Wenger et al., Quellen der Schweiz

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N AT U R S C H A U P L ÄT Z E I M W A S S E R S C H L O S S E U R O P A S

Rémy Wenger Jean-Claude Lalou Roman Hapka



Naturschauplätze im Wasserschloss Europas


1. Auflage 2021 ISBN 978-3-258-08167-0

Dieses Buch wurde veröffentlicht mit der Unterstützung von:

Layout und Fotolithografie: Rémy Wenger Fotografie: Rémy Wenger (ausser wie auf Seite 255 angegeben)

Bundesamt für Umwelt (BAFU)

Zeichnungen, Diagramme und Tabellen: Rémy Wenger & Urs Eichenberger/SISKA

ERNST GÖHNER STIFTUNG

Übersetzung: TradeOnline - Translate Agency (Text) SL-FP: Jonathan Jaussi, Roman Hapka (Legenden) Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2021 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig.

Fondation Philanthropique Famille Sandoz

Gedruckt in Deutschland

Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet: http://dnb.dnb.de. Dieses Buch ist auch auf Französisch erschienen: «Aux Sources de la Suisse», ISBN 978-3-258-08168-7 Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021–2024 unterstützt. www.haupt.ch

Umschlagabbildung: Quellen im Gental (BE) Eröffnungsseiten der Kapitel : S. 4 : Das Ar der Tsan (VS) S. 12 : Lacus in Monte Gotthardi (Der Zustand und die Freuden der Schweiz, 1730) S. 30 : Quelle von Blanches-Fontaines (JU) S. 48 : Quelle der Chaudanne (FR) S. 68 : Quelle von Bornels (VD) S. 94 : Fontanet de Covatannaz (VD) S. 118 : Das Ar der Tsan (VS) S. 148 : Bad Pfäfers (SG) [Auszug] S. 182 : Source de La Serrière (NE) S. 200 : Brunnen von Vers-la-Crête, Corbeyrier (VD) S. 220 : Sieben Quellen (OW) S. 240 : Quelle von Blanches-Fontaines (JU) S. 246 : Quelle von Laghizun (GR)


RÉMY WENGER JEAN-CLAUDE LALOU ROMAN HAPKA

QUELLEN DER SCHWEIZ

Naturschauplätze im Wasserschloss Europas

MIT BEITRÄGEN VON MICHEL BLANT JULIE STEFFEN CHRISTIANE TABORD-DEILLON LUKAS TAXBÖCK

Schweizerisches Institut für Speläologie und Karstforschung

Haupt Verlag

Stiftung Landschaftsschutz Schweiz


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Vorwort

«Quellen, sie münden herauf, beinah zu eilig. Was treibt aus Gründen herauf, heiter und heilig?.» [Rainer Maria Rilke]

Als ich das Buch QUELLEN DER SCHWEIZ las, wurde ich gedanklich in meine Kindheit zurückversetzt, als wir uns mittwochnachmittags im angrenzenden Wald unter den Böschungen entlang eines kleinen Flusses auf die Suche nach Quellen machten, in denen sich Fische oder Kröten versteckten. Ich erinnere mich auch daran, wie ich einige Jahre später die einzige Quelle in meinem Dasein als Geologe fasste, um ein kleines Landhaus an eine Trinkwasserquelle anzuschliessen. In beiden Fällen handelte es sich um reichhaltig und beständig fliessende Quellen. Erst als ich Manon des sources von Marcel Pagnol las, wurde ich mir der Kostbarkeit des Wassers bewusst. Dies bekam ich auf eine etwas pragmatischere Weise zu spüren, als ich als Geologe und Kartograf im marokkanischen Rifgebirge unterwegs war, immer auf der Suche nach einer Quelle, um unsere allzu oft leeren Feldflaschen zu befüllen, bei extremen Lufttemperaturen von bis zu 40 °C. Ein Buch also, das dem Wasser gewidmet ist: Was könnte banaler sein?! Und was gibt es Elementareres auf Erden als Wasser an sich, H2O oder «Dihydrogenmonoxid»? Doch täuschen wir uns nicht: Der «Wasserfall» ist komplexer, als er scheint! Der Wasserkreislauf sorgt dafür, dass die gesamte Erdoberfläche mehr oder weniger regelmässig durch Niederschläge bewässert wird. Ein Teil dieses Wassers gelangt durch die Verdunstung oder die Evapotranspiration der Pflanzen wieder in die Atmosphäre; der Rest rieselt oberflächlich ab oder versickert im Boden. Dort wird das Wasser gelagert oder einfach weitergeleitet, um früher oder später in einer Quelle wieder an der Oberfläche zu erscheinen. Quellen stellen somit die Schnittstelle zwischen Grundwasser und Oberflächenwasser dar. Hier offenbart das Wasser den Weg, den es in der Tiefe durchlaufen hat. Die Temperatur des Quellwassers entspricht normalerweise der Jahresdurchschnittstemperatur seiner Umgebung. Abweichungen nach oben weisen auf eine Zirkulation in grosser Tiefe hin, niedrigere Werte hingegen auf einen Kontakt des Wassers mit gefrorenem Boden oder einem Gletscher. Die chemische Zusammensetzung des Wassers zeugt von der Beschaffenheit der geologischen Formationen, die es durchflossen hat, und sein Isotopenverhältnis kann Aufschluss über die Höhe des Versickerungsgebiets oder das Alter des Wassers geben. Die Schüttungsschwankungen einer Quelle, die Wassertrübung usw. liefern weitere Informationen. In der Geschichte gaben die Eigenschaften der Quellen, zumindest seit der Römerzeit, Anlass zur Entstehung des Thermalwesens, aber auch zum Handel mit Mineralwässern. Heilige Quellen entwickelten sich zu Wallfahrtsorten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Wasserfrage zum Gegenstand der öffentlichen Debatte in der Schweiz, insbesondere aufgrund der starken Beeinträchtigung der Wasserqualität infolge der industriellen Entwicklung und des Bevölkerungswachstums. Diese Erkenntnis führte zur Einführung von Gesetzen und Praktiken im Bereich Gewässerschutz, dann zur Abfallentsorgung, zur Bodenbewirtschaftung und zur Altlastensanierung. Schliesslich weckt die derzeitige Debatte über die Energiewende das Interesse an der Erdwärme und der Nutzung der Heisswasserressourcen in den Tiefen unseres Untergrunds. Jenseits unserer Grenzen, insbesondere in südlichen Ländern, haben Wassermangel, Belange des Wasserrechts oder die Frage der öffentlichen Bewirtschaftung bzw. der Privatisierung dieser Ressource eine besondere

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Bedeutung erlangt. Wenn man das Thema erweitert, kommen auch Fragen über die Rolle des Wasserdampfes in seinen verschiedenen Formen sowie die Auswirkungen dieses Treibhausgases auf den Menschen – und damit auf das Klima – auf. Der von den Autoren gewählte Ansatz ist typisch schweizerisch: Das Buch beginnt an der Geburtsstätte der Nation, dem Gotthardmassiv, das ebenfalls mit dem Quellgebiet von vier Flüssen zusammenfällt, die zu vier Meeren Europas hin entwässern. Anschliessend befassen sich die Autoren mit dem Kern ihres jeweiligen historischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Themengebiets. Das Kapitel Diskrete Biotope, Quellen des Lebens spricht mich als Naturforscher ganz besonders an. In diesem Kapitel befasst sich Quellen der Schweiz insbesondere mit einem Anliegen, das auch in der Umsetzung des vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) geführten Projektes Quell-Lebensräume, erfassen – erhalten – fördern zum Tragen kommt. Ausgehend von der Feststellung, dass die Ökosysteme der Quellen wenig bekannt sind und ihrer Bedeutung als wertvoller Teil der Umwelt wenig Beachtung beigemessen wird, bietet dieses Projekt einen Ansatz und Massnahmen zu ihrem Schutz und ihrer Sanierung. Das Buch QUELLEN DER SCHWEIZ, sachkundig und ansprechend geschrieben und mit schönen Fotos illustriert, füllt eine Lücke in unseren Bücherregalen. Es ist den Autoren gelungen, ein Werk vorzustellen, das so unterschiedliche Aspekte wie die wissenschaftlichen Daten des Wasserkreislaufs, die Ökologie sowie die Mythen und Rätsel der Quellen behandelt. Man kann ihnen dazu nur gratulieren und hoffen, dass ein breites Publikum dieses Buch, aber auch die im Anhang vorgestellten Wanderausflüge entdecken wird!

Walter Wildi Honoraprofessor an der Universität Genf Ehemaliger Präsident der Schweizerischen Geologischen Kommission

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Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG Zu den Quellen der Schweiz

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GOTTHARD Das Wasserschloss Europas

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MYTHEN UND LEGENDEN Geheimnisvolle Quellen

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TAUCHGANG UNTER DIE ERDE Quellenforscher

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HYDROGEOLOGIE Grundwasser

68

HOCHWASSER UND NIEDRIGWASSER Das Abflussregime der Quellen

94

DISKRETE BIOTOPE Quellen des Lebens

118

BÄDERKULTUR Wohltuende Quellen

148

INDUSTRIEN AM WASSER Quellen bei der Arbeit

182

WASSER ZUM TRINKEN Mineralwasser oder Kommunalwasser?

200

VERSCHMUTZUNG UND TROCKENPERIODEN Quellen in Gefahr

220

EMOTION Quellen des Glücks

240

ANHANG Index der zitierten Quellen und Orte Exkursionen zu Quellen Die Autoren Danksagung Dokumentarische Quellen

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Quelle von Loquesse, Ayent (VS).

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Einleitung

Bildhafte Worte Hervorquellen, austreten, sprudeln: von der kleinen Quelle, eingebettet in ihrer grünen Mulde, bis hin zum tosenden Wasserfall, dem murmelnden Brunnen oder dem ohrenbetäubenden Geysir. ... aber auch entspringen, zutage treten, erscheinen: Quelle des Glücks oder Quelle des Leids, Ursprung, Anfang, Wurzel ... Die Quelle ist eine Geburt oder eine Wiedergeburt, wenn man dem Wasserverlauf folgt. Sie wird zum Tor zur Hölle und Tod für den Höhlentaucher, der in ihr, manchmal unter Einsatz seines Lebens, stromaufwärts schwimmt. Das Wasser, geboren aus geheimnisvollen weiblichen Tiefen, folgt seinem langen, chaotischen Weg zum Meer, wo es sich verläuft und dann verschwindet; es ist eine Metapher für die Geburt, das Leben, den Tod (oder die Wiedergeburt) des Menschen. QUELLEN DER SCHWEIZ ist keine Suche nach den Ursprüngen der Nation – auch wenn wir uns manchmal in eidgenössischen Metaphern ergehen – sondern ein Streifzug von einer Quelle zur anderen, auf dem wir deren Diversität darstellen wollen, ohne nach Rekorden zu heischen. Gletscher, Seen, Quellen: Diese Wasserreserven bietet unser Land im Überfluss. Es speist vier grosse Einzugsgebiete, was grossen Teilen des Kontinents zugute kommt. Man kann die Schweiz deshalb als das Wasserschloss Europas bezeichnen. Wir werden Ihnen von den Mythen, Volksmärchen und dem Aberglauben erzählen, die mit bestimmten Quellen verbunden sind, von den märchenhaften Fantasiegestalten, die sie einst bevölkerten- und wie sie verehrt wurden, und von den kultischen Ritualen, die dort praktiziert wurden. Wir werden den Forschern des Schattens folgen, die mit Mut und manchmal unter Einsatz ihres Lebens gewagte Tauchgänge unternommen haben, um das Geheimnis einer befremdlichen, fabelhaften Welt zu lüften und uns zu offenbaren. Wir werden einem Vortrag über Hydrogeologie beiwohnen, der Wissenschaft des unterirdischen Wassers, die eine immer bessere Kenntnis der Funktionsweise der verborgenen Wasserwege und ihrer Quellen hat. Wir werden eine quantitative und qualitative Beurteilung unseres Grundwassers erstellen. Wir werden Sie in die Merkmale der Quellen und ihre Stimmungsschwankungen einführen: Hochwasserund Niedrigwasserstände, Trockenperioden, saisonale Schüttungsschwankungen, Schwinden und Wiederaustritte, mysteriös intermittierende Estavellen. Die Biologie wird uns diskrete, oft unsichtbar lebende Organismen vorstellen, die sich in komplexen, fragilen Systemen vereinen und diese Übergangsorte zwischen Untergrund und Luft bevölkern, an denen das Wasser stets als Vektor und Medium dient.

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«... Mir gibt es sehr schnell einen Begriff von jeder Gegend, wenn ich bei dem kleinsten Wasser forsche, wohin es läuft, zu welcher Flussregion es gehört...» [Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise]

Bei einer Reise in die Vergangenheit werden wir erfahren, wo und seit wann man sich in der Schweiz für die wohltuende Wirkung von Thermalquellen interessiert hat, welche Eigenschaften man ihnen zuschrieb und welchen gesundheitlichen und heilenden Nutzen man sich von ihnen erhoffte. Quellen können auch leistungsstarke Energieantriebe sein: Mühlen, Sägereien und Wasserkraftwerke wurden schon seit langer Zeit an ihren Ufern erbaut; sie sind eine saubere, klimafreundliche Energiequelle, ein attraktiver Pluspunkt angesichts der aktuellen Aussichten. Mineralwasser oder Kommunalwasser? Wo kommt unser Trinkwasser her? Aus der Flasche oder aus dem Hahn? Welche biochemischen Merkmale sind erforderlich und aus welchen Reservoiren sollen wir schöpfen, um den Bedarf der Bevölkerung und ihrer zahlreichen menschlichen Aktivitäten zu decken? Die Quellen, Symbole der Reinheit, werden manchmal durch unangemessenes Handeln oder unüberlegtes Verhalten bedroht: tödliche Umweltverschmutzung und durch Wasserbaumassnahmen, Wasserentnahmen oder den Klimawandel bedingte Austrocknung. Wie heissen unsere Quellen? Woher kommen sie? Wo führen sie hin? Und wie kann man sie in freier Natur besuchen? Wir stellen Ihnen lange oder kurze, sportliche oder familiäre Ausflüge in offener Wildnis oder städtischen Umgebungen quer durch die ganze Schweiz vor, bei denen Sie spektakuläre oder auch diskrete Quellen inmitten herrlicher Landschaften oder an der Strassenecke entdecken können. Gelegentlich spielen wir mit Worten und Orten, hören uns die Geschichte unseres Landes an und versuchen, in diesen Wasseraustritten eine symbolische Funktion zu finden, die uns vom Abenteuer der Menschen erzählt, die sie entdeckt und sich erstmals daran gelabt haben. Quellen der Schweiz – Heraufbeschwörung unserer gemeinsamen Geschichte. Quellen der Schweiz – eine Reise zu sprudelnden Erlebnissen! Jean-Claude Lalou

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G O T T H A R D

Das Wasserschloss Europas Jean-Claude Lalou


Gletscher, Seen, Quellen: diese Wasserreserven bietet unser Land im Überfluss. Es speist vier grosse Einzugsgebiete, was einem grossen Teil des europäischen Kontinents zugute kommt.

Exkursion rund um den Gotthard > S. 250

Die Schweiz wird oft als das Wasserschloss Europas bezeichnet. Unser Land ist bergig und befindet sich in der Mitte des Kontinents. Und wie jeder weiss, fliesst das Wasser von oben nach unten und meist von der Mitte zum Rand hin. Wir scheinen also alle Voraussetzungen zu erfüllen, um uns als Wasserreservoir und -verteiler zu betiteln. So viel zu den allgemeinen Fakten. Doch wie sieht es aus, wenn man die Sache genauer betrachtet? Die Definitionen dieses geografischen Status sind vielfältig: eine davon sieht das Schloss im Gotthardmassiv, eine andere fasst die Bewässerung Europas an den Quellen von vier grossen Flüssen zusammen, eine dritte umfasst noch einige weitere Quellen, damit das Gebiet mit den grossen Einzugsgebieten des Kontinents übereinstimmt. Um niemanden zu verärgern und diesen europaweiten Anspruch zu überprüfen – wo wir doch nicht zum politischen Europa gehören –, werden wir die verschiedenen Definitionen der Reihe nach untersuchen.

Schweizer Sprachkulturen, letzte Bastion zur Verteidigung des Réduits während des Zweiten Weltkriegs. Eine Legende aus dem 13. Jahrhundert erzählt vom Bau der Brücke, die das Gotthardtor öffnet. Die Schöllenenschlucht in Uri, nahe dem Dorf Göschenen, stellte ein schwer zu überwindendes Hindernis bei der Alpenüberquerung dar. In der von mehrere Hundert Meter hohen, schwindelerregenden Felswänden überragten Schlucht fand man nur schwer eine Möglichkeit, um die tosende Reuss; die unten braust, zu überqueren. Da schlug der Teufel eine Steinbrücke über die unwegsame Schlucht! Im Gegenzug forderte er die Seele des ersten

Ein historisches Massiv Die Alpen bilden eine Festung, eine natürliche Grenze zwischen dem Norden und dem Süden Europas. Das Gotthardmassiv mit dem Pizzo Rotondo galt lange als das höchste Massiv der Alpen. Erst 1716 erkannte der berühmte Naturforscher Jakob Scheuchzer den Irrtum und schrieb dem Mont Blanc diesen Rang zu. Die Kontrolle der strategischen Route über den Gotthardpass war schon immer eine grosse Herausforderung. Die Viehzüchter der Region erwarben einen Teil ihres Einkommens von den Durchreisenden (Salz kam damals aus dem Mittelmeerraum), und sie benötigten diesen Zugang, um ihr Vieh und Käse in Norditalien zu verkaufen. Dies war einer der Gründe, weshalb sie sich gegen die Habsburger Herrschaft auflehnten. Es handelt sich hier also um einen Entstehungsort der ersten Schweizer Kantone, der sich über Uri, Graubünden, das Wallis und das Tessin erstreckt. Somit ist der Sankt Gotthard ein mythischer Ort: Wiege der Eidgenossenschaft, Zentrum der Alpen, Durchgangspunkt der Völker, Quelle grosser europäischer Flüsse, Schnittpunkt der

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Die Quelle der Rhone im 18. Jahrhundert. Kupferstich von Adrian Zingg aus Naturgeschichte der Schweizer Gletscher (1770).


Das Wasserschloss Europas

Die Teufelsbrücke, Schlüsselpassage zum Gotthard von J. M. William Turner (um 1803).

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Passanten, der das wunderbare Bauwerk überqueren würde. Die schlauen Urner schickten einen Ziegenbock als Vorhut über die Brücke. Erzürnt über das Täuschmanöver der Urner warf er zur Strafe einen riesigen Felsblock, der sein Bauwerk nur knapp verfehlte und wenige Schritte von Göschenen entfernt landete. Der Wahrheit und Vernunft folgend, sollte man diesen waghalsigen Bau eher den Walsern zuschreiben, die ihr Können auch andernorts im Wallis unter Beweis gestellt haben. Aufgrund des Baus der Gotthard-Autobahn musste der Teufelsstein, der seit seinem legendären Sturz intakt liegen geblieben war, in den 1970er-Jahren um 127 Meter versetzt werden. Das war kein einfaches Unterfangen und kostete rund 300’000 Franken. Der riesige Stein ist 12 Meter hoch und wiegt 2000 Tonnen. Doch bald darauf kam es zu einer mysteriösen Häufung von Verkehrsunfällen an Kilometerstein 16. Manche Leute führten dies auf den Teufelsstein zurück, den man in Ruhe hätte lassen sollen. Auf diese Weise soll er sein teuflisches Werk fortgesetzt haben, um die Urner für ihr Fehlverhalten in der Vergangenheit zu bestrafen ... Seit 1860 und bis heute erstrecken sich an dieser Stelle zwei Brücken über die Schlucht. Jeder neuen Zeitepoche ihre neue Brücke, die die vorherige überragt. Nach diesem Ausflug ins Herz eines sagenumwobenen Massivs und einem Abstecher zu unseren ethnischen Wurzeln wird uns Peter von Matt mit seinen Argumenten davon überzeugen, die erste Definition zu verwerfen. Und wir werden bald sehen – wenn wir die Brille des Geografen aufsetzen –, dass die Quellen des Gotthards allein nicht ausreichen, um einen Kontinent mit Wasser zu speisen. Auch wenn der Gotthard vielleicht der Bergfried des Schlosses ist, müssen wir unseren Horizont etwas erweitern, um diese europäische Festung besser zu definieren.

Das Wasserschloss Europas Betrachten wir zunächst einmal die Quellen von drei Flüssen: Rhein, Rhone, Tessin. Der Rhein (und sein Nebenfluss Aare, die ganz in der Nähe auf der anderen Seite des Grimselpasses entspringt) mündet in die Nordsee. Die Rhone mündet nach 800 km ins Mittelmeer. Der etwas bescheidenere Tessin fliesst in den Po, der schliesslich in das Adriatische Meer mündet. Die Randzonen der Einzugsgebiete dieser drei grossen europäischen Flüsse laufen hier zu einem Stern zusammen, dessen Zentrum sich irgendwo zwischen dem Pizzo Curciusa und dem Piz Bianch, also nahe der italienischen Grenze, befindet. Man muss sich nur entlang der Alpenbarriere nahe Maloja einige Dutzend Kilometer weiter nach Osten bewegen, um zur Quelle

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des Inns zu gelangen, eines wichtigen Nebenflusses der Donau, der man anschliessend bis zum Schwarzen Meer folgen kann. Dies ist unsere vierte Quelle und ein ausgedehntes Einzugsgebiet unseres vierten Flusses. Im Kapitel Grundwasser werden wir dessen verschiedene Zirkulationsarte betrachten und sehen, dass sie das Abflussverhalten jeder Quelle bestimmen. Wir befinden uns hier im Gebiet der Gesteinsbrüche, oft von jüngeren Ablagerungen überdeckt, die von der Bewegung von Gletschern herrühren, von denen einige bereits verschwunden sind oder bald verschwinden werden. So gibt es hier im Herzen der Schweizer Alpen weder spektakuläre Quellen noch rauschende Wasserfälle oder aus dem Erdinneren hervorsprudelnde Kaskaden. Das Wasser tritt eher diskret, teils verborgen, zutage. Hier speist ein ehemals eindrücklicher Gletscher, bald nur noch ein Relikt, mit seinem Schmelzwasser einen kleinen Wildbach. Dort quillt das Wasser aus einer Geröllhalde oder einer Moräne heraus. Anderswo ist es ein Bergsee, in dem sich verschiedene Wasserläufe gesammelt haben und aus dem ein Fluss austritt, der, mit mehreren Zuflüssen gespeist, schliesslich ins Meer mündet. So verhält es sich mit der Gotthardreuss, die aus dem Lago di Lucendro abfliesst, sowie mit dem Rhein, der seine Quelle im Tomasee (Lai da Tuma) hat. Die Rhone (der Rotten) entspringt am gleichnamigen Gletscher – oder was davon noch übrig ist. Der Quellort eines Flusses muss nicht unbedingt spektakulär sein: anders definiert ist er der höchste Höhenpunkt bzw. vom Flussverlauf aus gesehen der am weitesten von der Mündung entfernte Ort.

Der Rhein Von den in der Schweiz entspringenden Flüssen ist er der längste (1233 km bis zur Nordsee, davon 375 km innerhalb der Schweiz) und wasserreichste (mittlerer Durchfluss 2300 m3/s an seiner Mündung) mit dem weitesten Einzugsgebiet in der Schweiz (24’300 km2). Seine Quelle ist ein Bergsee, in dem sich das Niederschlagswasser der Berghänge des Piz Tuma (2784 m), des Rossbodenstocks (2837 m) und des Piz Badus (2928 m) sammelt. Der See hat eine Fläche von zwei Hektar, und sein Wasser tritt aus einem Kargletscher durch eine Spalte im Felsriegel aus, der ihn nach Osten hin absperrt. Im Westen kommt aus der Alp Tuma ein sumpfiger, mit Wollgras überwachsener Bach, der bereits den Namen Rein da Tuma trägt und der wichtigste Ursprung dieser etwas unbestimmten Quelle ist. Es ist ein ruhiger, strahlender Ort, ein ideales Ziel für alpine Wanderungen. Der Name des Tomasees ist nicht besonders originell, denn er bedeutet «See hinter dem Hügel»: Alle Bergseen sind zwangsläufig in ein felsiges Becken eingebettet.


Das Wasserschloss Europas

Die Aare

Die Rhone

Die Aare ist mit fast 300 km der längste gänzlich in der Schweiz verlaufende Fluss. Sie entspringt in den Gletschern, die das Lauteraarhorn, das Finsteraarhorn und das Oberaarhorn umgeben und deren rapides Abschmelzen zu einer Biotopveränderung führt (siehe Kapitel Quellen des Lebens). In ihrem oberen Verlauf dient die Aare der Energiegewinnung (Stauseen Grimselund Räterichsbodensee), bevor sie sich im Tal einer 200 Meter tiefen Wildschlucht verbirgt. Dieser Schlucht kann man auf einem leicht zugänglichen Pfad folgen. Wer durch Meiringen kommt, ist versucht, einen Abstecher zu den Reichenbachfällen zu machen. In einer 120 m hohen Kaskade soll laut Sir Arthur Conan Doyle ein ungewisser Kampf zwischen seinem Helden Sherlock Holmes und dessen Erzfeind Professor Moriarty stattgefunden haben ... Kommen wir zurück zum Verlauf der Aare: Nachdem sie die Schlucht durchquert hat, fliesst esst sie wesentlich ruhiger durch den Brienzersee und dann nn durch den Thunersee. ke, die von Westen nach Dann erfolgt eine lange Strecke, Osten am Fusse des Juras entlangführt, ngführt, und nach dem Zusammenfluss mit der Reuss,, ihrem wichtigsten ei Koblenz in den Nebenfluss, mündet die Aare bei Rhein. Eine beeindruckende Durchquerung der Schweiz.

Von dem 812 km langen Rhone-Flusslauf bis zum Mittelmeer befinden sich 266 km in der Schweiz. Ihre Abflussmenge von 1700 m3/s steht in keinem Verhältnis zu dem eher kleinen Einzugsgebiet ihrer Quelle (und ihrer Schweizer Nebenflüsse) von nur 10’100 km2. Sie schwillt erst in ihrem Verlauf in Frankreich an, gespeist von bedeutenden Nebenflüssen: Saône, Isère, Durance ... Gehen wir zurück zur Quelle. Der von den Pässen Furka und Grimsel überragte Ort Gletsch ist sehr bekannt. Er hat sich innerhalb des vergangenen Jahrhunderts stark gewandelt, hauptsächlich infolge des Abschmelzens des Rhonegletschers, des Ursprungs des gleichnamigen Flusses.

Exkursion zur Aarequelle > S. 250

Rhein Die wichtigsten Quellen im Gotthardgebiet und ihre Einzugsgebiete

Aare Donau Man kann das Territorium der Schweiz nach den Destinationen der durchfliessenden Gewässer aufteilen. Diese Aufteilung zwischen den Meeren Nordmeer, Schwarzes Meer, Adria und Mittelmeer verleiht unserem Land den ruhmreichen Titel «Wasserschloss von Europa».

Po Rhone

Aare Rhone

Rhein

Reuss

Gotthardpass

Ticino

Inn

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Ein Schweizer Mythos Die Einweihung des Gotthardtunnels 2016 gab Anlass zu verschieSie wurden zu Freiheitssymbolen verklärt, ob bei der Gründung denen öffentlichen Veranstaltungen. Inmitten dieses Medienrummels der Eidgenossenschaft oder beim Aufkommen des Tourismus entstand das sehr viel diskretere Interview des RTS [19:30 vom 31. Mai Mitte des 19. Jahlhunderts. Da triumphierte der Gotthard und bot den Schweizern eine Identität. Er war mit dem Alpenmythos als 2016] mit Peter von Matt, emeritierter Professor für Literatur an der Beschützer der Schweiz verbunden, nachdem Gott den Eidgenossen Universität Zürich und bekannter Essayist, das ein wenig Beachtung die Berge geschenkt haben soll, um sie zu verdient. Darin wird die Schweiz in den beschützen. Natürlich wurden sie nicht Mittelpunkt Europas gestellt, zwischen wirklich von den Bergen beschützt, aber Weltoffenheit und Abkapselung. dieses Bild hat sich eingeprägt und wurde – Wir feiern die Eröffnung des Gotthards sehr bald durch die Haltung der Schweizer wie eine Schweizer Grossbaustelle, Armee während des Zweiten Weltkriegs dabei hat die Geschichte gezeigt, dass bestärkt, die sich in die Alpen zurückzog.» der Gotthard kein Schweizer Bauwerk ist. – Also entstand dieser Mythos von Anfang «Der erste Tunnel, der im 19. Jahrhundert an aus dem Wunsch nach Abschottung, gebaut wurde, war nicht nur schweizerisch. Rückzug, statt der Öffnung? Er wurde zwar von dem Zürcher Alfred «Der Gotthard spiegelt eigentlich beide Escher gewünscht und entworfen, aber Gedanken wider. Seit jeher hat der Pass er wurde gemeinsam von der Schweiz, eine europäische Dimension, der die Deutschland und Italien gebaut und vor Verbindung zwischen Italien und dem allem finanziert. Es ging um wirtschaftliche Norden des Kontinents darstellt. Ihm ist es Zusammenarbeit und Militärstrategie. Das zu verdanken, dass Wissen und Bildung aus mit Italien verbündete Deutschland wollte Italien übermittelt werden konnten, dass einen direkten Zugang zum Süden. Es war Basel eine humanistische Stadt werden also tatsächlich ein europäisches Projekt. und das Militär seine Truppen bewegen Die Schweiz hat Italien und Deutschland konnte. Ja, der Gotthard ist schon immer die Kosten zwanzig Jahre später ein europäischer Pass gewesen. Es ist zurückerstattet. Darüber hat sie vielleicht daher eine Fehleinschätzung, dieses vergessen, dass sie den Gotthard nicht im Massiv als alleinigen Rückzugsort der Alleingang gebaut hatte.» Eidgenossen zu sehen. Eine weitere – Sie präsentieren den Gotthard als den Vorstellung, die sich im Zusammenhang Schweizer Sinai. mit dem Gotthard entwickelt hat, ist die «Der Gotthard bildet mit seiner Brücke über die Quelle der Reuss im Kanton Uri, genutzt vom Wasserschloss ganz Europas. Das von einer Gruppe von Wanderern. Kupferstich von Michel Umgebung und seiner Region die Piquenot nach einer Zeichnung von Claude Louis Châtelet ist eine schöne Vorstellung, aber sie ist geografisch falsch, wenn man die grossen Kulisse für die Gründungsmythen der (Malerische Gemälde der Schweiz – 1780-88). Flüsse betrachtet. Dennoch gibt es sie.» Eidgenossenschaft. Der Rütlischwur, Wilhem Tell, der Zusammenschluss der Urkantone, das alles spielte – Ebenso stimmt einen die Vision vom Gotthard als Zentrum der sich in diesem Gebiet am Fusse dieses Massivs ab. Der Pass ist somit Schweiz eher nachdenklich. Woher stammt diese Bezeichnung? «Wie ich bereits sagte, ist dieses Bauwerk eng mit dem Ort des ein Teil davon. Dies wird ab dem Moment, wo die Gründungsmythen Gründungsmythos und Wilhelm Tell verbunden. Ich bezweifle, dass kritisch hinterleuchtet werden, noch deutlicher. Die Geschichtsforscher der Gotthard für die Romands oder gar die Graubündner einen bezweifeln die Existenz von Tell. Die Existenz des Gotthardmassivs Mythos darstellt, denn sie haben ihre eigenen Pässe. Aber für die können sie jedoch nicht in Frage stellen! Warum hat dieser Pass im Identität der Schweiz, für ihr Selbstbild, ist der Gotthard zu einer 19. Jahrhundert plötzlich einen nationalen Symbolwert erlangt? Im 18. Essenz des Gebirges, seiner Legenden, Strassen und Pässe geworden. Jahrhundert änderte sich der Blick auf die Berge: Durch die Romantiker Ein Gesamtbild, das entweder vor dem Hintergrund des technischen wurden sie schön. Bis dahin galten die Berge als bedrohlich; sie Fortschritts – einer gewissen Offenheit – oder der Verteidigung von waren die Heimat von Hexen und bösen Geistern, und man musste Freiheit und Unabhängigkeit interpretiert werden kann. So nährt sich die Pässe so schnell wie möglich überqueren. Im 19. Jahrhundert ein Mythos.» änderte sich das Bild der Berge, und sie wurden zu reiner Natur.

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Château d’eau de l’Europe

Die Quelle der Rhone fliesst über vom Gletscher abgeschliffene Felsen. Der Gletscher hat sich mittlerweile zurückgezogen.

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Der Lägh dal Lunghin (Maloya, GR); Quelle des Inn.

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Das Wasserschloss Europas

Der Tessin

Der Inn

Der bescheidenste unserer drei Flüsse durchfliesst die Schweiz über rund hundert Kilometer, was einem Drittel seines Gesamtlaufs bis zu seiner Mündung in den Po entspricht. Im Nordosten des Nufenenpasses fliesst auf 2550 m Höhe an den Hängen des Pizzo Nero ein kleines Bächlein, das auf der Landkarte bereits als Ticino verzeichnet ist. Der Bach speist einen namenlosen, 40 m breiten See, der in einen weiteren winzigen See mündet, bevor der Bach verschwindet ... Doch die Geschichte des Flusses, nach dem ein Kanton benannt wurde, endet hier nicht: Ein wenig weiter unten sammelt ein etwas grösserer, zerklüfteter See mehrere weitere Wasserläufe und speist den kleinen Wildbach, der anschliessend die Passhänge bis ins Bedrettotal herabstürzt. Erst ab Airolo nimmt der Tessin, der Valle Leventina folgend, seinen Kurs Richtung Süden auf. In Locarno fliesst er in den Lago Maggiore, und schon bald führt ihn sein Abenteuer in Italien bis zum Po, der ihn bis ins Adriatische Meer begleitet.

Etwas weiter östlich und knapp ausserhalb des eigentlichen Gotthardmassivs können wir mit dem Inn unser Mosaik der grossen europäischen Flussgebiete vervollständigen. Der Inn, En auf Romanisch, Eno auf Italienisch, ist ein Fluss, dessen Name, genau wie der Ain in Frankreich, schlicht und einfach Wasser bedeutet. Der Inn entspringt im Lunghinsee, einem typischen Gletschersee unweit des Malojapasses, und passiert das Oberengadin über den Silser- und den Silvaplanersee, bis er im Unterengadin eine natürliche Grenze zwischen der Schweiz und Österreich bildet. Im österreichischen Tirol durchfliesst er Innsbruck (die «Brücke über den Inn»), dann Bayern, wo er in Passau schliesslich in die Donau mündet, der er mehr Wasser zuführt als sein Hauptfluss selbst! Dieser Strom führt das Wasser des Inns durch Mittel- und Osteuropa bis ins Schwarze Meer. Zusammenfassend können wir das Staatsgebiet also in vier grosse Einzugsgebiete unterteilen: 59 % für den Rhein und die Nordsee, 25 % für die Rhone und das Mittelmeer, 10 % zum Po und dem Adriatischen Meer, 6 % zur Donau und zum Schwarzen Meer. Ein schönes hydrografisches Mosaik!

Exkursion auf dem Vier-Quellen-Weg > S. 250

Der Vier-Quellen-Weg

Wir stellen hier eine andere Reihe von vier Quellen vor. Die vorherige Auswahl beruhte auf der Einteilung Westeuropas in seine wichtigsten Flusseinzugsgebiete – ein geografischer und wissenschaftlicher Ansatz. Man kann dieses Thema aber auch unter dem sportlichen Aspekt des Wanderns beleuchten, eine Aktivität, die die Schweizer im Blut haben. Paul Dubacher ist ein unermüdlicher Wanderer, der mehrere Wanderrouten durch unser Land initiiert hat. Nach dem Weg der Schweiz entlang des Vierwaldstättersees schien er für die Zahl 4 vorbestimmt zu sein und gründete den Vier-QuellenWeg im Gotthardmassiv. Um

eine für die Wanderer und Wanderinnen ausgeglichene Route zu entwickeln, fiel seine Wahl auf die Quellen des Rheins, der Reuss, des Tessins und der Rhone. Die Route führt auf einer abwechslungsreichen, eindrücklichen 5-TagesWanderung durch Teile der Kantone Uri, Graubünden, Tessin und Wallis. Diese Bergwanderung und die damit verbundenen Anstrengungen lassen sich anhand einiger Zahlen veranschaulichen: 85 Kilometer Gesamtroute, 32 Stunden Marschzeit insgesamt, 6161 Meter Aufstieg und 5932 Meter Abstieg. Der Rundwanderweg startet und endet in Andermatt, wobei er von einem Pass zum nächsten, von einer Hütte

zur nächsten und von einer Quelle zur nächsten führt. Im letzten Kapitel dieses Werkes finden Sie die Referenz dieses wunderschönen Wanderwegs mit einem Hinweis auf die Stiftung, die sich um seine Instandhaltung kümmert und den Wanderer über die kulturellen Besonderheiten informiert. Die Route bietet abwechslungsreiche natürliche Perspektiven: Alpwiesen, Bergwälder, von Bächen durchzogene Feuchtwiesen, Teiche, kleine Seen, Torfmoore, felsige Trockengebiete und Geröllhänge. Ein wahres geologisches Kaleidoskop. Und der Vielfalt der Böden entspricht auch die Vielfalt der Bewohner, der Flora und Fauna. Biodiversität

wird auf dieser Route grossgeschrieben. Sie führt über grosse geschichtsträchtige Alpenpässe: Oberalp, Gotthard, Nufenen und Furka. Sie erzählen die Geschichte der Völker und ihres Austauschs, aber auch die Geschichte des Verkehrs. Sie sind Zeugen der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungsstufen Europas, in dessen Herzen diese fünf Tagesetappen verlaufen. Was die Quellen betrifft, so gehören sie nicht zu den spektakulärsten Quellen, die in diesem Buch beschrieben werden, doch sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie der Ursprung bedeutender Flüsse sind und Meilensteine auf dieser umfassenden Wanderroute im mythischen Gotthardmassiv setzen.

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Der Tomasee in der Nähe des Oberalppasses, Quelle des Rheins.

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Bergtourismus pur Wir haben das Thema der Rhonequelle nur kurz angeschnitten und dabei einen wichtigen Aspekt dieses Orts ausser Acht gelassen. Gletsch, 1759 m Höhe – 10 Einwohner im Sommer, mehrere Hundert Besucher während der Hochsaison zur Blütezeit des Alpentourismus –, verdankt seine Existenz und die Form der Alpweide, die den Ort umgibt, seiner Nähe zum Gletscher. Er lockt Schaulustige an und prägt die Landschaft dieses kleinen Tals mit Schwemmboden. Einst kamen die Touristen zu Fuss oder, je nach gesundheitlichem bzw. sozialem Stand, auf Maultieren hierher. Ab 1830 bot das Gasthaus Zeiter mit etwa zwölf Betten eine Übernachtungsmöglichkeit. Mit der Eröffnung des Furkapasses 1867 und des Grimselpasses 1894 begann der Verkehr der Postkutschen, die hier oft Halt machten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Hotels Glacier du Rhône und Belvédère erbaut. Die 320 Betten waren ein beliebtes Reiseziel der feinen Gesellschaft Europas. Damals lag die Gletscherzunge nur einhundert Meter von den Hotels entfernt. 1914 wurde die Eisenbahnlinie gebaut, und 1921 fuhr das erste Postauto über den Furkapass. Paradoxerweise führte gerade diese einfachere und schnellere Art zu reisen zum Niedergang des Tourismus in Gletsch: Man musste seine Zeit nicht mehr damit vertrödeln, die Natur im Detail zu beobachten, denn die neuen Feriengäste begnügten sich damit, im Vorbeifahren schnell einen Blick darauf zu werfen und ein paar Fotos zu schiessen.

Die Quelle der Rhone, fotografiert im Juli 2019.

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Am Ende der 1930er-Jahre war die Hotelkapazität bereits um die Hälfte geschrumpft. Der familiäre Hotelbetrieb ging in Kantonsbesitz über. Der Gletscherschwund hat dem Ort seine touristische Attraktivität geraubt. In letzter Zeit lebt der Tourismus wieder ein wenig auf, jedoch in anderer Form. Seit Sommer 2010 befährt die restaurierte Dampfeisenbahn erneut die Strecke Realp–Oberwald. Doch die Touristen – häufiger Asiaten als Europäer – sind nur auf der Durchreise: eine beschauliche Fahrt mit der Dampfeisenbahn, eine Stippvisite in der Eisgrotte, und schon steht die nächste Attraktion auf dem Programm. Schnell und immer schneller! Der Philosoph Hegel beschreibt 1796 in seinem Reisetagebuch in die Berner Alpen (als Randbemerkung!) eine recht düstere Landschaft: «Diese Region von Gletsch übertrifft alles Trostlose und Traurige, was wir bisher gesehen haben.» Dies lässt sich damit erklären, dass die Zunge des Rhonegletschers zu der Zeit riesig und bedrohlich erschien, dieselbe Zunge, die einige Jahrzehnte später die Reiselustigen zum Fusse dieses begehbaren Eisriesen lockte. Trauriges Schicksal für den unaufhaltsam schmelzenden Rhonegletscher, der das 21. Jahrhundert wohl nicht überleben wird: gefürchtet, angebetet, touristenüberflutet und bald verschwunden. Von der Talmulde aus, dort, wo man sich im historischen Hotel stärken kann, ist nichts mehr von dem berühmten Gletscher zu sehen, nur noch Granit, den der sterbende Eisfluss abgeschürft und zerkratzt zurückgelassen hat. Kenner sehen in diesem geschliffenen


Das Wasserschloss Europas

Die Quelle der Rhone von Gletsch her gesehen um 1900...

Gestein den Beweis für die ehemalige Ausdehnung des Eises. Sie können daran den langsamen Rückzug des Bergriesen verfolgen, der in seinem Nährbecken weniger Neuschnee erhält, als er durch die Schmelze an der Stirnseite verliert. Das Eismeer bedeckt noch eine Fläche von 14,6 km2 mit einem Volumen von 2 km3 und einer Dicke von stellenweise bis zu 200 Metern. Doch die Eisgrotte, in deren eisblaues Mysterium man im letzten Jahrhundert noch 100 Meter weit vordringen konnte, ist stark bedroht. Um diese Touristenattraktion und die damit verbundenen Einnahmen aufrechtzuerhalten, wird der funkelnde Gletscher mit unschönen Planen ausstaffiert, die den vorhersehbaren Schwund bremsen sollen. In Gletschboden bevölkern Birken und Lärchen auf einer immergrünen Wiese das Gebiet, das Hegel einst als trostlos und traurig beschrieb. Würde er für das heutige Landschaftsbild mehr Begeisterung empfinden? Vielleicht ... Es sei denn, die freudlose Verpackung des Gletschers erschiene ihm als düster. Schwer zu beurteilen, wenn man sich auf den Vater der Dialektik beruft! Profil einer glazialen Quelle Mühle

... und vom Grimsel her im Jahr 2020.

1864

1897

1987

2018

Gletscherstrom

Der Rückzug des Rhonegletschers illustriert durch einen Vergleich von vier topographischen Karten zwischen 1864 und heute. Quelle

Gletscher

Ein Gletscher schmilzt meist an der Oberfläche, wodurch Abfluss entsteht, der sich im Gletscher durch Gletscherströme und Risse, die sich während der warmen Jahreszeit erweitern, sammeln und verlieren kann. Das Wasser, das im Gletscher eingeschlossen ist, strömt an die Quelle, die sich an der Vorderseite des Gletschers befindet, indem es zwischen dem Gletscher und dem darunter liegenden Gestein fliesst.

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Das Wasserschloss Europas

Welche Reserven? Wassertürme sind Bauwerke, die in unserem Land weniger geläufig sind als in solchen, die ein weniger ausgeprägtes Relief haben. Bei uns fliesst das Wasser in der Regel auf natürliche Weise den Hang hinab. Diese architektonisch mehr oder weniger eleganten Hochbehälter speichern in ihrem Inneren eine Wasserreserve und ermöglichen in flachen Regionen, dieses Wasser in der Umgebung mit einem gleichbleibenden Druck, der durch die Höhe des Turms bestimmt wird, abzugeben. Natürlich muss das Wasser zunächst in die Höhe gepumpt werden, doch wenn es einmal im Turm ist, ist es ein Selbstläufer. Während die Höhe des Wasserturms für die Verteilung bedeutend ist, bestimmt sein Volumen die Bevölkerungszahl, die von seinem Wasser profitieren kann. Wie sieht es nun mit dem Gotthardmassiv und im weiteren Sinne mit der Schweiz als Wasserspeicher Europas aus? Ohne in Millionen oder Millarden zu sprechen, reicht ein anschaulicher Vergleich: Die Schweiz, deren Staatsgebiet 0,4 % der Gesamtfläche Europas ausmacht, liefert 6 % der Süsswasserreserven des Kontinents. Das Verhältnis zwischen Wasservolumen und Fläche beträgt somit 1:15, was beträchtlich ist. Wie kommt es, dass unser Land 15-Mal mehr Wasser auf seinem Territorium speichert als der europäische Durchschnitt? Die Antwort liegt auf der Hand, man hätte nur drauf kommen müssen, wie das Sprichwort sagt. Wir können uns natürlich weder mit Tadschikistan, das mit einer durchschnittlichen Höhe von 3186 m das höchste Land der Welt ist, noch mit

Oben: die Quelle der Aare an der Front des Oberaargletschers (Guttannen, BE) im Jahr 2019. Unten: die untere Quelle der Aare und der Unteraargletscher, ebenfalls im Jahr 2019. Durch den Rückzug der Gletscher verändert sich die Quelle der Aare ständig. Genau wie die Gletscher in Grönland oder am Südpol, deren Fronten abreissen und Eisberge bilden. Ein Projekt zur Erhöhung des Grimseldamms wurde vom Bundesgericht abgewiesen. Die geplante Erhöhung des Stausees um 23 Meter würde den Seespiegel anheben und das Gebiet nahe der Gletscherzunge um fast einen Quadratkilometer überfluten. Dieser Teil des Tals umfasst alte Kiefernwälder und sumpfige Gebiete mit einem besonderen Ökosystem.

Bhutan (an vierter Stelle) mit 2220 m messen, aber mit durchschnittlich 1370 Höhenmetern belegen wir immerhin den sechzehnten Platz in der Weltrangliste. Ein Vergleich mit einigen unserer europäischen Nachbarn macht dies anschaulich: Österreich, durchschnittliche Höhe 899 m; Spanien 705 m; Italien 539 m; all diese Länder gehören zum Alpenraum (oder Pyrenäen, was auf dasselbe hinausläuft). Frankreich, nur teilweise Alpenland, liegt mit 375 m auf Platz 100; Deutschland auf Platz 123 mit 271 m. Ganz zu schweigen von Dänemark mit 34 m oder den Niederlanden mit 30 m. Welchen Schluss können wir aus dieser langen Zahlenliste ziehen? Die allgemein bekannte Tatsache, dass es in den Bergen sehr viel mehr regnet als in den Ebenen, auch wenn manches Flachland diesen Mangel dadurch ausgleichen kann, dass es geografisch den Tiefdruckgebieten des Ozeans ausgesetzt ist. Ohne einen Vortrag Die Schweizer Berge und ihre über Klimaforschung halten zu wollen, Quellen sind das hydrographische rufen wir uns kurz den grundlegenden Niederschlagsmechanismus in ErinneHerz Europas rung: Die Meeresluft, gemässigt oder feucht-warm, ist gezwungen aufzusteigen, wenn sie, vom Wind getrieben, auf eine Gebirgsbarriere stösst. Der Höhenunterschied und der Druckverlust bewirken ein Abkühlen der Luft, was zur Wassersättigung und schliesslich zu Kondensation und Niederschlag führt. Je nach örtlicher Temperatur, die in erster Linie von der Höhe und der Jahreszeit abhängig ist, fällt der Niederschlag in Form von Regen oder Schnee. Wenn es schneit, drückt das Gewicht der neuen Schneemassen die darunterliegenden Schneeschichten zusammen, die sich dann in Eis verwandeln. Somit haben wir das Geheimnis des Schweizer Wasserreservoirs, Wasserschloss Europas, gelüftet. Natürlich gehört die Schweizer Eidgenossenschaft nicht zur Europäischen Union; aber erklären Sie mal den unzähligen Wassermolekülen, die den Gotthard verlassen, dass sie schweizerisch sind und nicht europäisch! Denn die Schwerkraft beweist ihnen das Gegenteil: Sie fliessen von Natur aus von oben nach unten, sodass sie unsere schönen Berge verlassen und einen Grossteil des europäischen Kontinents bewässern. Die Karte der Flussbecken, die wir zuvor vorgestellt haben, macht das Exkursion Verteilungsprinzip des kostbaren Guts sehr anschaulich. Man zur Aarequelle > S. 250 kann also tatsächlich von einem Wasserschloss sprechen. Man könnte auch sagen, dass die Schweizer Berge das hydrografische Herz Europas sind, das unzählige Gefässe durchblutet: In den Bergen fliessen die Arteriolen in Kaskaden, dann strömen grosse Arterien langsam durch die Ebenen bis zum Meer, zum Mittelmeer, zur Adria, zum Schwarzen Meer oder zur Nordsee. Und es bedarf keinerlei zusätzlicher Energie, um das Wasser über den Kontinent zu verteilen: Die diskrete, aber unermüdliche Schwerkraft erledigt die Arbeit.

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Ein weiteres Phänomen spielt eine wichtige Rolle: In den Bergen ist es kalt, und ein Teil der Niederschläge sammelt sich in Form von Eis an. Hier entsteht die erste Möglichkeit, Wasserreserven anzulegen: Das vom Himmel gefallene Niederschlagswasser wird manchmal jahre- oder jahrhundertelang in unseren Gletschern gespeichert, anstatt praktisch unmittelbar nach seiner Ankunft in den Bergen zum Meer abzufliessen. Werfen wir einen kurzen Blick auf die verschiedenen Arten unserer Wasserreserven, auch wenn diese, wie bereits dargelegt, nur vorübergehend uns gehören ... Wir sprechen hier von Trinkwasser. Das Volumen des Grundwassers wird auf 150 km3 geschätzt (das sind 42 % der Gesamtreserven), das der Seen auf 130 km3 (36 %), das der Gletscher auf 57 km3 (16 %), das restliche Volumen von 21 km3 (6 %) verteilt sich unterschiedlich. Die herausragende Bedeutung des Grundwassers bei dieser Verteilung zeigt uns die zweite Möglichkeit, Wasserreserven zu schaffen: Grundwasser braucht mehr Zeit als Gletscher, jedoch wesentlich weniger als das Oberflächenwasser, um von dem Ort, wo es in den Boden eingedrungen ist, zu der Stelle zu gelangen, wo es wieder ans Tageslicht tritt. Dies kann mehrere Tage dauern, wie im Fall von Karstböden, oder auch mehrere Jahre, wie bei lockeren Sand- oder Kiesböden.

Was hat die Klimakrise damit zu tun? Bedingt durch den Temperaturanstieg, erhöht sich die Schneefallgrenze, was unmittelbar und offensichtlich dazu führt, dass die Vorräte an gefrorenem Wasser in Form von Schnee oder Eis schrumpfen. Wir haben jedoch gesehen, dass dies nur ein Sechstel der gesamten Wasserreserven ausmacht. Die verschiedenen Prognosen unserer zuständigen akademischen Einrichtungen sagen voraus, dass die verfügbare Wassermenge mindestens bis zum Ende des 21. Jahrhunderts beständig sein wird. Das heisst aber nicht, dass wir nirgends Wassermangel haben werden; die Verfügbarkeit des Wassers nach Regionen und Jahreszeiten wird sich ändern. Generell können wir jedenfalls davon ausgehen, dass unsere Reserven langfristig gesichert sind. Das Wasserschloss wird als Wächter des Blauen Goldes agieren.

Die Quelle des Ticino nicht weit vom Nufenenpass.

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Das Wasserschloss Europas

In der Region der Reuss-Quelle (Furkazweig, Uri).

Der Tomasee (GR), Quelle des Rheins.

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A N H A N G


Index der im Buch zitierten Quellen und zugehörigen Orte

Aar Acquarossa Adelboden Alvaneu Andeer Ar du Tsan Arbogne Areuse Arvoux Aubonne Bad Pfäfers Bad Ragaz Bad Schinznach Bad Zurzach Baden Bâme de Courfaivre Bätterich Bellegarde / Jaun Beuchire Bévieux Bex Biaufond Biblanc Bioux Blaaben Brunnen Blanches-Fontaines Boiron Bonavau Bonne-Fontaine Bonne-Fontaine Bonnefontaine Bornels Bossi Brassus Breiten Brenno Bret (lac) Brigerbad Broye Brunnengütliquelle Brunnmühle / Wasserhooliloch Buchelieule (Val d’Illiez) Buco della Sovaglia Cascade de Jaun

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Guttannen, BE Acquarossa, TI Adelboden, BE Albula/Alvra, GR Andeer, GR Mont-Noble, VS Prez-vers-Noréaz, FR Saint-Sulpice. NE Les Brenets, NE Bière, VD Pfäfers, SG Bad Ragaz, SG Brugg, AG Bad Zurzach, AR Baden, AG Haute-Sorne, JU Unterseen, BE Jaun, FR Pruntrut, JU Bex, VD Bex, VD La Chaux-de-Fonds, NE Le Chenit, VD L'Abbaye, VD Glarus, GL Undervelier, JU Yens, VD Champéry, VS La Brévine, NE Montagny, FR Cheyres, FR Château-d’Oex, VD Arogno, TI Le Chenit, VD Mörel-Filet, VS Olivone, TI Puidoux, VD Brig, VS Maracon, VD Glarus-Süd, GL Twann, BE

17, 26 156, 168-169 204 156 156 4, 118, 132, 133, 243 73, 121 63-65, 78, 83, 84, 89, 98, 214-215 88 78 148, 154-155, 156, 164-165 156, 164-165 156 156, 157, 204 42, 156, 159, 160-161, 175 33 77, 78, 117 78, 175, 192 78, 110 197-198 156, 170-171, 197-199 36 71 71 146 30, 78, 102, 240 33, 122, 242 243 219 152, 154-155 47, 175 68, 216 61-62, 78 71 156 134 217 156 219 45-46 78, 239

Val d’Illiez, VS

156, 172-173

Arogno, TI Jaun, FR

78 78, 175, 192

Champs Fallat Chaudanne Chilchbalm Combioula Conn Craveggia Crazy Crater Creugenat Diey Dorénaz Dou Elm Éperon Eptingen Fontaine à Moïse Fontanet de Covatannaz Fontannet de la Mothe Friedhöfler Fuchsna Funtana chi-staina Gelbenbrunnen Geltenbach Gental Gerlettes Gontenbad Heissen Stein Henniez Hölloch Hornusser Hungerbrunnen Hübschener Hundsloch Hungerbach Inn Isles Knutwil Kundelfingen Lag la Cauma Lag Prau Pulté Lag Tiert Laghizun Lavey Lionne Loèche Longeaigue

Clos du Doubs, JU Rossinière. VD Lauterbrunnen, BE Saint-Martin, VS Flims, GR Onsernone, TI La Grande-Béroche, NE Haute-Ajoie, JU Romainmôtier-Envy, VD Dorénaz, VS Cormoret, BE Elm, GL Rochefort, NE Eptingen, BL Salvan, VS Vuitebœuf, VD

146 48, 60, 78 40-41, 78 158 109 156, 166-167 116 38, 56, 78, 110-112, 229, 239 187 204 78, 79 204 226 204 70 94

Vugelles - La Mothe, VD Bürgenberg, NW Scuol, GR Scuol, GR Unterseen, BE Kandersteg, BE Innertkirchen, BE Vallorbe, VD Gontenbad, AI Baden, AG Henniez, VD Muotathal, SZ Frick, AG

193 114 178, 180 114 77-78, 117 76, 96 Couv., 120, 244 143 204 161 204 66-67, 113 33

Sissach, BL Innerthal, SZ Wan, ZH Maloya, GR Bex, VD Knutwil, LU Diessenhofen, TG Flims, GR Flims, GR Flims, GR Flims, GR Lavey-les-Bains, VD L'Abbaye, VD Loèche-les-Bains, VS Val-de-Travers, NE

218 78, 115, 116 33 20, 21 171 204 97, 188-189, 230 106-109 78, 107 78, 109 109, 246 156, 172-173, 174 71, 78 156, 162-163, 175 113


Loquesse Lostorf Lourantse Lugibach Malagne Maralley Marienbrunnen Massa Mels Milandrine / Saivu Milchbach Mont-de-Chamblon Neirivue Nendaz Noiraigue Noudane-Dessus Orbe Ovronnaz Panex Passugg Pintrun Raisse Raissette Raspille Reuss Rhäzüns Rheinfelden Rhin Rhône Rigi Rinquelle Rochette Rothenbrunnen Saillon Saint-Maurice d’Agaune Sainte-Colombe Saivu / Milandrine Salwidenbad Samedan San Bernardino Sarine Saxon Schlichenden Brünnen Scuol Serrière

Ayent, VS Lostorf, AG Ayent, VS Grindelwald, BE Montricher, VD Montreux, VD Einsiedel, SZ Riederalp, VS Mels, SG Boncourt, JU Grindelwald, BE Chamblon, VD Neirivue, FR Nendaz, VS Val-de-Travers, NE Évionnaz, VS Vallorbe, VD Ovronnaz, VS Ollon, VD Passugg, GR Flims, GR Concise, VD Cormoret, BE Crans-Montana, VS Realp, UR / Airolo, TI Rhäzüns, GR Rheinfelden, AG Tujetsch, GR Obergoms, VS Weggis, LU Amden, SG Muriaux, JU Rothenbrunnen, GR Saillon, VS Saint-Maurice, VS

8-9, 235-236 204 145 116 78 47 33 221 204 37-38, 78, 92-94 236-237 103 98, 110, 194-195 204 80-81, 82, 97, 190-193 126-127 39, 57, 58-59, 71, 78, 104-106, 124 156 197-199 204, 207 109 123 78 211 12, 18, 29 204 156 16, 22-23, 29 17, 19, 24-25 156 50-51, 78, 99 36 204 156 43, 196

Undervelier, JU Boncourt, JU Flühli, LU Samedan, GR Mesocco, TI Savièse, VS Saxon, VS Muotathal, SZ Scuol, GR Neuchâtel, NE

34-36, 47 37-38, 78, 92-94 44 156 156, 204 100-101, 142 204 66-67, 78, 98, 113 156, 176-181 78, 90-91, 182, 184-186

Seyon Sieben Brünnen Sieben Quellen Silberloch Soulce Sourde St-Moritz Tessin Theusseret Toleure Torrent Trient (glacier) Tschoetre Tüfels Chilen Tuffière Vals Vauseyon Verena Yverdon Zinal (glacier) Zurich (région)

Val-de-Ruz, NE Lenk, BE Engelberg, OW Pleigne, JU Soulce, JU Val-de-Travers, NE St-Moritz, GR Bedretto, TI Goumois, JU Bière, VD Val-de-Ruz, NE Trient, VS Conthey, VS Kullbrun, ZH Les Clées, VD Vals, GR Neuchâtel, NE Baden, ZH Yverdon-les-Bains, VD Zinal, VS Zurich, ZH

89 78, 211-213, 236 220 33 123 52-55 151, 156 12, 21, 28 63 78 91, 144, 239 209-210 87, 234 36 223 156, 204 89 42 81, 156, 158, 175 208 205

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Die Autoren

Rémy Wenger Grafikdesigner und Fotograf, Autor mehrerer Bücher über die unterirdischen Lebensräume. Mitarbeiter des SISKA seit dessen Gründung im Jahr 2000. Koordinator der von diesem Institut herausgegebenen hydrogeologischen Exkursionsführer. Als Eklektiker hat er auch eine Leidenschaft für sakrale Architektur, der er ein Buch gewidmet hat (Sanctuaires de France et de Suisse (Payot, 2017)). remy.wenger@isska.ch

Jean-Claude Lalou Seit mehr als einem halben Jahrhundert Höhlenforscher und Professor im Ruhestand, Präsident des Stiftungsrates des SISKA und Ehrenpräsident der Schweizerischen Speläologischen Gesellschaft (SSS). Liebhaber des Lesens und Schreibens. jean-claude@speleo.ch

Roman Hapka Absolvent der Human- und Sozialwissenschaften mit einem Master-Abschluss in leitender öffentlicher Verwaltung. Derzeit stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Ehemaliger stellvertretender Sekretär der International Union of Speleology und begeisterter Wanderer durch die Karstgebiete der Welt. r.hapka@sl-fp.ch

Michel Blant Doktor der Naturwissenschaften, Biologe und Mitarbeiter am SISKA auf den Gebieten der Paläontologie und der unterirdischen Biologie. Hat an mehreren Büchern über Säugetiere und unter- oder oberirdischen Lebensräumen mitgewirkt. michel.blant@isska.ch

Julie Steffen Biologin, spezialisiert auf das Studium der Gefäss- und Muskelvegetation, arbeitet in der angewandten Forschung im Bereich Pflanzenökologie an der Hochschule für Landschaft, Ingenieurwesen und Architektur (HEPIA) in Genf und hat an der Aktualisierung der Roten Liste der Moose der Schweiz mitgearbeitet. julie.steffen@hesge.ch

Christiane Tabord-Deillon Als Geobiologin bewertet sie Lebensräume, um sich für die Harmonie zwischen Lebensraum und Bewohnern einzusetzen. Ein Bedürfnis nach Übertragung animiert sie ebenfalls, und durch Energiewanderungen und künstlerische Projekte teilt sie ihr Gefühl für die subtile Welt mit. ctabord@bluewin.ch

Lukas Taxböck Studium der Biologie an der Universität Zürich. Nach seinem ersten Kontakt mit Kieselalgen, diesen filigranen und ästhetischen Einzellern, konnte er sich nicht mehr von ihnen lösen. Arbeitet als Gewässerbiologe für den Kanton St. Gallen und beurteilt die Wasserqualität anhand von Algen, Kieselalgen und Makrozoobenthos. Lukas.Taxboeck@sg.ch

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Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei Matthias Haupt für sein Vertrauen und seine Ermutigung bei der Erstellung dieses Buches. Unser Dank gilt auch den Institutionen, die dieses Buch und die dazugehörige Anwendung durch finanzielle Unterstützung ermöglicht haben. Schließlich sind wir dankbar für die vielen Unterstützungen, Ratschläge und Hilfen, die wir von den folgenden Personen erhalten haben: Patrice Allanfranchini | Bastien Amez-Droz (Pro Natura) | Thierry Arnet (BIOTEC, Biologie appliquée SA, Delémont) | Franz Auf der Maur (Arbeitsgemeinschaft Höllochforschung AGH) | Robert-Alain Ballmer (Lion’s Club La Chaux-de-Fonds) | Marc Beltrami | Denis Blant (SISKA) | Florence Boesch (RWB Jura SA) | Régis Borruat (Naturpark Doubs) | Gilberto Bossi (Cannegio) | Frédéric Bossy | Jean-Claude Bouvier |Arniko Böke | Hubert Caloz | Vincent Callet-Monin (Museum für Kunst und Geschichte Neuenburg) | Didier Cardis (Bureau d’Etudes Géologiques) | Danièle Cohen |Emmanuel Comtesse (Büro NATURA) | Marie-Claire Crelier (SL-FP) | Pauline de Coulon (Naturpark Doubs) | Christian de Reynier (Office du Patrimoine et de l’Archéologie, Canton de Neuchâtel) | Patrick Deriaz (Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung) | Beatrice Dettli-Greter | Cédric Dubois (Thermalbad Val-d’Illiez) | Antoine Ducommun | Fabrice Ducrest (Association du Mandement de Bex) | Urs Eichenberger (SISKA) | Jérôme Damien Evéquoz | Gérald Favre (Géologos SA) | Matthias Flück (Römische Stätte und Museum von Avenches) | Romain Fuerst (Naturpark Chasseral) | François Gainon | Maxime di Gianpietro (Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung) | Stéphane Girardin (Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung) | Cédric Grezet (Augst – Augusta Raurica) | Pier Hänni (Autor des Buches Quellen der Kraft) | Philipp Häuselmann (SISKA) | Jonathan Jaussi (SL-FP) | Marc Hessenauer (MFR Géologie-Géotechnique) | Margrit Hohl (SGH-Lenzburg) | Judith Huppi (SL-FP) | Matthias Huss | Pierre-Yves Jeannin (SISKA) | Martine Joye Hapka (Spéléo Club des Préalpes Fribourgeoises) | Jean-Marc Jutzet (Spéléo Club des Préalpes Fribourgeoises) | Thomas Kiebacher (Nationales Daten- und Informationszentrum der Schweizer Moose) | Sybille Kilchmann (Bundesamt für Umwelt, Sektion Gewässerschutz) | Daniel Küry (Universität Basel) | Verena Lubini | Marc Luetscher (SISKA) | Stephan Lussi (Bundesamt für Umwelt, Ökologische Infrastruktur) | Kiki Lutz (Museum des Hôtel-Dieu, Pruntrut) | Benoit Magnin (Bundesamt für Umwelt, Sektion Landschaftsmanagement) | Arnauld Malard (SISKA) | Sandro Marcacci | Martin Maron (Flims Electric AG) | Marzia Mattei-Roesli | Cécile Matthey (Römische Stätte und Museum von Avenches) | Carole Mettler (SISKA) | Pierre Meury (Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung) | Christophe Meyer (Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung) | Kathrin Mischol | Pascal Moeschler (Naturhistorisches Museum Genf) | Rafael Molina (Naturpark Doubs) | Miryam Mosimann Lalou | Alexandre Oricchio | Colin Pelletier (SISKA) | Jean Perrenoud (L’écriture en chemin) | Peter Pfister | Stephanie Pfister (SL-FP) | Claire Piguet (Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Kanton Neuenburg) | Patrice Prunier (HEPIA) | Jürg Pulfer (Arbeitsgemeinschaft Höllochforschung AGH) | Rémy Rochat | Raimund Rodewald (SL-FP) | Abbé Olivier Roduit (Abtei St-Maurice) | Amélie Savioz (Service de l’eau de la Ville de Lausanne) | Ludovic Savoy | Beat Von Scarpatteti (Quellen-Projekt Binnigen) | Daniel Schmutz (Sammlung AGNH Sissach) | Norbert Schnyder (Nationales Daten- und Informationszentrum der Schweizer Moose) | Domenico Siriani | Mario Spagnoletti | Hugo Steffen | Roland Stettler | François Straub (PhytoEco) | Pascal Stucki (AQUABUG) | Hans Stuenzi | Pierre-Yves Thévoz (Spéléo-Club du Nord vaudois) | Markus Thommen (Bundesamt für Umwelt, Sektion Landschaftsmanagement) | Pascal Tissier | Sébastien Toth (SISKA) | Jean-Pierre Tripet | Martin Trüssel (NeKO-Stiftung, Naturerbe Karst und Höhle Obwalden) | Jörg Uttinger | Bernard Vauthier | Fabien Vogelsberger (Naturpark Chasseral) | Denis Vuilleumier | Nicole Wächter | Corinne Wacker (FHNW School of Life Sciences Basel, Ecomusée de Noiraigue) | Eric Weber (SISKA) | Bernard Weissbrodt (Aqueduc Info) | Yvo Weidmann (Schweizerische Gesellschaft für Höhlenforschung) | Ingrid Wenger | Mathieu Wenger (ValTV) | Suzanne Wenger | Walter Wildi (Ehemaliger Präsident der Eidgenössische geologische Fachkommission) ... Und wahrscheinlich noch ein paar andere Personen, an die dieser Dank natürlich auch gerichtet ist!



GOTTHARD Das Wasserschloss Europas | MYTHEN UND LEGENDEN Geheimnisvolle Quellen | TAUCHGANG UNTER DIE ERDE Quellenforscher HYDROGEOLOGIE Grundwasser | HOCHWASSER UND NIEDRIGWASSER Das Abflussregime der Quellen | DISKRETE BIOTOPE Quellen des Lebens BÄDERKULTUR Wohltuende Quellen | INDUSTRIEN AM WASSER Quellen bei der Arbeit | WASSER ZUM TRINKEN Mineralwasser oder Kommunalwasser? VERSCHMUTZUNG UND TROCKENPERIODEN Quellen in Gefahr | EMOTION Quellen des Glücks

QUELLEN DER SCHWEIZ

N AT U R S C H AU PL ÄT Z E I M WA S S E R S C H LO S S EU R O PA S Eine Quelle ist die Schnittstelle zwischen der düsteren, unsichtbaren, mysteriösen Unterwelt und der hellen Aussenwelt, an der die Flüsse das Tor zum Lebensraum öffnen. Quellen sind erinnerungsträchtige Orte, die uns mit ihren Legenden, Aberglauben und Anekdoten faszinieren und in ihren Bann ziehen. Der Mensch hat in der Umgebung mancher Quellen Industrieanlagen oder Thermalbäder eingerichtet, die mit ihrem Wasser betrieben werden. Das Gotthardmassiv ist das Wasserschloss Europas; in ihm haben mehrere grosse Flüsse ihren Ursprung, die den Kontinent bewässern und in vier verschiedene Meere münden. An vielen anderen Orten in der ganzen Schweiz finden wir weitere spektakuläre oder auch bescheidenere Quellen. Das Grundwasser kann recht eigenwillige unterirdische Wege nehmen, bevor es in den Quellen zutage tritt. Diese Wege zu kennen und zu verstehen, trägt zum Schutz der Trinkwasserqualität bei. Quellen stellen auch diskrete und wertvolle Biotope dar, die für den Beobachter erstaunliche Überraschungen bereithalten. Die grosse Anzahl dieser Biotope darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele von ihnen unter dem Druck der Raumplanung und der landwirtschaftlichen Bedürfnisse vom Verschwinden bedroht sind. In der Symbolik bedeutet die Quelle eine Wiedergeburt, eine Erscheinung, eine Offenbarung: Sie spendet Wasser, die Essenz des Lebens. Das macht sie zu einem idealen Ort der Selbstbesinnung, der kontemplativen Betrachtung der Natur und ihrer Geheimnisse.

QUELLEN DER SCHWEIZ ist kein Gesamtverzeichnis der Schweizer Quellen. Eine

solche Bestandsaufnahme wäre zweifelsohne nicht nur langweilig, sondern sicherlich auch unvollständig angesichts der grossen Anzahl an Quellen! Dieses Buch bietet einen Streifzug zu den bemerkenswertesten unter ihnen und somit eine originelle und faszinierende Reise durch die Schweiz.

ISBN 978-3-258-08167-0


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