Flora des Kantons Zürich

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Zürcherische Botanische Gesellschaft

FLORA DES KANTONS ZÜRICH



Zürcherische Botanische Gesellschaft Thomas Wohlgemuth, Corina Del Fabbro, Andreas Keel, Michael Kessler, Michael Nobis (Hrsg.)

FLORA DES KANTONS ZÜRICH

Haupt Verlag


Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt. 1. Auflage: 2020 Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie verzeichnet. Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://dnb.dnb.de. ISBN 978-3-258-08070-3 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2020 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Umschlag, Layout und grafisches Konzept: pooldesign, Zürich Verbreitungskarten: Alex Bernhard Printed in Germany Zitiervorschlag: Wohlgemuth T., Del Fabbro C., Keel A., Kessler M., Nobis M. (Hrsg.) (2020) Flora des Kantons Zürich. Zürcherische Botanische Gesellschaft, Haupt Verlag, Bern. Wünschen Sie regelmässig Informationen über unsere neuen Titel im Bereich Garten und Natur? Möchten Sie uns zu einem Buch ein Feedback geben? Haben Sie Anregungen für unser Programm? Dann besuchen Sie uns im Internet auf www.haupt.ch. Dort finden Sie aktuelle Informationen zu unseren Neuerscheinungen und können unseren Newsletter abonnieren.


Inhaltverzeichnis

Vorwort Martin Neukom Vorwort Stefan Eggenberg Organisation und Dank

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Einführung

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200 Jahre Flora

100

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5.1 5.2

100

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5.3 5.4 5.5 5.6

Die Flora heute Wandel der Flora seit 1900: Welche Arten haben zu- oder abgenommen? Ausgestorbene oder verschollene Arten Neu hinzugekommene Arten Neophyten und Archäophyten Fazit

6

Schutz der Flora

6.1

Strategien und Wertesetzung im Naturschutz Rückblick sowie rechtliche und wissenschaftliche Grundlagen Schutz, Erhaltung und Förderung der Lebensraum- und Artenvielfalt Beispiele von Arten- und Biotopschutzkonzepten Auswirkung des Naturschutzes auf die Flora im Kanton Siedlungsgebiete als Ersatzbiotope für gefährdete Arten? Flora des Kantons Zürich: Eine neue Grundlage für den Naturschutz

7 8

2

Der Naturraum des Kantons

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2.1 2.2

Geologie Geomorphologie, Topografie und Landschaft Klima Böden Vegetationsgeschichte des Kantons Landnutzung Vegetation

17

2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Geschichte der botanischen Erkundung des Kantons Das Belegen von Pflanzenfunden 1500 bis 1800: Anfänge der botanischen Erkundung der Zürcher Flora 1800 bis 1890: Systematische Erforschung der Pflanzendecke 1890 bis 1950: «Baumann-Manuskript» und regionale Floren 1950 bis heute: Artinventare und Florenvergleiche Florenwerke angrenzender Gebiete: 1800 bis heute

24 31 36 42 56 72

6.2 6.3 6.4

86 86 86 87

6.5 6.6 6.7

107 112 115 116 118

120

120 123 125 127 131 133 134

88

7 91

Auf 15 botanischen Exkursionen durch den Kanton

135

Erklärungen zu den Artsteckbriefen

151

91

8 4

Erfassung von Artvorkommen

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4.1 4.2 4.3

Eine neue, dynamische Flora Kartierungen 2011–2017 Aufarbeitung historischer Daten

95

8.1

95 97

8.2 8.3 8.4

Auswahl und Organisation der dargestellten Arten: Kernflora und Adventivflora Reihenfolge der dargestellten Arten Artsteckbriefe Artenlisten im Anhang

151 151 154 162


Artsteckbriefe

164

Anhang

1024

Nutzpflanzen Zierpflanzen Adventivarten Arten in der Nähe der Kantonsgrenze Die Herausgeber Bildnachweis Register

1026 1032 1041 1056 1058 1059 1078


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Vorwort Martin Neukom Der Kanton Zürich in Zahlen – das ist ein weites Feld. Nur schon ein Blick ins Statistische Jahrbuch erschliesst ein wahres Datenmeer. Nichts bleibt ungezählt: Privathaushalte, Erwerbstätige, Einbürgerungen, Ehescheidungen, Ärztinnen und Ärzte, Kircheneintritte und -austritte, die beliebtesten Vornamen, Logiernächte, Landwirtschaftsbetriebe, Motorfahrzeuge, Verkehrsunfälle, Verbrechen, Niederschlagsmengen, Steuereinnahmen, Abstimmende und Wählende … Daraus zu schliessen, die numerische Erfassung unseres Kantons sei vollständig, wäre allerdings verfehlt. Es gibt bedeutende Lücken, und zwar gerade dort, wo elementare Dinge betroffen sind wie die Pflanzen, welche den Sauerstoff produzieren, der unser Leben erst möglich macht. Zwar ist die botanische Forschung schon sehr alt und wurde nicht zuletzt von einem Zürcher mitgeprägt: Conrad Gessner mit seiner «Historia Plantarum» aus dem 16. Jahrhundert. Und seither wurde gerade an den Zürcher Hochschulen sehr viel ausgezeichnete botanische Forschung betrieben. Trotzdem gab es keine umfassende Übersicht der Zürcher Flora – bis heute! Die vorliegende «Flora des Kantons Zürich», kurz «FloZ», erscheint zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt. Die Lebensräume unserer Pflanzen durchlaufen einen grundlegenden Wandel. Die Klimaerwärmung, veränderte Landnutzungen und ein höherer Stickstoffeintrag beeinflussen die Zusammensetzung und die Häufigkeit von Pflanzenarten. Die FloZ bietet eine umfassende Übersicht zum aktuellen Zustand der Zürcher Flora und ihrer Entwicklung und damit eine sehr wertvolle Grundlage für gezielten Arten- und Biotopschutz. Sie liefert Daten, die für die Naturschutzarbeit essenziell sind. Dank diesen Daten sehen wir, wo wir in der Vergangenheit erfolgreich waren und artenreiche Biotope erhalten werden konnten. Wir sehen aber auch den grossen Handlungsbedarf, und dass wir unsere Bemühungen zugunsten der Biodiversität verstärken müssen. Die Erhaltung der Vielfalt von Arten, Lebensräumen und Genen sichert uns und kommenden Generationen ein unwiederbringliches Reservoir. Gerade unter den

Voraussetzungen des Klimawandels ist dieses Kapital für den Menschen von vitaler Bedeutung. Zu den Vorzügen der FloZ gehört nicht zuletzt, dass sie neben dem rein wissenschaftlichen Wert auch eine hohe ästhetische Qualität bietet. Und genau darum geht es doch, wenn wir an unsere Pflanzenwelt denken: um unsere emotionale Berührtheit durch Blumen, Farben, Formen und Düfte. In unserer immer städtischeren und technisierteren Welt brauchen wir die Natur dringend zum Ausgleich und als Erholungsraum. Sie ist heute auch ein Pfeiler der hohen Standortattraktivität des Kantons Zürich. Die Schönheit unserer Pflanzenwelt wird auch die über 200 Ehrenamtlichen zusätzlich motiviert haben, welche die Vorkommen kartiert, die Pflanzen fotografiert und die historischen Daten aufgearbeitet haben. Von jeher lebt der Naturschutz zu einem grossen Teil von Freiwilligenarbeit, und das gilt nun auch für die FloZ. Ohne den Beitrag der «Citizen Science» hätte dieses Projekt nie realisiert werden können. Es wäre auch nicht möglich geworden, dass die Gelder des Lotteriefonds, mit denen der Kanton das Projekt massgeblich unterstützt hat, vervielfacht wurden. Der Fortbestand des Werks ist gesichert, denn unter floz.zbg.ch kann das internetgewohnte Publikum die Dynamik der Flora bis weit in die Zukunft mitverfolgen. Ich danke allen, die an diesem wegweisenden Projekt mitgearbeitet haben und gratuliere ihnen herzlich zu seinem erfolgreichen Abschluss! Regierungsrat Martin Neukom Baudirektor Kanton Zürich


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Vorwort Stefan Eggenberg Als 1982 der Verbreitungsatlas der Schweizer Flora publiziert wurde, schrieb der langjährige Projektleiter Max Welten, dass «die Erforschung der Verbreitung von allen wild wachsenden Pflanzenarten die Kraft und Lebensdauer eines Einzelnen übersteigt». Das galt schon damals bei der insgesamt 12-jährigen Kartierzeit für den Verbreitungsatlas, und das gilt heute erst recht. Das Beispiel des vorliegenden «Zürcheratlas» zeigt einen verblüffend ähnlichen Werdegang wie jener des schweizerischen Verbreitungsatlas von 1982. Bei beiden Vorhaben gab es schon Anläufe im frühen 20. Jahrhundert. Aber sie wurden zunächst getragen von Einzelpersonen, die rasch realisieren mussten, dass sie wohl nie alleine und innert nützlicher Frist eine Übersicht über ein grösseres Gebiet erreichen würden. Erst in der Gemeinschaftsarbeit konnten solche Atlaswerke grösserer Räume schliesslich verwirklicht werden. Was heute neudeutsch «Citizen Science» genannt wird, wurde in der Floristik seit den 1960er-Jahren vorgelebt und ist heute erst recht ein Erfolgsrezept. Im Projekt der Zürcherischen Botanischen Gesellschaft, ich konnte dies selber an einzelnen Kartiertagen miterleben, wurden die Vorteile besonders deutlich: In der Gemeinschaftsarbeit schreitet nicht nur das Projekt spürbar voran, sondern die geteilte Freude an der Feldbotanik ist doppelte Freude. Es war begeisternd, wie Botanikerinnen und Botaniker sich gegenseitig motiviert, ja angestachelt, sich ausgetauscht und ausgeholfen haben. An sogenannten «FloZ-Camps» wurde Gefundenes und Fragliches gezeigt, debattiert und gemeinsam zugeordnet. Erfahrung, Wissen und Erlebnisse wurden ausgetauscht und wohl alle haben dabei sehr viel dazugelernt. Das Grossartigste aber ist das Resultat selbst. Es ist eine Momentaufnahme einer grossen Regionalflora, die über die Kantonsgrenzen hinaus bedeutsam ist. Zürich ist ein Hochschulstandort mit umfangreichen Herbarien und mit einer langen Tradition in der Feldbotanik, die schon früh, ausgehend von der Naturforschenden Gesellschaft, in weite Bevölkerungskreise

hinausgetragen wurde. Aus der gesamtschweizerischen Sichtweise von Info Flora hat der Kanton Zürich eine herausragende Bedeutung, denn hier sind besonders viele Vorkommen zu Pflanzen in Raum und Zeit dokumentiert. Und das Zürcher Florenprojekt hat daraus in vorbildlicher Weise geschöpft: Nicht nur die Feldarbeit der zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitenden ist ins Resultat eingeflossen, sondern ebenso die Sucharbeit in den verborgenen Schätzen der Herbarien. Basierend auf diesen räumlich und zeitlich intensiv abgedeckten Funddaten wurde bisher wohl kaum je so vortrefflich vor Augen geführt, wie sich die Flora in Raum und Zeit verändert. Das sind wichtige Grundlagen für die Forschung und den Naturschutz, und sie zeigen auf, wo menschliches Handeln zerstört, aber auch bewahrt hat. Sie zeigen die vergangene Entwicklung und den aktuellen Zustand und geben damit Ideen und Anstösse für die zukünftige Gestaltung. Stefan Eggenberg Direktor Info Flora




Artsteckbriefe


CYSTOPTERIDACEAE

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Cystopteris alpina (Lam.) Desv. Alpen-Blasenfarn Mehrjährig. Blätter 5–20 cm lang, die Nerven der Fiederchen enden in den Buchten der Zipfel. Sori und Schleier wie bei C. fragilis. Sporenbildung VII–VIII. Kommt in Kalkgeröll und auf Kalkfelsen vor. Subalpin-alpin. Eurosibirische Art. In der Schweiz in den Alpen, am Alpenrand und im Jura (nördlich des Chasserals) heimisch. Von dieser alpinen Art waren im Kanton je eine Population in den 1920er-Jahren in Regensdorf und in Wädenswil von 1931–1958 bekannt. Aktuell scheint die Art im Kanton ausgestorben zu sein, auch wenn sie im Höhronengebiet in der Nähe der Kantonsgrenze wächst und somit auch im Kanton noch vorkommen könnte. Ausgestorben/verschollen. Ökologie Die Arten der Gattung Cystopteris bilden an ihren Blättern gelegentlich Regenerationsknospen. Dabei handelt es sich um kleine Knöllchen. Sterben die Blätter ab und fallen sie an den Boden, können die Regenerationsknospen dort direkt auswachsen. Auf diese Weise können sich die Farne auch bei ungünstigen Standortbedingungen fortpflanzen. MK

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Cystopteris montana (Lam.) Desv. Berg-Blasenfarn Mehrjährig. Blätter 10–40 cm lang, Spreite 3-eckig-eiförmig, etwa gleich lang wie breit, 3-4-fach gefiedert. Sporenbildung VII–VIII. Kommt in schattigen Wäldern und an Kalkfelsen vor. Montan-subalpin(-alpin). Eurosibirischnordamerikanische Art. In der Schweiz wächst sie in den Alpen und im direkt angrenzenden Mittelland sowie im Jura. Der Berg-Blasenfarn ist im Kanton im Tössbergland, unterhalb des Dürrspitzes, neu gefunden worden. Ansonsten sind nur historische Belege am Höhronen und im Schnebelhorngebiet bekannt. Weitere aktuelle Belege sind auf St.Galler Boden im Tössbergland und auf der Schwyzer Seite des Höhronen. Sehr selten. !

Morphologie Auch wenn der Berg-Blasenfarn mit den anderen Blasenfarn-Arten verwandt ist, so wird er aufgrund der dreieckigen Spreitenform und des drüsigen Blattstiels am ehesten mit dem Eichen- und Ruprechtsfarn verwechselt. Der Berg-Blasenfarn hat jedoch deutlich dickere Blätter, die 3–4-fach gefiedert sind; bei den beiden anderen Arten sind die Blätter flach und dünn und nur 2–3-fach gefiedert. MK

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CYSTOPTERIDACEAE

Gymnocarpium dryopteris (L.) Newman Eichenfarn Mehrjährig. Blätter 10–45 cm lang, 3-eckig, lebhaft grün, 2-fach gefiedert, unterste Fiedern fast so gross wie die restliche Spreite. Ganze Pflanze kahl. Sporenbildung VI–IX. In kalkarmen Wäldern und Blockschutthalden. Montan-subalpin. Eurosibirisch-nordamerikanische Art. In der ganzen Schweiz verbreitet. Im Kanton kommt der Eichenfarn in 13 % der Flächen vor. Die Bestände befinden sich vorwiegend in höheren Lagen (Albis, Tössbergland) und umfassen immer nur wenige Exemplare. Von einer Abnahme ist jedoch nicht auszugehen, da Rikli schon 1912 die Vorkommen der Art als «sehr zerstreut» bezeichnete. Selten. Bedeutung Pflanzenname

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Der Gattungsname Gymnocarpium (gr. gymnos = nackt; lat. carpium = Frucht) bezieht sich auf das Fehlen von Schutzhüllen (Indusien) um die Sporengruppen (Sori), wie sie beispielsweise bei den Blasenfarnen vorkommen und auch im Namen erwähnt werden (die Indusien sind blasenförmig). Selbstverständlich ist der Name botanisch inkorrekt, da in den Sori keine Früchte, sondern Sporen gebildet werden. MK

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Gymnocarpium robertianum (Hoffm.) Newman

Ruprechtsfarn

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Ähnlich wie G. dryopteris, aber Pflanze dunkelgrün, fein drüsig, unterste Fiedern viel kleiner als der Rest der Spreite. Sporenbildung VI–IX. Kommt auf Kalkblockschutt und in steinigen Wäldern vor. (Kollin-)montan-subalpin. Eurosibirisch-nordamerikanische Art. In der ganzen Schweiz verbreitet. Der Ruprechtsfarn ist im Kanton vor allem auf die höheren Lagen beschränkt, wo er in 15 % der Flächen nachgewiesen worden ist. Diese Verbreitung stimmt gut mit Beschreibungen von Rikli aus 1912 überein, sodass von stabilen Populationen gesprochen werden kann. Die Nachweise aus dem Stadtbereich gehen auf Gartenflüchtlinge zurück. Selten.

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Ökologie Der Ruprechtsfarn kommt auf relativ trockenen Standorten vor. Anpassungen an Trockenheit sind in den dicken Rhizomen und Blättern zu finden sowie in den Drüsen. Letztere entlassen ätherische Öle, die nahe der Blattoberfläche eine Schutzhülle bilden und so die Verdunstung verringern. Ähnliches ist auch von Blütenpflanzen bekannt, z. B. bei den Lippenblütlern. MK


PINACEAE

Picea abies (L.) H. Karst. Fichte Flachwurzelnder, bis zu 50 m hoher Baum mit spitzen Nadeln. Zapfen hängend, als Ganzes abfallend. Blüht V–VI. Bevorzugt saure Böden mit Rohhumusauflage. (Kollin-)montan-subalpin. Von den Alpen und dem Balkan bis in den Fernen Osten heimisch. In der Schweiz hauptsächlich im Gebirge ursprünglich. Im Kanton ist die Fichte der häufigste Waldbaum mit Vorkommen auf praktisch allen Flächen. Da sie seit Langem häufig angebaut wird und sich verjüngt, ist ihre ursprüngliche Verbreitung nur aus der Pollenanalyse zu erschliessen. Sehr häufig. Volksnamen Der Name «Fichte» ist in Schweizer Dialekten kaum bekannt. Oft meint der Name «Tann(e)» Picea oder Abies. Wenn unterschieden wird, wird die Fichte wegen der meist rötlichbraunen Rinde «Rottann(e)» genannt. Im Standardwerk für deutsche Pflanzennamen nimmt die Aufzählung der Mundartnamen für Tannenzapfen neun Seiten ein. Beispiele aus der Schweiz sind: Tannchue, Schäfli, Bäli, Chürli, Mor, Bibeli, Tanngüggeli, Bickle, Tannebiir, Tannrügeli. Sie beziehen sich oft auf heute kaum noch bekannte Kinderspiele, in denen die Zapfen Tiere darstellen. EU

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Larix decidua Mill. Europäische Lärche Bis zu 50 m hoher, sommergrüner Baum mit zerklüfteter Borke. Nadeln hellgrün, an Lang- und Kurztrieben sitzend, an diesen zu 20–40 Stück gebüschelt. Reife Zapfen eiförmig, 2–4 cm lang. Blüht V–VI. Wälder. Subalpin. Verbreitet von den Westalpen und den Karpaten bis zur Ostsee, auch in Asien. In der Schweiz ursprünglich eine Gebirgspflanze. Im Kanton ist die Lärche nicht ursprünglich, doch wird sie schon seit 1737 angepflanzt. Trotz weiter Verbreitung in Wäldern und Parkanlagen (87 % der Flächen) verwildert sie kaum. Zu einem kleinen Teil handelt es sich bei den gepflanzten Bäumen um die japanische Larix kaempferi, die sich auch mit der einheimischen Art kreuzt. Die Bastarde sind schwer zu erkennen. Verbreitet. Bedeutung Pflanzenname Der wissenschaftliche Name Larix bezeichnete im alten Rom aus Holz gewonnenen Teer. Aus dem gleichen Wortstamm stammt wohl «Lertsch» für Lärchenharz und der deutsche Name des Baumes. decidua kann übersetzt werden mit «die mit den abfallenden Nadeln». EU

192


193

PINACEAE

Pinus sylvestris L. Wald-Föhre Bis zu 40 m hoher Baum, mit zumindest in der Krone rostroter Rinde. Nadeln paarweise an Kurztrieben, auf der Innenseite bläulich-grün. Reife Zapfen 2,5–6 cm lang, hängend. Blüht V. Oft Pionierbaum auf mageren Böden in Wäldern, auf Felsen und Alluvionen. Kollin-subalpin. Verbreitet im eurosibirischen Raum. In der ganzen Schweiz vorkommend. Im Kanton Zürich wurde die Waldföhre in fast allen Flächen gefunden. Sie wird seit Langem angepflanzt und steht auch an Orten, wo sie ohne Förderung von raschwüchsigen Laubbäumen überwachsen würde. Naturnahe Föhrenwälder finden sich an kleinflächigen Sonderstandorten und sind ökologisch besonders wertvoll (z. B. die Pfeifengras-Föhrenwälder an wechseltrockenen Hängen der Albiskette). Häufig. Ökologie

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Im Frühling gelangen mit dem Wind Pollenkörner zu den weiblichen Blüten. Die Befruchtung findet aber erst im folgenden Jahr statt. Im dritten Jahr werden dann die geflügelten Samen entlassen und wiederum vom Wind verfrachtet. EU

Pinus nigra J. F. Arnold Schwarz-Föhre Bis zu 35 m hoher Baum mit schwärzlicher Rinde. Nadeln paarweise an Kurztrieben, 7–17 cm lang, derb, beidseits dunkelgrün. Reife Zapfen mit dunklem Nabel auf den Schuppenschildern. Blüht V–VI. Kollin-montan. Neophyt; aus Felsensteppen aus Nordafrika, Südeuropa und Kleinasien. In der Schweiz nur angepflanzt. Im Kanton ist die Schwarzföhre unregelmässig verteilt, meist vereinzelt gepflanzt und auf 12 % der Flächen gefunden worden. Sie wird hier seit dem 19. Jh. als Forstbaum für trockene Böden verwendet. Spontane Verjüngung ist nicht bekannt. Selten. Symbolik Föhren gelten allgemein, weil sie auch im Winter grün sind, als Symbol für Ausdauer, Beständigkeit und Unsterblichkeit. Ihre Zapfen, vor allem jene der Pinie (Pinus pinea), wurden oft als Symbol für Fruchtbarkeit und Reichtum verwendet. EU


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CUPRESSACEAE

Thuja occidentalis L. Amerikanischer Lebensbaum Bis zu 20 m hoher, immergrüner Strauch oder Baum. Verzweigung der abgeflachten Triebe mehr oder weniger in der horizontalen Ebene. Blätter kreuzgegenständig, schuppenförmig; duften beim Reiben nach Äpfeln. Männliche Blüten winzig, weibliche Zapfen höchstens 1 cm lang. Sehr giftig. Blüht IV–V. Gedeiht auf nassen bis mittleren Böden. Neophyt; aus dem östlichen Nordamerika. In der Schweiz häufig gepflanzt. Im Kanton wird die Art oft strauchförmig in Hecken gezogen und in Form geschnitten. Sie ist auch als Baum in Parks anzutreffen, fruchtet reichlich und verwildert gelegentlich, besonders an Trockenmauern (in 14 % der Flächen notiert). Selten. Zierpflanze Schon im 16. Jh. wurde der Amerikanische Lebensbaum in Europa als Ziergehölz eingeführt. Inzwischen gibt es unzählige Gartenformen: Von normal aufrecht wachsenden über Zwergformen und bunte Sorten bis zu Jugendformen, die statt Schuppenblätter Nadeln tragen. Der typische Geruch stammt von ätherischen Ölen in den Öldrüsen der Blätter. Er hat wohl auch dazu beigetragen, dass diese Thuja-Art, obwohl giftig, so beliebt ist. EU

Juniperus communis L. !

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Echter Wacholder !

Bis über 3 m hoher, immergrüner, 2-häusiger Strauch. Einzige einheimische Gymnosperme mit stechenden Nadeln, diese zu dritt in einem Quirl. Weibliche Pflanzen mit 4–5 mm langen, beerenartigen, bläulich bereiften Zapfen. Mässig giftig. Blüht IV–V. Wächst auf mageren Böden an lichten Stellen. Kollin-montan(-subalpin). Von Nordamerika, Nordafrika und Europa bis nach Japan vorkommend. In der Schweiz fast überall verbreitet. Die Art ist im Kanton seit 2000 auf 21 % der Flächen nachgewiesen worden. Vor 1931 gab es zusätzliche Vorkommen in zahlreichen weiteren Flächen, vor allem im Bereich des Pfannenstiels und an der Lägern. Selten. !

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Gefährdung und Schutz Der Echte Wacholder gilt in der Schweiz als nicht gefährdet, in unserem Kanton hingegen ist ein starker Rückgang festzustellen. Die Ursache dafür ist, dass die Art Beschattung schlecht erträgt und in den früher viel lichteren Wäldern verschwindet. Der gesetzliche Schutz (Kantonale Verordnung über den Pflanzenschutz von 1964: Verbot, mehr als fünf fruchttragende Zweige abzuschneiden) hilft nicht. EU


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CUPRESSACEAE

Thuja occidentalis L. Amerikanischer Lebensbaum Bis zu 20 m hoher, immergrüner Strauch oder Baum. Verzweigung der abgeflachten Triebe mehr oder weniger in der horizontalen Ebene. Blätter kreuzgegenständig, schuppenförmig; duften beim Reiben nach Äpfeln. Männliche Blüten winzig, weibliche Zapfen höchstens 1 cm lang. Sehr giftig. Blüht IV–V. Gedeiht auf nassen bis mittleren Böden. Neophyt; aus dem östlichen Nordamerika. In der Schweiz häufig gepflanzt. Im Kanton wird die Art oft strauchförmig in Hecken gezogen und in Form geschnitten. Sie ist auch als Baum in Parks anzutreffen, fruchtet reichlich und verwildert gelegentlich, besonders an Trockenmauern (in 14 % der Flächen notiert). Selten. Zierpflanze Schon im 16. Jh. wurde der Amerikanische Lebensbaum in Europa als Ziergehölz eingeführt. Inzwischen gibt es unzählige Gartenformen: Von normal aufrecht wachsenden über Zwergformen und bunte Sorten bis zu Jugendformen, die statt Schuppenblätter Nadeln tragen. Der typische Geruch stammt von ätherischen Ölen in den Öldrüsen der Blätter. Er hat wohl auch dazu beigetragen, dass diese Thuja-Art, obwohl giftig, so beliebt ist. EU

Juniperus communis L. !

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Echter Wacholder !

Bis über 3 m hoher, immergrüner, 2-häusiger Strauch. Einzige einheimische Gymnosperme mit stechenden Nadeln, diese zu dritt in einem Quirl. Weibliche Pflanzen mit 4–5 mm langen, beerenartigen, bläulich bereiften Zapfen. Mässig giftig. Blüht IV–V. Wächst auf mageren Böden an lichten Stellen. Kollin-montan(-subalpin). Von Nordamerika, Nordafrika und Europa bis nach Japan vorkommend. In der Schweiz fast überall verbreitet. Die Art ist im Kanton seit 2000 auf 21 % der Flächen nachgewiesen worden. Vor 1931 gab es zusätzliche Vorkommen in zahlreichen weiteren Flächen, vor allem im Bereich des Pfannenstiels und an der Lägern. Selten. !

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Gefährdung und Schutz Der Echte Wacholder gilt in der Schweiz als nicht gefährdet, in unserem Kanton hingegen ist ein starker Rückgang festzustellen. Die Ursache dafür ist, dass die Art Beschattung schlecht erträgt und in den früher viel lichteren Wäldern verschwindet. Der gesetzliche Schutz (Kantonale Verordnung über den Pflanzenschutz von 1964: Verbot, mehr als fünf fruchttragende Zweige abzuschneiden) hilft nicht. EU


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TAXACEAE/NYMPHAEACEAE

Taxus baccata L. Eibe Bis zu 20 m hoher, 2-häusiger Baum mit rotbrauner Borke. Zweige noch im zweiten Jahr grün. Nadeln zugespitzt, oberseits dunkel-, unterseits hellgrün. Samen von rotem Samenmantel umgeben. Sehr giftig. Blüht III–IV. Vor allem auf lehmigen Böden an schattigen Steilhängen. Kollin-montan. Verbreitet von den Azoren bis zum Kaspischen Meer, von Nordafrika bis nach Süd-Skandinavien. In der Schweiz fast überall heimisch. Im Kanton kommt die Eibe mit grösseren Lücken im Norden in über 70 % der Flächen vor. Die Baumart ist teilweise geschützt, ihr Bestand gefährdet, da sie sich infolge des Wildverbisses kaum verjüngen kann. Ein kantonales Förderprogramm soll dem entgegenwirken. Verbreitet. Toxikologie

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Die Eibe ist wegen eines Alkaloidgemisches (Taxin) stark giftig. Nur der süsse, rote Samenmantel enthält kein Gift und kann gegessen werden, falls der Same ausgespuckt wird. Dieser dient aber einigen Vögeln und Nagern als Nahrung. Für Haustiere (insbesondere Pferde) sind Eibennadeln rasch tödlich. Rehe hingegen fressen sie ohne Schaden zu nehmen. EU

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Nymphaea alba L. !

Weisse Seerose !

Mehrjährige Wasserpflanze mit rundlichen, tief herzförmigen Schwimmblättern. Zum Blattrand hin Blattnerven mit Querverbindungen (anders als bei der Gattung Nuphar). Blütendurchmesser bis 9 cm. Kelchblätter 4, aussen grün, innen weiss. Kronblätter zahlreich, weiss, gegen die Blütenmitte allmählich in die sehr zahlreichen gelben Staubblätter übergehend. Mässig giftig. Blüht VI–VIII. Gedeiht in stehenden bis 3 m tiefen Gewässern. Kollin(-montan). Europäisch-nordafrikanisch. In der Schweiz im Mittelland verbreitet, sonst nur vereinzelt. Im Kanton kommt die Art heute in rund einem Drittel aller Flächen vor, fehlt im Tösstal aber weitgehend. Sie ist seit 1900 zurückgegangen, da Flächen aus dem 20 Jh. oft nicht mehr bestätigt werden konnten. Selten. !

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Gefährdung und Schutz Da die Art seit Langem als Zierpflanze in Weihern und Seen ausgebracht wurde, lassen sich ursprüngliche und eingebürgerte Vorkommen nicht mehr unterscheiden. Die Art ist nicht bedroht, doch besteht die Gefahr der Hybridisierung mit aussereuropäischen Arten. Blüten von Bastarden sind oft nicht reinweiss. RR


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NYMPHAEACEAE

Nuphar lutea (L.) Sm. Grosse Teichrose Mehrjährige Wasserpflanze. Schwimmblätter 10–30 cm lang, oval, tief herzförmig. Tauchblätter stets vorhanden. Blüten an Wasseroberfläche, 3–5 cm Durchmesser. 5 gelbgrüne, kelchartige Blumenblätter mit zahlreichen Honig- und Staubblättern. Mässig giftig. Blüht VI–VIII. Fast nur in stehendem oder schwach fliessendem Wasser, z. B. im Ausfluss von Seen. Kollin-montan. Eurasiatisch-nordafrikanische Verbreitung. In der Schweiz in Mittelland und Jura verbreitet, in den Voralpen vereinzelt. Im Kanton ist die Art ab 2000 in 13 % der Flächen nachgewiesen, zur Hauptsache im Bereich der grösseren Sumpf- und Moorgebiete. Im Tösstal fehlt sie, ebenso in der Region Winterthur. Um 1900 war sie ähnlich verbreitet, ist seither aber an verschiedenen Orten verschwunden. Selten. !

Morphologie Zwischen der Grossen Teichrose und der Kleinen Teichrose (N. pumila) gibt es Zwischenformen, die als Bastarde aufgefasst werden. Die Unterscheidung von Nuphar lutea und N. pumila ist nur anhand von Blüten möglich, da Blattmerkmale zu stark variieren. RR

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Nuphar pumila (Timm) DC. Kleine Teichrose Ähnlich wie N. lutea, aber Blätter nur 5–15 cm lang, Blüten im Durchmesser nur 2–3 cm, gelb, aussen oft grün. Narbenscheibe 6–8,5 mm gross, am Rande sternförmig gezähnt, da 7–12 Narbenstrahlen diesen erreichen (anders als bei N. lutea). Mässig giftig. Blüht VII–VIII. Wächst in stehenden, nährstoffarmen, kühlen und meist sauren Gewässern über Torf- oder Teichschlamm mit kühlem Lokalklima, in der Nähe von Hochmooren oder in Bergregionen. (Kollin-) montan(-subalpin). Eurosibirische Verbreitung. In der Schweiz vereinzelt in den Kantonen Freiburg, St. Gallen, Zug und Zürich. Um 1900 wurde die Art im Kanton in drei Flächen im Raum Bubikon nachgewiesen. Hier wächst sie auch heute noch, ist aber im Hütten-, Lützel- und Egelsee ausgestorben. Weitere aktuelle Funde gehen auf Anpflanzungen zurück. Selten. !

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Gefährdung und Schutz Als späteiszeitliches Relikt kommt die Kleine Teichrose nur in Gebieten vor, die in der letzten Eiszeit vergletschert waren. Sie wurde in den vergangenen Jahren durch die Fachstelle für Naturschutz gefördert und mehrfach im Verbreitungsgebiet ausgebracht. RR


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MELANTHIACEAE

Paris quadrifolia L. Vierblättrige Einbeere Mehrjährig, 15–30 cm hoch. Stängel mit einem Quirl von meist 4 netznervigen Blättern, in deren Mitte auf dünnem Stiel die endständige grüne Blüte sitzt. Frucht ist eine schwarzblaue Beere. Sehr giftig. Blüht IV–V. In Wäldern auf frischen bis feuchten Böden. Kollin-montan(-subalpin). Verbreitet im eurasiatischen Raum. In der ganzen Schweiz vorkommend. Im Kanton wächst die Art in 87 % der Flächen. Meldungen aus dem 19. und 20. Jh. sind relativ spärlich. Es ist aber anzunehmen, dass sich an der Verbreitung der Art wenig geändert hat. Häufig. Toxikologie Die ganze Pflanze ist giftig. Ihr Verzehr kann zu Brechreiz und Magenkrämpfen bis hin zum Tod durch Atemlähmung führen. Da die Frucht der Heidelbeere ähnelt, besteht die Gefahr, dass insbesondere Kinder die beiden verwechseln. In früheren Jahrhunderten wurde die Einbeere teils als berauschende Droge oder Heilmittel betrachtet. Heute erwähnen sie viele Heilpflanzenbücher nicht mehr. Für Tiere ist die Einbeere ebenfalls giftig, für Fische und Gliedertiere sogar tödlich. JBu

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Veratrum album L. Gemeiner Germer Mehrjährig, 60–150 cm hoch. Blätter oval, bis 20 cm lang. Perigonblätter bleichgrün, 10–20 mm lang. Sehr giftig. Blüht VII. Kommt in Wiesen und Weiden, Hochstaudenfluren und Lägerstellen vor. Montan-alpin. Verbreitet im eurosibirischen Raum. In der Schweiz in den Alpen, im Mittelland, in Alpennähe und im Jura (nördlich bis Jura und Solothurn) zu finden. Die Art ist im Kanton in 12 % der Flächen in den Gebieten Albis/Höhronen und im Oberland zu finden, meist oberhalb von 600 m. An tiefergelegenen Orten (z. B. Kämptnerbach bei Wetzikon, Rüti) wurde sie meist durch Bäche heruntergeschwemmt oder wächst in Mooren (z. B. Hausen a. A.). Um 1900 war die Art dichter verbreitet. Selten. !

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Toxikologie Der Gemeine Germer enthält starke Nervengifte. Er kann mit dem Gelben Enzian, dessen Rhizome für die Herstellung von Enzianschnaps verwendet werden, verwechselt werden. Während der Enzian gegenständige Blätter hat, sind Germerblätter schraubig angeordnet. In neuerer Zeit fanden sich Hinweise, dass Alexander der Grosse mit Germer vergiftet wurde. JBu


221

LILIACEAE

Lilium martagon L. Türkenbund Mehrjährig, 30–90 cm hoch. Blätter breit-lanzettlich, im mittleren Stängelteil in Quirlen zu 4–8. Perigonblätter zurückgerollt, hellpurpur mit dunklen Flecken. Mässig giftig. Blüht VI–VII. In Wäldern und Bergwiesen, meist auf Kalk. Kollin-subalpin. Verbreitet im eurasiatischen Raum. In der Schweiz verbreitet, ausser im westlichen und zentralen Mittelland. Im Kanton ist die Art auf einem Drittel der Flächen nachgewiesen. Geschlossene Verbreitungsgebiete sind das Tösstal vom Bachtel bis zum Rhein und das Albisgebiet. Weiter findet sich die Art gehäuft an der Lägern und im westlichen Unterland sowie im unteren Thurtal. Lokal häufig. Bedeutung Pflanzenname !

Eine Erklärung für den Artnamen deutet auf die «martaǧon» genannte Kopfbedeckung, die unter Sultan Mehmed I. in Mode kam und dessen runde Form an die zurückgeschlagenen Blütenblätter der Pflanze erinnert. Andere Quellen sehen im Namen den Gott Mars erwähnt, den die Alchimisten auch als Gott der Metallumwandlung bezeichneten. Den Türkenbund (auch «Goldwurz» genannt) hielten sie entsprechend für eine Pflanze, die bei der Goldherstellung helfe. JBu

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Lilium bulbiferum L. Feuerlilie

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Mehrjährig, 20–80 cm hoch. Blätter schmal-lanzettlich. Blüten 4–8 cm lang, trichterförmig, lebhaft orangerot. Mässig giftig. Blüht VI–VII. Wächst in Bergwiesen, auf Gesteinsschutt und Felsen. Montan-subalpin. Verbreitet in den Alpen, im Apennin und auf Korsika. Kommt in der Schweiz in den Nordalpen, in Graubünden, im Tessin und Wallis, bei Neuenburg und an der Lägern vor. An einigen Orten verwildert. Im Kanton wächst die Art in einer Fläche auf dem Lägerngrat wild. Der Bestand ist seit dem 19. Jh. bekannt, wobei seine Individuenzahl aber stark abgenommen hat. Sehr selten. !

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Bedeutung Pflanzenname Während bei den Römern sowohl die weissen als auch die roten Lilien «Lilium» genannt wurden, hatten die Griechen dafür zwei komplett verschiedene Namen, nämlich leirion für die weisse und krinion für die rote Lilie verwendet. «Lilie» könnte ausserdem von einem Ur-Wort kommen, das «Blume schlechthin» bedeutete. Dieses Wort hat in ilili in der Berbersprache und lili im Baskischen (beide mit der Bedeutung «Blume») überlebt. JBu


222

LILIACEAE

Gagea lutea (L.) Ker Gawl. Wald-Gelbstern Mehrjährig, 10–25 cm hoch. Meist mit einem einzigen grundständigen Blatt, dieses ist 5–10 mm breit, mit kurzer kappenförmiger Spitze (Unterschied zu G. pratensis). Blütenstiele kahl (Unterschied zu G. villosa). Mässig giftig. Blüht IV–V. In Wiesen, Hecken, Baumgärten und lichten Laubmischwäldern. Kollin-montan(-subalpin). Verbreitet im eurasiatischen Raum. In der ganzen Schweiz vorkommend (ausser Engadin). Im Kanton ist die Art in 18 Flächen gefunden worden. Die meisten Funde stammen aus der Region Sihltal/Albis. Zwei weitere Bestände sind im Tösstal nachgewiesen. Um 1900 war die Art noch im Weinland, um Winterthur und im Glatttal verbreitet. Sie wird leicht übersehen (siehe bei G. villosa). Sehr selten. !

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Bedeutung Pflanzenname Der Gattungsname Gagea geht nicht auf einen altsprachlichen Pflanzennamen zurück und hat auch keine umschreibende Bedeutung. Die Gattung wurde nach Sir Thomas Gage (1781–1820) benannt, einem englischen Adligen, der die Naturwissenschaften gefördert hatte. JBu

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Gagea villosa (M. Bieb.) Sweet

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Acker-Gelbstern

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Mehrjährig, 5–15 cm hoch. 2 grundständige Blätter, schmaler als die Stängelblätter. Blütenstand 5–10(–20)blütig, Blütenstiele dicht flaumig behaart, auch die Aussenseite der Blüte und der Griffel sind behaart (Unterschied zu G. pratensis und G. lutea). Mässig giftig. Blüht III–IV. Äcker und Weinberge. Kollin(-montan). Verbreitet im mediterranen Raum. In der Schweiz im Wallis und im Bündner Rheintal, in den Regionen Genf, Basel, Zürich Nord und Schaffhausen. Im Kanton ist die Art seit 2000 im Norden in sieben Flächen in kleinen Beständen gefunden worden. Um 1900 war sie zwischen Bülach, Rafzerfeld und Weinland in 15 Flächen belegt. Sehr selten. !

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Morphologie Die Art (wie auch G. pratensis und G. lutea) ist nicht leicht zu finden. Ohne Blüten sind die Pflanzen kaum erkennbar. Ihre Blütezeit ist kurz, aber auch blühend sind sie leicht zu übersehen. Am besten sucht man sie gemäss einem Fachmann «bei Regen/Nebel Ende März/anfangs April». Diese Unauffälligkeit könnte auch ein Grund für die geringe Anzahl an Nachweisen sein. JBu


223

LILIACEAE

Gagea pratensis (Pers.) Dumort. Wiesen-Gelbstern Mehrjährig, 10–15 cm hoch. Mit einem einzigen grundständigen, nur 4–6 mm breiten Blatt, an der Spitze allmählich verschmälert (Unterschied zu G. lutea), wie das unterste Hochblatt den Blütenstand überragend. Blütenstiele kahl (Unterschied zu G. villosa). Mässig giftig. Blüht IV. Findet sich in Äckern, Rebbergen und auf Wiesenplätzen. Kollin. Verbreitet im europäischen Raum. In der Schweiz im Bündner Rheintal und in der Nordschweiz zwischen nördlichem Aargau, unterem Tösstal und Schaffhausen vorkommend. Die Art ist seit 2000 in sieben Flächen im Norden des Kantons vorhanden. Um 1900 waren noch über ein Dutzend Fundorte in elf Flächen bekannt, wovon sich mehrere bis Ende des 20. Jh. halten konnten. Sehr selten. !

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Gefährdung und Schutz

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Die Fachstelle Naturschutz hat die Art (wie auch G. villosa) in ihr Artenförderungsprogramm aufgenommen. In Zwischenkulturen werden sie vermehrt und an acht geeigneten Orten ausgepflanzt. Der Erfolg der Aktion ist noch offen; unter anderem, weil die Erfolgskontrolle schwierig ist (siehe bei G. villosa). JBu

Tulipa sylvestris L. ! !

Weinberg-Tulpe

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Mehrjährig, 20–50 cm hoch. Blätter 2 cm breit und bis 20 cm lang. Blüten kleiner als die der Gartentulpen, vor dem Aufblühen nickend, dann aufrecht. Blütenblätter gelb, spitz. Mässig giftig. Blüht IV–V. Acker- und Rebberg-Begleitpflanze. Kollin. Ursprünglich Mittelmeerpflanze, in der Schweiz in Rebgebieten eingebürgert, mit Schwerpunkt Westschweiz. Um 1900 war die Art im Norden des Kantons von Uhwiesen bis Marthalen vorhanden. Baumann bezeichnete sie als «sehr selten». Aktuell kommt sie in fünf Flächen im Norden in Rebbergen und Äckern vor sowie an der Lägern und in der Stadt Zürich an einer Stelle unter Gehölzen. Diese zwei Bestände sind die grössten im Kanton, bilden aber nur wenige Blüten. Sehr selten. Ökologie Die Weinberg-Tulpe ist auf die mechanische Bearbeitung der Böden in den Rebbergen eingestellt. Solange sie ihren Lebenszyklus im Frühling ohne Störungen vollenden kann, wird sie dadurch sogar gefördert, weil die Zwiebelgruppen aufgebrochen werden und im lockeren Boden besser wachsen können. JBu


Während der letzten 200 Jahre hat sich die Landschaft des Kantons Zürich stark verändert: Feuchtgebiete wurden trockengelegt, Magerwiesen gedüngt, der Ackerbau intensiviert, das Transportnetz ausgebaut und grosse Flächen bebaut. Das einstige und heutige Vorkommen der Pflanzenarten zeugt von diesen Veränderungen. Von den 1757 Pflanzenarten, die seit 1850 im Kanton über einen längeren Zeitraum vorgekommen sind, gelten 108 als ausgestorben und 131 als Neubürger. Die vorliegende Flora beschreibt den Werdegang der Arten mit Texten, Fotos und Verbreitungskarten. Grundlagen hierfür bilden eine kantonsweite Felderhebung in den Jahren 2012–2017, Daten von Info Flora, umfangreiche Herbar- und Literaturauswertungen sowie Literaturrecherchen. Rund 250 ehrenamtliche Botanik-Begeisterte haben im Rahmen eines Bürgerwissenschaftsprojekts der Zürcherischen Botanischen Gesellschaft den Grossteil der Feld- und Herbardaten zusammengetragen und neue Pflanzenfotos erstellt. Entstanden ist ein umfassendes Werk über die Auswirkungen des Landschaftswandels und der Globalisierung auf unsere Flora.

ISBN 978-3-258-08070-3


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