Heer, Wanderungen zu Murmeltier, Steinbock & Co.

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Lorenz Heer

Wanderungen zu Murmeltier, Steinbock & Co. Die besten Gebiete f端r Tierbeobachtungen in der Schweiz


Ein Rotfuchs in der Morgendämmerung. Alpine Säugetiere sind vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Deshalb bieten sich in den Morgen- und Abendstunden die besten Beobachtungsmöglichkeiten.


Lorenz Heer

Wanderungen zu Murmeltier, Steinbock & Co. Die besten Gebiete f端r Tierbeobachtungen in der Schweiz

Haupt Verlag


Lorenz Heer ist Biologe und schloss sein Studium am Zoologischen Institut der Universität Bern ab. Seit je her interessieren ihn Säugetiere, Vögel und Pflanzen der alpinen Stufe. Für seine Doktorarbeit erforschte er verschiedene verhaltensökologische Themen der Alpenbraunelle. Damit legte er seinen feldbiologischen Schwerpunkt in die Hochgebirgsregion der Schweizer Alpen. Natur- und Landschaftsfotografie ist seine Leidenschaft. Er schloss den Complete Course in Professional Photography am New York Institute of Photography (Fernstudium) ab. Mit seinen Fotografien möchte Lorenz Heer die fragile und schützenswerte Hochgebirgswelt der Öffentlichkeit näher bringen und die Naturschätze unserer Alpen aufzeigen. Um bei seinen Tätigkeiten im alpinen Lebensraum diese Welt nicht zu beeinträchtigen, erreicht er seine Fotoziele mit dem öffentlichen Verkehr, zu Fuß und mit dem Fahrrad. Die Angaben und Beobachtungsmöglichkeiten wurden vom Autor sorgfältig und nach bestem Wissen erarbeitet. Gewähr für Säugetiervorkommen und die Richtigkeit der gemachten Angaben im Buch kann jedoch nicht gegeben werden. Die Begehung der vorgeschlagenen Wanderungen erfolgt auf eigene Gefahr. Jeglicher Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ergänzungen und Korrekturen sind zu richten an: mail@lorenzheer.ch Die Verbreitungskarten sowie die Daten der Höhenverbreitung wurden durch das Centre Suisse de Cartographie de la Faune CSCF (www.cscf.ch) erstellt. Sie basieren hauptsächlich auf den Meldungen freiwilliger Beobachter und bilden eine wichtige Grundlage zur Kenntnis unserer heimischen Fauna. Möchten auch Sie Beobachtungen melden, so können Sie sich unter www.webfauna.ch anmelden und dort die Funde online eingeben. Die Herausgabe dieses Buches wurde durch Beiträge folgender Institutionen unterstützt: Bundesamt für Umwelt BAFU Ernst Göhner Stiftung

Karten reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA140357) Internet-Adressen letztmals geprüft am 28. 12. 2014. Lektorat: Claudia Huber, D-Erfurt Fotos: © Lorenz Heer Gestaltung und Satz: pooldesign.ch 1. Auflage: 2015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-258-07882-3 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2015 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Printed in Germany www.haupt.ch


Inhalt Geleitwort Vorwort

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Heile Bergwelt? Ein Jahr im Leben alpiner Säugetiere Rücksichtsvolle Wildtierbeobachtung Karten Raus aus der gemütlichen Stube Nicht gesehen und doch entdeckt Murmeltier Eichhörnchen Rothirsch Reh Gämse Steinbock Hermelin Fuchs

9 11 12 14 16 18 20 34 42 54 64 78 92 100

Jura Creux-du-Van Combe-Grède – Chasseral

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Westliche Voralpen Dent de Lys Vanil Noir Hochmatt Pierreuse – Gummfluh Kiental Justistal Niederhorn – Gemmenalphorn – Hohgant Augstmatthorn Wengen Engstlenalp

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Östliche Voralpen Walenstöcke – Rugghubel – Hahnen Maderanertal Silberen – Bödmeren Rauti – Tros Amden (Speer, Flügenspitz) Kärpf

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Calfeisental Weisstannental – Graue Hörner Weissbachtal – Schwägalp Alpstein

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Westliche Zentralalpen Derborence Leukerbad – Gemmi Gasterental – Lötschenpass Aletschgebiet Val Ferret – Combe de l’A Mauvoisin – Mont Pleurer Dixence Turtmanntal – Val d’Anniviers Zermatt Saas Fee (Spielboden)

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Östliche Zentralalpen Greina Cufercal – Beverin – Safien Cassonsgrat – Bargis Arosa Dischmatal – Grialetsch Ela – Val Tuors Val Avers – Val Bergalga Val Roseg Albris – Languard Val Trupchun Val Mingèr S-charl – Tamangur Stabelchod – Margunet – Val dal Botsch Val Mora

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Südalpen Piora – Ritóm – Cadlimo Campo Tencia Sasso Lanzone Trescolmen

199 200 202 204 205

Literaturverzeichnis Dank

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Wanderungen zu Murmeltier, Steinbock & Co.

Geleitwort Zwei mächtige Steinböcke mit kapitalen Hörnern stolzieren aufeinander zu. Plötzlich richtet sich der eine auf den Hinterläufen auf und lässt sich kraftvoll mit den Hörnern auf seinen Rivalen fallen, der den Schlag pariert. Mit einem lauten «Tock!» knallen die Hörner gegeneinander. Wahrscheinlich haben Sie diese eindrucksvolle Szene schon in einem Tierfilm gesehen. Und möglicherweise haben diese Bilder bei Ihnen eine Sehnsucht geweckt: Sie möchten Steinbock, Gämse, Murmeltier und Co. nicht nur im Film oder bei einem Zoobesuch erleben, sondern draußen in der freien Natur. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, den Wunsch in die Tat umzusetzen. Der Biologe und Naturfotograf Lorenz Heer macht Ihnen fünfzig Wandervorschläge für Wildtierbegegnungen. Dass wir in der Schweiz wieder Steinbock und Co. beobachten können, haben wir unter anderem dem Schweizerischen Nationalpark und den Eidgenössischen Jagdbanngebieten zu verdanken. Vor 120 Jahren waren Steinbock und Rothirsch in der Schweiz ausgestorben und alle anderen Wildtierarten sehr selten. In den zu deren Schutz ausgewiesenen Jagdbanngebieten waren die Wildtiere nun vor der Verfolgung durch den Menschen geschützt, konnten sich vermehren und nach und nach wieder über den Alpenraum ausbreiten. Auch heute sind der Nationalpark und die Jagdbanngebiete für Wildtiere wichtig. Sie sind Lebensräume für störungsempfindliche Wildtiere. Hier finden sie besonders im Winter Rückzugs- und Ruhegebiete vor dem ständig zunehmenden Freizeitrummel. Weil in den Kernzonen der Jagdbanngebiete nicht gejagt wird, verhalten sich die Wildtiere weniger scheu und können so größere Gebiete nutzen. Wenn Hirsch und Gämse kleinere Fluchtdistanzen haben, sind das natürlich auch gute Voraussetzungen für Wildtierbeobachtungen. Deshalb führen zahlreiche Wandervor-

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schläge dieses Buches in den Schweizerischen Nationalpark und in die Eidgenössischen Jagdbanngebiete. Trägt das nicht zur Störung der Wildtiere bei, wenn das Buch Wildtiergebiete bekannter macht und damit mehr Menschen anlockt? Das ist ein generelles Dilemma für uns Naturschützer. Weil wir die Natur lieben, sind wir oft draußen unterwegs und können Wildtiere stören. Wenn wir jedoch gewisse Verhaltensregeln beachten, respektvoll mit der Natur umgehen, können wir die meisten Störungen vermeiden. Deshalb erhalten Sie in diesem Buch nicht nur Tipps für eindrückliche Wildtierbegegnungen, sondern auch Ratschläge für einen respektvollen Umgang mit der Natur. Bitte beachten Sie diese, auch wenn manchmal die Verlockung groß ist. Zwei Gebieten in diesem Buch stehe ich kritisch gegenüber: Die Ausflüge zu den durchs Füttern gezähmten Eichhörnchen in Arosa und zu den Rüebli fressenden Murmeltieren in Saas Fee. Natürlich sieht ein um Futter bettelndes Murmeli putzig aus. Wir haben es aber mit dem regelmäßigen Füttern von uns abhängig gemacht und ihm seine Eigenständigkeit, vielleicht auch sein Würde genommen. Ich wünsche Ihnen viele eindrückliche Begegnungen mit Steinböcken, Gämsen und anderen Wildtieren. Urs Tester, Pro Natura Artenschutzexperte


Vorwort

Vorwort Säugetiere sind sehr beliebt. Für Löwen in der Serengeti, Eisbären in Churchill oder Erdmännchen in Botswana fliegen wir um die Welt. Für spannende Tierbeobachtungen müssen wir aber gar nicht weit reisen. Auch in der Schweiz bieten Säugetiere aufregendste Naturerlebnisse. Hautnah eine Hirschbrunft zu erleben, dem Balgen junger Murmeltiere oder den ritualisierten Kämpfen von Steinböcken zuzuschauen, stehen Naturbeobachtungen in fernen Ländern kaum nach. So können wir im Justistal oder im Val Trupchun zur Brunftzeit unvergleichliche Hirschbeobachtungen machen. Am Augstmatthorn nähern sich Steinböcke auf wenige Meter, und in der Greina stören sich Murmeltiere kaum an vorbeigehenden Wanderern. Wer mit Kindern unterwegs ist, erlebt Eichhörnchen bei Arosa oder Murmel(streichel)tiere bei Saas-Fee familienfreundlich. Das Röhren eines kapitalen Hirsches steht dem Brüllen eines Löwen kaum nach, Steinböcke sind ähnlich gut an Temperaturen weit unter null Grad Celsius angepasst wie der Eisbär und Murmeltiere zeigen ebenso viel Familiensinn wie Erdmännchen. Vor 150 Jahren waren Steinbock und Rothirsch in der Schweiz ausgestorben, die Bestände von Reh und Gämse stark dezimiert. Dank erfolgreichen Wiedereinbürgerungen und umfassendem Schutz in Jagdbanngebieten besitzen wir in der Schweiz von allen vier Arten wieder gesunde Populationen. Mit diesem Buch möchte ich auf diesen wertvollen Naturschatz hinweisen und aufzeigen, wo wir bei uns in den Schweizer Alpen oder im Jura diese Wildtiere einfach und ohne zu stören beobachten können. Das Veröffentlichen von Karten und Beobachtungshinweisen über das Vorkommen von Wildtieren kann kritisch betrachtet werden. Ich trage dem Ruhebedürfnis der Tiere Rechnung, indem die vorgeschlagenen Routen störungsanfällige Gebiete meiden und Wildruhezonen respektieren. So hilft dieses Buch, Wildtiere frühzeitig zu entdecken und sich

ihnen gegenüber respektvoll zu verhalten. Nichts führt zu mehr Störungen, als wenn Bergsportler blindlings durch die Berge hetzen oder wenn die Jagd zu größeren Fluchtreaktionen bei Wildtieren führt. Zahlreiche Wandervorschläge laden Sie ein in wunderschöne Regionen der Schweiz, vom Bergwald bis hoch in die alpine Stufe. Doch leider ist der Klimawandel in diesem Lebensraum von Steinbock und Gämse deutlich zu erkennen: schwindende Gletscher, kränkelnde Bäume, Steinschlag durch auftauenden Permafrost. Um als Bergfreund oder Naturfreundin die Bergwelt rücksichtsvoll und nachhaltig zu nutzen, verzichten wir bei Bergtouren möglichst auf den Individualverkehr. Deshalb sind der Anfangspunkt und das Endziel der meisten in diesem Buch beschriebenen Routen mit dem öffentlichen Verkehr (Bahn, Postauto, Alpen-Taxi, Bergbahnen) erreichbar. Ich hoffe, mit Tipps aus diesem Buch gelingen auch Ihnen wunderschöne Naturbeobachtungen, und so wünsche ich allen viele schöne und spannende Begegnungen mit Murmeltier, Steinbock & Co.! Lorenz Heer

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Furchtlos halten sich diese Steinböcke an der äußersten Kante über dem Abgrund des Creux-du-Van auf. 108


Fuchs

Jura

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Creux-du-Van Nach der letzten Eiszeit schufen Felsstürze und Erosion im Neuenburger Jura einen imposanten Felskessel von etwa 1,2 Kilometer Durchmesser. 160 Meter hoch ragen die senkrechten Felswände, die man auf steilen Pfaden im Norden und Süden durchwandern kann. Lediglich gegen Nordwesten ist die Felsarena offen. Den Kesselgrund auf Bergsturzmaterial bedeckt ein alter subalpiner Tannenwald mit viel Moos und Flechten, der sich bei nebligem oder regnerischem Wetter in einen mystischen Märchenwald in dunklem Grün verwandelt. Am Fuß der umgebenden Felswände bildeten sich aus heruntergefallenen Steinen riesige Blockschutthalden, die von zahlreichen Wildwechseln durchzogen sind. Einzelne Baumleichen verstärken den Eindruck einer bizarren Landschaft. Die Felsformationen gaben dem Gebiet seinen Namen: «Van» stammt vermutlich aus dem Alemannischen und bedeutet so viel wie «Fels» oder «Wand» (auch enthalten in Vanil Noir).

Auf der oberhalb des Kessels liegenden Hochfläche Le Soliat bieten typische Juraweiden Nahrungsflächen für Wildtiere. Sie werden gerne von Steinböcken zum Äsen genutzt, hier im Creux-du-Van finden wir die einzige Kolonie des Juras. Gämsen trifft man in erster Linie im Kessel an, doch halten sie sich bisweilen in der Dämmerung und nachts auf den umliegenden Juraweiden auf. Der Kessel ist feucht und kühl, da sich in seinem Grund oft ein Kältesee bildet. Verschiedene alpine Pflanzenarten trifft man als Relikte der letzten Eiszeit an. So wachsen hier beispielsweise der Alpen-Hahnenfuß (Ranunculus alpestris) und die Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina). Unter den Vögeln der umliegenden, halboffenen Hochflächen sind Ringdrossel und Zitronengirlitz zu nennen. In den Felsregionen kann man den Ruf des Mauerläufers hören – oder sogar den Vogel mit seinem schmetterlingsartigen Flug beobachten. Im Creux-du-Van brüten auch Wander- und Turmfalke.

Eine starke Brise weht Schneekristalle über die Hochebene beim Creux-du-Van.

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Wandermöglichkeiten

Übernachtungsmöglichkeiten

Vom Bahnhof Noiraigue aus folgt man ca. 200 m der Bahnlinie Richtung Neuenburg und nutzt den Bahnübergang. Die Straße führt rund 700 m leicht hangaufwärts bis zum Wald. Hier folgt man dem Wegweiser «Ferme Robert». Von diesem Gasthof nimmt man vorzugsweise den Hauptweg bis zur Fontaine Froide (Quelle, die das ganze Jahr über eine Temperatur von 4 °C aufweist). Über den steilen Chemin de Single, der bei Nässe im oberen Teil rutschig ist, erreicht man die Hochebene Le Soliat. Der Weg entlang des oberen Randes der Felsarena bietet an mehreren Stellen gute Einblicke in den Kessel. Ein alternativer Rückweg führt an der Nordwestecke der Arena über Les Oeillons zurück nach Noiraigue.

Ferme Robert: 2- bis 6-Bett-Zimmer, Ende April–Ende Oktober, Tel. 032 863 31 40, www.ferme-robert.ch La ferme du Soliat: Touristenlager, im Sommer geöffnet, im Winter auf Anfrage, Tel. 032 863 31 36, www.restaurants-montagne.ch/soliat.htm La Baronne: Touristenlager, April–Nov. (je nach Wetter), Tel. 032 863 31 34, www.restaurants-montagne.ch/baronne.htm La Grand-Vy: Doppelzimmer und Touristenlager, Tel. 032 835 11 41, www.restaurants-montagne.ch/grandvy.htm

Schutzgebiete

Karte 1:25 000 1163 Travers

Wanderzeiten Noiraigue – Ferme Robert (T1): min; ³ 35 min (230 Hm) Ferme Robert – Fontaine Froide (T1): 30 min (150 Hm ) ´ Ferme Robert – Chemin de Single – Le Soliat ( T2+): 1 h 35 min; ³ 1 h 10 min (500 Hm) ´ Le Soliat – Les Oeuillons – Noiraigue (T2): 1 h 35 min; ³ 2 h 30 min (730 Hm) ´

Eidgenössisches Jagdbanngebiet Creuxdu-Van (Nr. 27; 1.1.–31.12.; Wintersportarten verboten außerhalb markierter Pisten, Routen und Loipen)

50 ´

Diese Buchen mit knorrigen Stämmen haben schon manchen Schneesturm überlebt.

Wildtierbeobachtungen Steinbock: Gute Beobachtungsmöglichkeiten ganzjährig und zu allen Tageszeiten auf den Juraweiden um die Felsarena (v. a. südlich im Bereich Le Soliat). Hält sich v. a. im Winter gerne in den

steilen, nach Süden ausgerichteten Felspartien des Kessels auf. Gämse: Am leichtesten in den Schutthalden am Fuß der Felswände oder in den Grashängen im nördlichen Teil des Creux-du-Van zu entdecken, bisweilen auch außerhalb des Felskessels auf den Juraweiden oder am oberen Felsrand der Arena. Reh: Häufig, ganzjährig innerhalb der Felsarena, besonders aber auch in den umliegenden Wäldern und auf offenen Weiden zu beobachten. Murmeltier: Vorkommen in den Rasenund Blockhängen am Fuß der hohen Felsen, daher nur aus großer Distanz vom oberen Rand des Creux-du-Van zu sehen. Rothirsch: Sehr selten, lebt heimlich in den Wäldern des Gebiets. Wildschwein: Häufig, jedoch ausschließlich nachtaktiv und schwierig zu beobachten. Auffällig die bei der Nahrungssuche hinterlassenen Grabspuren, im Kessel oder oben auf den Weiden.

Im Creux-du-Van lebt die einzige SteinbockPopulation des Juras.

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Combe-Grède – Chasseral Bei starkem Regen fließt in der Combe-Grède oberflächlich viel Wasser ab. Dieses schuf im weichen Kalkgestein eine Schlucht, welche nordseitig vom Petit Chasseral bis Villeret reicht und heute stark bewaldet ist. Die Wälder sind alt und zumeist homogen, hohe Bäume bilden einen dichten Kronenschluss. Nur wenig Licht gelangt auf den Boden, weshalb die Kraut- und Strauchschicht kaum ausgebildet ist. Als Wanderer bemerkt man meist nur die schattig gelegenen Waldstellen und die hohen, nach Norden ausgerichteten Felsregionen im oberen Bereich der Schlucht. Oft übersieht man, dass im mittleren Bereich zwei kleinere Seitentäler einen großen Kessel formen. Aufgrund dieser Topografie treten sämtliche Expositionen auf, von extrem schattig und feucht bis hin zu sonnig und sehr trocken. Die senkrechten Felsen, die darunterliegenden Geröllhalden und die schattigen Wälder bieten einen großen Reichtum an Lebensräumen. Entsprechend vielfältig sind die Waldtypen: Tannen-Buchenwälder, Ahornwälder, Föhrenwälder. Die Eisenindustrie nutzte den Wald der Combe-Grède in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als in den 1960ern ein heftiges Unwetter die Zufahrtsstraße zerstörte, wurde die

unrentable forstliche Nutzung des Gebietes gänzlich aufgegeben. 1982 kaufte der Kanton Bern mit Unterstützung privater Stiftungen (Pro Natura, Pro Natura Helvetica, Brunette-Stiftung für Naturschutz) große Waldteile und schuf ein Naturwaldreservat. Damit wurde die Bewirtschaftung auch für die Zukunft ausgeschlossen, und der Wald entwickelt sich nun langsam zurück in einen Urwald. Am oberen Ende der Schlucht öffnet sich das Gelände und geht über in zwei seitlich abgehende Täler und in die offene Landschaft des Chasserals. Juraweiden mit einzelnen Baumgruppen machen diese Region neben der großartigen Aussicht zu einem beliebten Ausflugsziel. Für Wildtierbeobachtungen ist besonders das Tälchen nördlich des Petit Chasseral Richtung Métairie de Morat attraktiv. Am Sonn- wie Schattenhang kann man Murmeltieren bei ihrem munteren Treiben zusehen. Hier befindet sich eine der wenigen Kolonien des Juras. Sie geht auf Aussetzungen zurück. In diesem Tälchen findet man mit etwas Glück auch Gämsen, die gerne am sonnenexponierten Waldrand äsen. Steinhaufen werden von Hermelinen zur Jungenaufzucht genutzt.

Nördlich des Chasserals verlaufen kleine Täler parallel zu den Juraketten, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Auch Murmeltiere, Hermeline, Gämsen und Rehe bewohnen diese Tälchen. 112


Wandermöglichkeiten

Übernachtungsmöglichkeiten

Wildtierbeobachtungen

Von Villeret führt ein guter Wanderweg die Schlucht der Combe-Grède hinauf (aufgrund kleinerer Metallleitern für Hunde ungeeignet). Im obersten Schluchtbereich verläuft der Weg in steilem Gelände; im Winter können sich Eisflächen auf dem Weg bilden, weshalb besondere Vorsicht geboten ist. Eine weitere Möglichkeit bietet ein Rundweg vom Hôtel Chasseral aus (Hôtel Chasseral – Chasseral – Mét. de Morat – Pt 1277 – Mét. de St-Jean – Hôtel Chasseral). Den Ausgangspunkt erreicht man mit dem Auto oder im Sommer mit dem Bus (www.busalpin.ch).

Hôtel Chasseral: 1- bis 4-Bett-Zimmer und Touristenlager, ganzjährig geöffnet, Tel. 032 751 24 51, www.chasseral-hotel.ch

Gämse: Vorwiegend in den oberen Bereichen der Combe-Grède. Im Winter bisweilen bis zum unteren Waldrand zu beobachten. Murmeltier: Mehrere Familien im Seitental Métairie de Morat. Weitere Bauten bei Métairie de Frienisberg. Murmeltiere des Chasserals sind blasser gefärbt als andere Populationen: Körper einheitlich fahlgelb, Musterung auf der Nase ist nur angedeutet und wenig kontrastreich. Reh: Häufig in den Wäldern der Combe-Grède. Morgens wie abends auf den Weiden außerhalb des Waldes anzutreffen. Hermelin: Relativ häufig außerhalb des Waldes. Bewohnt Steinhaufen und Trockenmauern.

Schutzgebiete Naturwaldreservat, Eidgenössisches Jagdbanngebiet Combe-Grède (Nr. 2; 1.1.–31.12.; Wintersportarten verboten außerhalb markierter Pisten, Routen und Loipen)

Karte 1:25 000 1125 Chasseral

Information

Wanderzeiten

Parc régional Chasseral, 2610 St-Imier, Tel. 032 942 39 49, www.parcchasseral.ch

Villeret – Combe Grède – Pt 1277 – Mét. de Morat – Chasseral – Hôtel Chasseral (T2, kurze Stellen T3): 3 h 40 min; ³ 2 h 45 min (870 Hm) ´ Villeret – Combe Grède – Pt 1277 – Hôtel Chasseral (T2, 2 h 45 min; ³ 1 h 50 min (810 Hm) kurze Stellen T3): ´ Rundweg Hôtel Chasseral – Chasseral – Mét. de Morat – Pt 1277 – Mét. de St-Jean – Hôtel Chasseral (T2): 2 h 25 min (330 Hm)

Der Frühling zieht in den Buchenwald unterhalb der Felsenstufe in der Combe-Grède ein. In diesen flachgründigen und eher kleinwüchsigen Hallenwäldern fehlt die Strauchschicht fast gänzlich.

Der Hohle Lerchensporn ist ein Frühlingsbote in den tieferen Lagen der Combe-Grède.

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