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Keine harmlose Lebensstilerkrankung

Diabetes mellitus Typ 2: „Alterszucker“ nicht unterschätzen

Diabetes ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die völlig unterschiedlich sein können. Allen ist gemein, dass sie zu chronisch erhöhten Blutzuckerwerten führen. Dazu kommt es, wenn die Produktion oder Wirkung des Hormons Insulin entweder teilweise reduziert oder vollständig erschöpft ist. Weitere Formen dieser Erkrankung sind bspw. der Schwangerschaftsdiabetes und andere, etwa genetisch bedingte oder durch bestimmte Medikamente hervorgerufene Arten. Hinweise für einen Diabetes können übermäßiger Durst, vermehrter Harnverlust, Müdigkeit und Abgeschlagenheit sein – und bei Kindern (wieder aufgetretenes) Bettnässen. Dann sollte man den Blutzucker umgehend kontrollieren lassen.

Expertin zum Thema: Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Kaser

Präsidentin der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft (ÖDG) und stellvertretende Direktorin an der Universitätsklinik für Innere Medizin I Innsbruck

Immunsystem: Angriff auf Bauchspeicheldrüse

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die durch den Lebensstil nicht beeinflusst werden kann. Derzeit ist noch keine Prävention möglich. „Im Falle von Typ 1 fehlt die Insulin-Produktion in der Bauchspeicheldrüse. Das Immunsystem geht gegen die Bauchspeicheldrüse bzw. die insulinproduzierenden Zellen vor, weshalb dieses Hormon, das den Blutzuckerspiegel reguliert, nicht mehr erzeugt werden kann“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Susanne Kaser von der Medizinischen Universität Innsbruck. Meist – aber nicht immer – tritt jene Form im Kindes- oder Jugendalter auf.

Bauchspeicheldrüse überfordert

Weitaus häufiger ist der Typ-2-Diabetes. Hierbei kommt es zu einer Insulinresistenz. Zumindest zu Beginn der Erkrankung ist zwar noch ausreichend Insulin vorhanden, jedoch ist seine Wirkung eingeschränkt. Gewebe – Fettgewebe, Skelettmuskulatur, aber auch die Leber – reagieren nicht adäquat auf das Insulin. Muskel- und Fettzellen können den Zucker (Glukose), den sie als Energielieferanten benötigen, nur begrenzt aufnehmen. Die Bauchspeicheldrüse muss immer mehr Insulin produzieren, um den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Bis die Zellen in der Bauchspeicheldrüse schließlich erschöpfen. Der Blutzuckerspiegel bleibt

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* Schmutterer I, Delcour J, Griebler R. (Hrsg.) Österreichischer Diabetesbericht 2017, Wien: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen; 2017 Bitte beachten Sie, dass es sich bei den hier angeführten Produkten um Medizinprodukte zur Anwendung für Patienten handelt. Vor Gebrauch dieser Produkte muss die Gebrauchsinformation beachtet und ärztlicher Rat eingeholt werden. ACCU-CHEK, ACCU-CHEK GUIDE und MYSUGR sind Marken von Roche. Alle weiteren Produktnamen und Marken gehören den entsprechenden Eigentümern. © 2021 Roche Diabetes Care | www.accu-chek.at | Roche Diabetes Care Austria GmbH | 1210 Wien | Engelhorngasse 3

hoch, die Gefäße werden geschädigt. „Diabetes Typ 2 wird fälschlicherweise häufig als Altersdiabetes bezeichnet. Das ist nicht richtig, denn diese Erkrankung kann Menschen aller Altersgruppen betreffen“, so Kaser. In Österreich liegt das durchschnittliche Manifestationsalter knapp über dem 50. Lebensjahr. Beim Typ-2-Diabetes spielt die erbliche Veranlagung eine große Rolle. Sind also Vater und/oder Mutter von der Zuckerkrankheit betroffen, steigt das Risiko, selbst Diabetes Typ 2 zu entwickeln. Dementsprechend empfiehlt die Internistin, Screening-Untersuchungen wahrzunehmen und auf Prävention zu achten. Zu den Faktoren, die das Erkrankungsrisiko zusätzlich erhöhen, zählen Übergewicht, Rauchen und Bewegungsmangel. X Infobox 1: Was die Blutzuckerwerte aussagen

Diabetes mellitus Prädiabetes

Nüchternblutzucker

≥ 126 mg/dl

Und/oder ≥ 100 < 126 mg/dl

Spontanblutzucker

≥ 200 mg/dl

Und/oder ≥ 140 < 200 mg/dl

HbA1c*

≥ 6,5 % ≥ 5,7 < 6,5 %

*(gibt Auskunft über die durchschnittlichen Blutzuckerwerte in den vergangenen drei Monaten)

Zielwerte einer antidiabetischen Therapie (gilt für Diabetes-Patienten, nicht für gesunde Menschen)

HbA1c

„ < 6,5 % bei Neumanifestation „ < 7 % bei Großteil der Patienten

Nüchternblutzucker 2 Std. nach der Mahlzeit

„ < 130 mg/dl (ideal: < 110 mg/dl) „ < 180 mg/dl

Quelle: ÖDG-Leitlinien, 2019

Entwicklungsstadium nicht unterschätzen

Eine Vorstufe des Diabetes Typ 2, der sogenannte Prädiabetes, entwickelt sich bereits einige Jahre, bevor die Erkrankung diagnostiziert wird. Schon in diesem Stadium büßen die erwähnten Gewebe an Empfindlichkeit gegenüber dem Insulin ein. Die Bauchspeicheldrüse ist gefordert, mehr von diesem Hormon zu produzieren, um den Blutzucker im Zaum zu halten. Das funktioniert jedoch nur begrenzt. Irgendwann ist die Kapazität des Organs erschöpft und es kommt zur Diagnose Diabetes Typ 2. In der Entwicklungsstufe können bereits Schäden auftreten, beispielsweise im Bereich der Nerven oder der Netzhaut. „Prädiabetes sollte man also sehr ernst nehmen und hier entsprechende präventive Maßnahmen einleiten“, betont Kaser.

X Infobox 2: Diabetes in Österreich

In Österreich sind 800.000 Menschen von Diabetes mellitus betroffen – also etwa jeder Zehnte.

90 % davon leiden an Typ-2-Diabetes. Alle 50 Minuten stirbt ein Mensch in Österreich an den Folgen von Diabetes, vor allem an kardiovaskulären Erkrankungen, etwa an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Die Werte beachten

Für Diabetiker ist es nicht nur von Bedeutung, die Blutzuckerwerte (siehe Infobox 1) im Auge zu behalten. Mit einer Insulinresistenz – wenn also der Körper das vorhandene Insulin nicht optimal verwerten kann – gehen meist auch Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte (erhöhter Triglycerid-Wert, verminderter HDL-Cholesterinwert/erhöhter LDLCholesterinwert) einher. „Diabetes ist per se ein Risikofaktor für das Auftreten von Gefäßverkalkungen“, erläutert Prof.in Kaser. Die LDL-Cholesterinwerte bei Typ-2-Diabetikern sollten je nach zusätzlichem Risikoprofil unter 70 oder 55 mg/dl liegen. Was den Blutdruck betrifft, wird für die meisten Patienten ein Zielwert von < 130 mmHg systolisch und von 70 bis 80 mmHg diastolisch (Millimeter Quecksilbersäule) angestrebt. Bei über 65-Jährigen empfiehlt die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) einen Wert unter 130 bzw. 139 mmHg systolisch. Diese Parameter im Griff zu haben bzw. in den Griff zu bekommen, hat eine große Relevanz, ist Diabetes doch mit vielen weiteren Erkrankungen assoziiert. Sie können den gesamten Organismus betreffen und reichen vom diabetischen Fußsyndrom über Infektionen, Tumorerkrankungen, koronare Herzerkrankungen, Nieren- und Leberkrankheiten, Netzhautschädigungen bis hin zu Demenz und Schlaganfall.

Wie therapieren?

Das Ziel der Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 hängt unter anderem von Begleiterkrankungen ab, vor allem von Herz- und Nierenerkrankungen. Als Erstlinienmedikament hat sich Metformin bewährt – sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Man setzt hier jedoch auf personalisierte Medizin, ein Standard-Rezept gibt es nicht. Die Therapie muss auf das jeweilige Profil des Patienten abgestimmt werden. Ein wichtiger Faktor ist jedoch in jedem Fall der Lebensstil. Die Fachfrau empfiehlt ausreichend körperliche Bewegung („Jeder einzelne Schritt zählt …“), gegebenenfalls einen Nikotinstopp und bei Adipositas eine Gewichtsreduktion. In puncto Ernährung rät Kaser (nicht nur) Betroffenen zu mediterraner Kost: „Diese schmeckt sehr gut und ist das, was für uns alle am gesündesten ist.“ Sie zeichnet sich durch einen hohen Anteil möglichst regionaler, wenig verarbeiteter pflanzlicher Lebensmittel, einen geringen Konsum von tierischen Lebensmitteln, durch Olivenöl als Hauptfettquelle, Kräuter zum Würzen und einen geringen Konsum von Wein (v. a. Rotwein) aus.

Margit Koudelka

Dieser Beitrag wurde im Fortbildungs-Fragebogen auf S. 23 berücksichtigt.

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