Neumüller, verflickt & zugenäht

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K E R ST I N N E U M Ü L L E R

VERFLICKT &

ZUGENÄHT



Inhalt Vorwort 7 Bevor Sie beginnen

9 Material und Hilfsmittel 11 Sticharten 13 Was ist kaputt? 17 Heften 18 Das Garn auswählen 19 Fadenlänge 19 Den Faden vernähen 20 Gefütterte Kleidungsstücke flicken 20 Dämpfen 21 Nähfingerringe und Fingerhüte 22 Häufige Fehler 24

WENN ES SCHNELL GEHEN MUSS 27

Einen Knopf an einem ungefütterten Kleidungsstück annähen 28 Einen Knopf an einem gefütterten Kleidungsstück annähen 30 Besser kleben als gar nichts tun 31 Knötchen (Pilling) am Stoff mit einem Rasierer entfernen 32 Eine gerissene Naht mit unsichtbaren Stichen schließen 33 Fallschirmjäger-Naht 34

FLICKEN MIT DER HAND

37 Flicken mit eingeschlagenen Kanten 38 Flicken mit doppelt eingeschlagenen Kanten 41 Ein Knopfloch nähen 42 Ein Knopfloch ausbessern 45 Unterlegflicken 46 Unterlage von Hand festnähen 47 Unterlagen mit Vorstichen befestigen 48 Unterlagen unauffällig von Hand festnähen 51 Gesäßtasche von innen ausbessern 52 Sashiko 55 Hemdsärmel mit Gitternetz 57 Fischgrätmuster 60 Knieflicken mit Sashiko-Stichen auf indigogefärbtem Stoff 63 Stickmuster «Kleine Blätter» 64

STOPFEN

67 Stopfen in klassischer Leinwandbindung 68 Stopfen im Schlingstich (Langettenstich) 70 Rundes Schlingstich-Stopfen 72 Trikotstoff ausbessern 76 Trikotstoff stopfen 77

FLICKEN MIT DER NÄHMASCHINE 78 Unterlegen mit der Nähmaschine 80 Unterlegen mit dickem Garn 82 Löcher in hochgekrempelten Jeans flicken 84 Hosentaschen ausbessern 87

STRICKSACHEN STOPFEN 91

Maschenstich 93 Gemusterte Maschenstich-Stickerei 94 Maschenstich mit Stützfaden 97 Gefallene Maschen wieder aufnehmen 98 Eingestrickter Flicken 101

LEDER

104 Lederpflege 106 Risse im Leder reparieren 108

Materialkunde 111 Tierische Fasern 112 Pflanzenfasern 114 Handwäsche 115 Jeans waschen 116 Synthetik 116 Brennprobe 117

Exkurs im Kunststopfen 119 Dank 126



Vorwort Ist es nicht schade, wenn man gezwungen ist, sein liebstes Kleidungsstück wegzuwerfen, weil es verschlissen ist? Im Laufe der Jahre habe ich viele Menschen getroffen, die dieses Problem jeweils auf individuelle Weise gelöst haben. Am meisten fasziniert mich daran immer, dass es dabei kein objektives Richtig oder Falsch gibt. So durfte ich einmal eine Woche mit einer Meisterin im Kunststopfen verbringen, die wunderbare unsichtbare Flickarbeiten machte. Ein Loch in einem Sakko reparierte sie beispielsweise, indem sie ein neues Stückchen Stoff kunstvoll einwebte. Einige Zeit später traf ich meinen alten Punker-Freund wieder, der mir verriet, dass er sein Flickzeug immer bei sich hat. Dabei fischte er Textilkleber und einen bedruckten Stofffetzen aus der Hosentasche. Wenn seine Hosen reißen – und das passiert ziemlich häufig – klebt er einfach einen neuen Flicken darüber, und fertig ist die Sache. Ich betreibe zusammen mit meinem Partner Douglas eine Jeansboutique in Stockholm. Douglas ist ein Material-Nerd – genauso wie ich. Wir bestücken unsere Regale mit Kleidung, die solide gearbeitet und langlebig ist und die mit der Zeit immer besser wird. Aber auch die besten Sachen gehen früher oder später einmal kaputt. Deshalb haben wir hinten im Laden unser Atelier für Textilreparaturen. Sobald ich eine Stunde Zeit habe, erwecke ich dort die alten Lieblingsjeans meiner Kundschaft zu neuem Leben. Manche wollen sie möglichst unsichtbar ausgebessert haben, andere möchten gern auffällige Flicken. Ich finde, dass die Sorgfalt, die man beim Flicken aufwendet, die persönliche Verbundenheit zum Kleidungsstück stärkt, so, als würde das Geflickte zu einem Teil der Geschichte des Trägers werden. Viele Jeans wandern Jahr für Jahr erneut in meine Werkstatt, und ich kann dem Leben des Trägers folgen, indem ich seine Hose betrachte: So hinterlassen zum Beispiel Kautabakdosen und Handys Abdrücke, oder jemand beginnt mit dem Fahrradfahren, und schon ist das rechte Hosenbein von der Kette zerschlissen. Wieder ein anderer hat ein Baby bekommen, und bald ist die Jeans an den Knien durchgescheuert, weil er auf einmal so viel Zeit beim Spielen auf dem Boden verbringt. Es mag sich vielleicht so anhören, als würde ich allen, die sich gern neue Kleider kaufen, ein schlechtes Gewissen machen, aber das Gegenteil ist der Fall. Kaufen Sie ruhig, was Ihnen gefällt, aber versuchen Sie, vor allem haltbare und robuste Modelle zu finden! Wenn dann die Lieblingsstücke vom Zahn der Zeit angenagt werden, können Sie dieses Buch hervorholen und sie retten. Kerstin Neumüller

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FLICKEN MIT DER HAND Ich repariere Kleidung gerne sorgfältig von Hand. Auch wenn manche glauben, es handle sich dabei um eine eher primitive Technik – eine handgenähte Naht kann oft sogar stabiler und auch dehnbarer sein als eine Naht, die mit der Maschine genäht wurde.


FLICKEN MIT EINGESCHLAGENEN KANTEN Als wir diese Technik erstmals ausprobierten, rief mein Kollege Douglas: «Das sieht ja aus wie Comic-Flicken!» Am nächsten Tag kam ein Kunde in unseren Laden und sagte genau dasselbe; jetzt haben wir sie «Mickey-Mouse-Flicken» getauft.

SIE BENÖTIGEN:

steifes Papier, Nähnadel, Garn, Bügeleisen

Schneiden Sie zuerst eine Papierschablone in der Form zu, die der fertige Flicken haben soll. Er soll das Loch oder den zerschlissenen Bereich abdecken und rundherum zwei Zentimeter größer sein. Legen Sie die Papierschablone auf die linke Seite (also die Rückseite) des Flickenstoffes und heften Sie sie fest, so lässt er sich später leichter verarbeiten. Zeichnen Sie rundherum circa eineinhalb Zentimeter Nahtzugabe an, das heißt, der Flicken muss auf allen Seiten eineinhalb Zentimeter größer sein als das Papier. Schneiden Sie den Flicken zu.

Viereckiger Flicken Schlagen Sie die Nahtzugaben ein und dämpfen Sie sie mit dem Bügeleisen flach.

Runder Flicken Nähen Sie zunächst mit circa 5 mm langen Heftstichen rund um den Flicken, und ziehen Sie dann vorsichtig an diesem Kräuselfaden, bis der Stoffrand sich um die Papierschablone legt. Bügeln Sie nach und nach die umgeschlagene Kante, und achten Sie darauf, dass die Rundung gleichmäßig bleibt. Schneiden Sie den Heftfaden, der die Schablone festhält, ab, ziehen Sie das Papier heraus, und bügeln Sie den Flicken noch einmal auf der Vorderseite. Heften oder stecken Sie ihn auf dem Kleidungsstück fest. Nähen Sie ihn dann knappkantig von Hand fest (das ist natürlich auch mit der Nähmaschine möglich).

Flicken auf Ellenbogen nähen Wenn Sie Flicken auf Ellbogen setzen wollen, wie auf die Ärmel eines Strickteils oder auf ein Sakko, können Sie gefilzten Wollstoff verwenden. Walkstoffe beispielsweise sind meist so fest gefilzt, dass sie nicht ausfransen. Schneiden Sie ein Stück in passender Größe und Form zu, heften Sie es auf das Kleidungsstück und nähen Sie es wie oben beschrieben fest. Sie müssen dabei die Kanten am Flicken nicht einschlagen, nähen Sie ihn einfach nur mit kleinen, dichten Stichen rundherum fest.

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HEMDSÄRMEL MIT GITTERNETZ Hinter den zerschlissenen Stoff am Ellbogen des Oberhemds habe ich einen Flicken aus dünnem Baumwollstoff gelegt und festgeheftet. Danach habe ich Vorstich-Reihen genäht, um den Flicken an der Stelle zu befestigen. Der Faden selbst trägt dabei genauso zur Verstärkung bei wie der eigentliche Flicken.

SIE BENÖTIGEN:

Nähnadel mit großem Öhr, dickeres Garn

Vernähen Sie den Faden in einer Ecke auf der Rückseite der Stelle, die verstärkt werden soll, und bedecken Sie diese dann zunächst horizontal mit Vorstich-Reihen. Danach können Sie in mehreren Durchläufen die Stichreihen jeweils im 45-Grad-Winkel zur ersten platzieren, bis Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind. Ich habe noch vertikale Reihen angefügt, also insgesamt drei unterschiedliche Stichreihen gestickt.

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KNIEFLICKEN MIT SASHIKO-STICHEN AUF INDIGOGEFÄRBTEM STOFF Die alte Jeans war am Knie durchgescheuert und schien die perfekte Gelegenheit zu sein, um einen Flicken aufzusetzen, der sich wirklich sehen lassen kann. Das Muster ist mit einem Baumwoll-Webgarn auf einem Stück indigogefärbter Baumwolle gestickt.

SIE BENÖTIGEN:

Nähnadel mit großem Öhr, dickeres Garn, Kreide und Lineal

Schneiden Sie zuerst ein Stück Stoff mit einem Zentimeter Nahtzugabe zu, das groß genug ist, um die schadhafte Stelle zu überdecken. Markieren Sie dann auf dem Flicken mit Kreide die Nahtzugabe, um eine Begrenzung für die zu bestickende Fläche zu haben. Jetzt zeichnen Sie das Muster auf, das Sie sticken möchten. Ist es so detailliert wie hier, können Sie zuerst nur die Grundstruktur aufzeichnen. Hier sind das die diagonal verlaufenden Linien, die ein einfaches Rhombenmuster ergeben. Die Details in den Rhomben können Sie später einzeichnen. Wenn man sich gleich alles auf einmal mit Kreide markiert, kann es passieren, dass die Striche später beim Sticken verwischen. Deshalb ist es besser, in Etappen zu arbeiten. Zunächst muss der Flicken als Verstärkung am Kleidungsstück fixiert werden. Schlagen Sie die Kanten des Flickens ein und heften Sie ihn auf dem Kleidungsstück fest, wie auf Seite 38 beschrieben («Flicken mit eingeschlagenen Kanten»). Dann können Sie mit dem Sticken beginnen: Vernähen Sie die Vorstiche jeweils auf der Rückseite. Nähen Sie den Flicken zuerst an den Rändern fest, dann können Sie den Heftfaden entfernen. Wenn die Kanten befestigt sind, können Sie mit den diagonalen Linien weitermachen, und wenn der ganze Flicken mit Rhomben bedeckt ist, zeichnen Sie neue Linien ein, um das Füllmuster der Rhomben vorzubereiten. Denken Sie daran, die Stiche nicht zu lang zu machen. Das schönste Ergebnis erzielt man, wenn sich die einzelnen Stiche nicht direkt überkreuzen. Und an den Ecken des Flickens ist es am besten, wenn man jeweils genau von deren Mitte aus den nächsten Stich eine Stichlänge entfernt an der diagonal markierten Linie beginnt.

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STICKMUSTER «KLEINE BLÄTTER» Dieses Muster habe ich auf einer alten japanischen Textilie gesehen – es gefiel mir so gut, weil es schön schlicht ist. Es wird in zwei Durchgängen gearbeitet: Zuerst stickt man ein Gitternetz, und dann füllt man dieses mit den Blattformen. Ich selbst tendiere oft dazu, alles so klein wie möglich zu machen, aber wenn man das Gitter zu eng stickt, ist es schwer, darin Platz für die Blätter zu finden. Also zeichnete ich das Muster erst auf Papier vor, um zu sehen, ob alles hineinpasst. Der Jackenärmel war am Ellbogen gerissen, deshalb heftete ich ein Stück von einem ausrangierten Hemd auf die Rückseite des zerschlissenen Stoffs, um ihn zu verstärken. Die Kanten des Risses habe ich noch mit Überwendlichstichen eingefasst, bevor ich mit dem eigentlichen Muster angefangen habe.

SIE BENÖTIGEN:

Nähnadel, Garn, Lineal, Schneiderkreide

Wer will, kann zunächst genau ausrechnen, wie groß die Quadrate im Gitter sein sollen, sie dann mit Kreide aufzeichnen und schließlich nachsticken. Ich habe bei diesem Beispiel etwas freier gearbeitet und zuerst die senkrechten Linien aufgezeichnet und mit Stichen nachgearbeitet und anschließend die horizontalen gezeichnet und gestickt. Die Hauptsache ist, dass Sie ein Gitter aus Quadraten über die zu verstärkende Stelle sticken! Arbeiten Sie mit Vorstichen und vernähen Sie die Fäden auf der Rückseite, damit es sauber aussieht. Wenn Sie das Gitter fertig haben, zeichnen Sie als Anhaltspunkt diagonale Linien durch die Quadrate und sticken dann die Blattformen hinein. Wer perfektionistisch veranlagt ist, kann die Rundungen der Blätter exakt einzeichnen, aber es hat auch seinen Reiz, sie frei zu gestalten.

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Danke an Douglas – ohne Dich gäbe es dieses Buch nicht! Hampus für die Fotoshootings im heißesten Sommer aller Zeiten. Terése und Sebastian für das schöne Layout und die Illustrationen. Elisabeth und Maria für die Anregungen und Aufmunterungen. Emelie und Dennis, die Experten für Leder. Karin und Gunn für die Textilkunst.

Die schwedische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel Lappat & lagat bei Natur & Kultur, Stockholm, Schweden Copyright © 2018 Kerstin Neumüller Layout: Sebastian Wadsted Fotografien: Hampus Andersson Illustrationen: Terése Karlsson Aus dem Schwedischen übersetzt von Marie-Luise Schwarz, D-Ratingen Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe: Gisela Witt, D-München Satz der deutschsprachigen Ausgabe: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, D-Göttingen Printed in Spain Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://dnb.dnb.de ISBN 978-3-258-60209-7 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2019 für die deutschsprachige Ausgabe Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt. Wünschen Sie regelmäßig Informationen über unsere neuen Titel zum Gestalten? Möchten Sie uns zu einem Buch ein Feedback geben? Haben Sie Anregungen für unser Programm? Dann besuchen Sie uns im Internet auf www.haupt.ch. Dort finden Sie unser Online-Magazin, aktuelle Informationen zu unseren Neuerscheinungen und können unseren Newsletter abonnieren.




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