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Morbus Fabry: Betrifft Männer und Frauen!
Die Frühsymptome der seltenen lysosomalen Speichererkrankung können uncharakteristisch sein. Bei Leitsymptomen wie akralem Schmerz, Hitzeempfindlichkeit durch vermindertes Schwitzen, gastrointestinalen Beschwerden sowie einer familiären Häufung von Herz- und Nierenerkrankungen sollte Morbus Fabry differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden.1
Morbus Fabry zählt mit einer Inzidenz von etwa 1 : 40.000 zu den Seltenen Erkrankungen. 1 Pathogenetisch liegt der lysosomalen Speichererkrankung eine Mutation im α-Galaktosidase-A-Gen (GLA-Gen) zugrunde, das auf dem XChromosom lokalisiert ist. Betroffen können sowohl Männer als auch Frauen sein (Details: siehe Kasten 1).
Ablagerungen von Speichermaterial
Die verringerte oder fehlende Funktion des Enzyms α-Galaktosidase A führt zu einer fortschreitenden Akkumulation des charakteristischen Speichermaterials Globotriaosylceramid (Gb3; in der deacetylierten Form: Lyso-Gb3) in verschiedenen Zelltypen. Es kommt zu progressiven funktionalen Defiziten, Insuffizienzen und Fibrosierungen in den betroffenen Organen. Das klinische Erscheinungsbild ist entsprechend variabel, typische Manifestationen betreffen jedoch Niere, Herz, Blutgefäße sowie zentrales und peripheres Nervensystem.1
Heterogene Symptomatik
Die Frühsymptome eines Morbus Fabry können uncharakteristisch sein, was die Diagnose erschwert und verzögert. Richtungsweisend können folgende Symptome sein, vor allem wenn diese in Kombination auftreten:
• unklare, brennende Schmerzen in Händen und Füßen,
• gastrointestinale Beschwerden,
• Hautveränderungen in Form von Angiokeratomen,
• Tinnitus oder zunehmender Hörverlust,
• linksventrikuläre Hypertrophie ohne Hypertonie,
Kasten 1
Beide Geschlechter können erkranken!
• Mikroalbuminurie/Proteinurie,
• charakteristische Trübung der Hornhaut durch winzige feine Ablagerungen („Cornea verticillata“), die im Rahmen einer augenärztlichen Spaltlampenuntersuchung sichtbar werden.
Morbus Fabry: X-chromosomaler Erbgang
Abb.1.: X-chromosomaler Erbgang bei Morbus Fabry (Beispiel: Mutter betroffen) 4
Für die seltene multisystemische lysosomale Speichererkrankung Morbus Fabry ist eine X-chromosomal vererbte Mutation im Alpha-Galaktosidase-A-Gen (GLA-Gen) ursächlich.4 Folgende Erbgänge sind möglich:
Die Mutter ist Trägerin einer Fabry-Mutation Frauen mit einer GLA-Mutation können diese über das X-Chromosom sowohl an ihre Söhne als auch an ihre Töchter weitergeben, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass heterozygote Frauen ein krankes Chromosom vererben, bei 50 % liegt (siehe Abb. 1).4
Der Vater ist Träger einer Fabry-Mutation Männer mit einer GLA-Mutation im X-Chromosom geben dieses immer an ihre Töchter weiter, denn ein Mädchen erhält das einzige X-Chromosom ihres Vaters, dazu eines der beiden X-Chromosomen der Mutter. Söhne erhalten von ihren Vätern immer das nicht betroffene Y-Chromosom und können daher nicht erkranken, sofern die Mutter ohne Fabry-Erkrankung ist.4
Beide Elternteile sind Träger einer Fabry-Mutation
Tragen sowohl die Mutter als auch der Vater eine Fabry-Mutation im X-Chromosom, haben 50 % der Söhne auch eine Fabry-Mutation und alle Töchter eine Fabry-Mutation in einem oder beiden X-Chromosomen.4 Wegen der zufälligen Inaktivierung eines der beiden X-Chromosomen in jeder Zelle während der frühen Embryogenese können auch Frauen eine typische Morbus-FabrySymptomatik aufweisen.1
Auf Grund des X-chromosomalen Erbgangs sind Männer jedoch meist früher und schwerer von Fabry-spezifischen Symptomen betroffen als Frauen. Das klinische Erscheinungsbild bei Frauen ist deutlich variabler: Klinisch unauffällige Verlaufsformen sind ebenso möglich wie ähnlich schwere Krankheitsausprägungen wie bei Männern.4

Die genannten Beschwerden können bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten, insbesondere neuropathische und gastrointestinale Beschwerden sogar schon bei Kleinkindern.1,2
Auch Hinweise auf eine positive Familienanamnese (z. B. familiäre Häufung von Herz- oder Nierenerkrankungen oder von Schlaganfällen in jüngeren Lebensjahren bei nahen Angehörigen) erfordern eine weitere diagnostische Abklärung.1,2
Trockenblutkarte bei Erstverdacht
Bei Verdacht auf Morbus Fabry können Hausärztinnen und -ärzte kostenlos eine Trockenblutkarte anfordern (Kontakt: www.archimedlife.com ). Damit wird die Aktivität der α-Galaktosidase A gemessen. Ist diese pathologisch erniedrigt, steht die Diagnose bei Männern fest. Bei Frauen ist jedoch eine Analyse des GLAGens notwendig, da die Enzymaktivität bei Frauen auch im Normalbereich liegen kann.3 Auch bei Männern mit erniedrigter Enzymaktivität schließt sich standardmäßig ebenfalls eine genetische Untersuchung an, um die Mutation im GLA-Gen zu bestimmen. Die Mutation kann Einfluss auf die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen haben. Eine Einbeziehung des Krankheitsmarkers Lyso-Gb3 kann die Diagnostik unterstützen.3
Genetik am Fabry-Zentrum
Bei bestehendem oder bestätigtem Verdacht sollte die weitere Diagnostik zusammen mit einem Fabry-Zentrum durchgeführt werden. Inzwischen sind mehr als 1.000 Fabry-Mutationen bekannt, wobei viele Patienten sogenannte „private“ –also familientypische – Mutationen aufweisen.1,3,4 Ein Überblick über die gängigen diagnostischen Kriterien für Morbus Fabry wird in Tabelle 1 gegeben.5,6 Falls die Diagnose Morbus Fabry gestellt wurde, sollte unter Berücksichtigung des X-chromosomalen Erbganges (siehe Kasten 1) ein Familienscreening durchgeführt werden.3,4 Eine frühzeitige Diagnose kann entscheidend für die weitere Prognose sein: Denn die verfügbaren spezifischen Therapieoptionen bei Morbus Fabry können umso effektiver wirken, je früher mit der Behandlung dieser chronisch progredienten Erkrankung begonnen wird (Kasten 2).7
1 Lenders M, Brand E, Drugs 2021; 81:635–645.
2 Laney DA et al., Genet Med 2015; 17(5):323–330.
3 Ortiz A et al., Mol Genet Metab 2018; 123: 416–27.
4 Germain DP, Orphanet J Rare Dis 2010; 5(1):1–49.
5 Biegstraaten M et al., Orphanet Journal of Rare Diseases 2015; 10:36.
6 Smid BE et al., Int J Cardiol 2014; 177(2):400–8.
7 Überall MA, Horlemann J, Schmerzmed 2020; 36(5):70–78.
DIAGNOSTISCHE
Männer Frauen
KASTEN 2
Morbus Fabry: Behandlungsmöglichkeiten
Für die kausale Therapie des Morbus Fabry stehen zwei etablierte Therapieansätze zur Verfügung: die Enzymersatztherapie als Infusion, die alle 14 Tage verabreicht wird, und für Patienten mit geeigneten Mutationen auch eine pharmakologische Chaperon-Therapie in Form einer Kapsel zur oralen Einnahme jeden zweiten Tag.1
GLA-Mutation
GLA-Mutation Plus Plus α-GAL-A-Defizienz in Leukozyten (≤ 5 %)
Normale oder reduzierte α-GAL-A-Aktivität in Leukozyten Plus A oder B oder C
A: ≥ 1 Fabry-typisches Symptom (neuropathischer Schmerz, Cornea verticillata, Angiokeratome)
B: Erhöhte Lyso-Gb3-Plasmaspiegel
C: Familienmitglied mit bestätigter Fabry-Diagnose und derselben GLA-Mutation

Web-Tipps für Morbus Fabry
https://morbus-fabry.eu:
Selbsthilfegruppe Morbus Fabry auch für Patienten und Angehörige www.orpha.net:
Portal für Seltene Krankheiten und Orphan Drugs www.erknet.org:
Informationen zu Seltenen Erkrankungen wie Morbus Fabry aus nephrologischer Sicht (European Rare Kidney Disease Reference Network)