abgedruckt wird, ist keiner über 7 cm hoch; sie sind teils „für diese Ausgabe angefertigte, ziemlich freie Copien nach den Originalholzschnitten des Theuerdank, theils ganz fremde Compositionen, die sicher früher zu einem anderen Zweck hergestellt worden waren und darum zur Erzählung nicht passen“. Auch Simon Laschitzer hielt mit seinem Urteil nicht hinterm Berg: Sie seien „sämmtlich ziemlich rohe Machwerke ohne künstlerischen Werth“ [Laschitzer 114]. Die nachlässig-pragmatische Vorgehensweise des Layouters ist dem Ergebnis deutlich anzusehen: Noch passend sitzt auf Blatt 1 ein König Romreich auf seinem Thron, von mehreren Männern umrahmt – die rechte Hälfte des Holzschnitts wurde allerdings abgetrennt. Dieser Teil mit dem unspezifischen Motiv Mehrere Ritter in einer Säulenhalle [Laschitzer 114] fand dann Verwendung im Kapitel Wie der Edel Held Theurdanck in seiner Kammer vnd beth ermordt worden seyn solt [Bl. 130, Abb. Bl. 131], wohl allein wegen der dargestellten Innenräumlichkeit. ‚Männer im Raum‘ sieht man auch auf der dritten und zehnten Abbildung [Bl. 7 und 166]. Die Ökonomie des halbierten Holzschnitts findet sich ebenfalls noch öfter, so gleich bei der zweiten Abbildung [Bl. 3v], einer Jagdszene in einem Tiergarten. Zwar gab es nur wenige Illustrationen zu verwalten, trotzdem kam es zu einer Verwechslung zwischen den Holzschnitten zum 24. und 74. Kapitel, wo Theuerdank einmal Fürwittig und einmal Unfalo von sich jagt [Bl. 32v und 106; vgl. Laschitzer 114]. Eine effektive Abkürzung der Kapitel 110 bis 112 bietet die vorletzte Abbildung [Bl. 180v]: „Im Vordergrunde wird Fürwittig geköpft, links im Hin-

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tergrunde Unfallo gehenkt und Neidelhart von einem Thurme herabgestürzt“ [Laschitzer 114]. Das einmal mehr halbierte Schlußbild eines Ritterheers paßt wiederum recht gut zu Theuerdanks Aufbruch zum Kreuzzug im 117. Kapitel. Daß dieses ‚Bildprogramm‘ Ausweis eines Niedergangs ist, ist schwer zu bestreiten. Doch läßt sich unter anderen Prämissen darin auch ein Indiz kulturellen Fortschritts ausmachen: War die Elite, der Maximilian weiland die erste Prachtausgabe in die Hände legen lassen wollte, noch so unvollkommen alphabetisiert, daß auf die durchgehende Illustration als Verstehens- und Memorierhilfe kaum zu verzichten war, so waren die Abnehmer der billigen ‚Volksausgabe‘ am Ende des Jahrhunderts offenbar in der Lage, den Text auch ohne sinnvolle Bebilderung zu rezipieren. Insofern fügt sich das Buch ein in die Dialektik eines generellen Trends. Einerseits erreichte die Frankfurter Buchproduktion aus ökonomischen Zwängen „an ästhetischer Qualität die Augsburger Drucke nie“ heran, andererseits entwickelte sie sich überhaupt erst mit „Ausbildung eines im engeren Sinne literarischen Publikums“ [Müller, Augsburger Drucke 352]. Im übrigen ist die bescheidene Frankfurter Oktavausgabe von 1596 „seltener als die Egenolf ’schen Folioausg[aben]“ [Ebert II , 955]. Aus späterer Zeit stammt der Namensstempel eines Buchliebhabers auf dem nachgebundenen Blatt: „K. Stelzhammer, Wien“. Literatur: Brunet V, 768; vgl. Dodgson I, 509, Nr. 19; Ebert 22875; Goedeke II , 453; Graesse VI , 107; Laschitzer 113 f.; Muther 851; Richter 623; STC German 690; VD16 M 1656; nicht bei Adams.

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13 In modernisierter Sprache: Die achte Ausgabe von 1679, in einem zeitgenössischen Pergamentband Pfinzing, Melchior, [und Maximilian I.]. Der Aller-Durchleuchtigste Ritter / Oder Die Rittermässige/ hoch=theure/ höchst=gefährliche und Glorwürdigste Groß=Thaten / Abentheuer / Glückſ=Wechslungen und Sigeſ=Zeichen Deß Aller=Großmächtigsten / Unüberwindlichsten / Dapfersten / Unermüdeten und Klügsten Heldenſ Maximiliani I. Roman. Imperat. Semper Aug. &c. Wie solche Von […] Melchior Pfinzing […] Vor mehr als anderhalb hundert Jahren/ in alten damahlſ gebräuchlichen Teutschen Reimen gar zierlich verfaßt / und […] unter dem Nahmen Theur-Danck, Zu offentlichem Druck befördert […] worden. Anjetzo aber aufs neue Mit grossem Fleiß wiederum gesamlet; Die alte Reimen in etwaſ andere/ und dieser Zeit verständlichere gebracht; Die Geschicht-Figuren mit kurtzen doch wahrhafften Summarien vermehret; Auch zu mehrer und besserer Erläuterung dieseſ grossen Kayserſ geführten Lebenſ=Wandelſ/ eine (auß einem der vornehmsten Geschicht=Schreibern) kurtz=zusammen gezogene Beschreibung seineſ Geburtſ=Jahrſ / Lebenſ=Lauffſ / und Todten=Gangſ mit=angehenckt. Ulm, Matthäus Wagner für Matthäus Schultes, 1679. [*]1 ):(4 A-T6 U4 X6 a–g4 h2 = 129 Bl.; Zwischentitel, 58 S. – Titel in Schwarz- und Rotdruck. Mit 1 Kupfertafel sowie 123 halbseitigen Abbildungen (davon 1 wiederholt), 3 Kopfleisten, zahlreichen Schlußvignetten (wenige, oft wiederholte Motive) und mehreren großen Schmuckinitialen in Holzschnitt; Anhang mit 2 kleinen Textholzschniten sowie 3 Kopfleisten und 2 Schlußvignetten in Holzschnitt. Folio (313 x 198 mm). Pergamentband der Zeit mit handschriftlichem Rückentitel und doppeltem Blindfiletenrahmen auf den Deckeln, mit marmorierten Vorsätzen und rotem Sprengschnitt (Einband begriffen und etwas fleckig, Kanten mit zwei kleinen Schabstellen, Ecken mit geringfügigen Stauchspuren, Schließbändchen fehlend, streckenweise etwas

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fleckig, einige Bl. leicht gebräunt, Tafel fast lose, 1 Bl. oben mit ergänzter kleiner Randfehlstelle). „Der Aller=Durchleuchtigste Ritter“, oder: Der barocke Theuerdank Die tiefe Zäsur, die der Dreißigjährige Krieg in der deutschen Geschichte hinterließ, machte sich auch in der Rezeptionsgeschichte des Theuerdank bemerkbar. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 dauerte es nochmals über 30 Jahre, ehe, fast ein Jahrhundert nach der siebten, diese achte Ausgabe erschien, gedruckt in Ulm von Matthäus Wagner für Matthäus Schulte. Dieser stammte aus Augsburg, hatte 1661 die Ulmer Büchsenmeistertochter Magdalena Wolf geheiratet und das dortige Bürgerrecht erworben. Ulm wurde der „zentrale Geschäftsort“ seines Verlags, wenngleich er 1679 auch noch „unter den Augsburger Buchhändlern“ [Künast 1251] geführt wurde. In seiner Vorrede erzählt Schultes davon, wie ihm „in einer vornehmen Reichs-Stadt / von einem bekandten Freund / gantz ungefährlich / und wider all mein Vermuten“ die „nunmehro über die anderthalb hundert Jahren verlohren gewesnen Holtzschnitten“ angezeigt wurden, die er „auß ihrem so lang gewehrten finstern Kärcker“ habe herausführen wollen. Davon abgesehen, daß diese Aussage sachlich falsch ist, hallt in der Metaphorik von Gefahr, Verlorensein und Finsternis die apokalyptische Stimmung des Krieges eindrücklich nach. Um so bombastischer klingt nun der Titel des wiederaufgelegten Werkes, der eine ganze Folioseite oder 42 in Schwarz und Rot gedruckte Zeilen einnimmt: „Der Aller=Durchleuchtigste Ritter / Oder Die Rittermässige / hoch=theure / höchst=gefährliche und Glorwürdigste Groß = Thaten / Abentheuer / Glücks=Wechslungen und Siges=Zeichen Deß Aller=Großmächtigsten / Unüberwindlichsten / Dapfersten / Unermüdeten und Klügsten Heldens Maximiliani I. Roman. Imperat. semper Aug. &c.“ Die Grenze zum Komischen streift die barocke Rhetorik spätestens in dem Superlativ des „unüberwindlichsten“ Superhelden. Dabei wird kein Zweifel gelassen, daß es um die Geschichte Kaiser Maximilians I. gehe, die ursprünglich, so der Titel weiter, „unter dem Nahmen Theur-Danck, Zu offentlichem Druck befördert“ worden war. Auch auf dem vorgeschalteten Titelkupfer mit einem Ritterturnier in freier Landschaft ist Maximilian zweimal präsent: im Vordergrund rechts gerüstet zu Pferd mit einem Schild, auf dem „ein Rad von Schwertern und Streitkolben, oben ein Reichs-, unten ein Granatapfel“ [Haltaus 62] abgebildet sind, und nochmals gekrönt auf einem am Zuschauerzelt angebrachten Medaillon mit seinem umlaufenden Wahlspruch tene mensuram et perspice finem. Diese Bedeutungsfestlegung trieb

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Schultes im Text noch weiter voran, indem er „die Clavis mit Klarnamen und zusätzlichen Informationen unter die Holzschnitte setzte und die Ausgabe um eine 58-seitige Lebensbeschreibung erweiterte“ [Wegener 213]. Hierin sah Carl Haltaus noch „das Beste“ bzw. „wenigstens etwas Anwendbares“ [Haltaus 61], was Johann Scheible wohl bewogen haben mag, Schultes Schlüssel als „den vollständigsten“ [Scheible 6] auch seiner Theuerdank-Ausgabe von 1846 nochmals voranzustellen. Ansonsten ließ Haltaus kein gutes Haar an dieser neuen Bearbeitung, vor allem, was den Theuerdank-Text selbst betraf: „Die ersten 6 Capitel haben mit der ersten Ausgabe des Theuerdank gleichviel Verse, sind aber auch von dem Verfasser modernisirt worden. Vom 7ten Capitel an bis zum Ende des ganzen Gedichts verfährt er ganz nach eigener Willkür, wie Burkard Waldis, nur dass er fast alle Gesänge zusammengezogen hat“ [Haltaus 61], im Unterschied also zu seinem Vorgänger. Diese Bearbeitung sei auch inhaltlich und stilistisch mit der vorigen nicht zu vergleichen, so Haltaus. Sie falle „bei höchst lästiger Breite oft ins Spasshafte, und das darin sichtbare Streben, den Theuerdank in einem neuen, zeitgemässeren Gewande hervortreten zu lassen, hat den Verfasser zu eignen Ansichten verleitet, die im Th. gar nicht ausgesprochen sind. Wer diese Ausgaben lesen und darnach den wahren Theuerdank beurtheilen wollte, würde sich sehr täuschen, und da dieser Neuerungsversuch die Sache verschlechtert hat, so kann er eigentlich zu gar nichts nützen“ [ebd. 60]. Aus heutiger Sicht macht gerade ihre Zeitbedingtheit die Schultessche Ausgabe zu einem interessanten Zeugnis der Rezeptionsgeschichte. Der Kreis der Adressaten hat sich nach der Katastrophe des Krieges wieder auf eine elitäre Gruppe verengt, wenn das Buch nun „Allen Geschicht= und Kunst=verständigen Liebhabern zu beliebendem Lust und Nutzen vorgestellet“ wird. Entsprechend kehrt es auch zum früheren Folioformat zurück, um nochmals die antiquarischen Holzschnitte präsentieren zu können. Dabei entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß der „Formschneider“ Matthäus Schultes, wie er sich in seiner Widmung an Bürgermeister und Rat der Stadt Ulm nennt, nur reichlich abgenutzte und unreine Abzüge auf eher schlechtem Papier zu bieten hat. Diese stellt er dennoch besonders heraus, indem er sie jeweils auf der Vorderseite der strikt auf zwei Seiten begrenzten Kapitel plaziert, deren Text jeweils zweispaltig auf der Rückseite Platz findet. Dazu kürzte er den Text insgesamt auf 8.713 Verse [vgl. Wegener 213]. Die Holzschnitte erscheinen in derselben Reihenfolge wie in der Erstausgabe von 1517, allerdings fehlen die Nummern 117 und 109, „doch ist an Stelle des letzte-

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ren der Holzschnitt Nr. 7 ein zweites Mal abgedruckt“ [Laschitzer 115]. Wie schon beim Holzstock Nr. 63 ist jetzt auch bei Nr. 66 ein Stück herausgefallen, „im Drucke also die betreffende Stelle ganz weiss“ [ebd.]. Ein besonderes Extra – und sichtbares Zeichen, daß das Alte nicht nur restituiert, sondern bereits wieder überboten werden kann – sind sechs zusätzliche Holzschnitte, die in keiner früheren Theuerdank-Ausgabe enthalten sind. Sie führen die Numerierung fort (118–123) und werden wie die übrigen von Prosa- und Verstexten begleitet. Allerdings seien diese Erklärungen, so Simon Laschitzer, „ganz aus der Luft gegriffen und willkürlich“ [Laschitzer 115]. Ihm gelang es lediglich für zwei Holzschnitte „die ursprüngliche Bestimmung nachzuweisen. In Betreff der übrigen kann man nur bestimmt behaupten, dass sie unzweifelhaft als Theuerdank-Illustrationen hergestellt worden sind. Es geht dies aus dem Beisein der allegorischen Figuren evident hervor. Aber wozu sie hätten dienen sollen, ist aus nichts zu erweisen“ [Laschitzer 115]. Von den zusätzlichen Holzschnitten stammt der 119. von Hans Schäufelein [Oldenbourg, S. 76, Nr. 611], der 123. von Wolf Traut [Dodgson I, 504], ein weiterer von Hans Burgkmair [Dodgson II , 59]. Sie wurden nicht allen Exemplaren beigegeben. Eine weitere Auflage dieser Bearbeitung brachte Matthäus Schultes 1693 mit verändertem Titel heraus, ansonsten blieb der Satz gleich. Verzichtet wurde allerdings auf die „Dedicationen von Schultes und Pfinzing, nebst der ganzen Signatur X“ [Haltaus 59] mit den zusätzlichen Holzschnitten. Insofern stellte der letzte alte Druck des Theuerdank nochmals eine Schrumpfform dar. Gleichwohl führten diese Ausgaben die Rezeption über die Schwelle des 18. Jahrhunderts und trugen „wesentlich zum Bild Kaiser Maximilians I. als des ‚letzten Ritters‘ bei“ [Kaulbach [14]]. Noch 1771 schrieb Goethe im Götz von Berlichingen von jungen Mädchen, „die den Theuerdank lesen und sich so einen Mann wünschen“ [zit. nach Füssel 55]. Unser Exemplar in einem schlichten zeitgenössischen Pergamentband gehörte um die Wende zum 20. Jahrhundert laut datiertem Eintrag „London. January 4th 1892“ auf dem Vorblatt einem John W. Trist, der auf dem Spiegel sein Wappenexlibris anbrachte. Literatur: Bartsch VII , 272, Nr. 132 (Schäufelein); Brunet V, 768; Dodgson I, 504, Nr. 3 (Traut), II , 10, Nr. 14 (Schäufelein) und 59, Nr. 13 (Burgkmair); Ebert 22876; Graesse VI , 107; Laschitzer 114 ff.; Muther 852; Oldenbourg L 126 (Schäufelein); TIB 11, 132, 1–8 (Schäufelein), und 13, 1301.002a–c (Schön); VD 17 23:293152G.

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14 Ein ‚optimiertes‘ Faksimile, mit Holzschnitt-Reproduktionen nach den Probedrucken [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Der Theuerdank. Durch photolithographische Hochätzung hergestellte Facsimile-Reproduction nach der ersten Auflage vom Jahre 1517. Neu herausgegeben von Simon Laschitzer. (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 8). Wien, Adolf Holzhausen, 1888. 1 leeres Bl., 116 S. [Einleitung]; 580 S. [Faksimile], 3 leere Bl. – Auf Büttenpapier gedruckt und zweiseitig unbeschnitten, Titel in Schwarz- und Rotdruck. Mit 118 faksimilierten Abbildungen sowie 11 Abbildungen in der Einleitung. Royal-Folio (376 x 277 mm). Roter Original-Halbsaffianband auf fünf Bünde, mit goldgeprägtem Rückentitel, etwas Rückenvergoldung und Kopfgoldschnitt (Einband mit kleinen Schabstellen). Maximilian-Verehrung im Zeichen des Historismus Im Zeitalter des Historismus stellte sich das „Allerhöchste Kaiserhaus“ – das österreichische – an vorderster Stelle in den Dienst der Gedächtnispflege Maximilians, um davon zu profitieren: Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) höchstselbst instrumentalisierte „seinen Ahn bisweilen als dynastischen Leitstern für seine eigenen kulturellen Großtaten“ [Messling 103]. Für den Neubau des Kunsthistorischen Museums in Wien schuf der Maler Julius Victor Berger 1890 ein monumentales Deckenbild, in dessen Zentrum Maximilian I. als habsburgischer „Ur-Mäzen“ [ebd.] sitzt, umgeben von Künstlern und Gelehrten. Zur selben Zeit wurden im Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses verschiedene Texte aus dem Umfeld Maximilians in Faksimile neu herausgegeben, darunter der Theuerdank mit einer umfangreichen Einleitung des Bibliothekars und Historikers Simon Laschitzer (1848–1908).

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Die Neuedition der Erstausgabe von 1517 in Faksimile rechtfertigte Laschitzer damit, daß das einzige vollendete literarisch-künstlerische Werk Maximilians „von ganz besonderer Wichtigkeit“ sei, weil es exemplarisch zeige, „mit welchem Aufwand an Zeit und Geld, mit welcher Sorgfalt und Pracht der äusseren Ausstattung, mit welcher Mühe und welchem Fleiss der inneren textlichen Durcharbeitung der Kaiser seine Werke ausgeführt wissen wollte“; als ein „unvergängliches Denkmal“ müsse es „unter den Werken der deutschen Literatur und Kunst seiner Zeit stets an erster Stelle genannt werden“ [Laschitzer 7]. Die Erstdrucke aber seien „äusserst selten geworden und befinden sich fast durchaus in festen Händen, so dass, wenn je einmal ein Exemplar auf dem Kunstmarkte erscheint, es Preise erzielt, die nur ein reicher Liebhaber erschwingen kann“ [Vorrede]. Bei der Reproduktion, mit der die Wiener Firma Angerer & Göschl betraut war, wurde größter Wert darauf gelegt, daß die Wiedergabe „an Schönheit, Reinheit und Schärfe der Holzschnitte sowohl wie auch des Drucks selbst den allerersten Pergamentexemplaren fast um Nichts nachsteht“ [Vorrede]. Darum wurde der Text aus „den zwei sich durchaus deckenden Papierexemplaren der k. k. Hofbibliothek und der Albertina in Wien“ zusammengesetzt, die „sicher von ein und demselben Satze abgezogen“ [Laschitzer 109] worden waren und die Laschitzer angesichts der Abweichungen in unterschiedlichen Exemplaren als „Normaldruck“ [ebd. 108] bezeichnete. Die Holzschnitte wurden hingegen, „um möglichst schöne Reproduktionen zu bieten, soweit es möglich war, nach den Probedrucken in dem […] Codex der k. k. Hofbibliothek in Wien Nr. 2833 aufgenommen und reproducirt“ [ebd.]. Das aus drei Quellen synthetisierte Faksimile gab mithin kein real existierendes Exemplar wieder, sondern schuf gewissermaßen ein virtuelles ‚optimiertes‘ Musterstück. Der Abdruck erfolgte in Photolithographie auf kräftiges Bütten. Die Ausrichtung auf die Schönheit trübte nicht den historischen und philologischen Scharfblick des Herausgebers. Laschitzers sehr umfangreiche Einleitung referiert die urkundlichen Nachrichten über den Theuerdank, zeichnet anhand von vier Codices in der Wiener Hofbibliothek und zweier weiterer Fragmente die handschriftliche Überlieferung nach, bespricht die Holzschnitte und schließlich die Drucke des Werks bis hin zu den Reproduktionen des 19. Jahrhunderts und ist bis heute die „umfassendste, gründlichste und in manchem auch wichtigste Studie zu den Entstehungsumständen und -bedingungen des Theuerdank“ [Ziegeler 211]. Schon deswegen durfte dieses unbeschnittene und tadellos erhaltene Exemplar nicht in der Handbibliothek eines so renommierten Antiquars wie Hans Peter Kraus fehlen, dessen Monogrammexlibris sich auf dem Innendeckel befindet. Literatur: Vgl. LGB V, 98 f.; vgl. VD 16 N 1649.

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15 „Den Originaldrucken am nächsten“ – unretuschiertes Faksimile, kombiniert aus zwei Exemplaren der Erstausgabe, in der Vorzugsausgabe in Schweinsleder [Pfinzing, Melchior, und Maximilian I.]. Die geuerlicheiten und einsteilſ der geschichten deſ loblichen streytparen und hochberümbten heldſ und Ritterſ herr Tewrdannckhſ. [Faksimile aus zwei Exemplaren der Erstausgabe 1517]. [Und:] Kaiser Maximilians Theuerdank. Kommentar. Mit Beiträgen von Heinz Engels, Elisabeth Geck und H[einrich] Th[eodor] Musper. 2 Bde. Stuttgart, Müller und Schindler, 1968. 290 fakimilierte Bl. Und: 40 zweispaltige S. Mit 118 Abbildungen sowie mit 8 Abbildungen im Kommentar. Royal-Folio (356 x 245 mm). Original-Schweinslederband auf fünf falsche Doppelbünde, die starken Deckel mit brauner Prägung in der Art von Streicheisenlinien, und Original-Karton, zusammen in mit Velours ausgelegtem Original-Pappschuber (Schuber leicht fleckig und mit Namenszug). Getreue Wiedergabe des ursprünglichen Drucks Achtzig Jahre nach dem ‚Wiener‘ Theuerdank-Faksimile erschien ein zweites, das gleichfalls zwei Exemplare des Erstdrucks von 1517 kombinierte, diesmal aus ‚vorderösterreichischen‘ Beständen: das Papierexemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und das Pergamentexemplar der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen. Von den „Gewohnheiten früherer Generationen“, namentlich Laschitzers, „deren Ziel es war, möglichst exakte schwarz-weiß Kontraste [sic] herauszubringen, die jede Linie mit Hilfe der Retusche auch dort zeigten, wo das Original nur einen schwachen Schimmer aufwies“, grenzte man sich dadurch ab, daß „Unebenheiten, wie schwächer eingefärbte Textstellen oder nicht vollausgedruckte Schnörkel“ nicht retuschiert wurden. So brachte die Ausgabe von 1968 „die jeweils besten Seiten aus zwei Exempla-

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ren“; ein Verfahren mit dem man, wie Elisabeth Geck beteuerte, den Originaldrucken am nächsten kommt“ [Geck, S. 27]. Ein Kommentarband enthält eine Inhaltsübersicht und eine Abhandlung Der „Theuerdank“ als autobiographische Dichtung“ von Heinz Engels, sowie Beiträge von Heinrich Theodor Musper über Die Holzschnitte im „Theuerdank“ und Elisabeth Geck über „Theuerdank“ als typographisches Kunstwerk. Hier liegt die Nummer 149 von 250 Exemplaren der Vorzugsausgabe in Schweinsleder aus einer Gesamtauflage von 800 Exemplaren vor. Literatur: Vgl. LGB V, 98 f.; vgl. VD 16 N 1649.

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16 Faksimile des kolorierten Münchner Papierexemplars [Pfinzing, Melchior, und] Maximilian I. Die Abenteuer des Ritters Theuerdank [Einbandtitel]. [Faksimile der Erstausgabe von 1517]. [Und:] Füssel, Stephan. Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit. Eine kulturhistorische Einführung. 2 Bde. Braunschweig, ­Archiv Verlag, und [Kommentar:] Köln u. a., Taschen, 2003. 290 farbig faksimilierte Bl. Und: 87 S. Mit 118 farbigen Abbildungen sowie mit über 170 meist farbigen Abbildungen im Kommentar. Folio (338 x 242 mm). Dunkelbrauner goldgeprägter Original-Lederband auf fünf falsche Bünde, mit Ganzgoldschnitt, und mittelbrauner goldgeprägter Original-Leinenband. Faksimile des BSB-Exemplars mit von Hand nachgetragenem 117. Kapitel Mit dem Faksimile wurde erstmals ein Exemplar des Theuerdank von 1517 authentisch nachgedruckt, nämlich das der Bayerischen Staatsbibliothek München mit der Signatur Rar. 325a. Dabei handelt es sich um ein „breitrandiges Exemplar auf weitgehend sauberem, weißem Papier – mit leichten Gebrauchsspuren (am Rand zum Teil abgegriffen)“ [Füssel 46], in kräftigem, zeitgenössischem Kolorit von der Hand eines allein tätigen unbekannten Buchmalers. „Je nach Charakter des Holzschnittes wurde mal stärker lavierend, mal stärker deckend übermalt, teilweise mit Goldtinte ausgezeichnet. Die kolorierten Illustrationen sind noch in der Tradition der Buchmalerei gedacht und von hoher Qualität“ [ebd.]. Insofern bietet sich ein eingehender Vergleich mit unseren illuminierten Exemplaren sehr an. Interessant ist das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek aber auch, weil darin das fehlende 117. Kapitel handschriftlich nachgetragen wurde. Auch dort kann freilich nicht von dem ausstehenden

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Kreuzzug berichtet werden, vielmehr nur „von weiteren Schäden, die die Türken im Reich anrichteten, von ihren beträchtlichen Gebietserweiterungen und ihrer alles vernichtenden Kraft“ [Füssel 38]. Hier bittet Theuerdank den Papst um Hilfe, „der daraufhin die christlichen Mächte zum Kreuzzug aufruft, denn nur ein großes Heer hätte die Macht, die ‚türkische Gier‘ im nächsten Sommer aufzuhalten. Allerdings kann der Schreiber auch nicht berichten, ob die päpstlichen Boten erfolgreich waren, aber er nimmt an, dass der Ruf nicht ungehört verhallte und die Herzen sich bewegen ließen und ‚helfen fürnehmen den Zug‘“ [ebd.]. Das aber „steht in einem anderen Buch“ [zit. ebd.], womit die heilsgeschichtliche ‚Lücke‘ nur im Text, aber nicht in der erzählten Realität geschlossen wird. Nicht ohne Interesse ist auch die Provenienz des Münchener Exemplars. Der Herausgeber Stephan Füssel ordnete den handschriftlichen Eintrag auf dem Titelblatt, nach dem das Buch „her philip kichle zue gehörig“ war, dem „späten 16., frühen 17. Jahrhundert“ und „dem oberdeutschen/österreichischen Raum [zu], ohne dass er zurzeit präzise nachweisbar wäre“ [Füssel 46]. Betrachtet man allerdings in einschlägigen Internetportalen die geographische Verteilung des Familiennamens „Kiechle“, so läßt sich noch heute eine sehr signifikante Häufung in Oberschwaben und im Allgäu feststellen. Damit weist die frühe Provenienz in exakt die gleiche Gegend wie unser illuminiertes Pergamentexemplar aus dem Besitz der Familien Schellenberg und Königsegg. Der Band der BSB wurde „späterhin für das Benediktinerinnenkloster Nonnberg Sankt Ehrentrud in Salzburg eingebunden“ [ebd.] und kam unmittelbar nach der Säkularisierung 1808 in die Münchener Hofbibliothek. Unser Faksimile ist die Nr. 226 von 399 Exemplaren der limitierten Vorzugsausgabe in Ganzleder. Der Beiband enthält eine kulturhistorische Einführung des Mainzer Buchwissenschaftlers Stephan Füssel über Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit. Literatur: Vgl. LGB V, 98 f.; vgl. VD 16 N 1649.

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17 Faksimile des kolorierten Pergamentexemplars der Berliner Staatsbibliothek [Pfinzing, Melchior, und] Maximilian I. Die ruhmreichen Taten des Ritters Theuerdank. Ein illustriertes Meisterwerk der frühen Buchdruckerkunst. Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Anja Grebe. [Faksimile der Ausgabe von 1517 und Kommentarband]. 2 Bde. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft/ Lambert Schneider Verlag, 2015. 288 farbig fakimilierte Bl., 1 separates Bl. (mit Exemplar-Nummer). Und: 72 S. Mit 118 Abbildungen, davon 117 farbig, sowie mit über 140 meist farbigen Abbildungen im Kommentar. Folio (369 x 230 mm). Original-Leinenband mit farbiger montierter Deckelillustration, und farbig illustrierter Original-Karton, zusammen in farbig illustriertem Original-Pappschuber. Berlin vs. München Vielleicht wollten die Verwalter des Preußischen Kulturbesitzes hinter der bayerischen Konkurrenz nicht zurückstehen, als sie im Vorfeld des 500. Todesjahrs Kaiser Maximilians I. einen weiteren Reprint des Theuerdank von 1517 vorlegten, konkret des auf Pergament gedruckten, handkolorierten Exemplars der Abteilung historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin (Libri in membr. Impr. Fol. 19), das „hier erstmals vollständig publiziert“ [Grebe 27] wurde. Es spricht für die Qualität unserer Pergament-Originale, wenn die Herausgeberin Anja Grebe von den Substanzverlusten des Berliner Exemplars berichtet, wie dem fehlenden Widmungsblatt Pfinzings und weiterer, wohl erst im 18. Jahrhundert handschriftlich ergänzter Blätter. Beim 117. Kapitel wurde zwar die Illustration mit der Feder ergänzt, anders als in München jedoch kein Text. Etliche Blätter

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wurden zudem so massiv beschnitten, daß „teilweise nur noch der Schriftspiegel stehen blieb“ [Grebe 27]. Auch die „sehr einheitlich“ wirkende Berliner Kolorierung wurde „vermutlich recht zeitnah zur Entstehung des Buches von einem einzelnen Künstler angefertigt“, wobei „der sorgfältige Farbauftrag und die nuancenreiche Art der Schattierungen“ einen erfahrenen „professionellen Buchmaler“ [Grebe 28] vermuten lassen. Geschickt sparte auch er einzelne Partien aus, „um auf diese Weise unterschiedliche Helligkeitswerte zu erzeugen und die Darstellung insgesamt lebendiger wirken zu lassen“, oftmals bei Felsen und Gebirgszügen. Ein „ähnliches Ansinnen, durch die Art des Farbauftrags Lichteffekte zu erzeugen“, verrät die „sehr differenziert aufgetragene Schattierung von Gewändern, Landschaften und Himmelsgründen“; vor allem bei der Kleidung gelang es ihm, „im Einklang mit der Holzschnittschraffur Plastizität“ und bestimmte „Stofflichkeiten“ [ebd.] zu suggerieren. Aufs ganze gesehen ist die Qualität der des Münchener Exemplars vergleichbar, wobei sich die Farbwahl komplett anders, insgesamt heller und farbenfroher darstellt. Da die Kolorierung in allen Exemplaren unterschiedlich ist, „erfolgte die Ausmalung höchstwahrscheinlich nicht zentral in der Augsburger Werkstatt Hans Schönspergers, sondern wurde erst vom jeweiligen, im Falle des Berliner Pergamentbandes unbekannten Empfänger beauftragt“ [Grebe 28]. Dem Faksimile liegt das Kommentarheft von Anja Grebe bei, ebenso ein Beglaubigungsblatt: „Dieses Exemplar trägt die Nummer: 979“. Die Auflage war auf 999 Exemplare limitiert. Literatur: Vgl. LGB V, 98 f.; vgl. VD 16 N 1649.

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18 Eines der größten illustrierten ­Buchprojekte der Renaissance: Der Weißkunig im Erstdruck von 1775 Maximilian I. und Marx Treitzsaurwein. Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten. Von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angeben zusammengetragen, nebst den von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten. Herausgegeben aus dem Manuscripte der kaiserl. Königl. Hofbibliothek. Wien, Joseph Kurzböck, 1775. 8 Bl., 307 S. (Paginierung springt von 104 auf 115 und zurück von 122 auf 113). 237 Holzschnitt-Tafeln von den originalen Stöcken, einige Holzschnittvignetten im Rokoko-Stil. Royal-Folio (347 x 230 mm). Brauner marmorierter Kalblederband der Zeit im „etruskischen Stil“ auf fünf goldverzierte Bünde, mit rotem Rückenschild und goldgeprägten Rückenkompartimenten, diese jeweils mit fettem und magerem Filetenrahmen um floral-ornamentalen Bordürenrahmen und mit zentralem Stempel mit zwei Greifen im Profil, auf den Deckeln in blindem Fileten- und um Lorbeerzweige sich schwingenden gepunkteten R Goldrahmen große ovale, von einem floral-ornamentalen Rahmen abgegrenzte Medaillons, mit in Lederbeizung ausgesparten Figuren, vorn evtl. Athene, hinten eine Muse oder Bacchantin; mit goldverzierten Stehkanten und marmorierten Vorsätzen (Einband mit stellenweisen Abschabungen des Leders, Papier kaum, Tafeln öfters gebräunt, dabei unauffällig braunfleckig). Das unvollendete Hauptwerk der literarischen Gedächtnis-Trilogie Der Weißkunig, eine „romanhafte Prosa-Historie von Kaiser Maximilian I.“ [KNLL 11, 395], ist das ehrgeizigste, komplexeste und umfangreichste der drei literarisch-künstlerischen Gedächtniswerke des Kaisers. Über viele Jahre hinweg widmete dieser sich selbst dem

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Werk und beschäftigte seinen Sekretär Marx Treitzsaurwein sowie weitere Schreiber, Redakteure und Illustatoren mit dem Text-BildBuch, das mit 251 geplanten Holzschnitten mehr als doppelt so viele Abbildungen aufweist wie der Theuerdank. Der Weiß Kunig blieb allerdings unvollendet und wurde erst in der vorliegenden Ausgabe von 1775 ediert, nachdem man im Schloß zu Graz fast alle originalen Druckstöcke wiederaufgefunden hatte, von denen die Holzschnitte 250 Jahre nach ihrer Entstehung erneut abgezogen wurden. Entstehung Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gab Kaiser Maximilian I. den Plan einer lateinischen Autobiographie nach antikem Vorbild auf – an deren Stelle trat ab 1506 ein gedechtnus-Werk in deutscher Sprache: der Schlüsselroman Der Weiß Kunig. Das dreiteilige, in Prosa geschriebene Werk steckt einen wesentlich weiteren zeitlichen und inhaltlichen Rahmen ab als der bald daraus ausgegliederte Theuerdank. Der Genealogie als „Kern der gedechtnus-Werke“ [Müller, Literatur 147] zollt der Text im ersten Teil Tribut, in dem die Geschichte von Maximilians Eltern – Brautwerbung, Romfahrt und Kaiserkrönung – erzählt wird (Kapitel 1–12). Der zweite behandelt seine eigene von Mirakeln begleitete Geburt, die Kinder- und Jugendzeit bis zur Ehe mit Maria von Burgund (Kapitel 13–69). Dies ist die Geschichte eines universal begabten „Wunderkinds, das in kürzester Zeit alles aufnimmt und bald seine Lehrer übertrumpft und belehrt“ [Dietl 38]. Mit der Lebenswirklichkeit des durchaus lernunwilligen „jähzornigen Knaben, der mitunter seine adeligen Spielgefährten kommandierte und drangsalierte“ [Hollegger 23], hatte dies nichts zu tun – der zugehörige Holzschnitt inszeniert Maximilian dann auch gleich „nach dem ikonographischen Muster des 12jährigen Christus im Tempel“ [ebd. 39]. Der dritte, umfangreichste Teil (Kapitel 70– 222) beginnt mit dem Ausbruch des Krieges gegen den „blauen König“, hinter dem sich der König von Frankreich verbirgt, der „für seinen hässlichen Sohn gleichfalls um Maria geworben hatte“ [ebd. 37], und schildert die Kriegszüge gegen ihn und seine treulosen Verbündeten von 1477 bis zur Schlacht von Vicenza (Ceracia) 1513. Der erste Teil ist das mehr kompilatorische, der zweite das weitgehend selbständige Werk von Maximilians Geheimsekretär Marx Treitzsaurwein, dessen persönliche Tendenz sich in einer „Verherrlichung des Kaisers […] als den vom Himmel bestimmten Glaubenskämpfer gegen die Türken“ ausdrückt, deren „überschwenglich-hymnischen Ton“ dieser selbst in seinen Korrekturen deutlich „herabstimmen“ [Buchner 385] wollte. Der dritte Teil beruht hinge-

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gen fast ganz auf Diktaten des Herrschers, deren Zustandekommen Heinz Otto Burger ausmalte: „Sobald Maximilian in seinem turbulenten Tageslauf zwischen Regierungsgeschäften, auf Kriegszügen oder Reisen eine ruhige Stunde fand, rief er einen Schreiber zu sich, um zu diktieren. Solche Ruhepausen fanden sich freilich nur selten und in weiten Abständen voneinander. Auch fehlte es dann nicht an Störungen, auf die Maximilian in seiner sprunghaften Art sofort ansprach. […] Ruhige Konzentration kannte Maximilian kaum. So diktierte er denn auch, was ihm gerade einfiel, hielt sich an keine chronologische Folge und wusste nicht mehr, wovon er schon früher gesprochen hatte. Erzählte er dann ein und dasselbe Geschehnis zwei- oder dreimal, so geschah es immer wieder auf andere Weise (vgl. Kap. 90–97 = Kap. 104–115). Umgekehrt schmückte er mit seiner lebhaften, aber gewiss nicht reichen Phantasie ganz verschiedene Ereignisse mit den gleichen Einzelheiten aus“ [Burger 29]. Treitzsaurwein kam die undankbare Aufgabe zu, dieses „Knäuel von Diktaten entwirren und einen geordneten Text daraus machen“ [ebd. 30] zu sollen. Dies war umso schwieriger, als die Handelnden nicht mit ihren wirklichen Namen, sondern mit Farb- oder heraldischen Bezeichnungen benannt wurden – Maximilian selbst als der ‚weiße‘ bzw., zur Unterscheidung von seinem Vater, als der ‚junge weiße König‘. Schon wegen „dieser gewollten Vermummung“ war die Aufgabe „für einen anderen als den Kaiser selbst schlechterdings nicht lösbar“; Treitzsaurwein war weder über die geschilderten Geschehnisse noch über die Chronologie und die Bedeutung der Schlüsselnamen unterrichtet [vgl. ebd.]. Entsprechend ist er „vollkommen gescheitert“ [Buchner 385], der Text des dritten Teils nicht mehr als eine „unvollendete Materialsammlung“ mit „Sammelsurium-Charakter“ [Reich 96]. Allenfalls eine vordergründige Ordnung lieferte er durch den „fortlaufenden Text im nüchtern pedantischen, formelhaften Kanzleistil, abgeteilt nach Kapiteln, um die Beziehung zu den Holzschnitten hervortreten zu lassen“ [Burger 30], wobei die Kapitel zum Ende hin „immer zahlreicher und damit auch knapper“ werden, bis sie schließlich kaum mehr „als die Unterschrift für ein Bild“ [ebd.] liefern. Nach rund acht Jahren legte Treitzsaurwein dem Kaiser 1514 eine Reinschrift vor, die heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien liegende Handschrift A (Cod. Ms. 3032), die „den in die Geschichte eingegangenen Weisskunig“ [ebd.] darstellt und dem Druck von 1775 zugrundeliegt.

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Allerdings hielten beide das Manuskript nicht für druckreif, so daß der Kaiser anordnete, der Sekretär solle ihm „schriftlich seine Fragen unterbreiten“ [ebd.], was dieser im August 1515 mit seinem Fragbuch tat. Dies beachtete Maximilian jedoch kaum und ließ stattdessen einige Kopien des Textes anfertigen, „deren wichtigste uns als Handschrift E (Cod. Man. 2832)“ [ebd.] erhalten ist. Sie enthält das Gros von Maximilians persönlichen Korrekturen, bei denen er sich von Konrad Peutinger und Melchior Pfinzing beraten ließ [vgl. Schultz, Einleitung XIII]. Darin hat er „in Randbemerkungen hingewiesen, auf welche Ereignisse die Erzählung sich beziehe, hat die Wiederholungen angezeigt, die fingirten Namen meist durch die wirklichen ersetzt, zahlreiche Capitel ganz gestrichen, zu anderen Zusätze gemacht, oft bedeutende Partien der Erzählungen umgeschrieben und umfangreiche Einschaltungen vorgenommen“. Doch auch er hat sich „öfters nicht besinnen können, um was es sich eigentlich handelte“ [ebd.] und scheiterte selbst „mit diesem Versuch. Es fehlte ihm verständlicherweise an Zeit und Ruhe, die Neuordnung wirklich durchzuführen“ [Buchner 386]. Das Werk sollte aber nicht nur überarbeitet, sondern auch weitergeführt werden. Aus bereits fertigen Holzschnitten ist zu ersehen, daß Maximilian unter anderem noch „seine Wahl zum römischen König und seine Krönung, die Bestattung seines Vaters und dessen Grabdenkmal, seinen Aufenthalt in Trier 1512 und das Bündnis mit Polen 1515“ [Schultz, Einleitung XV] thematisieren wollte. Darauf bezieht sich etwa Hans Burgkmairs Holzschnitt Das ist der weyßen Reüßen Bund (Nr. 219), der den Urkundenaustausch mit einer russischen Gesandtschaft am 4. August 1514 zur Vorbereitung der Wiener Doppelhochzeit am 22. Juli 1515 zeigt [vgl. Schmidt, Literatur, 332 f.]. Doch den „eigentlichen Abschluss konnte das Werk erst dann erhalten, wenn der Kaiser das erfüllt, was er bei der Schilderung seiner Geburt so klar als seine Bestimmung hingestellt, wenn er die Türken aus Europa verjagt“ [Schultz, Einleitung XV] haben würde. Im Weißkunig hatte er also mit dem gleichen Problem zu kämpfen wie im Theuerdank, nur noch verschärft dadurch, daß hier schon mit der Schilderung seiner Geburtsumstände alles auf den finalen Sieg über die Feinde des Glaubens zusteuerte. Rochus von Liliencron folgerte messerscharf: „Ohne Zweifel im vollen und festen Glauben an seine göttliche Berufung zur Vernichtung der Türken hatte der Kaiser sein Buch so anlegen lassen, daß es nur in diesem Türkenkriege seinen vorbestimmten Ausgang finden konnte. Wie also ließ das Buch sich enden, ehe die Thaten vollbracht waren, die seinen Abschluß bilden sollten? Maximilian’s Weißkunig blieb ohne

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Schluß, weil auch sein Leben den Abschluß nicht erhielt, den er gläubig erwartet hatte“ [Liliencron 358]. Illustration als Leitmedium Schwierigkeiten rein praktischer Art ergaben sich allerdings auch durch die Notwendigkeit, Texte und Bilder zu koordinieren. Maximilian selbst stellte an den „anfang meines puechs ain erklerung“, er habe „zu der geschrift gestelt figuren, gemalt, damit das der leser mit mund und augen mag versten den grund dieses gemeldes meines puechs“ [zit. nach Werner, 2018, 128]. Im Holzschnitt Maximilian ehrt das Andenken der Vorväter wird das Konzept einer „harmonischen Gleichzeitigkeit der Medien“ [ebd. 129] vorgeführt – dieses aber wurde während des Entstehungsprozesses, auch unter dem Einfluß der „realen Produktionsbedingungen des innovativen Mediums der Drucktechnik zunächst dynamisiert und schließlich gesprengt“ [ebd.]. Wie im Theuerdank ist auch im ersten und zweiten Teil des Weißkunig meist jedem Kapitel ein Holzschnitt zugeordnet, die Numerierung läuft weitgehend parallel, so daß man davon ausgehen kann, daß „die Entstehung der ersten 70 Holzschnitte sehr planmäßig verlief “ [Boßmeyer 57]. Bild und Text ergänzen einander in ihrer Memorierfunktion. Im dritten Teil ändern sich die Verhältnisse quantitativ wie qualitativ: Für diesen wurden allein 180 Illustrationen geschaffen. Bilder oder Bildbeschreibungen anstelle von Diktaten dienten nun auch immer häufiger als Vorlagen, nach denen Treitzsaurwein seine Texte verfassen sollte, was ihm am Ende nicht mehr gelang. „Für die Ereignisse nach 1513 – das betrifft vor allem den Krieg in Italien – liegen keine Texte mehr vor, sondern nur noch kurze Bildanweisungen für die Künstler. Zu diesem Zeitpunkt war also die Abfolge der verschiedenen Arbeitsschritte umgekehrt worden: Nun sollten zuerst die Bilder angefertigt und nach diesen dann der Text verfasst werden. Hier wird das Bild zum Leitmedium“ [Werner 2015, 364]. Insofern läßt sich auch von der Entstehungsgeschichte her der Text zunehmend nur noch „als Beigabe zu den Holzschnitten“ [Burger 23 f.] ansehen. Autor „meines puechs“ war auch hinsichtlich der Illustration letztlich der Kaiser selbst, der „die Kontrolle über die Bilder behalten wollte“ [Boßmeyer 54] – was im Weißkunig anschaulich im Holzschnitt Nr. 26 visualisiert wird. Maximilian gab zunächst handwerklichen Zeichnern seiner Hofwerkstatt Anweisungen, die diese in Entwurfszeichnungen für die Augsburger Künstler umsetzten,

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die von dem Humanisten Konrad Peutinger betreut wurden: Der dort führende Hans Burgkmair war durch seinen „Sinn für das Vornehme, Adlige in Gebärden und Auftreten, kurz für Repräsentation“ [Musper, Burgkmair 43] ebenso wie durch seine Sensibilität für „Individualisierung, Körperlichkeit und Räumlichkeit“ [Petermann 85] besonders befähigt, die Wünsche des Kaisers „in unvergleichlicher Frische“ [ebd. 60] umzusetzen. Von seinen 118 Holzschnitten zum Weißkunig signierte er 113 mit dem Monogramm H. B.; sie stellen sein „graphisches Hauptwerk“ [Boßmeyer 13] dar. Zuverlässig, aber eher „schematisch und monoton“ [Musper, Burgkmair 55] arbeitete Leonhard Beck, von dem 127 Stücke stammen; nur wenige lieferten Hans Schäufelein und Hans Springinklee [vgl. ebd. und Kaulbach [13]]. In den Jahren 1514 bis 1516 wurden die Holzstöcke für die 251 Bilder unter der Leitung des Formschneiders Jost de Negker geschnitten; jeweils wenige Exemplare wurden noch als Probestücke gedruckt, die „überwiegend in Sammelbänden erhalten geblieben sind“ [Kaulbach [3]], dann kam die Produktion zum Erliegen. Marx Treitzsaurwein vermochte nur einen kleinen Teil der Holzschnitte seinen Texten zuzuordnen [vgl. Boßmeyer 117]. Hier ergab sich eine ähnliche Problematik wie bei den Diktaten: Neben der Stereotypie der Darstellungen war es die schiere Fülle ähnlicher, meist kriegerischer Ereignisse, die zumal an wiederkehrenden Schauplätzen stattfanden, so daß man auch hier leicht die Übersicht verlieren konnte. Dabei bemühte sich der Kaiser nicht nur in seinen Anweisungen, sondern auch mit detaillierten Änderungswünschen noch an den fertigen Holzschnitten, „authentische Darstellungen der Ereignisse und Situationen zu schaffen“ [Werner 2015, 366]. Es ist ein weiteres Paradoxon, daß sich „gerade diese Störung im Produktionsprozess als besonders aufschlussreich für die dem gesamten GedechtnusWerk zugrundeliegenden Motive und Intentionen des herrschenden Auftraggebers“ [Werner 2018, 128] erweist. Christine Boßmeyer wies im Anschluß an Gottfried Willems darauf hin, daß die Bilder zum Weißkunig „in einer Umbruchs- und Übergangsphase“ entstanden, in der sich die Illustration „vom reinen ‚Bedeutungsbild mit einer rigoros vereinfachten Wiedergabe seines Bildgegenstands‘ zum ‚mimetischen Bild‘“ [Boßmeyer 156] wandelte. Ihnen selbst ist diese Entwicklung anzusehen, indem die formelhafte, „typisierend-symbolische“ Abbildung der Burgunderkriege tendenziell gegenüber einer „referentiell-individualisierende[n] Darstellungsweise“ [ebd. 204] der italienischen Kriege der Jahre 1509–1513 zurücktritt. Bei Personendarstellungen geben Kleidung und Anordnung im Raum Aufschluß über ihre Herkunft, „ihren politischen

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oder gesellschaftlichen Rang“ [Werner 2015, 363], Subtexte können sich in Details verbergen: In der Liga von Cambrai begegnen vier Könige einander in einer „für die höfische oder diplomatische Öffentlichkeit inszenierten Ordnung“, doch steht ihr Bündnis „auf unsicherem ‚Grund‘, einem splittrigen Fußboden und in unregelmäßige Falten geworfenen Teppich“ [Kaulbach [11]; Nr. 79]. Das Zerbrechen des Bündnisses wird auf „verblüffend einfache“ Weise visualisiert: Die vier Könige verlassen einen Raum, „jeder durch eine andere Tür, doch keinem bietet sich ein echter ‚Ausweg‘ aus der Situation“, was jedoch die „auseinanderstrebenden Interessen“ [ebd.; Nr. 98] veranschaulicht. Trotz der Typisierung lassen diese Bilder erkennen, daß sie „als Darstellungen realer, faktischer, historischer Vorgänge gemeint sind“ [Boßmeyer 17]. In den Bildern von Schlachten, Belagerungen, Eroberungen u. ä. verweisen nicht nur die Bildtitel, sondern auch die individuelle Wiedergabe von Bauwerken, Stadtmauern und topographischen Situationen auf den „Charakter der Orte“ [ebd. 62], sei es nun eine Bergfestung oder eine Lagunenstadt [vgl. ebd. 188]. Anders als noch in Hartmann Schedels Weltchronik wird die Authentizität auch dadurch beglaubigt, daß kein Druckstock doppelt verwendet wird [vgl. Werner 2015, 364 f.]. Die Vielzahl der Bilder stellt nicht einfach eine wahllose Häufung von Triumphen dar, vielmehr werden auch Beratungen oder Truppenabzüge, darüber hinaus politische Verhandlungen und schließlich dynastische Anlässe wie Hochzeiten, Krönungen und Begräbnisse dargestellt, so daß größere Abläufe erkennbar werden. Indem durch die „lose Verknüpfung von Szenen der Handlungsverlauf sichtbar gemacht“ wird, zeigt sich, daß letztlich eine „vollständige Visualisierung einer Folge geschichtlicher Ereignisse“ [Boßmeyer 13] angestrebt wird. Da Texte und Bilder zudem vom Kaiser selbst vorgegeben wurden, waren Zweifel an der Wirklichkeitstreue nicht angebracht: Treitzsaurwein nahm sie schlicht als kuniglich warhait. Die „unmittelbare Augenzeugenschaft“, die sich insbesondere in den Bildern widerzuspiegeln schien, besaß „Vorrang vor anderen historischen Erkenntnisquellen und besaß den höchsten Wahrheitsgrad“ [ebd. 227]. Aber auch der von solcher ‚Vergegenwärtigung‘ affizierte Betrachter selbst konnte sich als Augenzeuge und Teilnehmer wahrnehmen, der „direkt an die Erfahrungswelt“ des Kaisers angeschlossen wurde – was wiederum dessen „innerweltliche Memoria“ [ebd. 236] sicherte. Indem Maximilian sich in seinen sehr genauen Bildanweisungen als unmittelbarer „Übermittler dieses visuellen Wissens“ [ebd. 189] profilierte, legte er zugleich den Grund für eines der umfangreichsten und „innovativsten Illustrationskonzepte zu Beginn des 16. Jahrhun-

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derts“ [Werner 2015, 366]. Damit vollzieht sich eine entscheidende Veränderung in der Gesamtkonzeption, auch im Vergleich zum Theuerdank: „Aus einem Heldenepos hat der Weißkunig sich beiläufig in Historiographie verwandelt, jedenfalls in seiner Bildlichkeit“ [Boßmeyer 205]. Komplikationen Diese Einschränkung ist allerdings bedeutsam, denn der Text verbleibt mit seiner Verschlüsselung auf einer typisierten Ebene: Der Kampf zwischen „weißem“ und „blauem“ König erinnert an ein Schachspiel (ursprünglich war allen Gegnern des Weißkunig die Farbe Schwarz zugedacht), der zwischen verschiedenen „Gesellschaften“ gibt dem Ganzen den „Charakter eines universalen Turniers“ [Dietl 37] samt Mummenschanz und Rätselspiel [vgl. Burger 29]. Auf dieser Ebene treten die realen chronologischen Abläufe zurück hinter „Fakten, die sich zeitlos geben“ [ebd. 30]. Zu Recht wies Björn Reich auf die „erstaunlich unspezifisch“ [Reich 96] gehaltenen Kapitelüberschriften hin, wie etwa Wie der Jung weyß kunig unnd der Plab kunig weiter mit krieg an ainander angriffen. Welch ein Unterschied etwa zu Niccoló Machiavellis gleichzeitigem Fürstenspiegel Il Principe: Geschichte wird weder strukturiert noch gewichtet, die „politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen Strukturen“ [KNLL 11, 396] bleiben ausgeblendet, und selbst die „großen politischen und militärischen Leistungen Maximilians, wie etwa die Gründung der Heiligen Liga oder die Krönung zum König von Italien“, werden „marginalisiert oder gar verschwiegen“ [Reich 96]. Auf der Grundlage des Textes kommt Reich zu einer Bewertung, die der Aussage Boßmeyers über die Bilder gerade entgegengesetzt ist: „Statt biographisch-historiographische Präzision zu leisten, wird die Handlung überwuchert von einem kaum durchschaubaren Meer von Farben“ [Reich 97]; die Geschichte zeigt sich im „Stadium ihrer Auflösung“ [ebd. 94]. Genealogie, Chronik, Historia, Autobiographie, Ritter- und Heldenroman, Poesie und „Warhait“ – das Werk nutzt „verschiedene literarische Organisationsmuster“, um sie „in panegyrischer Absicht“ [KNLL 11, 395] nach allen Regeln der Kunst auszubeuten. Mit Blick auf den in allen Sätteln gerechten Maximilian zerlegt sich wie der Theuerdank auch der Weißkunig tendenziell „in eine endlose Kette isolierter Tableaus von der Einzigartigkeit dieses Fürsten“ [KNLL 11, 396]. Die einander widersprechenden Konzepte und überzogenen Ansprüche, die in das Buch hineingelegt wurden, mußten letzlich die vorhandenen Ressourcen und Mittel in jeder

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Hinsicht überfordern: Anders als der Theuerdank war der Weißkunig nicht vollendbar. Zu den parallel vorangetriebenen Arbeiten zählten indes auch schon typographische Versuche mit Satz und Schriftbild; so trägt ein Exemplar von Burgkmairs Holzschnitt Das ist der weyssen Reüssen bundt eine gedruckte Schriftprobe [vgl. [Kaulbach [3 f.]], aus der wir eine Vorstellung von der beabsichtigten Buchgestaltung gewinnen können. Ähnlich wie der Theuerdank sollte auch der Weißkunig als prachtvoller Folioband erscheinen; wohl wegen des größeren Umfangs sollte der Text jedoch „als kompakter, zweispaltig gesetzter Schriftblock“ [Schmidt, Literatur 333, BU 909] in der TheuerdankType gesetzt werden. Für die Bildtype war hingegen die etwas größere Gebetbuchtype als Auszeichnungsschrift vorgesehen [vgl. Kaulbach [7]]. Vordergründig wurde die Fertigstellung des Weißkunig durch den Tod Maximilians im Januar 1519 vereitelt. Einen zweiten Anlauf unternahm Erzherzog Ferdinand I. 1526, als er Marx Treitzsaurwein mit der Beendigung und Drucklegung des Werks beauftragte, doch auch dieser starb bereits ein Jahr später. So verblieb die Handschrift für einige Jahrzehnte bei dessen Nachfahren, von denen Erzherzog Ferdinand II ., sie „erworben oder zum Geschenk erhalten“ [Burger 32] hat. Maximilians Urenkel kaufte 1563 Schloß Ambras bei Innsbruck; in seine dort eingerichtete Bibliothek kam auch die unfertige Weißkunig-Handschrift. Deren „Zugänglichkeit und Abschrift war an Genehmigung gebunden und scheint soweit bekannt nur einmal Maximilian III . erlaubt worden zu sein“ [Boßmeyer 247]. 1665 kam sie in die Wiener Hofbibliothek, wo sie nochmals über 100 Jahre ruhte. Erst als man im Grazer Schloß die originalen Druckstöcke zum Weißkunig auffand, entsann man sich in Wien wieder des Treitzsaurweinschen Manuskripts. Wohl die Jesuiten Felix Franz Hofstaeter (1741–1814), Lehrer an der Theresianischen Ritterakademie, und Joseph Benedikt Heyrenbach (1738–1779), Kustos an der Hofbibliothek, veranstalteten 1775 die erste Gesamtedition von Text und Bildern im Verlag Joseph Kurzböck [vgl. Boßmeyer 23 f.] – sie liegt hier vor. Die alten Stöcke waren „zwar noch zum grösseren Teil in leidlicher Verfassung, aber 250 Jahre tun an einem empfindlichen, organischen Material ihre Wirkung“ [Petermann 61]; auch das „geringwertige Papier“ beeinträchtigte die Qualität, die gemessen an heutigen Maßstäben als „ästhetisch unbefriedigend“ [Schmidt, Literatur 326] angesehen werden kann. Mit größerer historischer Ge-

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rechtigkeit billigte Erwin Petermann den Verantwortlichen eine „respektable Druckleistung“ zu, die „von der eigentlichen Schönheit der Holzschnitte […] noch manches erahnen“ lasse“ [Petermann 61]. Abgedruckt sind allerdings nur 237 der ursprünglich 251 Holzschnitte; zudem bietet die Ausgabe „Texte und Bilder als getrennte Teile und versucht, durch Fußnoten die historischen Bezüge des Textes zu erläutern und die Verschlüsselung der Personen und Ereignisse aufzulösen“ [Schmidt, Literatur 336]. Immerhin wurde in dieser Edition von 1775 eines der „größten Projekte eines illustrierten Buches der Renaissance in Deutschland“ [Kaulbach [3]], mit Holzschnitten, die „durch ihre hohe Qualität alle anderen gedruckten Historienbilder zu Beginn des 16. Jahrhunderts“ [Boßmeyer 13] überragen, auf würdige Weise erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war sie selbst „allmählich selten geworden“ [Petermann 61]. Unser Exemplar ist so gut erhalten, wie es die mäßige Papierqualität nur erlaubte. Es wurde zeitgenössisch von dem Wiener Hofbuchbinder Georg Friedrich Krauß gebunden, der das Weisungsblatt an den Buchbinder mit der „Ordnung der Figuren“ wegließ. Sein Einband folgt dem damals modischen „etruskischen Stil“ mit großen ovalen Medaillons auf den Deckeln, auf denen sich in Schablonenätzung ausgesparte antike Frauenfiguren zeigen: vorn Athene mit Speer als Göttin der Weisheit und des Krieges, hinten vielleicht eine Muse oder eine Bacchantin [vgl. Mazal 1990, S. 76 und Abb. 258], vielleicht in Anspielung auf die gegensätzlichen Seiten des Hercules germanicus Maximilian als eines kriegerischen Herrschers und humanistischen Kulturmäzens. Literatur: Bartsch VII , S. 224 ff., Nr. 80; Burkhard 18 ff.; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 416; Dodgson I, 10, Nr. 15, II , 60, Nr. 14 etc.; Graesse VI 2192; Lipperheide Db 10; Muther 854; Passavant III , S. 268 f., Nr. 80; Schwerdt II , 268 (diese Ausg.); TIB 11, 80 (224), 1–251.

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19 Der Weißkunig von 1888: Ein nochmaliger Abdruck von den originalen Holzstöcken Maximilian I. und Marx Treitzsaurwein. Der Weißkunig. Nach den Dictaten und eigenhändigen Aufzeichnungen Kaiser Maximilians I. zusammengestellt von Marx Treitzsauerwein von Ehrentreitz. Herausgegeben von Alwin Schultz. (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 6). Wien, Adolf Holzhausen, 1888. XXVIII S. [Einleitung]; 558 S. – Auf Büttenpapier gedruckt und

zweiseitig unbeschnitten, Titelblatt und Zwischentitel in Schwarzund Rotdruck. 251 ganzseitige Abbildungen, davon 238 Abdrucke von den originalen Holzstöcken und 13 Zinkätzungen [nicht 25, wie auf dem Bandtitel angegeben] nach verlorenen Platten; Einleitung mit 6 ganzseitigen Abbildungen, davon 5 zweifarbig. Royal-Folio (etwa 374 x 276 mm). Roter Original-Halbsaffianband auf fünf Bünde, mit goldgeprägtem Rückentitel, etwas Rückenvergoldung und Kopfgoldschnitt (Einband mit Schabstellen). Ein Abdruck „mit aller der modernen Zeit eigenen gediegenen Pracht“ Wie der Theuerdank erschien auch der Weißkunig 1888 in prachtvoller Faksimile-Reproduktion im Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Die Notwendigkeit dazu schien hier sowohl aus ästhetischen wie aus dokumentarischen Erwägungen erst recht auf der Hand zu liegen. Der Herausgeber, der Kunst- und Kulturhistoriker Alwin Schultz (1838–1909), blickte mit dem Stolz der „modernen Zeit“ zurück auf die Erstausgabe von 1775, „als man es kaum noch verstand, einen Holzschnitt gut abzudrucken. Das Papier war dünn und ungeeignet, der Druck unsauber, und so konnten die herrlichen Tafeln […] nicht zur rechten Gel-

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tung gelangen“. Nun aber trat der Weißkunig, in einer „gediegenen Pracht ausgestattet, aufs Neue an die Oeffentlichkeit und jetzt erst geben uns die Abdrücke der alten Holzstöcke eine rechte Vorstellung, was die Meister, die im Auftrage des Kaisers Maximilian diese Arbeiten ausführten, zu leisten vermochten“ [Schultz, Vorrede, VII]. Tatsächlich ließ Schultz von den noch erhaltenen 236 Originalplatten nochmals Abdrücke herstellen; 13 weitere Holzschnitte, deren Platten verloren waren, ließ er zudem in Zinkätzung reproduzieren [vgl. ebd. XXVI]. Dabei entstanden tatsächlich erstaunlich klare Abdrucke. Aber wie? Nach Erwin Petermanns Beobachtung wurde „nur vom oberen Plan gedruckt, zweidimensional, so dass ein zwar sauberes, aber total falsches Resultat entstanden ist. Grob gesagt, fehlt etwa 1/5 des Zeichnungsbestandes, der unter dem Oberflächenplan liegt. Die Auswirkung zeigt sich in einer harten Stereoskopie im Räumlichen und Mägerlichkeit in den Körpern“ [ebd. 86]. Ausgerechnet das restauratorische Bemühen um die „Schönheit der alten Originale“ wurde von Petermann verworfen. Dieser schimpfte 1956 in seiner Abhandlung über Die Formschnitte des Weisskunig, die „ganze Idee“, noch einmal von 370 Jahre alten Stöcken zu drucken, stamme „aus einer Periode historischer Begeisterung, die unempfindlich dafür war, dass Kunstwerke ihre unwiederbringliche Zeit und Stunde haben“ [Petermann 61]. Das ausgetrocknete Holz hätte „gar nicht mehr die Kraft, dem Druck standzuhalten“ [ebd. 65], und so stünden diese Drucke „handwerklich weit unter denen von 1775 und kommen fast einer Verfälschung gleich. Sie sind so gedruckt, dass man es kaum für möglich hält, dass sie von den Originalstöcken genommen sind: unter Verkennung der Struktur eines Holzstocks des 16. Jahrhunderts sind sie wie Holzschnitte des 19. Jahrhunderts ausgedruckt. Mit dem Resultat, dass die Holzschnitte unplastisch und unräumlich werden, also gerade da mangelhaft werden, wo es sich um das Hauptanliegen der Renaissancekünstler handelt“. Das Vorhandensein beider Ausgaben in unserer Sammlung ermöglicht eine autoptische Nachprüfung dieses harschen Urteils. Inhaltlich erfaßte Schultz den Text- und Bildbestand dafür in allen Tiefenschichten. Er nahm nicht nur Treitzsaurweins Handschrift A, die im dritten Teil lediglich 59 von 180 Bildern enthielt, sondern die gesamte Überlieferung, insbesondere die Sammelbände E, F, G und das Fragbuch H, in den Blick, um die Holzschnitte den Kapiteln zuzuordnen. Dabei schied er einige Dubletten aus und versah jedes Bild mit der zugehörigen Beischrift, allerdings „ohne seine Vorgehensweise zu beschreiben“ [Boßmeyer 117], wie Christine Boßmeyer be-

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mängelte. Doch erscheint dies zweitrangig gegenüber dem „große[n] Verdienst“ von Schultz um die genaue „Sichtung und Erschließung der zum Weißkunig überlieferten Handschriften und der Bestimmung ihrer Stellung im Entstehungsprozess des Werkes“, bei der er „die äußerst schwierig zu lesenden Diktate der zahlreichen Schreiber entschlüsseln“ [ebd. 32] mußte. So legte er in seiner kritischen Edition „durch sorgfältige Analyse der verschiedenen Handschriften die wissenschaftlichen Grundlagen“ [ebd. 15] für die spätere Forschung. Der Anhang enthält außer den umfangreichen Lesarten, Zusätze[n] und Erklärungen (S. 447–540) des Herausgebers u. a. auch ein dreispaltiges Register (S. 552–558) und die Fragmente einer lateinischen Autobiographie Kaiser Maximilians (S. 421–446), Originaldiktate des Kaisers aus dem Wiener Staatsarchiv. Das auf kräftigem Bütten gedruckte, unbeschnitten und tadellos erhaltene Exemplar stammt aus dem Besitz von Hans Peter Kraus, mit dessen Monogrammexlibris auf dem Innendeckel. Literatur: Bartsch VII , S. 224 ff., Nr. 80; Burkhard 18 ff.; Muther 854; TIB 11, 80 (224), 1–251.

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20 Der Weißkunig in der letzten Textfassung, mit Holzschnitt-Faksimiles nach den frühen Drucken [Maximilian I. und Marx Treitzsaurwein]. Kaiser Maximilians I. Weisskunig. In Lichtdruck-Faksimiles nach Frühdrucken mit Hilfe der Max-Kade-Foundation Inc. New York für den Stuttgarter Galerieverein herausgegeben von H[einrich] Th[eodor] Musper in Verbindung mit Rudolf Buchner, Heinz-Otto Burger und Erwin Petermann. Textband [und] Tafelband. Zusammen 2 Bde. Stuttgart, W. Kohlhammer Verlag, 1956. 481 zweispaltige S., 1 Bl. Und: 5 Bl., 251 einseitig bedruckte Tafeln, 2 leere Bl., 13 zweispaltige Bl. [Unterschriften zu den Holzschnitten, Konkordanz], separat: 8 geheftete zweispaltige Bl. [Unterschriften zu den Holzschnitten]. Tafelband mit 251 faksimilierten ganzseitigen Holzschnitten auf Tafeln. Textband mit 30 Abbildungen, 8 Abbildungsseiten mit zahlreichen Wasserzeichen sowie 9 Abbildungen auf Kunstdruckpapier. Royal-Folio (ca. 343 mm x 278 mm). Original-Leinenbände mit goldgeprägten Rücken- und Deckeltiteln, illustrierten Original-Umschlägen und blaugrauem Kopfschnitt (Umschläge mit Randeinrissen). Der Weißkunig als historisches Quellenwerk Legte Alwin Schultz mit seiner Weißkunig-Edition von 1888 die editionswissenschaftlichen Grundlagen, so zog die Neuausgabe von 1956 unter der Leitung des Direktors der Stuttgarter Staatsgalerie, Heinrich Theodor Musper, sowohl mit Blick auf den Text als auch auf die Holzschnitte daraus die Konsequenzen. Der Text bietet nicht mehr nur den der Handschrift A von Marx Treitzsaurwein von 1514 (ÖNB , Cod. Ms. 3032), sondern folgt im dritten Teil der ab dem 53. Kapitel erhaltenen letzten Textfassung Maximilians, der Handschrift E. (Cod. Ms. 2832), die „als Ganze bisher nicht veröffentlicht“ [Musper, Vorwort, 7] worden war. Ge-

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rade mit dieser Korrekturfassung sei aber ein „Wandel im Grundsätzlichen“ verbunden, wie Heinz Otto Burger betonte: „Maximilian will jetzt nicht mehr – mindestens nicht mehr in erster Linie – einen historischen Schlüsselroman für das breite Publikum, sondern […] ein historisches Quellenwerk schaffen“ [Burger 31], in deutlicher Absetzung vom Theuerdank. Rudolf Buchner kommt in seinem Aufsatz über die Letzte Textfassung zu dem Ergebnis: „Das Zwielicht zwischen wirklicher Geschichte und orts-, zeit- und namenloser Erzählung war ursprünglich von Maximilian selbst gewollt. In der Fassung letzter Hand (Ea/b) ist das jedoch in bezeichnender Weise geändert. Je tiefer die Korrekturen in E (Ea und Eb) den A/EText umgestalten, um so greifbarer und realer wird die Darstellung […] – entsteht wirkliche Geschichtsschreibung, voller historischen Lebens, eine Darstellung, die oft die miteinander ringenden Kräfte recht anschaulich vor Augen führt“. Auch laufe der Text auf eine „Einschränkung des Selbstlobs hinaus“ und könne „überraschend selbstkritisch sein“ [Buchner 387]. Damit vollzog Maximilian im Text letzter Hand die gleiche Wende, wie sie sich auch in den Holzschnitten, vor allem denen zu den italienischen Kriegen, abzeichnete. Auf Grund dieser Erkenntnis unternahm die Ausgabe von 1956 nochmals den Versuch, „das zu tun, was Maximilian selbst zuletzt beabsichtigte, aber nicht mehr verwirklichen konnte: eine sinnvolle, im wesentlichen zeitliche Ordnung der Kapitel herzustellen, die Dubletten auszuscheiden und durch knappe Erläuterungen die sachliche Beziehung des Erzählten klarzustellen“ [ebd. 386] Um der „ursprünglichen Absicht“ Treitzsaurweins nahezukommen und eine „auch heute noch für den Gemainen Man lesbare Erzählung“ [Burger 31] zu bieten, übertrug Heinz Otto Burger dessen Text zusätzlich in eine gekürzte neudeutsche Fassung, bei der insbesondere die „ständigen Wiederholungen“ gestrichen wurden, die „vor allem den III . Teil für uns so monoton machen“, wenn auch mit der Befürchtung, Maximilian selbst würde sich „im Grabe umdrehen, denn für sein aus ehrwürdiger Tradition stammendes historiographisches Stilideal kam es auf die stereotype Wiederholung entscheidend an“ [ebd.]. Texte und Holzschnitte werden getrennt in zwei Bänden abgedruckt. Weil sich Abzüge von den noch immer vorhandenen originalen Holzstöcken wie in den Ausgaben von 1775 und 1888 aus Qualitätsgründen verboten, entschied man sich hier für eine „Faksimilierung bester Frühdrucke“ [Petermann 61], wobei keine Einheitlichkeit angestrebt wurde: „Es sind nicht nur brillante, sondern auch graphisch interessante Exemplare gewählt und faksimiliert worden,

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deren Standorte nachgewiesen sind“ [ebd. 62]. Das Gros der Originalholzschnitte lagerte in Wien, weswegen die Tafeln in der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellt und gedruckt wurden. Für Christine Boßmeyer liegt der Wert der Stuttgarter Neuausgabe auch und „vor allem in den wissenschaftlichen Beiträgen“ [Boßmeyer 33]. So untersuchte Heinrich Theodor Musper den Anteil Hans Burgkmairs am Weißkunig und beschrieb die wichtigsten Holzschnitte. Erwin Petermann war „der erste, der sich mit den Formschnitten beschäftigte, die verschiedenen Zustände charakterisierte und sich mit Zeichnungen und Korrekturen Maximilians auseinandersetzte“ [ebd.]; Heinz Otto Burger brachte die Entstehungsgeschichte des Weißkunig auf den neuesten Forschungsstand; der umfangreiche Abriß von Rudolf Buchner über Kaiser Maximilian als geschichtliche Erscheinung wurde auch als separate Biographie veröffentlicht. Das Exemplar stammt aus dem Besitz des Sammlers Hans (eigentlich: Johannes) Dedi (1918–2016), dem Vorstandsvorsitzenden des Quelle-/Schickedanz-Konzerns, der auf den Spiegeln sein illustriertes Exlibris montierte. Literatur: Bartsch VII , S. 224 ff., Nr. 80; Burkhard 18 ff.; TIB 11, 80 (224), 1–251.

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21 Die Heiligen des Hauses Habsburg: Erstdruck der Holzschnitte Leonhard Becks und anderer von den originalen Stöcken: Ein gänzlich unbeschnittenes Exemplar Mennel, Jakob. Images de Saints et Saintes, issus de la Famille de l’Empereur Maximilien I. En une suite de cent dix neuf planches gravées en bois par differens graveurs d’après les dessins de Hans B ­ urgmaier. [Herausgegeben von Adam von Bartsch]. Wien, F. X. Stöckl, 1799. 11 S. 119 numerierte Holzschnitt-Tafeln von den originalen Stöcken. Folio (ca. 465 x 315 mm), völlig unbeschnitten. Blaue Interims-Originalbroschur (am Rücken oben und unten defekt, etwas braunfleckig). In Halbleinendecke. Heilige Väter: Hagiographie – Genealogie – Hegemonie Der Humanist Jakob Mennel (1460/70 – 1526) band sich als Historiker besonders eng an Maximilian I. Als Stadtschreiber in Freiburg im Breisgau kam er 1497 auf dem dortigen Reichstag mit dem König in Berührung. Ein Jahr später widmete er ihm eine Disputatio über das Schachspiel, das ihn nachhaltig beschäftigte; 1507 gab er ein allegorisches Schachzabelbuch heraus, indem er ein Werk des Benediktiners Konrad von Ammenhausen aus Stein am Rhein adaptierte [vgl. Burmeister 99, Reinhardt 61]. 1505 erhielt er eine Rechtsprofessur in Freiburg und wurde von Maximilian zum Rat ernannt, der ihn von nun an vor allem mit historischen und genealogischen Arbeiten beschäftigte. Fünf Jahre lang forschte Mennel in Bibliotheken in Österreich, Italien, der Schweiz und den Niederlanden, um von 1512 bis 1517 eine sechsbändige Fürstliche Chronik, genannt Kaiser Maximilians Geburtsspiegel zu verfassen [vgl. Burmeister 101]. Diese gereimte Geschichte des Hauses Habsburg griff historisch weit über den Weißkunig hinaus und war von zentraler Bedeutung für das „Selbstverständnis des Kaisers und seiner Familie“ [Reinhardt 2].

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Die beiden letzten Bände der Fürstlichen Chronik versammelten Legenden von Heiligen, die der Familie der Habsburger entweder direkt angehörten oder mit ihr verschwägert waren [vgl. Laschitzer, Die Heiligen 74]. Vorbild für solche Sammlungen von Heiligenberichten war die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine, die – wie auch die von Maximilian im Ambraser Heldenbuch vereinten Texte – aus dem 13. Jahrhundert stammte. Sebastian Brant übersetzte die lateinische Vitensammlung ins Deutsche und lieferte mit dem erstmals 1502 von Johannes Grüninger in Straßburg gedruckten Werk Der Heiligen Leben eine praktische Vorlage, die Maximilian für seine Zwecke vereinnahmen konnte – in Konkurrenz zu anderen europäischen Dynastien, die sich bereits in ähnlicher Weise profiliert hatten [vgl. Reinhardt 25 f.]. Die Parallele zum Figurenprogramm für sein geplantes Grabmal ist evident: Dort sollten neben 34 Bronzebüsten der römischen Kaiser und 40 überlebensgroßen Standbildern habsburgischer Ahnen weitere „100 Statuen die Heiligen der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft des Hauses Habsburg repräsentieren“ [Schmid 213]. Im Buch wie am Grab erbrachten die Heiligen im Verein mit den profanen Vorfahren „den Nachweis, daß das Haus Habsburg zum Herrschen prädestiniert“ sei, indem die weltliche „Gerechtigkeit, iustitia, […] von der ‚Gottesfurcht‘, der pietas“, [Reinhardt 39] ergänzt wird – analog zu der konzeptionellen Verbindung von weltlicher Ehre und heilsgeschichtlichem Verdienst im Theuerdank, wo der Titelheld am Ende des Buches als St. Georgs-Ritter zum Kreuzzug aufbricht. Diese Parallele ist noch weiter auszuziehen: So sollte auch Maximilians Grabmal wahrscheinlich „in eine Wehrburg des St. Georgs-Ritterordens einbezogen werden“ [Schmid 214], so schrieb das Gebetbuch Kaiser Maximilians I. dem Orden die Liturgie vor und bot nun das habsburgische Heiligenlegendar „den St. Georgs-Rittern auf der inhaltlichen Ebene Orientierung in ihren Werten“ [Reinhardt 217]. Den Trägern eines künftigen Kreuzzugs sollten Tugenden wie die „Bereitschaft zur Hilfe gegenüber der bedrohten Christenheit, Aufopferungsbereitschaft und Treue gegenüber dem Feldherren, sowie Gehorsam gegenüber dem Papst“ vermittelt werden, mithin „eine Kriegsethik […], die den erfolgreichen Ausgang dieses Unternehmens garantierte“ [ebd. 222]. Insofern war die Verbindung von weltlicher und geistlicher Ehre nicht nur ethisch, sondern geradezu weltpolitisch bedeutsam: Der kaiserliche Hegemonialanspruch im Abendland legitimierte sich letztlich aus der Berufung zum Kampf gegen die Ungläubigen und zur anschließenden Weltherrschaft. Aus diesem Gesamtzusammenhang der Memoria Maximilians und des Hauses Habsburg in Vergangenheit und Zukunft ist das Heiligenlegendar nicht wegzudenken.

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Wie sehr Maximilian bis an sein Lebensende von dieser Sendung erfüllt war, zeigt sich darin, daß er in seinem Testament vom 30./31. Dezember 1518 Anweisungen zur Aufstellung seines Grabmals gab und daß Jakob Mennel ihm noch auf dem Totenbett aus seiner Fürstlichen Chronik vorlesen mußte [vgl. Schmid 215]. Allerdings stand der „Gedanke der kaiserlichen Präsentation, der einem neuen Denken entsprang und in die Zukunft wies, […] in Kontrast zum überkommenen christlichen Gedanken der Vergänglichkeit alles Irdischen“ [ebd.] und blieb darum nicht unwidersprochen. Diese „Diskrepanz“ dürfte Maximilians Beichtvater, den Kartäuser Gregor Reisch, veranlaßt haben, dem Kaiser „wegen der ‚Eitelkeit‘ seines Begräbnisses Vorhaltungen zu machen“ [ebd.]. Wenn es Maximilians originäre Idee war, das neue „Selbstverständnis liturgisch an ausgewählte Adlige zu vermitteln“ [Reinhardt 222], so war es Jacob Mennel, der diese Vorgaben umsetzte – zwar nicht als „moderner, nur den Quellen und der eigenen Vernunft verpflichteter Historiker“ [Burmeister 108], wohl aber als Forscher, der „auf seiner Suche nach Beweisen wie kaum ein anderer zuvor die historischen Hilfswissenschaften entdeckte und konsequent heranzog“ [Burmeister 95]. Und obschon er „wahrscheinlich einen Großteil seiner Informationen dem Wiener Hofkaplan Sunthaym zu verdanken hatte“ [Reinhardt 219], war deren Auswertung und die Komposition der „Chronik, die das Selbstverständnis des Habsburger Maximilians I. und seines Herkunftshauses präsentierte“ [Reinhardt 221], sein eigenes Werk. Die Bezogenheit auf Maximilian setzte der Wahrnehmung von Werk und Autor allerdings auch enge Grenzen: Die Fürstliche Chronik ist als ganze allein als Handschrift von 1518 im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek überliefert, das Heiligenlegendar auch in einer separaten früheren Fassung von 1514 (Cod. 3077* und 3077**), ferner in drei illustrierten Skizzenbüchern (Cod. 2857, S ­ eries nova 1598, und Series nova 2627) und einem für den Kaiser persönlich bestimmten Miniaturencodex (Series nova 4711) [vgl. Reinhardt 2 f. und Unterkircher 1983, 27]. Das „vom 9. August 1514 datirte“ [Laschitzer, Die Heiligen 77] Skizzenbuch sollte anscheinend als „Grundlage für ein eigenes Werk, das der Kaiser in Auftrag gab, Die Heiligen aus der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft des Kaisers Maximilian“, dienen: „Das Buch sollte außer den Namen der dargestellten Heiligen, die den Vorarbeiten Mennels entnommen wurden, keinen Text haben, sondern nur die Bilder der Heiligen enthalten“ [Unterkircher 1983, 27], wodurch es ikonographisch in die unmittelbare Nähe des Grabmals rückte, medial in die der mo-

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numentalen Holzschnittwerke von Ehrenpforte und Triumphzug. Denn die Skizzenbücher enthalten Federzeichnungen aus der Innsbrucker Werkstatt Jörg Kölderers, u. a. von dem sogenannten ‚Meister der Wunder von Mariazell‘, die der Zeichner Leonhard Beck und mehrere Formschneider unter der Leitung von Jost de Negker in Augsburg in Holzschnitte für ein gedrucktes Werk umsetzten. Dies belegen Beischriften zu einzelnen Bildern wie „ist gemacht“, die „zur Kontrolle über die fertiggestellten Holzschnitte“ [ebd. 28] dienten. 123 Holzschnitte waren angefertigt, als der Tod Maximilians auch diesem Projekt ein plötzliches Ende setzte. Da das Legendar der habsburgischen Heiligen ursprünglich „kein für sich selbständiges Werk“, sondern als „integrierender Theil der Stammchronik gedacht“ war, wurde es „auch in der Folgezeit nach dem Tode des Kaisers unter dessen hinterlassenen Werke nie ausdrücklich und besonders genannt“ [Laschitzer, Die Heiligen 76]. Jakob Mennel, der danach „nirgends mehr richtig angekommen“ [Burmeister 102] ist, veröffentlichte nur noch kleinere Auszüge seiner Arbeiten [vgl. ebd.], und so geriet das Heiligenbuch allmählich in Vergessenheit. Fast 300 Jahre dauerte es, bis der Kunsthistoriker Adam von Bartsch – noch heute bekannt als verdienstvoller Herausgeber des Peintre-graveur – die originalen Holzstöcke in der Wiener Hofbibliothek wiederentdeckte. 119 von ihnen waren noch brauchbar, so daß er 1799 die Images de Saints et Saintes, issus de la Famille de l’Empereur Maximilien I. in dem hier vorliegenden Erstdruck mit einem knappen Avis und einer Liste der Heiligennamen edieren konnte. Dabei wies er die Holzschnitte fälschlich noch Hans Burgkmair statt Leonhard Beck zu. Ein besonders bemerkenswerter Holzschnitt (Nr. 43), der möglicherweise nicht ursprünglich für diese Serie gedacht war, trägt unten rechts die Signatur „HSK “ des Dürer-Schülers Hans Springinklee. Er zeigt den Heiligen Georg, Maximilians persönlichen Patron, vor dem der Kaiser in voller Rüstung ins Knie gesunken ist – die Engführung des genealogisch-hagiographischen, welt- und heilsgeschichtlichen Programms in einem einzigen Bild. Insgesamt schönes, unbeschnittenes Exemplar dieser Seltenheit auf gutem, starken Papier, vorwiegend – aber dann meist in den extrem breiten weißen Rändern – etwas braun- oder stockfleckig (störender nur im vorgebundenen Text): hervorgerufen wohl vor allem von Überschwärzung der Holzstöcke. Literatur: Bartsch VII , S. 240; Brunet I, 1404; Davies, Fairfax Murray, German, Nr. 53; Dodgson II , S. 126; Graesse I, 576; Hollstein V, 622; Lipperheide Oc 4; Nagler I, 303 (Bartsch), und II , 243; Unterkircher 1983, 27 f.

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22 Das Turnierbuch Freydal: Vollinhaltlicher Abdruck des Textentwurfs mit Maximilians Marginalien und Faksimile aller Tafeln [Maximilian I.]. Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien. Herausgegeben mit allerhöchster Genehmigung seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph I. unter der Leitung des k. k. Oberstkämmerers, Feldzeugmeisters Franz Grafen Folliot de Crenneville, von Quirin von Leitner. Wien, Adolf Holzhausen, 1880– 1882. 1 Bl., CIV zweispaltige S. [Einleitung, Textabdruck, Register], 1 Bl. [nachgebundene Subscriptions-Einladung]; 13 farbig faksimilierte Bl., gezählt A-Z [Namensverzeichnis]; 255 auf Stegen montierte Tafeln in Heliogravure [handschriftliche Zählung mit Fehler nach Nr. 184 und 254]. – Gedruckt auf kräftigem Büttenpapier, unbeschnitten, einige Blätter in Schwarz- und Rotdruck. Faksimile: 13 beidseitig bedruckte Bl. und 255 Tafeln; Einleitung mit 1 ganzseitigen zweifarbigen Abbildung, 5 faksimilierten Holzschnitten, zahlreichen Abbildungen der Turnierausrüstung, 1 getönten Abbildung der Papierfabrikszeichen sowie einigen Schmuckleisten und -initialen. Groß-Folio, unbeschnitten (ca. 392 x ca. 325 mm). Mittelbrauner Halbmaroquinband auf fünf falsche Bünde, mit goldgeprägtem Rückentitel, eingebundenem illustrierten Original-Lieferungsumschlag, marmorierten Vorsätzen und Kopfgoldschnitt (Gelenke an Kapitalen unmerklich ausgebessert, Hinterumschlag mit ausgebesserter Randfehlstelle und -einriß). Der stärkste Ritter – zwischen gelebtem Rollenideal und Maskerade Freydal sollte die Trilogie der großen Prachtwerke, in denen Maximilian I. sich und seine Taten verherrlicht und verewigt sehen wollte, beschließen – bzw. eröffnen. Der „freudvolle“ Titelheld wird gefeiert als siegreicher Kämpfer in 64 Ritterturnieren zu jeweils drei Diszi-

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plinen, denen sich Maskenfeste mit Musik und Tanz anschließen. In der geradezu ‚enzyklopädischen‘ Reihung der Anlässe, der Namen der Teilnehmer, der Anschaulichkeit der Rüstungen, Wappen und Kostüme sollte es zugleich als „Handbuch des höfischen Lebens“ dienen und die ritterliche Hofkultur in Text und Bild „für alle Zeiten nacherlebbar machen“ [Schmidt, Literatur, 325 f.]. Erstmals erwähnte Maximilian das Projekt in seinem Gedenkbuch des Jahres 1502, auch wird „in den Jahren 1505 bis 1508 die Freidhart Comedi“ [Leitner VII] von ihm im Zusammenhang mit dem Theuerdank erwähnt, wohl 1512 entstand ein vom Kaiser korrigierter Textentwurf von der Hand Marx Treitzsaurweins [vgl. ebd. IX], der in der Österreichischen Nationalbibliothek als Ms. 2831 erhalten ist. Demnach sollte der Freydal dem Theuerdank inhaltlich vorangehen: In einer kurzen Rahmenerzählung wird der jugendliche Held „von drei edlen Jungfrauen ausgeschickt, um in einer Reihe von sportlichen Wettkämpfen seine Liebe unter Beweis zu stellen“ [Krause 63] – somit wäre dies die eigentliche Brautwerbungsgeschichte, an die sich im Theuerdank die Brautfahrt zur Königin Ehrenreich alias Maria von Burgund anschließt, während die Hochzeit erst im 62. Kapitel des Weißkunig erzählt wird. Der Text ist allerdings „nur ganz rudimentär ausgearbeitet“; er liefert „nur ein kahles Inventar der Feste, außerdem zu den Miniaturen die Namen der jeweiligen Damen des Hofs und der Gegner im Ritterspiel“ [Müller, Literatur 148]. Am Ende des Freydal-Konzepts wird konkret zum Theuerdank übergeleitet, wo es heißt: „Als er von seinem Vater Abschied nahm, um zu heiraten, wollte er nicht mehr Freydal genannt werden. Darum gab ihm sein Herold einen anderen Namen und er nannte ihn im folgenden Theuerdank“ [Übertragung bei Krause 64]. Diese Motivierung wurde von Maximilian eigenhändig gekürzt und auf die Formel gebracht, der Erzähler wolle nun von Freydals Abenteuern „schreiben vnd des puech jch nennen wurdt den Teurdanck‘“ [zit. nach Müller/ Wegener 46]. Von den drei gedechtnus-Büchern ist der Freydal am wenigsten weit gediehen. Der Text kam über diesen handschriftlichen Entwurf nicht hinaus; allerdings wurde in den Jahren 1512 bis 1515 intensiv an den Illustrationen gearbeitet. Insgesamt entstanden 256 Darstellungen der „drei stereotyp wiederholten Kampfarten (rennen, stechen, kempfe)“ [Müller, Literatur 148] und der jeweils anschließenden Mummereien. Bis auf eine blieben diese Miniaturen erhalten, die heute im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrt werden. Die mit Feder oder Pinsel ausgeführten, schwarz konturierten Zeichnungen wurden „theils mit durchscheinenden, theils mit Deckfarben aqua-

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relliert“ [Leitner VI] und sind „noch ganz in der bekannten traditionellen mittelalterlichen Malweise“ ausgeführt, wie Quirin von Leitner, der Herausgeber des Freydal, feststellte. Insgesamt entbehrten sie jedoch „eines einheitlichen künstlerischen Charakters“, weil sie wohl eigentlich „nur als Vorlage für eine xylographische Ausgabe“ dienen sollten. Diese Zweckhaftigkeit demonstriere „die manierirte und derbe Strichtechnik“ eines Teils der Bilder im Unterschied zu jenen, die durch flandrisch beeinflußte, „gewandte Meister der Miniaturmalerei“ ausgeführt worden seien“ [ebd.]. Leitner unterschied 26 Künstler, die er im Umfeld des Hofschneiders Martin Trummer suchte (vielleicht wäre eher an die „Kölderer-Werkstatt“ [Sachse 241] zu denken); auch vermutete er auf der Basis einer schriftlichen Quelle die „Beteiligung von Cölner Malern“ [ebd. V]. Stefan Krause zählte zuletzt „mehr als 30 Maler, viele davon nur Hilfskräfte, die sich in einigen wenigen Werkstätten zusammenfassen lassen“. Sie dürften „aus dem südostdeutschen Raum stammen, zum Teil lassen sie sich der sog. Donauschule und sogar dem Umkreis Albrecht Altdorfers in Regensburg zuordnen. Der beste unter ihnen scheint seinem Stil nach jedoch aus den Niederlanden gekommen zu sein; ihm lässt sich etwa die Miniatur fol. 172 mit dem Einzug osmanisch verkleideter kaiserlicher Höflinge zuschreiben“ [Krause 65]. Erwin Pokorny wies darauf hin, daß manche Turnierkämpfe „in Motiven, Proportionen und Raumauffassung den von Leonhard Beck entworfenen Holzschnitten in Weißkunig und Theuerdank sehr nahe“ [Pokorny 236] stehen, so daß die Miniatoren mit „vorgegebenen Kompositionen“ aus seiner Werkstatt gearbeitet hätten. Auf 212 Bildern wird in einer Unterschrift der jeweilige „Gegner des Kaisers genannt“ [Leitner IV]. Dem Miniaturencodex vorgebunden sind sieben Bogen mit Namenslisten sowohl „aller schönen Damen in Germanien, vor denen Freydal gerendt, gestochen, gekempft und gemumbt hat (es sind 64 Namen), als auch […] aller Ritter“ [Sachse 241]; allerdings fehlen „die Namen der auf den Abbildungen von Mummereien genannten Herren“ [Leitner IV]. Die Liste stammt von Marx Treitzsaurwein und einem unbekannten zweiten Kanzleischreiber und enthält „einige Correcturen und Zusätze, welche ohne Zweifel von der Hand des Kaisers Maximilian sind“ [ebd.]. Offensichtlich beruhten auch die hier dargestellten Ritterkämpfe auf „tatsächlichen Erlebnissen“ [Sachse 241] Maximilians, wenngleich einmal mehr „jede biographische Kausalität vom seriellen Erzählschema aufgesogen“ [Kohnen 291, Anm. 73] wird und der Name Freydal im Text nicht entschlüsselt wird. Doch ist Maximilian in vielen Abbildungen „durch Porträtähnlichkeit leicht erkennbar“; bei

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den Maskenfesten erscheint er „niemals im Costüm der Tänzer, sondern stets mit brennendem Windlicht, oder es stehen ihm die Windlichtträger zur Seite“ [Leitner IV]. In einer Zeit inflationär veranstalteter Ritterspiele und Mittelalterfeste einerseits und angesichts der geradezu comic-haft einfach wirkenden Bildsprache wirkt das Turnierbuch auch heute vordergründig leicht zugänglich. Doch der sich uns aufdrängende ‚Spiel‘-Charakter – der allerdings für den heutigen Betrachter durch das pentrante Wiederholungsmuster dann doch bald an Reiz verliert – kann über die frühere soziokulturelle Bedeutung ebenso leicht täuschen; er ist nur die Kehrseite eines Rituals, dem eine geradezu „staatstragende und herrschaftslegitimierende Funktion“ [Pfaffenbichler 81] zukam. In der Rolle des kämpfenden Ritters erscheint Maximilian besonders authentisch, weil er sich im riskanten körperlichen Einsatz unmittelbar selbst erprobt und beweist. Tatsächlich profilierte Maximilian sich auch in seinen zahlreichen Kriegszügen nicht nur als Heerführer, sondern auch als mutiger Kämpfer und setzte sich „im Gefecht willentlich Gefahren für Leib und Leben“ [Prietzel 220] aus – ähnlich wie sein Schwiegervater Karl der Kühne, der 1477 in der Schlacht von Nancy gefallen war. Mit der Schlacht stand der Turnierkampf in offenkundigem Zusammenhang, wurden doch auch hier „Tapferkeit und Versiertheit im Umgang mit Waffen“ [ebd. 222] verlangt – und dabei wirkungsvoll zur Schau gestellt. Eben darin zeigt sich aber auch die Rollenhaftigkeit eines Persönlichkeitsideals im Kontext der damaligen aristokratischen Gesellschaft. Denn die Gewaltausübung unterlag im Turnier strengen Regeln, die dem sozialen Rang entsprachen: Schon darum mußte der Herrscher als der „streitbarste“ und „unüberwindlichste“ Ritter aus dem Kräftemessen hervorgehen. Doch lag „die tiefere Bedeutung von Maximilians Zweikampf […] nicht in der eigentlichen gewalttätigen Auseinandersetzung, sondern darin, was diese Auseinandersetzung und ihre Inszenierung für die Gesellschaft bedeutete“ [Prietzel 214]. Dazu gehörte, daß auch alle anderen Teilnehmer jeweils die ihnen zustehende repräsentative Rolle einnahmen und ausfüllten und somit das Ihre beitrugen, um „die soziale Ordnung der feudalen Gesellschaft zu betonen und zu sichern“ [Pfaffenbichler 81]. Entsprechend brachte nicht „mehr nur der Sieg, sondern auch der regelgerechte, tapfere Kampf “ Ehre und Wertschätzung ein; auch wurden an Waffen und Rüstungen zunehmend Sicherheitsvorkehrungen getroffen; überhaupt hatten die Turnierkämpfe um 1500 mit dem „Krieg äußerlich kaum mehr etwas gemein“ [Prietzel 218]. In diesem Zusammenhang erfuhr das ‚Rittertum‘ generell eine Neuinterpretation als

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eine „Anzahl von standestypischen Normen und Verhaltensweisen, denen sich eine Schicht – der Adel – grundsätzlich verpflichtet fühlte“ [ebd. 217]. Die legitime Ausübung von Gewalt war ein essentieller Teil davon. Das Gegenstück dazu stellte das Fest dar: „Maximilian wollte nicht nur als der streitbarste, sondern auch als der fröhlichste Fürst seiner Zeit gelten, und so suchte er auch in seinen Mummereien nicht nur mit den neuen Tänzen zu prunken, sondern sich auch in Entfaltung von Luxus und Pracht verschwenderisch zu zeigen“ [Leitner LII]. In der Darstellung der 64 Turniere ist den Maskentänzen jeweils die vierte Miniatur gewidmet. Auch sie scheinen mit dokumentarischem Anspruch gemalt; jedenfalls ist überliefert, daß die Kostüme aller Beteiligten „auf Rechnung des Kaisers durch mehr als zwei Decennien vom Hofschneider Martin Trummer angefertigt, und hiefür bedeutende Summen ausgegeben wurden“ [ebd.]. Die Inszenierung der sozialen Rangordnung nahm auch in diesem ausgelassenen Rahmen ihren Fortgang. Nach dem abschließenden Gruppenturnierkampf „geleitete die Königin mit ihren Damen Maximilian ‚mit großem Gepränge‘ zunächst in seine Herberge“ [Prietzel 203]. Danach wurde ein großes Bankett gehalten, dann eröffneten König und Königin den Tanz. Dabei wurde „den Kurfürsten, Fürsten und anderen […], jedem nach seinem Rang, Ehre erwiesen, insbesondere dadurch, dass sie mit der Königin tanzen durften“ [ebd.]. Zugleich schien unter der Maskierung jede Rollenfestlegung einmal aufgehoben, durfte für den Moment eine karnevaleske, ‚verkehrte‘ Freiheit aufblitzen, als kurzfristige Entlastung von den gesellschaftlichen Zwängen, die in der ‚militärischen‘ Hack-Ordnung zuvor noch auf die Spitze getrieben worden waren. Was überhaupt dabei ‚Rolle‘ und was ‚Wirklichkeit‘ war, blieb in dieser Art von ‚Spiel‘ auch insgesamt durchaus in der Schwebe. Es war ein „Zusammenspiel von persönlicher Teilhabe und emotionalem Erleben, von körperlicher Wahrnehmung und Präsenzerfahrung sowie die Unmittelbarkeit politischer Akte“ [Werner 2018, 133 f.], das die Teilnehmer in „Inszenierungen von Lebendigkeit und Monumentalität“ [ebd. 126] umfing und gefangennahm. Wenn aber die Tat im Rahmen der festlichen Turniere „von vornherein nicht von ihrer Darstellung isoliert werden“ [Prietzel 223] kann, dann liegt die Übertragung auf die Medien Bild und Text auf der Hand, um die dadurch vermittelten Rollen und Ideale auch unabhängig von Zeit und Ort ihrer jeweiligen Inszenierung in Maximilians Ruhmeswerk auf Dauer zur Geltung zu bringen. Tatsächlich setzten sich Freund

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und Feind „im Grunde nicht nur mit Maximilian auseinander, sondern auch mit dem Bild, das er von sich schuf “ [ebd. 224]. Das Bild, das der Kaiser im Freydal von sich schaffen wollte, blieb, wie so vieles, unvollendet. Um 1517 wurden „Nachzeichnungen der Miniaturen als Holzschnittvorlagen nach Nürnberg gesandt, wo Albrecht Dürer fünf davon für den Formschneider Hieronymus Andreae umzeichnete“ [Pokorny 236] – auch diese Holzschnitte sind bei Leitner reproduziert, der sie allerdings noch Hans Burgkmair zuweisen wollte [vgl. Leitner XII]. Mit dem Tod Maximilians I. im Januar 1519 wurde auch dieses Projekt endgültig eingestellt. Mit Quirin von Leitner lassen sich die weiteren Schicksale des Freydal in wenigen Strichen nachzeichnen: Textkonzept und Minaturencodex verblieben zunächst auf Schloß Ambras, in dessen Sammmlungsinventar von 1596 „Ritter Freundtall geschrieben, in Folio“ [Leitner XIII] unmittelbar hinter dem Theuerdank verzeichnet ist. Nach dem Erlöschen der tirolischen Nebenlinie der österreichischen Habsburger wurde das Manuskript 1665 durch den kaiserlichen Bibliothekar Peter Lambeck mit zahlreichen anderen Büchern in die Wiener Hofbibliothek gebracht und so für lange Zeit von dem Bilderwerk getrennt. Dieses „gelangte erst im Jahre 1806 mit der Ambrasersammlung nach Wien“ [Leitner XIV]. Fast durch das gesamte 19. Jahrhundert blieb der Freydal unbeachtet, abgesehen von einer kurzen Beschreibung von Aloys Primisser im Wiener Taschenbuch für die vaterländische Geschichte von 1820, die sich „in anzeigender Form lediglich auf das Bilderwerk bezieht“ [ebd. III , Anm. 2]. Erst unter der Ägide von Kaiser Franz Joseph I. erschien diese aufwendige Ausgabe des Historikers und Waffenkundlers Quirin von Leitner (1834–1893). Sie bringt neben einer umfangreichen Einleitung, dem kommentierten Text und einem Register die fünf faksimilierten Dürer-Holzschnitte, das farbig faksimilierte Verzeichnis der Namen und die 255 in Heliogravure reproduzierten Miniaturen, „welche keinerlei Retouche erhielten“ [ebd. V, Anm. 4]. Die Herausgabe betrieb Leitner in den Jahren 1880 bis 1882 parallel zur Gründung des Jahrbuchs der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, in dem 1888 auch die Faksimiles der beiden anderen großen Gedächtniswerke Maximilians erschienen. Endlich bildete der bis dahin unveröffentlichte Freydal auch in der chronologischen Folge des Erscheinens das „Vorwerk zum Theuerdank“ und „einen integrirenden Theil des ganzen Cyklus“ [ebd. III , Anm. 2]. Von dem Prachtwerk wurde laut der unserem Exemplar nachgebundenen Subcriptions-Einladung nur „eine auf die Subscribenten be-

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schränkte Anzahl von Exemplaren“ gedruckt; die Ausgabe erfolgte in 26 Lieferungen. Subskribent und Erstbesitzer unseres Bandes war gewiß Charles Alexander de Cosson (1846–1929), dessen Wappenexlibris den Spiegel ziert. Dieser stammte aus einer französischen Adelsfamilie, die nach der Französischen Revolution nach England emigriert war, geboren wurde er im nordenglischen Durham. Wie Leitner war er dem Mittelalter zugewandt und sammelte historische Waffen. Als Privatgelehrter veröffentlichte er einige einschlägige Werke von Gewicht, darunter 1920–1922 einen fünfbändigen Record of European Armour and Arms Through Seven Centuries. Sein Nachlaß wurde 1929 bei Sotheby’s versteigert. Dadurch gelangte der Band wohl in die „Military Collection Anne S. K. Brown“ (1906– 1985), deren Etikett sich auf dem Spiegel links unten befindet und die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Brown University in Providence, Rhode Island, verlagert wurde. Dort wohl als Dublette ausgeschieden und verkauft – man vergleiche den Katalogausschnitt auf dem eingebundenem Innenumschlag – ging das Buch an den Sammler Hans Dedi (1918–2016), dessen illustriertes Exlibris sich auf dem fliegenden Vorsatz befindet. Literatur: Bartsch VII , S. 187 f., Nr. 36–38; Dodgson I, 328 ff., Nr. 131–135 (Dürer), und II , 352; Hiler 577; Hollstein VII , 199, Nr. 246–250; Lipperheide Tb 4; Muther 855; Passavant III , S. 214 f., Nr. 288–292; Strauss, Nr. 182–186; TIB 10, 1001.529–533; Unterkircher 1983, 37 ff.

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22a Freydal in Farbe Krause, Stefan (Hrsg.). [Maximilian I.]. Freydal. Medieval Games. The Book of Tournaments of Emperor Maximilian I. Das Turnierbuch Kaiser Maximilians I. Le livre des turnois de l’empereur Maximilien Ier. Köln 2019. 447 S. 255 farbige, teils ganzseitige Abbildungen; zahlreiche farbige Abbildungen im Aufsatzteil. Groß-Folio (ca. 357 x ca. 357 mm). Original-Leinenband mit montierten farbigen Deckelillustrationen, goldener Titelprägung und je unterschiedlichem Farbschnitt an den drei Seiten; in originalem Tragekarton. Ritterspiele zum Maximilian-Jubiläum Zum 500. Todesjahr Kaiser Maximilians I. wurde auch der Freydal einer modernen Reproduktion in Faksimile gewürdigt. Damit ist eine empfindliche dokumentarische Lücke geschlossen, brachte doch die Leitnersche Ausgabe die Tafeln nur in Schwarzweiß. Dies aber war bei dem farbenfrohen Turnierbuch – gerade vor dem Hintergrund seiner Bedeutung für Heraldik und Kostümgeschichte – längst ein unhaltbarer Zustand. Was die ältere Edition der neuen voraus hat und sie weiterhin unentbehrlich macht, sind u. a. die dort zweifarbig wiedergegebenen Namenslisten, die hier fehlen. Der Herausgeber begleitete den Band mit einer Einleitung in Englisch, Deutsch und Französisch.

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23 Albrecht Dürers Randzeichnungen zum Gebetbuch Maximilians I. – eine berühmte „Inkunabel der Lithographie“ von Alois Senefelder Albrecht Dürers Christlich = Mythologische Handzeichnungen [zum Gebetbuch Kaiser Maximilians I. München, Alois Senefelder, 1808]. Zweifarbiger illustrierter Titel, 1 Bl. [statt 2]. Mit Frontispiz [= Selbstporträt Dürers] und 43 farbigen Tafeln, alles in Lithographie. Folio (340 x 245 mm). Olivgrüner Kalblederband der Zeit auf sieben falsche, goldverzierte Doppelbünde, mit goldgeprägtem Rückentitel und goldgeprägten Vierpaßmotiven in den übrigen Rückenfeldern; auf den starken Deckeln zwei Goldfiletenrahmen, begleitet von etwas Blindprägung, darin goldgeprägter Rahmen aus gotisierenden Spitzbögen, in den ausgesparten (Drei-)Ecken Golddekor auf der Basis von Kreisformen, das in Blindprägung gerautete Mittelfeld mit mehreren blindgeprägten Rollstempel- und Filetenrahmen; Stehkanten in den Ecken mit Goldzier, Innenkanten mit fetten Goldfileten, mit marmorierten Vorsätzen und marmoriertem Schnitt; auf der Versoseite des Vorsatzes Buchbinderetikett von Ph. Selenka (Unterkanten minimal beschabt, durchgehend braunfleckig, 1 Bl. entfernt). Dürers Randzeichnungen im Fokus der Aufmerksamkeit Oftmals beschäftigte Maximilian an seinen Kunstprojekten eher mittelmäßige Künstler, die seine detaillierten, oft kleinlichen Anweisungen ausführten und selbst an fertigen Holzschnitten immer wieder Änderungen vornahmen. Doch auch große Namen konnte der Kaiser für sich verpflichten – so Albrecht Dürer, der es verstand,

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sich als berühmtester Künstler der Renaissance in Deutschland ‚ein Gedächtnis‘ zu machen. Die geschichts- und genieverliebte Epoche der Romantik feierte den „fast kultisch verehrten Dürer“ [Lange-Krach 14] insbesondere für seine Zeichnungen, die „wie kein anderes Kunstwerk unmittelbar und unverfälscht die Besonderheiten des ausführenden Künstlers vor Augen“ [ebd.] führten. Tatsächlich erblickten schon Dürers Zeitgenossen im disegno den Ausdruck des Ingeniums in Abgrenzung von der handwerklichen Tätigkeit des Malens. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ermöglichte es eine neu entwickelte Drucktechnik, gerade „auch zarte Federzeichnungen in hoher Auflage zu publizieren“ [ebd.]: die von Alois Senefelder in München entwickelte Lithographie. Eine weitere Koinzidenz trat hinzu, die zur Entstehung des hier vorliegenden Buches führte: In der Münchener Hofbibliothek lag ein Fragment des unvollendeten Gebetbuches Kaiser Maximilians, das erstmals „1627/30 in den Inventaren der Münchener Kammergalerie“ [Ferreira-Lopes 7] auftauchte. Die darin enthaltenen farbigen Randzeichnungen von Albrecht Dürer ließ Senefelder von Johann Nepomuk Strixner (1782–1855) nachzeichnen, um 1808 sein erstes lithographisches Meisterwerk und eine „Inkunabel der Lithographie“ zu drucken. Die gedechtnus Maximilians ging in dieser Huldigung an Dürer vollkommen unter: Das Buch erschien ohne Verweis auf das Herkunftswerk unter dem Titel Albrecht Dürers Christlich = Mythologische Handzeichnungen, Dürers Selbstporträt von 1500 zierte als lithographische Reproduktion auch das Frontispiz und die von den Randzeichnungen umgebenen Textfelder blieben leer. Umso mehr „bestachen die Grafiken durch ihre verspielten Linien und durch die ungewohnt unbeschwert wirkenden Kompositionen“ und zeigten das sich darin „vermeintlich direkt manifestierende Genie Dürers“ [Lange-Krach 14]. Die begeisterte Aufnahme des Werks durch die Zeitgenossen verband sich unmittelbar mit dem Namen Johann Wolfgang von Goethes. Bereits im März 1808 erschien in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung „eine fulminante Rezension“ [ebd.] unter dem Kürzel W. K. F. für „Weimarer Kunstfreunde‘, das auch Goethe und Schiller verwendeten. Da Goethe das Werk auch in seinen Briefen überschwenglich lobte, wurde die Besprechung bald ihm zugeschrieben, obwohl sie von Heinrich Meyer (1760–1832) stammt, wie man seit geraumer Zeit weiß. Doch „für Strixner war Goethes Autorität wohl die beste Werbung: Die Lithografien fanden reißenden Ab-

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satz, wurden in zahlreichen Auflagen gedruckt“ [Lange-Krach 15]. Ihrem Gedankengang folgten „fast sämtliche spätere Besprechungen“, und auch Karl Giehlow verneinte 1907, daß seither „die Charakteristik der Federzeichnungen etwas an ihrer Richtigkeit verloren hätte“ [Giehlow 3]. Tatsächlich wurde auch Goethe durch Dürers Randzeichnungen „aus einer einseitigen klassizistischen Kunstanschauung […] herausgerissen“ und in „einen wahren Freudenrausch“ [ebd. 1] versetzt. So äußerte er mündlich, daß er „sich ärgern würde, wenn er gestorben wäre, ohne die Randzeichnungen zu sehen“, und an Frau von Stein berichtete er von dem „seltenen Fall, daß man von ganzem Herzen und mit vollen Backen loben kann“ [zit. ebd.]. In der Folgezeit wurden sie das prägende Vorbild der deutschen Buchilllustration der Romantik. Noch Georg Leidinger, der 1922 selbst eine Faksimileausgabe der Münchner Zeichnungen herausbrachte, war zumut, als hätte er in „des Künstlers daseinsfreudige Seele geschaut“, diese aber fühle die „ungeheure Kraft in sich, zur Gottheit hinzuführen“, und er meinte auch Goethe zu verstehen, obgleich dieser Dürers Zeichnungen „nur in heute unmöglich erscheinenden lithographischen Nachbildungen gesehen hatte“ [Leidinger 16]. Gerechter war Karl Giehlow, der 1907 ein vollständiges Faksimile des Gebetbuchs in Photolithographie herausgab und der in sein Lob ausdrücklich die Senefelderschen Reproduktionen mit einschloß; dies seien „tüchtige und geschickte Arbeiten, die in der Geschichte der Lithographie stets einen ehrenvollen Platz einnehmen werden“ [Giehlow 1]. Unserem Exemplar fehlt das – auch bei Dussler nicht angeführte – Blatt mit dem „Verzeichniß“, vorhanden ist hingegen die öfters fehlende Tafel 21, die „im Verlauf des Druckes zu Grunde“ [Dussler] ging. Dem Band liegt außerdem ein Porträt Maximilians nach Dürers Gemälde bei (Blattgröße: 302 x 243 mm), das „mit kaiserlicher Unterstützung gestochen“ wurde von Victor Jasper (1848–1931), der zu den „bedeutendsten Wiener Kupferstechern seiner Zeit“ [Thieme/Becker] zählte. Der noch als zeitgenössisch anzusprechende sehr schön erhaltene Einband des Wiesbadener Hofbuchbinders Philipp Selenka (1803– 1850), der auf dem vorderen Vorsatz verso sein Etikett montierte, zeigt in Blind- und Goldprägung delikate gotisierende Schmuckmotive. Literatur: BSB , Hbh 2° Dw 64; Dussler 260 f.; Nagler XVII , S. 487; vgl. VD 16 M 1657; Winkler 831, Nr. 13 umd 14. – Zu Jasper: Thieme/Becker 18, 441.

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24 Gebetbuch Maximilians I. – das erste vollständige Faksimile des unikalen Pracht-Exemplars in München und Besançon mit den Randzeichnungen von Dürer, Cranach, Burgkmair, Altdorfer, Baldung Grien und Breu [Kaiser Maximilians I. Gebetbuch. Mit Zeichnungen von Albrecht Dürer und anderen Künstlern. Faksimiledruck. Herausgegeben von Karl Giehlow. Wien, Selbstverlag, und München, zu beziehen durch die Verlagsanstalt F. Bruckmann, 1907]. 1 Bl., 18 gezählte Bl., 2 leere Bl., Bl. 19–157 (in moderner Zählung). – Durchgehend mit blaßroter Reglierung, in Schwarz- und Rotdruck, mit zahlreichen zweizeiligen Initialen in Rotdruck. 122 S. mit verschiedenfarbigen Randzeichnungen. Groß-Folio (Blattgröße: 390 x 280 mm, faksimilierter Bereich: ca. 277–283 x ca. 190–197 mm). Rotbrauner Original-Ganzlederband mit ornamentaler und linearer Blindprägung auf Rücken und den starken Holzdeckeln, mit zehn Messing-Buckelbeschlägen und Messingschließe, der Ganzgoldschnitt mit punzierten Blüten in Rautenmuster. Gebet und Andacht – die liturgische Form der „gedechtnus“ Nachdem Alois Senefelder 1808 die Randzeichnungen Albrecht Dürers im Gebetbuch Kaiser Maximilians I. herausgegeben hatte, ließ er 1819 auch die Zeichnungen Lucas Cranachs d. Ä. folgen, die im selben Band der Münchener Hofbibliothek zu finden waren. Die zugehörigen Gebetstexte ergänzte Franz Xaver Stöger 1876 in einer Neuauflage der Lithographien. Doch war der Codex selbst nur ein Fragment, dessen andere Hälfte in der Stadtbibliothek von Besançon aufbewahrt und erst 1878 in Paris vorgestellt wurde. Dieser Teil enthielt Randzeichnungen von Hans Burgkmair, Albrecht Alt-

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dorfer, Hans Baldung Grien und Jörg Breu d. Ä. Das Exemplar war bereits im 16. Jahrhundert getrennt worden, und zwar nicht einfach mittig, sondern „nach Künstlern aufgeteilt“ [Lange-Krach 15]. Der zeitgenössische Einband des Besançoner Teils beweist, daß zumindest dieser im Besitz des Kardinals Albrecht von Brandenburg war. Nach seinem Tod 1545 versteigerte das Mainzer Domkapitel seinen Nachlaß, möglicherweise wurde das Gebetbuch in diesem Zusammenhang zerstückelt. Das Münchener Fragment gelangte an den bibliophilen Grafen Ottheinrich von der Pfalz (1502–1559) und im Dreißigjährigen Krieg als Beutegut an Kurfürst Maximilian I. von Bayern, einen begeisterten Dürer-Sammler [vgl. ebd. 26]. 1627/30 erschien es in den Inventaren der Münchener Kammergalerie; heute wird es in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt. Der Zusammenhang beider Teile wurde erst 1882 von Adolf Bayersdorfer erkannt [vgl. Giehlow 5, Ferreira-Lopes 7]. Dem in Wien lebenden Kunsthistoriker und Privatgelehrten Karl Giehlow (1863–1913) kommt das Verdienst zu, erstmals ein vollständiges Faksimile beider Teile des unikalen Prachtexemplars mit den Randzeichnungen in einer bis heute unübertroffenen Form im Selbstverlag herausgegeben zu haben. Was seiner Privatinitiative 1907 gelang, war 1922 Georg Leidinger und der Bayerischen Staatsbibliothek unmöglich, nämlich „unter den heutigen politischen Verhältnissen […] die Blätter von Besançon heranzuziehen“ [Leidinger 8]. Zudem griff Giehlow auf „das Wiener und Brookesche Exemplar“ zur Ergänzung zurück und entnahm ersterem „die großen roten Buchstaben“, die im München-Besançoner Exemplar noch nicht eingedruckt waren. Er war sich des Wertes seiner integralen Faksimile-Ausgabe vollkommen bewußt, würden doch „typographische, künstlerische und historische Werte einander nichts nachgeben“ und gegenseitig „steigern“ [Giehlow 6]. Lange rätselte die Forschung über den Charakter dieses ‚jüngeren‘ Gebetbuchs Kaiser Maximilians, das im Gegensatz zum ‚älteren‘ – einer 1486 aus Anlaß seiner Königskrönung hergestellten Handschrift [vgl. Unterkircher 1983, 13 f.] – in zwei Ausgaben gedruckt wurde. Dies geschah zum Jahreswechsel 1513/14 bei Johann Schönsperger (1455–1521) und Silvan Otmar (um 1481–1540), allerdings jeweils nur in ganz wenigen Exemplaren, einigen auf Pergament, von denen keines „als vollständig und endgültig“ [Lange-Krach 13] gelten kann. Den Auftrag dazu hatte Maximilian seinem neu ernannten Hofbuchdrucker Schönsperger 1508 erteilt, im Jahr seiner Kaiserkrönung, weswegen Georg Leidinger annahm, das Buch sei für den Kaiser hergestellt worden. Die neueste Forschung hat jedoch den

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bereits von Karl Giehlow vermuteten und in Maximilians Gedenkbuch von 1502 angedeuteten Zusammenhang mit dem St. GeorgsRitterorden als Zielgruppe bestätigt. Heidrun Lange-Krach analysierte: „Mit ‚Der Herr sei mit Euch / und mit Deinem Geiste‘ enthält das Gebetbuch einen aufschlussreichen Passus: Nur Geistlichen, die mindestens die Diakonweihe erhalten hatten, war es gestattet, diesen Gruß zu sprechen. […] Daraus ist zwingend zu schließen, dass das Gebetbuch für Kleriker bestimmt war. Seine Benutzung durch Laien – und damit auch durch Maximilian selbst – war dem entsprechend von vornherein ausgeschlossen“ [Lange-Krach 21]. Dieser Passus belegt, daß das lateinische Gebetbuch „eine liturgische Stiftung darstellt“ [ebd.], mit der Maximilian dem Orden vorschrieb, „welche Texte er für das Haus Habsburg als Gegenleistung für verschiedene Stiftungen zu beten hatte“ [ebd. 22] – ein noch nicht dagewesener „Eingriff in eigentlich kirchliche Angelegenheiten“ [ebd. 23], der allein durch die finanzielle und rechtliche Abhängigkeit des Ordens von Habsburg möglich war. Entsprechend ging es Maximilian I. nicht um eine Gebetsbruderschaft zwischen Herrscherhaus und Gottesdienern, sondern „um das Seelenheil seiner eigenen Person und seiner Familie“ [ebd. 30]. Insofern steht auch das Gebetbuch in der Reihe der großen gedechtnus-Werke des Kaisers, indem es „gewissermaßen als deren liturgisches ‚Standbein‘“ [ebd. 21] gelten kann. Wie der Theuerdank sollte es „direkt vom Hof aus verteilt werden“ [Kaulbach [16]], um Loyalität und Bindungen, hier religiös unterlegt, zu stärken und zu festigen. Den Inhalt dieses Stundenbuchs bilden im ersten Teil Gebete zu verschiedenen Anlässen und an bestimmte Heilige, denen sich ein Marienoffizium für die einzelnen Wochen- und Festtage des Kirchenjahres und ein nur auf einen Tag ausgelegtes Passionsoffizium anschließen [vgl. ebd. 16]. Die beiden Ausgaben sollten offenbar in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden: Silvan Otmar druckte ein handliches Buch im Quartformat in einer einfachen Schrifttype, die „einen kompakteren Druck von nur 56 Folien ermöglichte“ [ebd. 15], obwohl es um eine Marienmesse und ein Gebet an den heiligen Georg erweitert worden war; drei der fünf erhaltenen Probedrucke enthalten noch einen zusätzlichen Hymnus, zwei einen Holzschnittzyklus von Hans Schäufelein. Jan-Dirk Müller mutmaßte, diese „gewöhnliche“ Ausgabe sei vielleicht für Maximilians „Grabkult“ [Müller, Literatur 148] bestimmt gewesen, Heidrun Lange-Krach dachte an „reisende Priester“, die Maximilians „Heer und die auf sein Bestreben gegründete ‚St.-Georgs-Bruderschaft‘ im Kampf “ [Lange-Krach 22], evtl. auf dem geplanten Kreuzzug be-

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gleiten sollten. Die größere Prachtausgabe im Kanzleiformat wäre demgegenüber für das Chorgebet gedacht gewesen, „wodurch sich die großen Buchstaben erklären würden, welche im Halbdunkel des Chores besser zu lesen waren“ [ebd.]. Eigens dafür hatte Maximilian die als Gebetbuch-Fraktur bekannte Schrift entwickeln lassen, auf deren Geheimhaltung er seinen Hofbuchdrucker Schönsperger verpflichtete: eine Type „von seltener Schönheit und Kraft“ [Leidinger 9], die ein „offenes und dynamisches Schriftbild auf[weist], das einer individuellen Handschrift sehr nahe kommt“ [Füssel 52], wie Maximilian sie schon in seinen handschriftlichen Elementarbüchern vorgeprägt gefunden hatte [vgl. Fichtenau 5 f.]. Auch das Layout der insgesamt 160 Blätter imitierte eine kostbare Handschrift: Eine Seite umfaßt nur 14 Zeilen, der blockhafte Satz ist großzügig von weißem Raum umgeben. An einzelne Buchstaben wurden nachgeahmte Schriftschwünge angesetzt; außerdem wurde Platz für zweizeilige Schmuckinitialen gelassen, die in drei Exemplaren auch wirklich in Deckfarbenmalerei ergänzt wurden. Überschriften und besondere Anfangsbuchstaben wurden nach dem Vorbild gerade auch liturgischer Handschriften in roter Auszeichnungsfarbe gedruckt. Sogar eine blaßrosa ‚Reglierung‘ von Zeilen und Satzspiegel, wie sie zur Vorbereitung des Beschreibstoffs üblich war, wurde im Nachhinein mit der Feder vorgenommen. Von dieser Prachtausgabe sind insgesamt zehn minimal variierende Probedrucke mit Schönspergers Druckvermerk vom 30. Dezember 1513 bekannt, die Maximilian wohl einigen engen Vertrauten zur Korrektur vorlegen wollte, davon acht auf Pergament. Als einziges Exemplar ließ Maximilian das heute auf München und Besançon verteilte mit den Text rahmenden Federzeichnungen illustrieren. Vermittelt wohl durch den Augsburger Humanisten Konrad Peutinger, beauftragte er dafür im Jahr 1515 die ausgezeichnetsten Druckgraphiker seiner Zeit. Die Forschung geht davon aus, daß ursprünglich Albrecht Dürer das gesamte Gebetbuch illustrieren sollte, aber davon abgezogen wurde, um das monumentale Holzschnittwerk der Ehrenpforte abzuschließen, an dem er seit 1512 arbeitete [vgl. Lange-Krach 20]. Mit Albrecht Altdorfer wurde dann ein zweiter von Maximilians „Lieblingskünstlern“ [ebd. 19] hinzugezogen. So ist ersichtlich, daß beide „am Anfang und Ende des Gebetbuchs als Erste an den Zeichnungen arbeiteten und ihren Anteil abschließen konnten“ [ebd. 18]. Bei beiden deutet „die Ähnlichkeit ihrer Randillustrationen auf eine Abhängigkeit von einander“ [ebd. 19] hin. Auch Lucas Cranach konnte seinen Anteil weitgehend fertigstellen, der wie Hans Baldung Grien lediglich für das Gebetbuch

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engagiert worden war. Dessen Zeichnungen blieben weitgehend skizzenhaft, ebenso wie die von Hans Burgkmair und Jörg Breu d. Ä., auf die Peutinger wohl zurückgriff, weil auch sie in Augsburg ansässig waren [vgl. ebd.]. Die Arbeiten am Gebetbuch endeten mit dem unerwarteten Tod Maximilians im Januar 1519. Verbindendes Merkmal des Buchschmucks ist eine Mischung aus traditionellen Ranken und Arabesken nach burgundischem Vorbild und Elementen der neuesten italienischen Dekormode. Eben diese Vermischung von Tradition und Moderne spiegelt sich im gesamten Gebetbuch. Bei ihren Bilderfindungen wählten die Künstler „verschiedene Inspirationswege“ [ebd. 28.]. So verwendeten sie „Werkstattvorlagen, die bereits vorher unter ihrem Namen publiziert waren oder es später werden sollten, sie griffen einzelne Worte oder Verse aus den Texten im Bild auf oder paraphrasierten etablierte Motive aus der Druckgrafik“. Auch ikonographisch ist der „Rekurs auf den Kaiser und seine Interessen“ auffällig; „seine Begeisterung für die höfischen Unterhaltungen der Jagd und des Turniers ist ebenso aufgegriffen wie sein Interesse an der römischen und griechischen Antike oder an der Bewaffnung von Kriegern“. Mehrmals erscheint Maximilian selbst im Porträt, einige Bilder „spielen auf seine zahlreichen Devisen, seine Familie oder seine Taten an“ [ebd.]. Noch nicht ganz geklärt ist die Frage, ob das kostbar illustrierte Gebetbuch als Maximilians persönliches Exemplar gedacht sein sollte, in dem er „quasi ‚museal‘ die besten Künstler seines Reiches sammeln wollte“ [ebd. 29], oder ob auch diese Zeichnungen „zur Reproduktion – vielleicht sogar im Mehrfarbendruck – vorgesehen waren“ [Müller, Literatur 148]. Für ersteres spricht vordergründig die Ausführung auf Pergament, doch waren solche Probedrucke damals „durchaus nichts Ungewöhnliches“ [Lange-Krach 30]. Vor allem aber ließ sich nachweisen, daß das München-Besançoner Exemplar „die älteste erhaltene Satzstufe“ zeigt; es war also eine „abgelegte Druckfahne, die man den Künstlern zur Illustration weitergegeben hat“. Im übrigen gibt es kein Indiz, daß es sich jemals in Maximilians Besitz befunden hätte. So handelt es sich bei den Zeichnungen wahrscheinlich um Vorzeichnungen für Holzschnitte, die mit Rücksicht auf die Formschneider weitgehend auf Kreuzschraffuren verzichteten. Äußerst anspruchsvoll in der Umsetzung wären sie immer noch gewesen: Sowohl durch den Dreifarbendruck als auch „mit ihren verspielten Linien und dünnen Stegen hätten die Gebetbuch-Illustrationen den Buchholzschnitt revolutioniert und wären sowohl im motivischen als auch im technischen Bereich innovativ gewesen“ [ebd.]. So verwundert nicht, daß die Zeichnungen schon bald nach

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dem Tod Maximilians von dem Kardinal Albrecht von Brandenburg und Pfalzgraf Ottheinrich von der Pfalz als autonome Kunstwerke geschätzt wurden und das Buch geteilt wurde. Das vollständige Faksimile gewährt eine mehrperspektivische und integrale ‚Anschauung‘ des Buches, das sowohl ein „einzigartiges Zeugnis für Maximilians Andachtspläne“ [ebd.] als auch ein herausragendes Monument der Kunst- und Schriftgeschichte darstellt. Die Qualität der Wiedergabe war dem Herausgeber Karl Giehlow daher ein besonderes Anliegen: So befriedigten ihn „die auf Papier abgezogenen Probedrucke der Vervielfältigungen zunächst keineswegs [ebd. 18], was am „Fehlen des bläulichweißen Farbtones“ lag, der „über dem Mittelfelde der Originale lagert und sich scharf von den gelblichen Rändern abhebt“, bewirkt vom Durchschimmern der Buchstaben auf der Gegenseite. Darum suchte Giehlow nach einem neuen Papierstoff, „der denselben optischen Vorgang zuläßt. Nach langwierigen Versuchen glückte es der Neusiedler Aktiengesellschaft für Papierfabrikation in Wien, ein derartiges Papier herzustellen, das zugleich die Färbung des Pergamentes besitzt“. Endlich war Giehlow von einer Ähnlichkeit mit dem Original überzeugt, die sich auf Papier „schwerlich besser“ [ebd. 19] erreichen lasse. Die Reproduktion erfolgte auf dem besten technischen Stand der damaligen Zeit in Photolithographie nach Aufnahmen von Siegfried Schramm, die durch Retuschen ‚verbessert‘ wurden; für Druck und Einband hielt sich der Herausgeber an Adolf Holzhausen bzw. Julius Franke, die ersten Wiener Adressen, die auch für den Kaiserhof arbeiteten. Der prächtige signierte Ganzlederband auf starken Holzdeckeln ist mit zehn Messing-Buckelbeschlägen und einer Messingschließe geschmückt, die ornamentale Blindprägung wurde einem Gebetbuch „auf Dürers Bilde Madonna mit dem Zeisig im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin nachgebildet“ [Giehlow 21], und noch der Ganzgoldschnitt wurde mit einer aufwendigen Punzierung versehen. Literatur: NDB 6, 371 (Giehlow); vgl. VD 16 M 1657.

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25 Dasselbe, auf Pergament gedruckt, Nr. 2 von nur drei tadellosen Exemplaren Kaiser Maximilians I. Gebetbuch. Mit Zeichnungen von Albrecht Dürer und anderen Künstlern. Faksimiledruck auf Pergament, hergestellt in der Kunstanstalt Albert Berger in Wien. Herausgegeben von Karl Giehlow. Wien, Selbstverlag, und München, zu beziehen durch die Verlagsanstalt F. Bruckmann, 1907. 1 Bl., 18 gezählte Bl., 2 leere Bl., Bl. 19–56, Bl. 1–6, Bl. 57–62, Bl. 7–30, 6 Bl., Bl. 31, 1 Bl., Bl. 32–33, 1 Bl., Bl. 34, 6 Bl., Bl. 35–40, 24 Bl., Bl. 41–57 = 157 gefüllte Bl. Und: 1 leeres Bl., 3 Bl., 27 S., 1 Bl., 1 leeres Bl. – Gedruckt auf kräftigem Kalbspergament; Faksimile durchgehend mit blaßroter Reglierung, in Schwarz- und Rotdruck, mit zahlreichen zweizeiligen Initialen in Rotdruck. Faksimile: 122 S. mit verschiedenfarbigen Randzeichnungen. Kanzlei-Folio (Blattgröße: ca. 284 x ca. 206 mm). Rotbrauner Original-Ganzlederband auf drei falsche Bünde mit ornamentaler und linearer Goldprägung auf Rücken und den starken Holzdeckeln, mit zehn Messing-Buckelbeschlägen und Messingschließe, der Ganzgoldschnitt mit punzierten Blüten in Rautenmuster, und rotbrauner Original-Ganzlederband mit identischer Deckeldekoration in Blindprägung und Ganzgoldschnitt, zusammen in mit rotbraunem Kalbleder bezogener Holzkassette in Buchoptik, mit goldgeprägtem Rücken- und Deckeltitel und messingnem Schließmechanismus, gepolstert und mit Umschlagklappen mit grünem Samtbezug (Schatulle mit eingerissenem Gelenk und kleineren Schabstellen). Ein standesgemäßes Faksimile: Maximilians Gebetbuch auf Pergament Der Mann, dem wir die erste, in jeder Hinsicht bewunderungswürdige Faksimile-Ausgabe von Kaiser Maximilians jüngerem Gebetbuch mit den Randzeichnungen von Dürer, Altdorfer, Cranach, Bal-

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dung Grien, Burgkmair und Breu verdanken, war ein Berliner Jurist. Der aus Schlesien gebürtige Karl Giehlow, eigentlich Johann Carl Friedrich Giehlow (1863–1913), war bereits als Regierungsassessor tätig, als er in Berlin ein Studium der Kunstwissenschaft bei Herman Grimm aufnahm, das er 1898 mit einer Kritische[n] Darstellung der Forschungen über die Entstehungsgeschichte des Gebetsbuchs Kaisers Maximilian I. und der Promotion abschloß. Danach lebte er als Privatgelehrter in Wien, gleichsam im geographischen Zentrum seiner Forschungen, die sich mit der Bildwelt der Zeit Kaiser Maximilians und mit Albrecht Dürer beschäftigten; seine Arbeit über dessen Stich Melencolia I gilt als Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Motiv. Als ein „Hauptvertreter jener ikonographisch-ikonologischen Methode, die sich seither zu einer eigenen Disziplin im Rahmen der Kunstgeschichte entwickelt hat“, verdient er einen „Ehrenplatz in der wissenschaftlichen Literatur zur Renaissancezeit“ [NDB]. Doch der wissenschaftliche Lorbeer genügte Giehlow als Buch- und Kunstliebhaber offenbar nicht, vielmehr hatte er den Ehrgeiz, das von ihm beforschte Gebetbuch nicht nur in einer gediegensten Papier- sondern auch in dieser ultimativen Pergamentausgabe einem kleinen und kleinsten Kreis von Interessierten vorzulegen. Ob tragische persönliche Lebensumstände dabei eine Rolle spielten? Unser Pergamentexemplar ist jedenfalls „dem Andenken an eine feinsinnige Freundin Dürerischer Kunst [/] Fräulein Marie Satzmann [/] weiland in Oliva bei Danzig“ gewidmet. Die Auflage bestand, wie Giehlow im Begleitband gegenüber dem Titel vermerkte, „aus vier Exemplaren, von denen jedoch nur drei tadellos gerieten. Sie sind im Unterschiede zum vierten numeriert; davon hat dieses in der Presse die Nummer 2 erhalten“. Überhaupt können wir Giehlow für sein Werk selber sprechen lassen: „Der Gedanke, derart das wundervolle Werk Maximilians mit dem Stoffe des Originals vervielfältigt zu sehen, lockte zu sehr, als daß ihm nicht mit Eifer entgegengekommen wäre. In Augsburg, derselben Stadt, wo vor vierhundert Jahren die Kalbshäute zu dem schönen Pergament des Originales hergerichtet worden waren, erwies sich dieser Fabrikationszweig auch jetzt noch als blühend. Auf den vom Herrn Karl Wildbrett [sic!] mit größter Sorgfalt hergestellten Pergamentblättern fielen dank der außerordentlichen Geschicklichkeit des Lithographen die Probedrucke immer besser aus. Die Eigentümlichkeit des Pergamentes, auf der Fleischseite die Farbe bereitwilliger als auf der Haarseite aufzunehmen, ergab von selbst alle die Zufälligkeiten, welche das Original so reizvoll machen. Öfter

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wirkte daher die Schrift fast grau, während sie sonst die Farbe des schwarzen Sammets annahm. Je nach der Stärke der einzelnen Pergamentblätter schienen auch die anderseitigen Buchstaben durch, manchmal in schärfster Weise, stets aber derart, daß der oben geschilderte Farbgegensatz des bläulichweißen Mittelfeldes zu dem Gelb der Ränder zum Ausdruck kam. […] Vor allem aber gereichte die größere Aufnahmsfähigkeit des Pergamentes den Randzeichnungen selbst zum Vorteile. Sie erwachten auf dem Materiale des Originals zu neuem Leben. Kurz, der Steindruck legte auf dem Pergament eine so erfolgreiche Probe ab, daß nicht gezaudert wurde, das ganze Werk darauf zu drucken. So entstand die vorliegende Pergamentausgabe des Gebetbuches, die sich wohl als ein Novum und Unikum in der Geschichte der Faksimile-Reproduktionen bezeichnen läßt. Sie ist ein Meisterstück des den Stein künstlerisch handhabenden Lithographen Herrn Albert Berger“ [Giehlow 19 f.]. Eine schwere verschließbare, mit Samt ausgeschlagene Schatulle vollendet und birgt das Rarissimum, das eine fast hieratische Aura umgibt und bei dessen Betrachtung der frevelhafte Gedanke keimt, es könnte dieses Nachbild dem Urbild nicht nur gewachsen, sondern schlichtweg überlegen sein. Literatur: NDB 6, 371 (Giehlow); vgl. VD 16 M 1657.

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26 Das Gebetbuch Maximilians I., unretuschierte faksimilierte Rekonstruktion aus den Fragmenten in München und Besançon Lange-Krach, Heidrun. Das Gebetbuch Kaiser Maximilians I. Meisterhafte Zeichnungen der deutschen Renaissance. Bildband [= Rekonstruktion aus den Exemplaren] München, Bayerische Staatsbibliothek, 2 L. impr. membr. 64, [und:] Besançon, Bibliothèque municipale, Étude 67633. Und: Textband. [Mit Vorworten von Henry Ferreira-Lopes und Claudia Fabian und der] Übersetzung des Gebetbuchtextes von Peter Diemer. Luzern, Quaternio Verlag, 2017. 4 S., S. 5–246 [farbiges Faksimile, erstes Bl. leer], 1 leeres Bl. Und: 142 S., 1 Bl. Faksimile mit blaßroter Reglierung, in Schwarz- und Rotdruck, mit zahlreichen zweizeiligen Initialen in Gold auf verschiedenfarbigen Gründen, 122 S. mit verschiedenfarbigen Randzeichnungen; Kommentar mit über 170 farbigen Abbildungen und 7 ganzseitigen schematischen Darstellungen (davon 6 farbig). Folio (325 x 220 mm). Blaue Original-Leinenbände mit montierter farbiger Deckelillustration, zusammen in Original-Leinenschuber mit montierten farbigen Illustrationen. Rekonstruktion und Forschung auf dem neuesten Stand So bestechend die Faksimile-Ausgabe von Kaiser Maximilians Gebetbuch durch Karl Giehlow ist – sie ist fast ‚zu schön, um wahr zu sein‘. Jedenfalls läßt sie „bearbeitende Eingriffe“ erkennen, wegen der sie in den Augen kritischerer Wissenschaftler von heute „den Anspruch der Originaltreue nicht erfüllen“ [Fabian 10] kann. So erschien 110 Jahre später im Vorfeld von Maximilians 500. Sterbejahr die hier vorliegende Edition, die alle erhaltenen Seiten des in München und Besançon verwahrten Exemplars „auf der Höhe heutiger Reproduktionstechnik“ wiedergibt und unter Verzicht auf „Retu-

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schen, Ergänzungen und andere Eingriffe“ [Lange-Krach 11] endlich „die größte Originaltreue“ [Fabian 10] gewährleistet. Rekonstruiert wurde dabei auch die ursprüngliche Reihenfolge der beiden 114 bzw. 128 Seiten umfassenden Fragmente, wobei später dem Münchener Fragment eingebundene Leerseiten nicht berücksichtigt wurden. Noch heute gelten „sechs Lagen und ein Bogen aus dem Besançon-Teil als verschollen“ [Lange-Krach 15]. Die exakte Zusammensetzung der Lagen wird in farbigen graphischen Darstellungen (S. 85–91) veranschaulicht. Verdienstvoll ist die Edition auch durch ihren wissenschaftlichen Wert – von den Forschungsergebnissen in Heidrun Lange-Krachs Aufsatz über Das Gebetbuch und seine Zeichnungen im Kontext ihrer Entstehung hat auch unser Katalog profitiert. Darüber hinaus würdigt die Herausgeberin in detaillierten, reich bebilderten Beschreibungen auch die Zeichnungen von Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä., Hans Baldung Grien, Albrecht Altdorfer, Hans Burgkmair und Jörg Breu – schließlich machen diese das zerstückelte Exemplar zu einem „Kompendium der namhaftesten Vetreter der ‚altdeutschen‘ Zeichenkunst und einem der berühmtesten und schönsten Zeugnisse der europäischen Kunst“ [Fabian 9], dem sich kein zweites gedrucktes Buch mit „Federzeichnungen in solch einem Umfang“ [Lange-Krach 13] an die Seite stellen läßt. Den Text des lateinischen Gebetbuchs gibt eine deutsche Übersetzung von Peter Diemer wieder. Literatur: Vgl. VD 16 M 1657.

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27 Das Jagdbuch Maximilians – Originaltext und faksimilierte Tafeln, in der Vorzugsausgabe in Ganzpergament Das Jagdbuch Kaiser Maximilians I. Mit drei färbigen [sic!] Reproduktionen gleichzeitiger Bilder und drei Lichtdrucktafeln. In Verbindung mit W[illia]m A[dolph] Baillie-Grohman herausgegeben von Michael Mayr. Innsbruck, Verlag der Wagner’schen Universitäts-Buchhandlung, 1901. 1 leeres Bl., 6 Bl., XXXII S. [Vorworte, Einleitung], 172 S. [Originaltext], S. 173–191 [zweispaltiges Register]. – Titel, Widmung und Text in Schwarz- und Rotdruck. Mit 3 Lichtdrucktafeln und 3 faksimilierten Farbtafeln. Folio (ca. 330 x 220 mm). Original-Ganzpergamentband auf vier falsche Bünde, mit goldgeprägter Illustration auf dem Vorderdeckel, roten Schmuckpapiervorsätzen und Rauhschnitt, mit Etikett der Buchbinderei Albert Günther, Wien, auf dem hinteren Spiegel. Leidenschaft und Statistik Schon im Theuerdank waren 34 der insgesamt 88 Abenteuer Jagdepisoden gewidmet, von denen Karl Goedeke meinte, diese waghalsigen Taten, die meist mit Gefahren für Leib und Leben verknüpft waren, würden „einfach und schlicht als Jagdgeschichten erzählt einen ungleich bessern Eindruck machen“ [Goedeke, Einleitung XII], hätten aber auch in der romanhaften Einkleidung „große Theilnahme gefunden“ [ebd. XIII]. Rochus von Liliencron war ebenfalls überzeugt, daß die Zeitgenossen die „kecken und oft überrmüthigen Streiche mit eben demselben Behagen“, lasen, „mit dem heute etwa ein leidenschaftlicher Jäger, der selbst das halbe Leben im Wald verbringt, eine Sammlung von Jagdgeschichten verschlingt, die jedem anderen Leser als ungenießbare Kost erscheinen“ [Liliencron 356]. Als 1901 das persönliche Jagdbuch Kaiser Maximilians I. bibliophil reproduziert wurde, konnten Freunde des Historismus einen noch

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trockeneren Stoff mit „demselben Behagen“ verschlingen. Der Herausgeber, der Innsbrucker Archivar Michael Mayr durfte das Buch sogar Kaiser Franz Joseph I. widmen, außerdem versicherte er sich der Fürsprache und Mitarbeit zweier moderner Abenteurer, die begeistert darauf eingingen. Der Polarforscher und Kunstmäzen Johann Nepomuk Graf Wilczek (1837–1922), der die großteils abgetragene Burg Kreuzenstein bei Wien als Schau- und Museumsburg für seine Kunstsammlungen wieder aufbauen ließ, schrieb ein Begleitwort: „Ich nehme die Ehre umso dankbarer an, als ich mich unumwunden zur enthusiastischen Verehrung des ritterlichen Waidmannes, des großen Kaisers Max bekenne. Schon in jungen Jahren stand ich unter dem Zauber seiner Thaten und seiner idealen Jägergestalt. Diese Empfindung vergoldete meine Jagdlust zu einer Zeit, als die Hochgebirgsjagd dem alten Gebrauche wohl näher stand als dem jetzigen. Noch brauste kein Dampfross durch die geheiligte Einsamkeit der Wälder. Nur mit großem Aufwande von Zeit und Mühe konnte das Ziel der Abenteuer erreicht werden“ [Wilczek I] – offenbar sah sich Wilczek „Kaiser Max“ näher als der eigenen Gegenwart! Das Original des Jagdbuchs aufgespürt hatte der anglo-österreichische Autor, Reisende und Sammler William Adolph Grohman[n] (1851–1921). Er hatte einen Großteil seiner Jugend in Tirol verbracht, 1875 als erster den Großglockner im Winter bestiegen, war nun auf Schloß Matzen im Alpbachtal ansässig und verfaßte volkskundliche und historische Texte über Tirol und das Jagdwesen. Im Vorwort stilisierte er sich zum Bücher-Jäger: „Die für den Jäger brachen Winter- und Frühlingsmonate benützte ich schon seit vielen Jahren zu Pürschgängen in den großen Archiven und Bibliotheken Englands und des Kontinents“, als er „in der Handschriftenabteilung der königl. Bibliothek in Brüssel auf das Original des Jagdbuches“ stieß [Baillie-Grohman VI]. Auch Baillie-Grohman identifizierte sich mit Maximilians Jagdleidenschaft: „Dem Freunde der interessanten tirolischen Jagdgeschichte, insbesondere wenn er, wie ich, ein passionirter Jäger ist, dem es vergönnt war, aus denselben Felswänden […] wo vor vier Jahrhunderten der größte Waidmann seiner Zeit ‚swer pöckh‘ mit dem Schaft ‚herausfellte‘, viele Dutzende bekrickelter Nachkommen mit moderneren Jagdwaffen herabzuholen, war die Antheilnahme an der Bearbeitung und Veröffentlichung unseres Jagdbuches eine wahre Herzensarbeit, wobei mein Blick aus den Fenstern des alten Gemäuers, in welchem diese Zeilen geschrieben sind, oftmals über ‚die weit velder‘ des sonnigen Innthals hinüberstreifte zu den schroffen und zerrissenen Spitzen der Kalkalpenkette

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Nordtirols“ [ebd. VII]. Solche Bekenntnisse sind nicht einfach skurril; sie bezeugen vielmehr, welche historische Reichweite bestimmte Aspekte von Maximilians I. gedechtnus erzielten. Dies ist besonders bemerkenswert, weil die drei Beteiligten sich nicht mit der Rezeption begnügten, sondern in kongenial empfundener Nachfolge Maximilians dessen Memoria-Produktion fortsetzten. Noch erstaunlicher ist, daß im Unterschied zu Theuerdank, Weißkunig, Freydal und dem Gebetbuch hier ein Werk reproduziert wurde, das als bebilderte Handschrift nie zur Veröffentlichung im Druck, sondern zum Privatgebrauch des Kaisers vorgesehen war. Tatsächlich war Maximilian, wenn man die Angaben im Weißkunig zugrundelegt, selbst ein passionierter Jäger: „Auf der Gemsenjagd gieng er stets zu höchst auf das Gebirg, stieg in die Wände und warf die Gemsen selbst aus. Obwohl das für einen so hohen Herrn nicht recht war, konnte er es nicht lassen. Nicht viele seiner Gemsjäger mochten ihm mit dem Steigen in die Wände gleichen; aber er war sehr vorsichtig und schwindelfrei […]. Gerade die Meisterschaft im Klettern verleitete den Kaiser stets von Neuem zur Gemsjagd“ [Mayr, Jagdbuch XXII]. Solche Action-Orientierung stellt Mayr in den Zusammenhang einer allgemeinen mentalen Dispositon: „Der ruhelose Kaiser, dessen Heimat der Steigbügel und dessen Sattel seine Residenz war, weilte nirgends länger als es die Geschäfte unbedingt erforderten, an einem Orte meist nur wenige Tage oder noch kürzer. Nur die Jagdlust vermochte ihn länger zu fesseln, besonders in seinen Hirsch- und Gemsrevieren in Tirol, wohin er in den Jahren 1508–1518 zehn Male für längere Zeit eilte“ [ebd.]. Maximilian selbst nannte sich „der große Weidmann und strebte den Titel eines Obersten Jägermeisters des Heiligen Römischen Reiches an“ [Niederwolfsgruber 5]. Die erste Anregung zur Abfassung des Jagdbuches fällt schon in das Jahr 1498, entstanden ist es im Jahr 1500. Auf Maximilians Befehl beschrieben Karl von Spaur, der oberste Forstmeister des Landes Tirol, und Wolfgang Hohenleiter, „Gejaidschreiber“ an der Innsbrucker Regierungskanzlei, sämtliche landesfürstlichen „Hirsch- und Gemsjagden in den 16 Gerichten des Ober- und Unterinnthales“. Dabei gingen sie sehr „gründlich zu Werke; denn sie besichtigten und erforschten nach ihrer eigenen Angabe wenigstens im ganzen Innthal alle Reviere in den einzelnen Thälern und schrieben auf, wo und wie jedes gelegen, wie viel Hochwild es zählt und wie es zu bejagen ist“ [Mayr, Fischereibuch VII].

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Illustriert ist die Handschrift eingangs mit einer illuminierten Darstellung des Reichsadlers unter der deutschen Königskrone und darunter dem tirolischen und österreichischen Wappen – ein erster Hinweis, daß es hier nicht nur um eine ‚private Leidenschaft‘ Maximilians ging. Zwei farbige panoramatische Bilder zeigen, den zwei Teilen entsprechend, eine Hirsch- und eine Gemsenjagd im Hochgebirge. Nur mutmaßen konnte Mayr über die frei abgebildeten Örtlichkeiten, „für die Hirschjagd etwa der Trieb auf der Langen Wiese bei Innsbruck, für die Gemsjagd irgend ein unterinnthalischer Trieb, vielleicht im beliebten Hallthal“ [ebd. VIII]. Mit Tirol wurde offenbar der Anfang gemacht, weil hier „die schönsten Hochwildjagden des Kaisers lagen und […] er am liebsten seiner Jagdlust nachzugehen pflegte“ [Mayr, Jagdbuch VIII]. Später sollten auch Jagdgebiete in den anderen habsburgischen Ländern beschrieben werden; dazu kam es allerdings nicht mehr. Georg Schmidt-von Rhein nannte Fischerei und Jagd die „liebsten Freizeitbeschäftigungen“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian aus Sicht 293] Maximilians, für die er „sogar wichtige politische Entscheidungen zurückstellen oder verdrängen“ [ebd. 290] konnte – ließ er also allein „aus diesem Grund“ das Buch „zusammenstellen und mit Farbtafeln ausstatten“ [ebd. 293]? Politik und Persönliches, Arbeit und Vergnügen waren freilich kaum voneinander zu trennen. So waren Jagd und Fischerei „nicht unbedeutende Zweige der materiellen Kultur“ [Mayr, Fischereibuch VI] und trugen zum Unterhalt des reisenden Herrscherhofs bei. Maximilian persönlich schätzte die Jagd auch als Übung in der Selbstdisziplin, zum Schutz vor weltlichen Lastern und vor allem als „beste Vorübung für den Ernstfall des Krieges“ [Unterkircher, 1967, 14], wie im Weißkunig erzählt wird: „So ist der Jung weiß kunig albey zu kriegen berait gewest / dann Er für vnd für gejagt und gepaist / vnd die hirschen vnd Raiger in seiner viendt Land / insonderhait gern gefangen“ [zit. ebd.]. Malte Prietzel sah in der Jagd generell ein Zeichen der „demonstrativen Gewaltausübung von Herrschern“ [Prietzel 209]. Direkt politischen Charakter hatten beeindruckend prunkvolle Schaujagden zu Ehren bestimmter Persönlichkeiten, etwa „für den türkischen Botschafter Bajazeth am 24. Juli 1497 auf der Herzogswiese vor Stams“ oder für die „spanische und venetianische Botschaft“ [Mayr, Jagdbuch XXI] im Sommer 1501 am Achensee. Jagdfalken waren „vielfach Geschenke anderer Fürsten und Könige“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian aus Sicht 293]. Doch selbst, wenn Maximilian die Jagd zum „ungezwungene[n] Verkehr mit dem gemeinen Manne“ nutzte, um „dessen Bedürfnisse aus eigener Anschauung kennen zu lernen“

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[Mayr, Fischereibuch VI], holte er auch politische Stimmungsbilder ein – man denke an den Ausbruch des Deutschen Bauernkriegs 1524. Georg Schmidt-von Rhein wies zudem darauf hin, daß Maximilians Jagdleidenschaft „insbesondere bei den Bauern zu Unmut und Widerstand“ [Schmidt-von Rhein, Maximilian aus Sicht 293] führte, einerseits durch das strikt durchgesetzte „Verbot der Hofjagd“ [ebd.], andererseits wohl, weil die Bauern zu viele Wildtiere auf ihren Wiesen und Feldern dulden mußten. Solche Tatbestände gingen freilich nicht in die Memoria ein, so daß ein Graf Wilczek unterschiedslos schwärmen konnte: „Prächtig ist die Jagdlust geschildert, wie sie jeden Theilnehmer beseelt, vom hohen Jagdherrn an bis zum letzten Knecht!“ [Wilczek II]. Wie sich in der Jagd die verschiedenen Aspekte des Persönlichen und Politischen verbanden, bringt das Jagdbuch Leidenschaft und Landeskunde in Text und Bild zusammen. Damit gehört es zu einer Gruppe von Gebrauchsbüchern, die Hermann Wiesflecker als äußeren Ring um die epische Trilogie von Freydal, Theuerdank und Weißkunig sowie Triumphzug und Ehrenpforte anordnete. Zu diesem ‚enzyklopädischen‘ Ring zählte er Gebetbücher ebenso wie Werke zu „den oikos-Bereichen“, zum „Kanzleiwesen, zu Reichsgesetzen bis hin zu Münzwesen, Landesbeschreibungen und Dienstbüchern“ [Berns 75]. Sie alle dienten, bis hin zum peripheren Kreis der durch den Kaiser lediglich angeregten Werke, der „gedechtnus Maximilians und zur Durchsetzung seines kaiserlichen Kulturkonzepts“ [ebd.], das nach der Vorstellung von Jörg Jochen Berns in konzentrischen Kreisen auf den Herrscher als Mittelpunkt und „virtuell Allwissende[n]“ [ebd. 76] ausgerichtet war. Dieser Zusammenhang weist dem Jagdbuch letztlich seinen Platz auch in unserer Sammlung an. William Adolph Grohman hatte erkannt, daß eine zuvor „als Original angesehene Handschrift des Innsbrucker Statthalterei-Archivs“ nur eine „gleichzeitige Abschrift“ [Baillie-Grohman VI] von Hohenleiters mit zwei Tafeln ausgestattetem Manuskript war, das er in der Königlichen Bibliothek in Brüssel entdeckt hatte. Dieses wurde an das Innsbrucker Archiv ausgeliehen, wo eine „genaue Vergleichung desselben mit der Innsbrucker Handschrift stattfand und die Bilder in vieler, mühevoller Arbeit von der lithographischen Anstalt J. [richtig: Karl] Redlich in Innsbruck getreu kopirt wurden“ [ebd. VII]. Auch Archivar Mayr sparte „weder Zeit noch Mühe“, die alten, „zahlreich vertretenen Orts- und Flurnamen […] entweder mit voller oder doch mit annähernder Sicherheit festzustellen“ [Mayr, Jagdbuch XXXI] und in einem umfangreichen Register aufzuführen.

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Wenngleich nur die Titelseite in Lichtdruck und die drei Tafeln farbig faksimiliert wurden, merkt man dem Band doch den Ehrgeiz an, es dem Imperator als Editor in moderner Form gleichzutun. So verdanke „dieser erstmalige Druck“ seine „prächtige Ausstattung“ [Baillie-Grohman VII] dem Innsbrucker Verleger Wagner als dem „würdigen Vertreter eines Verlagshauses, das an demselben Orte in ununterbrochener Reihenfolge seit dem XVI . Jahrhunderte zur Ehre des Landes Tirol und zum Frommen der Wissenschaft wirkt. Gleich den großen Buchdrucker-Dynastien der Estienne und Elzevir kann es mit berechtigtem Stolz auf eine ruhmvolle Vergangenheit blicken, auf eine stattliche Reihe kaiserlicher Privilegien, deren ältestes bis in die Zeiten Ferdinands, Maximilians Enkel, zurückreicht“ [Wilczek II]. Gleich Maximilian ließ Wagner „für diesen Zweck auch eigene Lettern schneiden und sie in seiner Gießerei herstellen [Baillie-Grohman VII]. Der breitrandige Druck in Schwarz und Rot erfolgte auf klanghartes, rauhgeschnittenes Papier; der Ganzpergamentband mit goldgeprägtem Deckelsignet stammt aus der Wiener Buchbinderei Albert Günther. Ist Das Jagdbuch Kaiser Maximilians I. in dieser Gestalt ein illustratives Beispiel für nostalgisch-identifikatorische Phantasien im Spätherbst des österreichischen Kaisertums, so läßt sich noch heute selbst mit angelsächsischem Understatement ohne Abstriche zugestehen, daß es „a beautiful reproduction of an important illustrated manuscript“ [Schwerdt II , 19] darstellt. Unser Exemplar wurde 1961 in der 79. Auktion von Karl und Faber als Nr. 781 und zwei Jahre später in der 40. Auktion von Brandes als Nr. 244 angeboten, ehe es für mehrere Jahrzehnte eine Heimstatt in der Sammlung von Hans Dedi (1918–2016) fand, dessen illustriertes Exlibris den Spiegel ziert. Literatur: Hiler 577; Lipperheide Tf 3; Schwerdt II , 19; Unterkircher 1983, 17 ff.

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28 Das Tiroler Fischereibuch – Originaltext und faksimilierte Tafeln, das Exemplar von Charles Fr. G. R. Schwerdt Das Fischereibuch Kaiser Maximilians I. Mit acht gleichzeitigen Bildern und einer Lichtdrucktafel. Unter Mitwirkung von Ludwig Freih. von Lazarini herausgegeben von Michael Mayr. Innsbruck, Verlag der Wagner’schen Universitäts-Buchhandlung, 1901. 1 leeres Bl., XXVIII S. [Einleitung], 47 S. [Originaltext]. – Titel und Text in Schwarz- und Rotdruck. Mit 1 Lichtdrucktafel und 8 faksimilierten Farbtafeln. Folio (ca. 330 x 220 mm). Original-Halbpergamentband auf vier falsche Bünde, mit leinenbezogenen Deckeln, zwei Goldfiletenrahmen und zentraler Illustration auf dem Vorderdeckel, mit blauen Schmuckpapiervorsätzen und Rauhschnitt (Einband leicht braunfleckig). Die schönsten Seen und die dicksten Fische Das Fischereibuch Kaiser Maximilians I. ist als originale Handschrift wie auch in der hier vorliegenden Reproduktion das direkte Seitenstück zum Jagdbuch. Offenbar gab der Anfall der Grafschaft Görz an Habsburg im Jahr 1500 Maximilian den Anlaß, den tirolischen Fischmeister Martin Fritz zu beauftragen, alle Seen, Fischgewässer und Bäche der Grafschaften Tirol und Görz, einschließlich der darin vorkommenden Fischarten und der besten Fangmethoden zu inventarisieren. Der Innsbrucker Kanzleischreiber Wolfgang Hohenleiter faßte dessen Angaben bis 1504 zu einem Handbuch zusammen [vgl. Mayr, Jagdbuch IX f.]. Dabei hatte Hohenleiter die zahlreichen, oft sehr entlegenen kleinen Wildseen möglicherweise selbst schon bei der Begehung der Jagdgebiete aufgenommen, zumal sich bei ihrer Beschreibung auch Hinweise auf benachbarte Jagden befinden [vgl. Unterkircher 1967, 11]. Insgesamt werden „71 Seen und 40 Bäche“ [ebd. 18] aufgelistet, so daß das Buch ein „anschaulicher Beweis für

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die stolze Behauptung Maximilians im Weißkunig [ist], daß er mit seiner Lust am Fischen und am Besitz der besten Fische alle Könige übertraf “ [ebd. 12]. Die Beschreibung unterscheidet zwischen Gewässern, die lediglich abgefischt werden, und solchen, die dem Kaiser „allein oder in Begleitung eines kleinen oder großen Gefolges zu besonderer Lust“ [Mayr, Fischereibuch XIII] dienen. Wenngleich zu vermuten ist, daß Maximilian eine gleiche Bestandsaufnahme auch für seine übrigen Territorien plante, ist das vorliegende Fischereibuch „als in sich abgeschlossenes Werk von größtem Wert“ [Unterkircher 1967, 11], für seine Selbstrepräsentation ebenso wie für ein spezielles Gebiet der historischen Landeskunde. In den Augen Maximilians war es „nicht nur eine trockene amtlich-statistische Kanzleiarbeit, sondern ein willkommener Erinnerungsbehelf an Abenteuer im Gebirge“ [ebd. 24]. Es wurde von demselben Künstler wie das Jagdbuch mit Wappen und ganzseitigen, farbenfrohen Bildern illuminiert, die hier auf acht vermehrt wurden; neben Fischerei- stellen sie auch Jagdszenen ‚zu Lande‘ und gesellige Zusammenkünfte dar. Sie sind Maximilians etwas biederem Hofmaler Jörg Kölderer zuzuschreiben, der „in der künstlerischen Ausstattung“ hier „große Fortschritte gemacht“ [ebd.] habe. Bereits 1499 hatte er den Wappenturm der Innsbrucker Hofburg bemalt, der als eine Vorstufe zur Ehrenpforte gelten kann, auch fertigte er Landkarten, „Jagdtücher“ und allerlei mehr an. In den Bildern des Fischereibuches „mit ihrer Fabulierfreude“ und Liebe zum Detail lebt „noch viel von den figurenreichen Bildern des Mittelalters“ [ebd. 30], was eine Vernachlässigung von Perspektive und Größenproportionen mit sich bringt. In gleichfalls mittelalterlicher Manier erscheint auf dem Bild des Achensees der König gleich mehrmals in seinem schlichten graublauen Jagdgewand bei unterschiedlichen Tätigkeiten [Bl. 3v]. Franz Unterkircher sah die Miniaturen „an einer Grenzscheide von zwei Zeitaltern“ angesiedelt: „In ihrer Menschendarstellung vielfach noch dem Mittelalter verwandt, stehen sie doch ihrer Zweckbestimmung nach im Dienste einer ganz neu gestellten Aufgabe: die Natur so darzustellen, wie sie ist […]. So konkrete, unmittelbar handgreifliche Aufgaben hatte noch kein Künstler vorher zu lösen gehabt“ [Unterkircher 1967, 37]. Die für Maximilian I. persönlich angefertige Originalhandschrift lag seit etwa 1570 in der Bibliothek der Kunst- und Wunderkammer des Erzherzogs Ferdinand auf Schloß Ambras bei Innsbruck und kam 1665 mit den dortigen Handschriften als Ms. 7962 in die Kaiserliche Hofbibliothek in Wien. 1753 ließ der kaiserliche Bibliothekar Gerard van Swieten das Buch neu in weißes Pergament über

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dünnen Pappdeckeln binden [vgl. Unterkircher 1967, 16; Mayr, Fischereibuch X]. Die hier vorliegende Erstveröffentlichung durch den Innsbrucker Archivar Michael Mayr gibt den zuvor unbekannten vollen Wortlaut des Textes in möglichster Wahrung der Orthographie wieder, „alle Namen genau nach dem Original“ [Mayr, Fischereibuch X]. Hinzugefügt wurde eine „Identificierungs-Tabelle“ [ebd. XI] der erwähnten Fischarten von Ludwig v. Lazarini. Der Druck erfolgte in Schwarz und Rot auf klanghartes Paper mit Rauhschnitt. Besonderen Wert legte der Herausgeber darauf, daß, so wie schon das Original in Tirol entstand, auch „dieser erstmalige, mit den Mitteln der modernen Kunst veranstaltete Druck ausschließlich im Lande hergestellt“ [ebd. XXVIII] wurde. Unser Exemplar ist eines der Normalausgabe in Halbpergament, das indes durch seine Provenienz, die sich in drei Exlibris ausdrückt, besonders geadelt ist: Auf dem Spiegel befindet sich das gestochene Wappenexlibris eines Comte de Beauf[f]ort mit der Devise „In bello fortis“. Mitglieder der aus dem Artois stammenden und im heutigen Belgien ansässigen Familie standen im 15. Jahrhundert in Beziehungen zu den Herzögen von Burgund – auch in der familiären Memoria war also die historische Verbindung mit Maximilian I. nach 400 Jahren immer noch präsent. Als bibliophiles Objekt vereinnahmte das Buch dann der berühmte, auf das Jagdwesen spezialisierte Sammler und Bibliograph Charles Francis George Richard Schwerdt. In dessen Auktion bei Sotheby’s vom 11.–12. 3. 1946 wurde es in The fifth portion als Nr. 1755 angeboten; auf der Auktion 130 von Hauswedell am 3. 6. 1964, Fischbücher aus fünf Jahrhunderten, ersteigerte es Hans Dedi (1918–2016) als Nr. 139, um es in seine Maximilian-Sammlung einzureihen. Literatur: Hiler 577; Huber 192; Lipperheide Tf 4; Schwerdt II , 19 f. (dieses Exemplar!); Sotheby’s 1946, Nr. 1755 Unterkircher 1983, 17 ff.

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29 Das Fischereibuch, Faksimile der illuminierten Handschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek Das Tiroler Fischereibuch Maximilians I. Verfaßt und geschrieben im Jahre 1504 von Wolfgang Hohenleiter. Mit Bildern von Jörg Kölderer. Codex Vindobonensis 7962. Eingeleitet, transkribiert und übersetzt von Franz Unterkircher. Mit einem Geleitwort von Josef Stummvoll. Teil I: Text (Einleitung, Transkription und Übersetzung). [Und:] Teil II . Faksimile der Handschrift. Zusammen 2 Bde. (Österreichische Nationalbibliothek in Wien Illuminierte Handschriften in Faksimile). Graz, Wien und Köln, Verlag Styria, 1967. 41 gezählte Bl., 1 Bl., Bl. 49–56 S. [farbiges Faksimile]. Und: 151 S. Faksimile mit 8 ganzseitigen Abbildungen auf stärkerem Papier; Kommentar mit 14 Abbildungen. Folio (342 x 238 mm). Original-Halbpergamentbände, zusammen in Original-Pappschuber mit montierter Deckelillustration (Namensstempel auf hinteren Innendeckeln). Vollfaksimile des Fischereibuchs Besaß das Fischereibuch schon für Kaiser Maximilian I. „neben dem künstlerischen Wert seiner Ausstattung“ auch den „Wert eines praktischen Handbuchs“, so machen die darin enthaltenen konkreten Daten es „für den modernen Forscher zu einer wertvollen Geschichtsquelle“. Aus der historischen Distanz eines halben Jahrtausends geben zudem „die graphische Ausführung und die beigegebenen Bilder ein „eindrucksvolles Beispiel aus der frühesten Zeit der literarischen und bibliophilen Tätigkeit, die Maximilian angeregt und selbst ausgeübt hat“ [Stummvoll 5]. Dies alles bewog die Österreichische Nationalbibliothek, ein Vollfaksimile des in ihrem Besitz befindlichen Manuskripts 7962 und damit „ein Lieblingsbuch Maximilians in seiner ursprünglichen Form“ [ebd.] herauszugeben.

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Die Wiedergabe der Schrift mit den prächtigen kalligraphischen Initialen in roter und schwarzer Tinte auf gelblichem Papier erfolgte „in mehrfarbiger Strichätzung auf Rastergrund“ [ebd.], die der ganzseitigen, auf Pergament gemalten Bilder, „in der Technik des Lichtdruckes, der für die Wiedergabe von Werken der Buchmalerei noch von keiner anderen modernen Reproduktionstechnik übertroffen wird“ [ebd.], auf stärkerem Papier. In der Tat erscheint die Farbigkeit weit differenzierter als in der Mayrschen Ausgabe, wo die Malereien in einer plakativen, den Eindruck naiver Malerei noch verstärkenden Buntheit prangen. Das Vollfaksimile bot auch den Anlaß für eine kodikologische und schriftgeschichtliche Untersuchung durch den Kunsthistorikers und Handschriftenbibliothekars an der ÖNB , Franz Unterkircher (1904–1989). Er beschrieb die Schrift als „deutsche Kanzleikursive, deren Unterlängen […] in der Zeile oft tief hinunter geführt sind“ [Unterkircher, 1967 17]. Die Absätze beginnen mit großen kalligraphierten Initialen, von denen 88 mit schwarzer, 22 mit roter Tinte geschrieben wurden: „Die schwungvollen Linien dieser Initialen verraten bedeutendes kalligraphisches Können“ [ebd.]. Wie im Theuerdank finden sich auch im Fischereibuch Leerstellen: „Die leere Seite fol.40v soll wahrscheinlich die große räumliche Distanz zwischen den nordtirolischen Seen […] und dem Etschland anzeigen, als dessen einziges Fischwasser der Kalterer See beschrieben wird“ [ebd. 16]. Die Blätter 41v bis 46v wurden möglicherweise „für Nachträge freigelassen“ [ebd.], bevor mit der Beschreibung der Gewässer der Grafschaft Görz ein neuer Abschnitt beginnt. Darüber hinaus bietet der Begleitband dieser Ausgabe eine umfangreiche Einleitung, ein Register der Orts- und Gewässernamen sowie der Fischarten; schließlich eine Transkription in großzügigem Druck in Rot und Schwarz in Anlehnung an die Handschrift und am Fuß der einzelnen Seiten jeweils die Übersetzung des Textes. Die beiden Halbpergamentbände in einem stabilen Pappschuber bilden die Nr. 172 von 600 numerierten Exemplaren. Literatur: BSB , Hbh Kw 4400-2; Unterkircher 1983, 17 ff.; Zotter 970.

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30 Das geheime Jagdbuch Maximilians – der Erstdruck des Originaltextes Kaiser Maximilian’s I. geheimes Jagdbuch. Und: Vun den Zeichen des Hirsches, eine Abhandlung des vierzehnten Jahrhunderts. Beides zum ersten Mahle herausgegeben von Th[eodor] G[eorg] von Karajan. Wien, Carl Gerold’s Sohn, 1858. XV S.; 51, (1) S. [Jagdbuch], S. [52]-85, 1 leeres Bl. – Titel in

Schwarz- und Rotdruck.

Mit 1 Porträt Maximilians im Jagdgewand mit Armbrust. Klein-Oktav (135 x 91 mm). Mittelbrauner Kalblederband der Zeit mit goldgeprägtem Rückenund Deckeltitel, mit historisierender Blindprägung in der Art von Streicheisenlinien, eingebundenem Original-Umschlag, marmorierten Vorsätzen und Ganzgoldschnitt, auf dem hinteren fliegenden Vorsatz das Etikett des Wiener Buchbinders F. Krauss (Rücken unauffällig restauriert). Empfehlungen des „groß Waidman“ an den künftigen „kunig von Osterreich“ Das kleine Büchlein enthält den Erstdruck des geheimen Jagdbuchs von Maximilians eigener Hand, keinen ausgearbeiteten Text, sondern einen Entwurf, „auf einzelne lose Blätter geschrieben, die später durch unbekannte Hand diesem Sammelbande hinzugefügt wurden“ [Karajan VII], dem heutigen Codex Ms. 2834 in der Österreichischen Nationalbibliothek. Notizen zu verschiedensten Dingen stehen „bunt durcheinander, so die Ausrüstung zur Jagd, die Aufzählung verschiedener Erfordernisse der Bequemlichkeit, Warnung vor Gefahren, allerlei Bemerkungen über Jagdthiere, die Ausrüstung zum Fischfange, eine lange und lustige Beschreibung der kaiserlichen Reviere um Augsburg, Günzburg, Weissenhorn, Kaufbeuren, als Anhang dazu eine Reihe drolliger Jagdabenteuer, die der Kaiser selbst oder seine Umgebung erlebt hat, endlich eingestreute Bemerkungen“, wie die „Erwähnung eines Stuhles aus Hischgeweihen“ [Karajan Xf.]. Der Herausgeber Theodor Georg von Karajan nahm an,

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daß es sich hier um das Konzept eines Jagdbuches für die Markgrafschaft Burgau handelte, deren Jagddistrikte Maximilian „nächst den tirolischen am liebsten besuchte“ [ebd. X]. Michael Mayr sah darin mehr eine „Anleitung für die Ausübung der Jagdlust“, die als „Einleitung zu einem großen Jagd- und Fischereibuche für alle Erblande“ hätte dienen sollen; „das Buch von den wunderbaren Waidgeschichten wäre recht gut als Abschluss des ganzen Werks denkbar“ [Mayr, Jagdbuch XI]. Da Maximilian sich wiederholt „Kaiser“ nennt, muß das geheime Jagdbuch nach seiner Krönung am im Februar 1508 geschrieben worden sein. Seltsam ist auch die Anrede am Anfang: „Dw ku[nig] von osterreich“, die nur an einen seiner beiden Enkel Karl und Ferdinand gerichtet sein kann – allerdings mit einem nicht existierenden Titel. Karajans Mutmaßung hat einiges für sich: „Sollte er in diesen geheimen Aufzeichnungen, die nie für die Oeffentlichkeit bestimmt waren, wie schon ihr Titel lehrt, der vielleicht längst gehegten Absicht, seine Erbländer zu einem Königreiche zu vereinen, ohne Bedenken Ausdruck gegeben haben?“ [Karajan IX f.]. Das reizende Büchlein im Duodezformat bietet jeweils auf der linken Seite den originalen Text Maximilians, auf der rechten die neuhochdeutsche Übertragung; als Vorlage für das Frontispiz diente eine in der Handschrift befindliche „Abbildung des Kaisers im Costume eines Gämsjägers“ [Karajan XI]. Herausgegeben wurde das Buch von dem österreichischen griechischstämmigen Germanisten und Historiker Theodor Georg von Karajan (1810–1873), der an der Hofbibliothek tätig und von Kaiser Franz Joseph I. in den erblichen Adelsstand erhoben worden war. Er war der Urgroßvater des Dirigenten Herbert von Karajan. Mit einem unüberhörbaren zivilisationsmüden Unterton veröffentlichte er 1858 diesen Erstdruck für die „lieben, frischen Waidmänner“ nicht aber „für duftige Salonmenschen“ [Karajan III]. In dieser Haltung wähnte er sich mit Maximilian I. einig, blickte er doch „auf einen Kaiser, den des Waldes Rauschen mehr entzückt, als alle Pracht seines Hofes; der in ächt menschlicher Anschauung das edle Waidwerk auch darum so liebte, weil es ihn dem gemeinen Manne näher brachte […], der zudem es nicht unter seiner Würde hielt, dem Nachfolger geheime Lehren niederzuschreiben über die zweckmäßige Einrichtung des Waidwerks“ [S. IVf.]. An historische Vorbilder angelehnt ist auch der hübsche signierte Einband des Wiener Buchbinders F. Krauss mit abgeschrägten Kanten und Blindprägung in der Art von Streicheisenlinien.

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Ein zeitgenössisches Bibliotheksetikett auf dem Spiegel zeigt ein gekröntes Monogramm „I R“. Aus dieser Sammlung wurde es laut Stempel aus dem frühen 20. Jahrhundert „als Dublette ausgeschieden“. Auf der Auktion Dörling vom 13. 6. 79 ersteigerte Hans Dedi das Exemplar als Nr. 2392; dessen Exlibris ist auf den vorderen fliegenden Vorsatz montiert. Die Jagdbibliothek Schwerdt konnte lediglich mit der zweiten Ausgabe von 1881 aufwarten, von der nur 25 Exemplare gedruckt wurden – die Höhe der Erstauflage kennen wir nicht. Literatur: Graesse IV, 452; Schwerdt II , 19 (nur die zweite Ausgabe 1881!); Wurzbach 10, 470.

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31 Das monumentale Ambraser Heldenbuch mit mindestens 14 unikal ­überlieferten Texten, der letzte Höhepunkt der mittelalterlichen Buchkultur – Faksimile der Handschrift in der Österreichischen Staatsbibliothek Ambraser Heldenbuch. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Originalformat des Codex Vindobonensis series nova 2663 der Österreichischen Staatsbibliothek. [Und:] Unterkircher, Franz. Kommentar. (Codices selecti phototypice impressi XLIII). Zusammen 2 Bde. Graz, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1973. 4 Bl., V Bl., 238 faksimilierte Bl. Und: 27, (3) S. Faksimile mit 23 montierten farbigen Bildseiten; Kommentar mit 13 Abbildungen auf 6 Tafeln. Imperial-Folio (518 x 385 mm) und Quart. Original-Schweinslederband mit braungeprägtem Rückenlängstitel und braungeprägtem Wappen auf dem Vorderdeckel, und – in Tasche auf dem hinteren Innendeckel – Original-Karton (mit Eignerstempeln Herbert Douteil). Treue zur Macht? Heldengeschichten zwischen Nostalgie und Utopie Das gigantische Ambraser Heldenbuch – es ist rund einen halben Meter hoch! – scheint „wie ein erratischer Block“ [Schubert, Maximilian 104] unter den Werken Maximilians zu stehen – oder aber als ein seltsames ‚Brückentier‘ zwischen Maximilians eigenen ‚Heldenbüchern‘ Theuerdank, Weißkunig und Freydal einerseits und Inventaren wie dem Jagd- und Fischereibuch andererseits. Hier wurden allerdings keine Realien registriert, sondern poetische Werke gesammelt. Erstmals in einem Brief vom 15. April 1502 ist Maximilians Wunsch überliefert, „das helldenpuch an der Etsch ausschreiben zu lassen“ [zit. ebd. 108], wobei unklar ist, was er damit genau meinte [vgl. Un-

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terkircher 1973, 5]. Seit 1504 arbeitete dann der Bozener Zöllner und Schreiber Hans Ried volle zwölf Jahre an der vorliegenden Sammelhandschrift, die er aus acht Vorlagen kompilierte [vgl. Kaminski 187 f.]. Im Jahr 1517 wurde sie dem Maler Ulrich Funk d. Ä zur Illustrierung übergeben. Wollte Kaiser Maximilian I. seine drei autobiographischen Heldenbücher gedruckt sehen, so verhielt es sich bei dieser Sammlung literarischer Heldengeschichten gerade andersherum: Er wünschte offenkundig nur eine einzige Prachthandschrift zu seinem persönlichen Gebrauch. Das Manuskript enthält insgesamt 25 aus gattungstheoretischer Sicht sehr heterogene Texte: Es finden sich darin klassische Heldenepen wie das Nibelungenlied, Hartmann von Aues höfischer Artusroman Iwein, „Kleinepisches vor allem aus dem österreichischen Raum“ [ebd. 107], darunter auch Schwankhaftes wie der Pfaffe Amis des Strickers und Satirisches wie Meier Helmbrecht von Wernher dem Gärtner, schließlich ein „meist ‚Anhang‘ genannter Wurmfortsatz“ [ebd.], mit einem Titurel-Fragment Wolframs von Eschenbach und dem Brief des Priesterkönigs Johannes – eine ganze Reihe dieser Texte würde man in einem „Helldenpuch“ nicht eigentlich erwarten. Martin Schubert sprach darum probeweise von „einem ‚wilden Archiv‘, in das sich ein braver Schreiber und seine Betreuer hineingesteigert hatten“ [ebd. 118]. Allerdings sei auffällig, daß mit „Sachverstand“ hier „ausschließlich Werke des 13. Jahrhunderts, vorzüglich der ersten Hälfte“ [Schubert, Funktionen 283] zusammengestellt wurden, die „nicht im engeren Sinne historisch“ [ebd. 284] seien. Da man nur ein einziges handschriftliches Exemplar für Maximilian persönlich verfertigte, das „gerade nicht in den öffentlichen historischen Legitimierungsdiskurs eingebunden“ werden sollte, vermutete Schubert ein „wahrhaft literarhistorisches Interesse“ [ebd.] des Kaisers, der durch die Lektüre vor allem der höfischen und ritterlichen Überlieferung sekundär „zum Nachagieren und zur Spiegelung auf die eigene zeitliche Situation“ [ebd.] angeregt worden sei. Dennoch mutet eigenartig an, daß Maximilian an eine Vervielfältigung nicht dachte, umso mehr, als je nach Betrachtungsweise mindestens 14 Texte von der Heldenbuch-Handschrift unikal überliefert sind; so etwa Moriz von Craûn, Kudrun, Bitterolf, Wolfdietrich A, Die böse Frau, vier Texte von Herrant von Wildonie, Ulrich von Lichtensteins Frauenbuch, ferner Textteile von Hartmanns Erec, der Frauenehre des Strickers und des Titurel von Wolfram von Eschenbach [vgl. Kaminski 180]. Merkwürdig ist zudem, daß einige dieser Stoffe „vor der Entstehung des Ambraser Heldenbuchs nachweislich breit rezipiert“ [ebd. 185] worden waren. Dies führte Nicola Kaminski zu

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der Hypothese, die Vorlagen seien nach Gebrauch möglicherweise „planvoll makuliert“ [ebd. 192] worden. Dann handelte es sich bei Maximilians Abschreibe-Auftrag nicht um eine antiquarisch-humanistische Rettungstat, sondern um eine „gezielt betriebene ‚Produktion‘ unikaler Überlieferungsverhältnisse“ [ebd. 190]. So ungeheuerlich dieser Verdacht scheint – eine solche „Monopolisierung kostbarsten symbolischen Kapitals in Gestalt einer einzigen Handschrift“ [ebd. 190 f.] würde in der Tat zu Maximilians ‚exklusivem‘ gedechtnus-Anspruch passen. Mehr noch: So wie Maximilian sich im Theuerdank als Sieger gegen die Personifikationen von Vorwitz, Zufall und Neid und im Schlußholzschnitt als Herr über die Fortuna inszeniert, könnte auch ein literarhistorisches Monopolisierungsprojekt „seinen Drahtzieher als Herrn über die Zufälligkeit, die Kontingenz von Überlieferung“ [ebd.] ausweisen. Diese Frühform von ‚Werkherrschaft‘ wäre dann ein weitere Variation ‚medialer‘ Machtdemonstration. Umso dringlicher stellt sich dann aber auch die Frage nach der inneren Kohärenz der Sammlung. Aufsätze von Klaus Amann und Mario Klarer in dem von letzterem im Jubiläumsjahr 2019 herausgegebenen Band Kaiser Maximilian I. und das Ambraser Heldenbuch haben hier wichtige Zusammenhänge aufgedeckt. Amann sah als durchgehende Motive zum einen „die Frage nach dem richtigen höfischen Verhalten, das für Maximilian I. keineswegs eine Angelegenheit längst vergangener Tage war“ [Amann 61] und die sowohl „zwischenmenschliche und lehensrechtliche triuwe“ als auch das „Verhältnis zwischen den Geschlechtern“ betraf, zum anderen eine Bindung „an die habsburgischen Erblande“ [ebd. 62]. Diese Zusammenhänge erschließen sich insbesondere in den gleitenden Übergängen von einem Text zum nächsten. So werden im ersten Text, der Frauenehre des Strickers, die Frauen „als Mittelpunkt der höfischen Welt gepriesen“ [ebd. 63], was in der mißglückten Liebesgeschichte des Moriz von Craûn sogleich konterkarierend auf die Probe gestellt wird. In Hartmann von Aues Iwein „vernachlässigt der Titelheld zwar die Minne zunächst“ [ebd. 65] zugunsten der ritterlichen Bewährung, doch vermag er am Ende „als Landesherr an der Seite seiner Frau Laudine beide Pole in Einklang zu bringen“. Auch Die Klage, ein Zwiegespräch „zwischen Herz und Leib“, und das eher unernste Büchlein behandeln „das Grundthema des vorangehenden Iwein“ [ebd.]. Diesen Texten „folgen „zwei Erzählwerke, die von ehelicher Treue handeln und im Kontext des Ambraser Heldenbuchs als ein Text verstanden wurden: die anonyme Erzählung Der Mantel und Hartmann von Aues Erec“ [ebd.]. Nach dem ‚höfischen‘ beginnt der umfangreiche ‚heldenepische‘ Teil, in dem mit

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dem Epos Dietrichs Flucht an das „Thema der Treue bzw. des Verrats […] unter politisch-militärischen Vorzeichen“ angeknüpft wird [ebd. 66]. Dietrich von Bern, den Maximilian zu seinen Ahnherren zählte, taucht im Nibelungenlied, der großen Tragödie um Liebe und Treue, wieder auf. Während die Nibelungenklage das Epos reflektiert, stellt Kudrun eine Art „Komplementär- oder Gegentext“ [ebd.] dar. Die folgenden Texte Bitterolf und Dietleib, Ortnit und Wolfdietrich, so Amann, „wenden das Programm der Handschrift nun mehr ins Regionale“ [ebd. 67] der habsburgischen Erblande, das in dem „ziemlich sicher aus Tirol“ [ebd. 68] stammenden anonymen Text Die böse Frau fortgeführt wird. Die vier aufeinander bezogenen Erzählungen des steirischen Adligen Herrand von Wildonie beziehen als Exempla der Treue die „Privatheit ehelicher Beziehungen auf die politische Ebene der Gesellschaft“ und das „Verhältnis zwischen Lehensherr und Lehensmann“ [ebd.]. Herrands Schwiegersohn Ulrich von Liechtenstein greift in seinem Frauenbuch das Minnethema nochmals auf, ehe am Beispiel des Meier Helmbrecht grausam durchexerziert wird, was einen erwartet, der seinem gottgegebenen Stand untreu wird. „Aus seinem Stand quasi verdrängt“ [ebd. 70] wird hingegen der Pfaffe Amis in dem gleichnamigen Schwankzyklus: Sein Bischof zwingt ihn zur Beschaffung von Geld, „um die gewohnte höfische Freigebigkeit (milte) weiter ausüben zu können, woraufhin Amis lügend und betrügend die Welt durchstreift“ – in Umkehrung zum Helmbrecht läßt es nicht der Lehensmann „an der gebotenen triuwe missen, sondern sein Herr“ [ebd.]. Die im Heldenbuch versammelten Heldentaten bemessen sich insofern nicht einfach an der Größe von Wagemut, Willens- und Durchschlagskraft, sondern an ihrer Rückbindung an den gottgegebenen ordo, wenn sie denn nicht in Frevel-Taten umschlagen sollen. Die Standesordnung, die sich im ehelichen Geschlechter- wie im ritterlichen Lehnsverhältnis widerspiegeln soll, wurde aber in der Realität in Frage gestellt: So ist das Ambraser Heldenbuch „anachronistisch und paradox, weil es ritterliche Ideale zu einer Zeit propagiert und höfische Epik thematisiert, als das Rittertum in seiner mittelalterlichen Form Existenzberechtigung verlor oder bereits verloren hatte“. Darum kann man nicht nur in den satirisch gebrochenen Texten, wie Mario Klarer meinte, sondern gerade auch in den idealistisch überhöhenden, die „Verunsicherung Maximilians und seines Zeitalters“ [Klarer, Einleitung 23] erkennen. Aus der Sicht des Herrschers stellte sich die Frage, wie seine Position an der Spitze der gesellschaftlichen Ordnung begründet war. Mario Klarer hat hier als das die Textsammlung durchziehende Leitmotiv

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die Konzeption der translatio imperii ausgemacht, die an genealogische Kontinuität und die stete Erneuerung der Memoria gebunden wird. So setzt beispielsweise das Epos Moriz von Craûn mit einer „Aufzählung großer ritterlicher Gestalten“ ein, deren erste Maximilian bereits als eigenen Urahn in Anspruch nahm: „Genannt werden trojanische Heroen wie Hektor und Paris als Ausgangspunkt des Rittertums in Griechenland, das dann über Rom mit Julius Cäsar bis zu Karl dem Großen sowie Oliver und Roland“ [Klarer, Vom Umgang 190] weitergeht – in ihnen verkörpert und vererbt sich die ritterliche Kaiseridee von einem Zeitalter auf das nächste, vom Anfang der Geschichte bis in die Gegenwart des Heldenbuchs. Als „parodistisch-pervertierende Adaptionen“ [ebd. 195] werden die Vorstellungen von der translatio imperii gegen Ende der Sammlung erneut explizit thematisiert, so in den grotesk-großartigen Bildzyklen, die in die kostbare Haube des Meier Helmbrecht eingestickt sind und in über 100 Versen besungen werden. Und auch im Pfaffen Amis wird das Thema als ‚Bild im Bild‘ genüßlich ausgebreitet: Der eulenspiegelhafte Titelheld will für den französischen König einen repräsentativen Saal mit Fresken bemalt haben, die nur Personen von legitimer Geburt sehen können: An den Wänden ist angeblich wie „auf Schloss Runkelstein oder wie am Beginn von Moriz von Craûn ein Teil der Herrschaftsabfolge im Sinne einer translatio imperii dargestellt“ [Klarer, Vom Umgang 206]. Die konkrete Pointe ist dabei, daß der ins Leere starrende König selbst an seiner genealogischen Berechtigung zu zweifeln beginnt. Die starke Präsenz des Minnethemas und der ehelichen triuwe im Heldenbuch erklärt sich entsprechend weniger aus einer modernen gender-Perspektive, sondern aus sehr direkten Fragen der biologischen Reproduktion. Auch wenn Maximilians Ehe mit Maria von Burgund als glücklich gilt – ihre reiche territoriale und pekuniäre Mitgift sowie die Geburt eines rechtmäßigen Erben stellten erst die Basis für seine ausgreifende Machtpolitik her, der auch die zweite Ehe mit Maria Bianca Sforza und die ‚glücklichen‘ Hochzeiten seiner Enkel verpflichtet waren. Maximilian selbst hatte übrigens neben drei Kindern mit Maria wohl noch etwa 30 illegitime Nachkommen, darunter fünf Söhne und sechs Töchter mit Anna von Helfenstein. Schwieriger in einen Gesamtzusammenhang des Ambraser Heldenbuchs einzuordnen sind die beiden Texte, die von der Forschung meist als ‚Anhang‘ bezeichnet wurden. Wolframs Titurel und der Brief des Priesterkönigs Johannes sind zunächst dadurch aufeinander bezogen, daß beide in den Jüngeren Titurel eingearbeitet worden wa-

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ren. Auch bestanden angeblich genealogische Zusammenhänge zwischen dem Gralsgeschlecht des Titurel und dem Priesterkönig einerseits, Maximilian I. andererseits [vgl. Amann 70]. Wie aber verhalten sie sich zu den voranstehenden Texten des Heldenbuchs? Während im Titurel noch einmal „die höfische Minne problematisiert“ [ebd.] wird, sieht Klaus Amann im Priesterbrief „die politische Utopie eines cäsaropapistischen Gemeinwesens, in dem alles aufs Beste geordnet ist und in dem sämtliche Aspekte des höfischen und religiösen Lebens in Einklang gebracht werden“ [ebd. 71]. Damit sticht dieser prominent am Schluß der Handschrift positionierte Text aus dem sonst Gebotenen eklatant heraus. Bei demText handelt es sich um die deutsche Übersetzung eines im Jahr 1165 aufgetauchten angeblichen Briefes eines christlichen indischen Großkönigs an den byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos (1118–1180), der von seiner ungeheuren Macht und sagenhaften Reichtümern erzählt. Dieser Brief war durch das ganze Mittelalter rezipiert worden und befeuerte Träume von einem christlichen Verbündeten im Fernen Osten, wie auch konkret die Suche nach dem Seeweg nach Indien: So segelte im März 1505 eine „portugiesische Flotte von Lissabon nach Indien ab, begleitet von Augsburger Kaufleuten, die von Fuggern und Welsern ausgerüstet waren und ein Empfehlungsschreiben des christlichen Kaisers mitführten“ [Politis 56] – hier sprach aus Maximilian I. der Sohn einer portugiesischen Königstochter. In dessen weltumspannenden Machtphantasien sollte der indische Großkönig den osmanischen „‚Ungläubigen‘ in den Rücken fallen und sie im Verbund mit den Europäern endgültig besiegen“ [ebd.] – diesseits von Amerika wäre damit schon ein maximilianisches Reich vorweggenommen worden, in dem die Sonne nicht unterginge. Mit dieser Perspektive ergibt sich eine frappierende Parallele des abschließenden Textes im Ambraser Heldenbuch zum Kreuzzugsthema am Ende des Theuerdank – eigenartigerweise wurde auch der Brief unvollständig eingetragen, die letzte, schon linierte Seite blieb leer [vgl. Schubert, Maximilian 112 f.]. Doch in der Epistel des „Priester-Königs“ spiegelt sich noch eine zweite Dimension der Übertragung von Herrschaft, die auch in Maximilians eigener Biographie für einen Moment in den Bereich des Möglichen zu rücken schien. Nachdem Papst Julius II . (1443– 1513) – dessen Name seinerseits an Julius Caesar erinnerte – ihm die Kaiserkrönung versagt hatte, spielte Maximilian um 1511 mit dem Gedanken, sich seinerseits auch die päpstliche Tiara aufzusetzten, um im Heiligen Römischen Reich die Einheit von geistlicher und weltlicher Herrschaft herzustellen. Dann wäre mit dem „Idealbild

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Indiens eine gesellschaftliche Utopie formuliert und durch den Priesterkönig zugleich eine Idealherrschaft verkörpert […], die mit der kaiserlichen Geschichtskonzeption in besonderem Einklang stand“ [Politis 48], und der Priesterkönig Johannes wäre ein weiteres „alter ego Maximilians“ [ebd. 49]. Mario Klarer spricht von einer „verdoppelten translatio-Idee“ [Klarer, Vom Umgang 209]. So werden „Ritterlichkeit, Heldentum und Weltherrschaft“ über die translatio-imperii-Tradition erschlossen“ [ebd. 210], die zugleich mit Herrschergenealogie, Gedächtnispflege und Gottes Heilsplan verbunden wird. Neben die „Rückschau auf höfische Tugenden des hohen Mittelalters“, wie sie in den übrigen Texten des Heldenbuchs gepflegt und in Maximilians Weißkunig und Theuerdank aktualisiert wird, tritt im Brief des Priesterkönigs eine umfassende „politische Utopie“ [Amann in Klarer 71]. Die Tugend der persönlichen Treue, welche die ritterliche Welt des Hochmittelalters im Innersten zusammenhielt, geht dabei auf – und unter – in Allmachtsphantasien einer totalen cäsaropapistischen Weltherrschaft, vor der noch den fernen Betrachter ein leises Grauen beschleicht. Während die inhaltliche Interpretation weitgehende Schlüsse über den Gesamtzusammenhang der Sammelhandschrift ermöglicht, läßt sich zur Genese kaum etwas sagen. Als sicher gilt, daß Maximilian mit dem in der Innsbrucker Regierungskanzlei ausgebildeten Schreiber Hans Ried „alle Einzelheiten besprach, besonders das Format […], die Anordnung der Schrift und die Schriftart selbst“ [Unterkircher 1973, 15]. Ried arbeitete volle zwölf Jahre, von 1504 bis kurz vor seinem Tod 1516 an dem Manuskript, dem Schriftbild nach zu urteilen, mit stoischer Ruhe: Die 237 großformatigen Pergamentblätter mit den Maßen 460 x 360 mm füllte er in dieser Zeit in einer sich stets gleichbleibenden kalligraphischen spätgotischen „Kanzleikursive mit Elementen der Fraktur“ (Schriftspiegel: 360 x 235 mm). Dabei boten ihm die drei Spalten mit vorgezogenen Linien „kaum eine Gelegenheit für besondere graphische Kunstwerke“ [ebd. 16]. Nur in der ersten und letzten Zeile konnte er jeweils schwungvoll ausholen. Auch die roten Überschriften sind von ihm, während er die kleinen und die bis zu acht Zeilen hohen großen Initialen dem Miniator überließ [vgl. ebd. 17], der sich auf Blatt CCXIVr mit den Initialen „V F“ um die Jahreszahl 1517 als Ulrich Funk d. Ä. zu erkennen gab. 118 Seiten, fast ausnahmslos dieselben, die auch gemalte Initialen haben, tragen Randschmuck, dessen Motive in den ersten beiden Dritteln des Buches aus dem Pflanzen- und Tierreich entstammen, bevor auch menschliche Gestalten hinzukommen. Die natürlich wirkenden Miniaturen erinnern an niederländische Stundenbücher und haben mit den Inhalten des Heldenbuchs meist nichts,

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erst ab Blatt CCXIIv gelegentlich etwas zu tun, so etwa der Bote zu Beginn des Priesterbriefs [vgl. ebd. 18 f.]. Anders das Titelbild: Auf einem flachen Sockel stehen zwei einander halb zugewandte Geharnischte, die sich auf Schilde stützen; der eine hält eine Lanze, der andere schultert ein Schwert. Umrahmt werden sie von Ästen mit daran hängenden Granatäpfeln – einem Symbol Maximilians. Die lang aufschießenden Zweige sind oben mit einem Band zusammengeflochten, an dem das Tiroler Adlerwappen hängt. Unterkircher vermutete, es handele sich um „Dietrich von Bern und einen seiner Getreuen, oder um zwei namenlose ‚Helden‘ die den Zugang zum Heldenbuch bewachen“ [ebd. 18]. Dieser sollte nur Maximilian gewährt werden, der in der Tat „immer wieder sein Interesse daran“ [ebd. 10] zeigte. Stellt man sich ihn bei der einsamen Lektüre der hochmittelalterlichen Stoffe in der ungefügen, unzeitgemäßen Pergamenthandschrift vor, dann erscheint die Rezeptionsweise in ihrer Gesamtheit „geradezu nostalgisch“ [Klarer, Einleitung 11]. Überhaupt ist das Prachtwerk „ein letzter Höhepunkt mittelalterlicher Buchkultur“ [Schubert in Helmrath 105]. Es ist „nicht nur wegen seines Inhaltes eines der bedeutendsten Quellenwerke der deutschen Literatur, sondern seine Schrift, seine malerische Ausstattung und das Format machen es auch zu einem Kunstwerk ersten Ranges, das weit über den engen Kreis der germanistischen Forschung hinaus Interesse findet“ [Unterkircher 1973, 12]. Nach 1570 schaffte Erzherzog Ferdinand I. den Codex aus der Innsbrucker Hofburg in seine Kunst- und Wunderkammer auf Schloß Ambras, von wo er 1806 vor den anrückenden napoleonischen Truppen nach Wien in Sicherheit gebracht wurde. Erst aus dem Jahre 1776 stammt die erste Nachricht über seine Benutzung durch den Innsbrucker Professor Karl Joseph Michaeler, der daraus Hartmann von Aues Iwein herausgab, und erst 1816 erfolgte „die eigentliche Entdeckung und bald darauf auch die Auswertung des ganzen Reichtums der Handschrift“ [ebd. 11]. Können wir bei Theuerdank und Weißkunig auf gedruckte Ausgaben zurückgreifen, so ist es beim Ambraser Heldenbuch das hier vorliegende moderne Faksimile, das uns dem heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrten Unikum am nächsten bringt. In anderer Hinsicht stellt sich das riesenhafte Original unversehens neben die kleinste Reproduktion in unserer Sammlung, Kaiser Maximilian’s I. geheimes Jagdbuch von 1858: Wie dieses wurde das Heldenbuch im 19. Jahrhunderts von dem Wiener Buchbinder F. Krauss gebunden [vgl. ebd. 13]. Literatur: BSB , Hbh K 550-43; Unterkircher 1983, 45 ff.; Zotter 980. – 405 –


32 Maximilians ABC-Buch – ein Vorbild für die Gebetbuch-Type, Faksimile der Prunkhandschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek Das ABC-Lehrbuch für Kaiser Maximilian I. Vollständige Faksimile-Ausgabe des Codex Vindobonensis 2368 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. [Und:] Pfändtner, Karl-Georg und Alois Haidinger. Kommentar. Herausgegeben von der Österreichischen Nationalbibliothek. (Codices selecti CIX). Zusammen 2 Bde. Graz, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 2004. 27 gezählte, faksimilierte Bl. in Farb- und Golddruck, 1 separates Kontrollbl. Und: 60 S. Faksimile mit 16 historisierten Initialen und von diesen ausgehendem Rankenwerk in Gold und Farben, Zieralphabeten auf 14 Seiten und einem farbigen Wappenmedaillon auf dem letzten Bl.; Kommentar mit 162 Abbildungen auf 44 Tafeln. Quart (etwa 275 x 212 mm). Original-Wildlederband auf vier unechte Bünde, mit graugrünem Bezug auf dem Vorder- und dunkelrotem Bezug auf dem Hinterdeckel, auf dem Rücken miteinander vernäht, die Deckel mit blindgeprägtem Rahmenwerk und gerautetem Mittelfeld in der Art von Streicheisenlinien, in stärkerem Original-Pappschuber, und Original-Pappband. Ein ABC-Buch und die Anfänge der Frakturschrift „A a a b c“ – gleichsam ab ovo können wir an diesem schönen Faksimile von Maximilians erstem Schulbuch dessen Alphabetisierung mitverfolgen. In der ersten Miniatur sehen wir ihn sogar neben seinem ersten Lehrer Jakob von Fladnitz, dem Rektor der Wiener Bürgerschule, sitzen, wie er mit dem rechten Zeigefinger auf die Buchstaben weist, während das geöffnete Fenster frische Luft von draußen herein läßt. Die kleine Schulszene ist im großen „P“ des Pater noster eingerichtet, die Omnipräsenz eines unsichtbaren Über-Vaters auch bei der Schulbildung veranschaulichend. Es verlangte einem sechs- oder siebenjährigen Knaben allerdings einiges ab, nach dem lateinischen Vater unser – 406 –


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das Ave Maria, Credo, Tisch- und andere Gebete zu lesen und auswendig zu lernen, schließlich noch den Cisioianus, ein Merkgedicht in Hexametern über den Aufbau des Festkalenders. „Tatsächlich ging es mit Maximilians Lernen keineswegs allzu schnell“ [Fichtenau 10], auch wenn er später selbst im Weißkunig anderes verlauten ließ. Wohl ab 1465 wurde das kalligraphische ABC -Buch von einem kaiserlichen Kanzlisten, möglicherweise Wolfgang Spitzweg, in Wien geschrieben, um dann von dem in Klosterneuburg und Wien oder Wiener Neustadt tätigen „Lehrbüchermeister“ mit 14 Deckfarbenminiaturen und Rankenwerk ausgestattet zu werden. Der Maler steht noch in der Tradition der böhmischen Schule, nur an wenigen Stellen wie in dem reizvollen Bild mit dem Lehrer wurde „die niederländische Vorliebe für individuelle Charakteristik mit Erfolg übernommen“ [ebd. 23]. Den religiösen Motiven in den historisierten Initialen stehen kleine, teils phantastische Tierdarstellungen im rahmenden Rankenwerk gegenüber; sie „verweisen zurück auf manche der Vokabeln, die in dem Büchlein abgefragt wurden; gewiß mögen diese Bilder zugleich den ‚Personen‘ mancher Tierfabeln entsprochen haben, die der Prinz sicherlich kennenlernte, ohne daß sich dafür näheres feststellen ließe“ [ebd. 19]. Auf den letzten Seiten fehlen allerdings Ranken und Drolerien, auch bricht eine deutsche Übersetzung, die sich an die lateinischen Texte anschließt, mitten im Satz ab – bereits die erste ‚Lücke‘ in einem Buch Maximilians. Vielleicht hängt dies mit dem Tod von Fladnitz am 1. April 1466 oder aber mit dem Tod der Mutter am 3. September 1467 zusammen, mit dem eine neue, weniger verspielte Epoche im Leben des kleinen Prinzen begann. Darauf könnte auch der Schluß des Buches mit zwei einfarbigen Zieralphabeten und den jeweils ganzseitigen „von phantastischen Kronen überragten Initialen des kaiserlichen Namens und Titels“ [ebd.] hindeuten. In diesen kunstvollen Alphabeten sah Heinrich Fichtenau Spitzwegs „Streben, die gotische Formenwelt zu erneuern, jenseits der schriftkünstlerischen Tendenzen des Humanismus“ [ebd. 20]. Schon vorher zeichnet sich im eigentlichen Text ein anderer SchriftWechsel ab: Während die Gebete in einer kompakten, schwer lesbaren ‚Textura‘ niedergeschrieben sind, ist der Cisioianus „in einer Art ‚Vorfraktur‘“ eingetragen, die „als Buchschrift bis dahin ungebräuchlich“ [ebd. 21] war. Deren „offene Form“ charakterisieren „Schwellzüge und de[r] Kontrast zwischen Groß- und Kleinbuchstaben“, überhaupt „ein Ausgreifen nach oben und unten, das sich zu wilden Schwüngen steigern kann, zumeist jedoch ein spielerisches Züngeln

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der Anschwünge und Abschwünge“, wie in „Parallele zu der Rankenornamentik“ [ebd. 27]. Dies ist das eigentlich Sensationelle an Maximilians ABC -Buch: Hier liegen bereits „alle wesentlichen Merkmale der Kleinbuchstaben der Gebetbuchfraktur vor, und auch die Großbuchstaben dieser Handschriften folgen oft ähnlichen, in der Reichskanzlei entwickelten Prinzipien“ [ebd. 30]. Sie stellen „das fehlende Mittelglied zwischen den Kanzleischriften und der Druckype“ dar, die Maximilian für sein Gebetbuch bzw. für Theuerdank und Weißkunig entwickeln ließ. Wenngleich es primär der Kanzleischreiber Wolfgang Spitzweg gewesen sein mag, von dessen kalligraphischer „Urkundenschrift […] der Weg zur Fraktur führt“ [ebd. 36] und der möglicherweise bis 1471 auch als Schreiblehrer „den Geschmack des jungen Maximilian bildete“ [ebd. 34], so hatte dieser selbst den „zündende[n] Einfall, Eindrücke aus der Kinderzeit in das spätere Leben wieder heraufzuholen“. Hinsichtlich „Verbreitung und spätere Weltgeltung der Frakturschrift [ebd. 5] lag in deren „Übertragung auf das andere Genus“ Maximilians „entscheidende Tat“ [ebd. 31]. Freilich lag dies gar nicht in seiner Absicht, vielmehr wollte er mit der anfangs geheimgehaltenen, exklusiv für seine Gedächtniswerke reservierten Schrift sich selbst ein Denkmal setzen. Darüber sollte – und wollte – Stephan Heuner nicht vergessen werden, dessen prunkvolles Wappen auf der letzten Seite farbig eingemalt ist. Der wohlhabende Wiener Bürger schenkte Maximilian gleich drei illuminierte Elementarbücher, und ohne dessen Mäzenatentum wäre die im Haus Habsburg in Bildungsdingen waltende „Sparsamkeit wohl noch weiter gepflegt worden“ [ebd. 16]. Der Anfang des kaiserlichen Ruhmeswegs verdankt sich einer bürgerlichen Privatinitiative. Das qualitätvolle Faksimile des Codex 2368 der Österreichischen Nationalbibliothek erschien in 510 Exemplaren von denen 480 in den Handel kamen. Unser Exemplar ist die Nr. 90 von 430 Exemplaren der Standardausgabe mit in Foliengold reproduzierten Blattgoldpartien. Der blindgeprägte Wildlederband mit verschiedenfarbigen, am Rücken zusammengenähten Deckelbezügen entspricht dem heutigen Einband der Originalhandschrift aus dem frühen 20. Jahrhundert, dem wiederum der ursprüngliche Einband als Vorbild diente. Er erinnert – zumal in der komplementären Farbigkeit von Grün und Rot – an das Mi-Parti-Gewand eines mittelalterlichen Narren und spielt vielleicht darauf an, daß das unerzogene Kind, auch wenn es zum Herrscher geboren ist, einem natürlichen Toren entspricht. Literatur: Fichtenau; Unterkircher 1983, 11 ff.

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33 Fortsetzung des ABC-Buchs: Grammatik, Gesundheitsregeln, Ermahnungen – Faksimile der Prunkhandschrift in der Österreichischen Nationalbibliothek Ein Lehrbuch für Kaiser Maximilian I. Der Codex Ser. n. 2617 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. [Faksimile]. [Und:] Mazal, Otto. Kommentar zur Faksimileausgabe. Zusammen 2 Bde. Salzburg, Andreas & Andreas, 1981. 21 gezählte, faksimilierte Bl. in Farb- und Golddruck. Und: 60 S., 2 Bl. Mit 14 historisierten Initialen und von diesen ausgehendem Rankenwerk in Gold und Farben und mit einem farbigen Wappenmedaillon. Groß-Quart (etwa 305 x 218 mm). Graubrauner Original-Wildlederband auf vier unechte Bünde, auf den Deckeln zwei dreifache Filetenrahmen um das gerautete Mittelfeld in Blindprägung in der Art von Streicheisenlinien, mit insgesamt 10 durchbrochenen patinierten Messing-Buckelbeschlägen, und Original-Pappband, zusammen in Original-Leinenschuber (modernes Exlibris auf Innendeckeln). Weiter im Text: Maximilians zweites Schulbuch Auch das zweite der drei reich illuminierten Lehrbücher, die der Wiener Bürger Stephan Heuner für den Unterricht Maximilians stiftete, beginnt mit einer Miniatur, die den Prinzen und seinen Lehrer über einem Buch zeigt. Hier ist es der Steiermärker Peter Engelbrecht aus Passail, ein Chorherr des Wiener Neustädter Stiftes, der mit sauertöpfischer Miene seinem Zögling die Grammatik des Aelius Donatus, die moralische Spruchsammlung der Disticha Catonis, Gesundheitsregeln der Schule von Salerno und weitere Exhortationen beizubiegen versucht. Das Buch wurde noch vor dem Tod von Maximilians Mutter Eleonore von Portugal im September 1467 be-

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gonnen, wie deren Wappen auf der Eingangsseite verrät. Deren Rahmenwerk aus Akanthusranken „spiegelt noch die Welt der Kindheit wider. Da ist ein tanzender Affe, der das ‚Trumscheit‘ spielende Bär, ein Hase bläst den Dudelsack und wird dabei von einem Kranich gebissen“ [Fichtenau 19]. Überhaupt wurde die „gesamte Hierarchie gotischer Zierkunst“ [Mazal 1981, 14] bis hinunter zu farbigen Initialen und einfachen Rubrizierungen zur Anwendung gebracht. Doch damit hörte der Spaß auch bald auf, der zweite Teil des Buches ist auch in der Ausstattung wesentlich nüchterner: „Maximilian war aus der Hand der Mutter in die des Vaters“ [Fichtenau 19] und eines gestrengen Pädagogen übergegangen. Noch viel später verfolgte Maximilian I. den längst Verstorbenen mit Rachegelüsten: „Wenn heute mein Lehrer Petrus lebte, dann würde ich bewirken, daß es ihn reute, mein Lehrer gewesen zu sein“ [zit. nach Pfändtner 13], zitierte ihn der Diplomat Johannes Cuspinian. Auch das dritte illuminierte Lehrbuch vom Anfang der 70er Jahre mit dem Doctrinale puerorum, einer weiterführenden Lateingrammatik des Franziskaners Alexander de Villa Dei vom Ende des 12. Jahrhunderts „zum Auswendiglernen“ [Fichtenau 13], wird bei Maximilian auf wenig Gegenliebe gestoßen sein, ebenso drei weitere schlichte unsorgfältig geschriebene Schulbücher, die „Werke des Terenz mit Glossen, Petrarcas Lebensbeschreibung dieses Dichters, Exzerpte aus Ovid, einiges über die Rhetorik sowie einen humanistischen Aufruf zum Türkenkrieg […] Reden und Briefe, daneben kurze Exzerpte aus antiken und zeitgenössischen Werken“ [ebd. 14] enthielten. Schriftgeschichtlich ist das zweite Lehrbuch Maximilians nicht weniger avanciert als das ABC -Buch. Vermutlich wiederum von Wolfgang Spitzweg wurde der Hauptteil „in einer wohlgeformten, kalligraphischen gotischen Buchschrift geschrieben, die wesentliche Elemente der westeuropäischen Bastarda formata aufweist und als Frühform der gotischen Fraktur bezeichnet werden darf “ [Mazal 1981, 11]. An das hier klein eingemalte Wappenmedaillon des Stifters Stefan Heuner schließt sich auf Blatt 16 der Nachtrag mit den Ermahnungen eines Wiener Dominikaners an, in dessen Schrift sich nochmals ein „großer Entwicklungssprung […] im Übergang von spätgotischer zur Humanistenschrift“ [ebd. 14] abzeichnet. Das in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrte Manuskript trägt noch einen Einband aus der Zeit des 15. Jahrhunderts, der in der Faksimileausgabe – mit in Foliengold reproduzierten Blattgoldpartien – gleichfalls nachgeahmt wurde: Der von Hand in der Buchbinderei Ernst Ammering in Ried/Oberösterreich ange-

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fertigte Einband aus anilingefärbtem Wildleder ist in gleicher Weise mit gerauteten Blindlinien verziert; darüber hinaus hat unser von Hand numeriertes Vorzugsexempar Nr. XXV auch die zehn patinierten Messingbuckelbeschläge entsprechend dem Original. Auf dem Spiegel brachte Hans Dedi sein illustriertes Exlibris an. Literatur: Fichtenau; Unterkircher 1983, 11 ff.; nicht bei Zotter.

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Der Wille zum Ruhm Ma x i m i l i a n I

LXXXV Heribert Tenschert

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