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Der Darm in Flammen
Je zivilisierter ein Land, desto häufiger sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen
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Es sind Symptome wie immer wiederkehrende Durchfälle, Blutbeimengungen im Stuhl und Bauchschmerzen, die zumeist mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) einhergehen. Häufig wird man in diesem Zusammenhang auch mit der Abkürzung IBD konfrontiert, die für die englische Bezeichnung „inflammatory bowel disease“ steht. In Österreich sind etwa 60.000 bis 80.000 Menschen davon betroffen. Vor allem in den westlichen Industrienationen hat die Zahl der Patienten in den vergangenen Jahren stark zugenommen. „Je zivilisierter und hygienischer eine ‚Welt‘ ist, desto häufiger treten diese Erkrankungen auf“, weiß DDr. Andreas Blesl von der Medizinischen Universität Graz. Unter CED versteht man wiederkehrende oder auch kontinuierliche Entzündungen des Darms. „Sie sind nicht infektiös, werden also nicht primär durch Bakterien, Viren oder andere Keime verursacht. Somit sind sie auch nicht ansteckend“, erklärt der Facharzt. Bei CED handelt es sich auch nicht um Erbkrankheiten. Wenngleich es familiäre Häufungen gibt, wird die Krankheit nicht von Mutter oder Vater direkt auf die Kinder übertragen. Die beiden wichtigsten Krankheitsbilder sind Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Beide betreffen besonders häufig junge Patienten, können aber in jedem Alter auftreten. Die Diagnose erfolgt meist endoskopisch mittels Magen- und Darmspiegelung sowie Blut- und Stuhluntersuchungen, ergänzender bildgebender Verfahren und einer ausführlichen Anamnese. In Einzelfällen kommt eine Kapselendoskopie zur Anwendung.
MEINMED-VORTRAG
Im Rahmen von MeinMed hielt Univ. FA Priv.Doz. DDr. Andreas Blesl einen Vortrag über chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Das gesamte Video dazu finden Sie auf meinmed.at/videothek
Wie das Feuer löschen?
Eine Frage des Darmabschnittes
Morbus Crohn betrifft den gesamten Verdauungstrakt, allerdings nicht kontinuierlich. Es gibt Darmabschnitte, die entzündetes Gewebe aufweisen, aber auch gesunde Bereiche. Befallen sind alle Wandschichten, was unbehandelt zu Komplikationen wie Darmverschluss oder -durchbruch führen kann. Bei einer Colitis ulcerosa geht die Entzündung meist vom Enddarm aus und kann sich im gesamten Dickdarm ausbreiten. Betroffen ist nur die innere Darmwand, die Mukosa. Unbehandelt entstehen dadurch chronische Schäden am Darm, die eine Behandlung schwierig machen können und auch das Darmkrebs-Risiko erhöhen. Nicht immer ist jedoch eine deutliche Unterscheidung der beiden Erkrankungen möglich. „Bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung geht man von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren als Ur-
sache aus. So gibt es bestimmte Gene, die das Risiko erhöhen. Dazu kommen Umweltfaktoren wie Ernährung, Geburtsmodus, Hygiene, Infektionen des Darms oder auch Antibiotikatherapien, die schließlich im Zusammenspiel auf die Darmflora einwirken“, so der Facharzt. Durch die Veränderung der Darmflora kann die Darmbarriere undicht werden. Entzündungsmediatoren können somit im Körper aktiviert werden und dazu führen, dass Entzündungszellen selbst den Darm angreifen und eine autoimmunologische Entzündungsreaktion auslösen. CED können sehr unterschiedlich verlaufen. Bei rund 50 Prozent aller Patienten treten zu Beginn der Erkrankung die schwersten Symptome auf, die sich im Laufe des Lebens bessern. Mit einer gezielten Therapie ist heute in vielen Fällen eine länger anhaltende Beschwerdefreiheit erreichbar. Als Basistherapie bei leichten Entzündungen wird der Wirkstoff Mesalazin (5-Aminosalicylsäure) verschrieben. In schweren Fällen hat sich meist Cortison in der Akuttherapie als wirksam erwiesen, das allerdings nicht für eine dauerhafte Therapie geeignet ist. Dafür werden in der Folge immunsupEXPERTE: Univ. FA Priv.-Doz. pressive Medikamente und BioDDr. Andreas Blesl logika eingesetzt. Bei schweren Universitätsklinik für Innere Medizin, Verläufen kann auch eine EntKlinische Abteilung für fernung betroffener DarmabGastroenterologie und Hepatologie, Medizi- schnitte durch eine Operation nische Universität Graz erforderlich sein. Eine relativ neue Behandlungsmethode ist die Darmfloramodulation durch eine Stuhltransplantation. Dabei werden Stuhlmikroorganismen eines gesunden Menschen in den Darm eines Erkrankten übertragen, um die Darmflora zu regenerieren.
Alice Herzog und Margit Koudelka
Dieser Beitrag wurde im Fortbildungs-Fragebogen auf S. 19 berücksichtigt.