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Beim Kurzdarmsyndrom ist Teamwork gefragt

Das Therapieregime wird in Abhängigkeit von der intestinalen Adaptation angepasst – es erfordert diätologische, medikamentöse und chirurgische Maßnahmen

Beim Kurzdarmsyndrom handelt es sich um eine seltene Entität – man geht von einer Prävalenz von 34 Betroffenen pro einer Million Einwohner aus. Bei dieser Form des Darmversagens ist der Dünndarm so verkürzt, dass seine absorptive Funktion reduziert ist – zum Beispiel infolge mesenterialer Durchblutungsstörungen, wiederholter Resektionen eines komplizierten Morbus Crohn oder einer Strahlenenteritis. Folgen wie eine eingeschränkte Nährstoffresorption, vermehrte intestinale Flüssigkeitsverluste sowie osmotische oder sekretorische Diarrhoe machen aus dem Kurzdarmsyndrom ein komplexes Krankheitsbild, welches ein interdisziplinäres Therapiemanagement erfordert. Im Wesentlichen zielt die Behandlung auf eine Gewichtsstabilisierung, eine bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffversorgung sowie auf eine weitgehende Symptomfreiheit ab.

Anatomie des Restdarms entscheidend

Eine Darmresektion kann aufgrund angeborener Anomalien oder erworbener Ursachen notwendig werden – in Frage kommen vaskuläre und entzündliche Erkrankungen sowie Traumen oder Tumoren. Um mögliche klinische Konsequenzen besser abschätzen zu können, ist eine genaue Kenntnis der Art des operativen Eingriffs erforderlich: Der intraoperative Situs und die Länge der verbliebenen Darmabschnitte sollten möglichst gemessen und dokumentiert werden. „Das metabolisch-nutritive Defizit bei Patientinnen und Patienten ist höchst individuell“, erklärt Dr. Felix Harpain von der Abteilung für Allgemeinchirurgie am AKH Wien. In Hinblick auf den Schweregrad der Symptomatik hat sich der Erhalt von Kolon und Ileozäkalklappe als günstig erwiesen, wohingegen die Resektion des

Iliums als ungünstig einzustufen ist. „Die verbleibende Dünndarmlänge ist ganz entscheidend für das Outcome“, bestätigt Dr. Harpain. Diese sei Prädiktor für die Notwendigkeit einer parenteralen Ernährungs- und Flüssigkeitstherapie.

Phasengerechte Ernährung

Nach einer Darmresektion werden drei Stadien der Adaptation durchlaufen. Die erste Phase ist durch Hypersekretion und einen intestinalen Flüssigkeits- sowie Elektrolytverlust charakterisiert. Im Zuge von Adaptionsvorgängen sind eine Vertiefung der Krypten und eine Verlängerung der Villi zu beobachten, wodurch sich die Resorptionsfläche des verbliebenen Darms vergrößert und sich konsekutiv auch die Resorptionsleistung verbessert. In Hinblick auf den Krankheitsverlauf ist eine phasengerechte Ernährung unabdingbar. „Unmittelbar nach der Operation benöti-

In der Adaptionsphase wird begleitend zur parenteralen Ernährung eine Sonden- oder Trinknahrung verabreicht. Zu beachten ist, dass große Trinkmengen zu einer vermehrten Dünndarmund Magensekretion und damit auch zu einer gehäuften Ausscheidung führen. Die Diätologin erachtet es daher für sinnvoll, kleine Schlucke isotonischer Lösungen zu trinken. „Die Evaluation der Flüssigkeitszufuhr und -ausscheidung über 24 Stunden bildet die Grundlage für die Beurteilung der Flüssigkeitshomöostase“, betont Diätologin Hütterer und empfiehlt, dahingehend Protokoll zu führen. Entscheidend seien eine ausreichende Urinmenge von mehr als einem Liter pro Tag und ein stabiles Körpergewicht.

Bis zu zwei Jahre nach dem Eingriff ist das Maximum der Anpassungsfähigkeit des Restdarms erreicht. Je nach individueller Verträglichkeit kann der Kostaufbau nach dem Prinzip der Leichten Vollkost gesteigert und bedarfsweise durch eine enterale oder parenterale Ernährung sowie durch eine adaptierte Trinknahrung ergänzt werden. Mikronährstoffe und spezifische Verluste müssen jedoch selbst bei vollständiger oraler Autonomie lebenslang substituiert werden.

Medikamentöse und chirurgische Behandlungsoptionen

Um die Notwendigkeit einer Substitution zu erkennen und eine solche zu steuern, sollten die Serumwerte betreffend Elektrolyte, Nierenretentionsparameter, Albumin und Gesamteiweiß sowie Vitamine und Spurenelemente auch im Verlauf zwei bis viermal jährlich bestimmt werden. „Mängel treten vor allem bei den

ANLAUFSTELLEN FÜR BETROFFENE

„ Die Plattform ced-kompass.at bietet – in Kooperation mit der ÖMCCV (Österreichische Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung) – umfangreiche Services wie z. B. Infomaterial, Podcasts, Videos und auch eine telefonische Helpline an.

„ Die Patientenorganisation „Die Chronischen Experten“ (chronisch.at) hat sich speziell auf KDS-Betroffene fokussiert. Bei Bedarf gibt sie auch Ratschläge durch spezialisierte Fachärzt:innen bzw. Diätolog:innen.

„ Als Ansprechpartnerin von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie am AKH Wien können Ärzt:innen Priv.-Doz.in Dr.in Stefanie Dabsch kontaktieren: stefanie.dabsch@meduniwien.ac.at

Das Kurzdarmsyndrom für Patient:innen erklärt:

Link: meinmed.at/gesundheit/kds-behandlung/2700

EXPERT:INNEN-TEAM: fettlöslichen Vitaminen A, E, D und K auf“, weiß Priv.-Doz.in Dr.in Stefanie Dabsch von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Medizinischen Universität Wien. Das Augenmerk gelte es außerdem auf die ausreichende Versorgung mit Folsäure, Eisen, Selen und Zink zu richten. Eine Kontrolle der Knochendichte sollte im Abstand von zwölf Monaten vorgenommen werden.

Eine zusätzliche medikamentöse Therapie mit Loperamid oder Tinctura opii kann die intestinale Motilität hemmen, wodurch sich die Verweildauer des Speisebreis und die Zeit des Kontakts von Darmmukosa, Verdauungsenzymen und Chymus verlängern. Insbesondere während der postoperativen Periode und zu Beginn der oralen Ernährung tritt bei vielen Patientinnen und Patienten eine gesteigerte Magensäuresekretion auf, die eine Diarrhö verstärken und die Nährstoffresorption durch Inaktivierung der Pankreaslipase sowie Dekonjugation der Gallensalze verschlechtern kann. Protonenpumpeninhibitoren wirken dem entgegen. „Pankreasenzyme können mit dem Ziel einer besseren Fettabsorption substituiert werden“, so die Fachärztin für Innere Medizin. Bei Patienten nach Ileozäkalklappenresektion kann es zu einer aszendierenden bakteriellen Überwucherung des Dünndarms kommen, die eine antibiotische Behandlung indiziert. Durch die Therapie mit Teduglutid, einem Analogon des Peptidhormons Glucagon-like Peptid 2 (GLP-2), kann der Bedarf der Patienten an parenteraler Ernährung verringert werden. Das Hormon GLP-2 wird in enteroendokrinen L-Zellen des Ileums und proximalen Kolons gemeinsam mit GLP-1 aus einem Vorläuferprotein gebildet. „Teduglutid führt zu einem Zottenwachstum und damit zu einer größeren Darmoberfläche, es erhöht den enteralen Blutfluss und verbessert die Aufnahme von Nährstoffen“, erklärt Doz.in Dabsch. Die Lebensqualität der Betroffenen könne dadurch verbessert werden. Auf chirurgischer Ebene ist es in manchen Fällen möglich, die Resorptionskapazität durch Wiederherstellung der Kontinuität distaler ausgeschalteter Darmanteile zu optimieren. In diesem Kontext ebenfalls von Bedeutung sind der „Verschluss von Fisteln, das Aufheben von blinden Schlingen und eine Infektsanierung im Abdomen“, nennt Dr. Harpain operative Optionen. „Die bei komplikationsträchtigen Krankheitsverläufen mögliche Dünndarmtransplantation wird derzeit nur bei einer Minderheit der Patientinnen und Patienten und in wenigen Zentren durchgeführt – in Österreich gar nicht“, so der Chirurg. Mag.a Sylvia Neubauer

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