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Die Baukultur ist die Visitenkarte einer Region
Der „typische“ Stil Ausseer Häuser, der Trend zur Tradition und der Spaß an der Arbeit: Architektin Caroline Rodlauer aus Bad Mitterndorf im Interview
c_Die Abbilderei
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Gibt es einen typischen Architekturstil des Ausseerland-Salzkammergutes?
Ja, den gibt es. Er ist vor allem in den traditionellen Häusern in Altaussee beheimatet: Das Erdgeschoß klassisch verputzt, die Obergeschoße aus Holz und das ganz urtümliche „Brickl“, also die Veranda. Und natürlich gehören die Verzierungen dazu, die man in der Region kennt.
Was ist ein „Brickl“ konkret? Das ist grundsätzlich die urtypische Veranda. Sie zieht sich über sämtliche Geschoße und war früher eine Sommerveranda und eine wertvolle Übergangszone zwischen Innen- und Außenraum. Heutzutage findet sie zumeist als Wohnraumerweiterung ihren Platz.
Caroline Rodlauer liebt es, ihre Umwelt zu gestalten. Im AusseerlandSalzkammergut macht sie als Architektin genau das.
Wie hat sich der Stil der Ausseer Architektur in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?
Die tradierte Ausseer Baukultur ist geprägt durch eher einfache, funktionelle Bauten – mit kleinen Fensteröffnungen, wenig ausladenden Dächern und schnörkelloser Gestaltung. So, wie es aus dem bäuerlichen Leben heraus entwickelt wurde und notwendig war. Die Entwicklung der Architektur hat dann vor rund 100 Jahren einen großen Sprung gemacht. Damals, als die klassische Sommerfrische aufkam, waren betuchte Stadtgäste in der Region, die auch den sogenannten Schweizer Stil ins AusseerlandSalzkammergut brachten.
Die Schweiz im Salzkammergut? Ja, auf jeden Fall in der Architektur. Den Stil erkennt man an den tiefen, vorgelagerten, durchgängigen Balkonen, an den weiten Dachüberständen und den teils aufwendigen Verzierungen.
Was ist in den vergangenen 20 bis 30 Jahren passiert? Seit den 1970er Jahren, der goldenen TourismusÄra, sind vereinzelt Bausünden passiert, die das Orts- und Landschaftsbild nachhaltig verändert haben. Auch bei Wohnhäusern der jüngeren Zeit sind oftmals gestalterische Unstimmigkeiten zu erkennen. Dies ist oftmals der Farbwahl geschuldet oder einem Anspruch, künstlich „modern“ sein zu wollen. Ich bemerke aber aktuell eindeutig eine Trendumkehr.
Wie zeigt sich diese? Vor allem junge und moderne Bauherren tendieren vermehrt zum traditionellen Baustil, wenngleich auch neu interpretiert. Ein Gebäude soll zwar zeitgenössisch, aber zeitlos im Erscheinungsbild sein und sich vor allem harmonisch ins Landschaftsbild und in die Umgebung einfügen. Hier sind gute Planer gefragt, die den Spagat zwischen zeitgemäßen Wohnbedürfnissen und klassisch, unaufgeregter Architektur schaffen. Insbesondere großformatige Gebäude, etwa für Tourismus- oder Wohnbauprojekte, erfordern eine besonders sensible Herangehensweise.

Vorarlberg ist in Österreich bekannt für innovative Architektur im ländlichen Bereich. Wo steht das Ausseerland-Salzkammergut im Vergleich?
In Vorarlberg gibt es ein sehr intensives Zusammenwirken zwischen Auftraggebern, Architekten und Handwerkern. Die Handwerker haben ein starkes Ehrgefühl, sind stolz auf ihre Arbeit und wollen, dass etwas schön und edel aussieht. Damit das so ist, braucht es natürlich auch etwas Budget. In Vorarlberg ist das Förderwesen anders als in der Steiermark. Wenn dort Altbauten saniert werden, dann gibt es eine Landesförderung. Vorausgesetzt man beschäftigt heimische Betriebe und verwendet heimische Rohstoffe. Da sind wir ein bisserl hinten nach. Und der Ehrgeiz und Stolz der Planer, Bauherren und Handwerker ist bei uns noch nicht so ausgeprägt. Wobei wir da durchaus Potenzial haben.
Welche Gebäude zählen zu den architektonischen Juwelen der Region?
In Altaussee findet man im Ortsteil Arzleiten rund um den Campingplatz vom jahrhundertealten Traditionshaus bis hin zur gelungenen, modernen Neuinterpretation eine facettenreiche Baukultur. In Grundlsee ist der Bereich rund um die Pfarrkirche oder die Gegend in Gößl Richtung Toplitzsee sehenswert. Das Ortszentrum Bad Aussee ist – auch dank strenger Ortsbildrichtlinien – hochwertig erhalten. Markanter architektonischer Gegenpol ist das Narzissen Vital Resort. Trotz starker Sichtexponiertheit und moderner Formgebung integriert es sich, dank regionaler Materialwahl, am Lerchenreither Plateau gut in die Landschaft. Und in Bad Mitterndorf geben der landwirtschaftlich geprägte Ortsteil Krungl, die Gegend rund um das Schloß Grubegg in Neuhofen und das Zentrum von Obersdorf Einblick in baukulturelle Kleinode.
Aktuell erfahren Altaussee und Bad Mitterndorf einen Bauboom. Sie sind auch Ortsbildsachverständige in der Region. Wie wird Bettenburgen und Bausünden vorgebeugt?
Die Baukultur ist wie eine Visitenkarte für einen Ort. Man muss hier rigide sein, um die Qualität der Baukultur zu erhalten, Zerstörung kann ungemein schnell passieren. Wenn ich ins Obere Ennstal blicke, sehe ich, in welche Richtung es diesbezüglich gehen kann, wenn man nicht aufpasst. Vor allem für Altaussee und Bad Aussee gibt es deshalb sehr strikte Bebauungsgrundsätze. Man muss nicht so bauen wie vor 100 Jahren, aber es gilt Rahmenparameter einzuhalten, sodass sich auch zeitgemäße Bauten in ihre Umgebung eingliedern.
Sie feiern 2019 mit Ihrem Architekturbüro Ihr zehnjähriges Jubiläum. Was bereitet Ihnen in Ihrem Beruf nach wie vor Freude?
Die Teamarbeit und die Möglichkeit meine direkte Umgebung mitzugestalten. Ich wollte schon als Vierjährige etwas schaffen, das bleibt. Die Architektur als Zusammenspiel zwischen Mensch, Technik und Gestaltung hat sich dann für mich als richtig herausgestellt. Da blühe ich auf.
c_Rodlauer Greimeister ZT GmbH, Caroline Rodlauer


c_Rodlauer Greimeister ZT GmbH, Caroline Rodlauer
Rodlauer Greimeister ZT GmbH Caroline Rodlauer ist Architektin, Ziviltechnikerin, Bau- und Ortsbildsachverständige und betreibt ihre Kanzlei in ihrem Heimatort Bad Mitterndorf. Aktuell beschäftigt sie in ihrem Büro zwölf Mitarbeitende und bildet auch Lehrlinge aus. Die Expertise liegt insbesondere im Wohn- und Schulgebäudebau. Die Volksschule Bad Aussee etwa stammt von Rodlauer Greimeister und gilt weitum als zeitgemäßes Vorzeigeobjekt. Die Revitalisierung des ehemaligen Landeskrankenhauses als „Traunhaus“ ist eine der nächsten Herausforderungen für das Architekturbüro.