Sammler Journal 09/2019

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SePTeMBer 2019

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September 2019 · B 1309 | € 8,00 Schweiz CHF 12,30 | Österreich € 8,90 | Be/ne/lux € 9,00

SaMMler Journal

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

Über 2.000 Termine

AUSSTELLUNGEN • AUKTIONEN • HAMMERPREISE

Miniaturen Kleine Meisterwerke

GEMI

František Bílek • Angelika Kauffmann Olga Wisinger-Florian


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12.08.2019

16:07 Uhr

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www.zeige.com


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INHALT

FOTOKUNST Gute Aussichten

MINIATUREN Kleine Meisterwerke von Sabine Spindler

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Titelbild: Johann Heusinger, Königin Luise von Preußen, wohl 1810, Foto groß: Bassenge; Domenico Bossi, Profilbildnis einer Dame, 1837, Foto klein: Dorotheum

FRANTIŠEK BÍLEK SAMMLER-SERVICE

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MAGAZIN

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MESSETERMINE

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KUNSTMARKT

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AUKTIONSTERMINE

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INSERENTENVERZEICHNIS

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AUKTIONSNOTIZEN

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AUSSTELLUNGSTERMINE

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AUSSTELLUNGEN

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LITERATURTIPP

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AUKTIONSPREISE

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VORSCHAU | IMPRESSUM

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Expressionist • Symbolist • Mystiker von Dr. Harald Tesan

ANGELIKA KAUFFMANN Malerin von europäischem Rang von Anja Iwa

OLGA WISINGER-FLORIAN Ruhmreiche Wienerin von Anja Iwa

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MAGAZIN

Art zum Abheben Berlin Art Week Die spektakulären Hangars 5 + 6 des historischen Flughafens Tempelhof sind wiederholt Austragungsort der art berlin, die mit über 110 nationalen und internationalen Galerien ihre dritte Ausgabe vom 12. bis 15. September feiert. Das Programm hat seinen Schwerpunkt auf junger und etablierter zeitgenössischer Kunst sowie auf Kunst der Moderne. Um auf Entwicklungen und Veränderungen des Kunstmarktes einzugehen, erarbeitet die art berlin parallel zu den Galerie-Präsentationen immer wieder neue Ausstellungs- und Vermittlungsformate. In den Special Projects heben die Galerien Einzelpositionen hervor oder setzen Schwerpunkte in kuratierten Ausstellungen. Diesmal mit Künstlerinnen und Künstlern wie Georges Adéagbo, Jörg Buttgereit, Leda Bourgogne, David Horwitz, Nadira Husain, Banele Khoza, Sarah Loibl, Shawn Maximo, Lia Perjovschi, Agnieszka Polska, Camilla Steinum und Rirkrit Tiravanija. Neue Modelle der Präsentation werden im Bereich Salon vorgestellt: 15 junge, aufstrebende internationale Plattformen und Projekträume stellen ihre Konzepte und Visionen für Kunstvermittlung und Kunstmarkt vor. Unter den Teilnehmern sind O-Town House, Los Angeles, Sans titre, Paris, Schiefe Zähne, Berlin, Sundogs, Paris, The Performance Agency, Berlin und andere. In diesem Jahr kommt es auch zur Zusammenarbeit mit der LISTE – Art Fair Basel. Das Programm, das vom LISTE-Komitee ausgewählt wurde, zeigt Videoarbeiten von Künstlerinnen und Künstlern der auf der LISTE vertretenen Galerien. Zu sehen sind Arbeiten von Daniela und Linda Dostalkova, Gerrit Frohne-Brinkmann und Paul Spengemann, Penny Goring, Liv Schulman, Buhlebezwe Siwani und vielen mehr. Die Messe begleitet ein umfangreiches Rahmenprogramm. So öffnen die teilnehmenden Berliner Galerien ihre Ausstellungen am Freitagabend mit Künstlern wie Carl Andre, Yael Bartana, Anne Collier, Hanne Darboven, Imi Knoebel, Erik van Lieshout, Bernhard Martin, John Miller, Olaf Nicolai, Roman Ondák, Laure Prouvost und anderen. Die art berlin ist Partner der Berlin Art Week, die Eröffnun-

Positions Art Fair Berlin 2018

© Clara Wenzel-Theiler

Positions Art Fair Berlin 2018

© Clara Wenzel-Theiler

gen und Ausstellungen in den Museen, Institutionen und Privatmuseen umfasst. Zeitgleich findet die Postitions Berlin Art Fair im Hangar 4 im Flughafen Tempelhof statt. TELEFON | 030/62736102 WEBSEITE | www.berlinartweek.de

Roter Teppich für die Kunst Fair for Art Vienna Vom 5. bis 13. Oktober rollt die Fair for Art Vienna der Kunst wieder den roten Teppich aus. Diese Kunstmesse, die heuer zum dritten Mal stattfindet, zählt aufgrund ihrer hohen Qualität und großen Bandbreite bereits zu den Fixpunkten des Wiener Messereigens. An diesem Event nehmen an die 40 renommierte Kunstexperten aus Österreich und Deutschland mit den Höhepunkten ihres Programmes teil. Den Besucher erwartet ein umfassendes Kunsterlebnis – beginnend bei Artefakten der Antike bis zur Kunst der Gegenwart. Die Fair for Art Vienna setzt dabei auf klare räumliche Trennung des Messeangebotes. Im Folgenden werden einige Kunstwerke vorgestellt: Im Bereich Modern & Contemporary Art werden Werke international anerkannter Künstler wie Helmut Ditsch, Xenia Hausner, Gottfried Helnwein, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Hubert Scheibl, Roman Scheidl, Hans Staudacher, Max Weiler u.a. geboten. Helmut Ditsch setzt sich als Künstler und als Bergsteiger gleichermaßen intensiv mit der elementaren Kraft der Natur auseinander und überträgt seine Erfahrungen in exzellenter altmeisterlicher Maltechnik auf Leinwandbilder, die auf den ersten Blick wie Fotografien anmuten, aber weit darüber hinausgehen. Ein solches Meisterwerk mit dem Motiv des Perito Moreno Gletschers ist bei Galerie Szaal zu erwerben. Ein weiterer international anerkannter Künstler ist Gottfried Helnwein, bekannt geworden für sein


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MAGAZIN

Willy Eisenschitz (1889-1974), In den Alpillen, Öl auf Leinwand, signiert, 71,2 x 90,5 cm; Fair for Art Vienna. © Kunsthandel Widder

bevorzugtes „Kind-Motiv“. Seine Arbeit, „The Murmur of the Innocents 47“ wird von Kaiblinger – Galerie und Kunsthandel präsentiert. Kunsthandel Freller wartet auch mit interessanten Arbeiten auf, so mit einem Selbstporträt in Aquarell von Maria Lassnig, einer Übermalung von Arnulf Rainer und dem „Schinken-Schupfen-Galopp“ von Ludwig Christian Attersee. Breit gefächert ist das Angebot auch bei Galerie Augustin mit Arbeiten von Georg Loewit, David Gerstein, Jörg Döring, Elisa Anfuso und Charles Fazzino. Sammler zeitgenössischer Skulpturen finden bei Galerie Gans Exponate von Mario Dalpra, dessen plastische Arbeiten voller Symbolik sind und permanent in Bewegung und voller Leben zu sein scheinen. Die Stein- und Marmorskulpturen von Hans-Peter Profunser bei Galerie Szaal beeindrucken durch ihre natürlichen Strukturen, die der Künstler gekonnt in sein Werk einfließen lässt. Neue Kunst Gallery bietet einzigartige Flipperautomaten mit Emailmalerei-Applikationen von Moritz Götze. Im Bereich Fine Art & Antiques werden ausgewählte Meisterstücke – Exponate höchster Handwerkskunst von der Antike über Gotik und Barock bis hin zum Art déco – sowie Gemälde von Rudolf von Alt, Olga Wisinger-Florian, Carl Moll, Egon Schiele und Alfons Walde präsentiert. Christoph Bacher Archäologie Ancient Daniel Wagenplast (geb. 1963), Art ist Österreichs führenMann und Frau, Holz bemalt, de Galerie in Wien, die 2017, jeweils 140 x 30 x 30 cm; sich ausschließlich mit der Kunst der Antike beschäfFair for Art Vienna tigt. Der Zeitrahmen reicht © Neue Kunst Gallery dabei von 6.000 v. Chr. bis

ins 6. Jahrhundert n. Chr. Besondere Highlights sind hier eine römische Marmorbüste der Demeter, 1. bis 2. Jahrhundert n. Chr., sowie eine Malerei einer Mumien-Kartonage aus der Spätzeit, 26. Dynastie, 664 bis 525 v. Chr. Kunstvoll gearbeitete Silbergegenstände namhafter Manufakturen, wie Exponate der berühmten Wiener k.u.k. Hofsilbermanufaktur Klinkosch und gesuchte Besteckkassetten offeriert Kunsthandel und Antiquitäten Sonja Reisch. Bei den Skulpturen ragt bei Kössl Kunst und Teppich neben einer kunstvoll gearbeiteten Anna Selbdritt – einer Darstellung der heiligen Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind – aus Schwaben um 1500 ein gotischer Christus aus Italien um 1400 heraus. Ebenfalls auf diesem Stand sind eine Originalradierung von Rembrandt Harmensz van Rijn um 1646, New Hollstein 233 VII, 19,4 x 12,8 cm, sowie das Deckblatt zur Großen Holzschnittpassion, Meder 113 b von f, 19,8 x 20,1 cm, von Albrecht Dürer ausgestellt. Kunsthandel Freller, der Spezialist für Alfons Walde, zeigt von diesem Künstler die Ölgemälde „Sonntag in Tirol“ um 1928 und „Die Betschwestern“ aus dem Jahr 1914. Ebenfalls auf diesem Stand werden gesuchte Werke des bekannten österreichischen Malers Carl Moll geboten. Diese Kunstmesse ist die Herbstausgabe der WIKAM, der

Mario Dalpra (geb. 1960), Die Liebenden, Bronze patiniert und poliert, 2019, 45 x 25 x 10 cm; Fair for Art Vienna © Galerie Gans


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MAGAZIN

Wiener Internationalen Kunst & Antiquitätenmessen, und dementsprechend hoch ist der Qualitätsanspruch, den das Management an sich selbst sowie die Aussteller und ihr Programm stellt. Den idealen Veranstaltungsort für diesen spannenden Event bietet die nur wenige Schritte vom Stephansdom entfernte Aula der Wissenschaften in der Wollzeile 27A.

Anna Selbdritt, Schwaben um 1500, alte Fassung, H 85 cm; Fair for Art Vienna © Kössl Kunst & Teppich

die Albert Maier bei „Bares für Rares“ wahrnimmt, wird auf der Ludwigsburger Antikmeile von zwei anderen Experten ausgefüllt: An einem Stand bei der Zentral-Apotheke begutachten sie auf der Antikmeile erworbene sowie mitgebrachte Antiquitäten. So lässt sich schnell herausfinden, woher das Stück kommt, wie alt es ist und wie viel es wert ist. TELEFON | 07141/9102252 WEBSEITE | www.ludwigsburg.de/antikmeile

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Kostbares und Kurioses

Antikmeile Ludwigsburg

Foto: Tourismus & Events Ludwigsburg

Antikmeile Ludwigsburg Die Ludwigsburger Antikmeile ist ein Paradies für Sammler und Liebhaber schöner Dinge. Über 170 Anbieter aus dem gesamten Bundesgebiet und dem angrenzenden Ausland präsentieren am Wochenende des 28. und 29. September – jeweils von 11 bis 18 Uhr – ein hochwertiges Angebot auf dem Marktplatz: antike Möbelstücke, Spielzeug, Bücher, Glas, Gemälde, Uhren und vieles mehr. Technikbegeisterte werden an Ständen mit historischen Fotoapparaten, Telefonen, Schreib-, Rechen- und Nähmaschinen sicher fündig. Wer sein Zuhause mit etwas Edlem verschönern möchte, findet auf der Antikmeile zum Beispiel Jugendstil-Leuchter und Biedermeier-Rahmen. Zu erstehen gibt es außerdem englische Kleinantiquitäten, böhmische Glaswaren oder französische Keramik. Wer es rustikaler mag, kauft bäuerliche Antiquitäten und hochwertiges Leinen. Alte Reklametafeln, antike Lampen oder Schiffsantiquitäten verleihen Wohnzimmer oder Küche das gewisse Etwas. Historische Eisenbahnen, Steifftiere und Puppenstubenzubehör erfreuen nicht nur die kleinen Besucherinnen und Besucher. Melanie Mitna, Veranstaltungsleiterin von Tourismus & Events Ludwigsburg, erklärt den Erfolg der Ludwigsburger Antikmeile so: „Wir legen Wert auf eine hohe Qualität der Waren und ein breitgefächertes Angebot. Dazu kommt die fantastische Kulisse des barocken Marktplatzes.“ Für die vielen Fans der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ gibt es bei der diesjährigen Antikmeile ein besonderes Highlight: Der Kunst- und Antiquitätenhändler Albert Maier, der in der Sendung als Experte auftritt und für den die Ludwigsburger Antikmeile zu den „drei schönsten Märkten Deutschlands“ zählt, ist als Verkäufer vor Ort. Die Aufgabe,

Antikes am Airport Moderner Wohnkult bei Motorworld Rheinland in Köln Die alte Empfangshalle und die Airport-Lounge vom alten Kölner Flughafen Butzweilerhof auf dem Gelände von Motorworld Köln im Rheinland wird am 21. und 22. September zum Treffpunkt für Sammler, die Raritäten und Kuriositäten lieben. Auf über 600 Quadratmetern bieten Händler aus ganz Deutschland und den Nachbarländern ihre Schätze an. Offeriert werden nur Originale aus der Zeit wie Reklameschilder, Plakate, Leuchtreklamen und andere Ge-brauchsgrafik, außerdem Kleinmöbel und Lampen im Industriedesign, aus der Zeit des Art déco und aus den 1950er- bis 1970er-Jahren, des Weiteren Kuriositäten aus alten Apotheken, Arztpraxen, Fahrschulen, Tankstellen, Turnhallen, Schulen und aus dem Tante-Emma-Laden. Das vielfältige Angebot runden alte Spiel- und Warenautomaten, Jukeboxen, alte Technik und altes Spielzeug ab. Im Rahmen von „Moderner Wohnkult" bei Motorworld Rheinland findet am Samstag, dem 21. September eine Reklame-Auktion mit dem Schwerpunkt „Automobilia und Technik" statt. Über 100 ausgesuchte Objekte kommen ab 18 Uhr unter den Hammer. Die Vorbesichtigung beginnt um 16 Uhr. TELEFON | 0162 9102947 WEBSEITE | www.moderner-wohnkult.de


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FOTOKUNST

Junge deutsche Fotografie Gute Aussichten Im 15. Jahr seines Bestehens präsentiert das Format „Gute Aussichten 2018/2019“ im Haus der Photographie Deichtorhallen in Hamburg bis 3. Oktober eine inhaltliche, ästhetische und mediale Bandbreite, wie sie die jungen Fotografinnen und Fotografen in Deutschland hervorbringen: ein überraschendes Spektrum vielfältiger Ideen, fotografischer Strategien und formaler wie medialer Umsetzungen, die den aktuellen Status Quo der jungen Fotografie widerspiegeln. Die neunköpfige Jury, die durch die Teilnahme des renommierten Fotografen Elger Esser und des bekannten Verlegers Gerhard Steidl unterstützt wurde, wählte aus 98 Einreichungen von 40 Institutionen neun Preisträgerinnen und Preisträger und ihre ausgezeichneten Arbeiten aus. Das verbindende Element aller Arbeiten ist – bei aller Unterschiedlichkeit an Themen und Formen – der wendende Punkt, der mit dem Anfang oft schließt und mit dem Ende beginnt. Dabei ist es äußerst inspirierend, wenn die neun Gewinner von „Gute Aussichten – junge deutsche Fotografie 2018/2019“ frischen Wind in ein fotografisches Feld hineintragen, dessen bildgestalterische Möglichkeiten allen Kassandrarufen zum Trotz offensichtlich bei weitem noch

Sina Niemeyer, Für mich – A Way of Reconciliation © Sina Niemeyer

nicht ausgeschöpft sind. Die Ausstellung richtet sich an eine junge Generation und berichtet auch von ihr, indem nicht selten brennende Themen der heutigen Heranwachsenden reflektiert werden. Aus dieser Vermittlungsfunktion bezieht das Projekt einen Teil seiner Anziehungskraft und seiner Popularität nicht nur für und unter jungen Leuten. Insgesamt präsentiert die Schau 229 Motive, darunter 39 unikate Belichtungen, sieben Fotogramme, drei Siebdrucke und zwei Risografien sowie vier Videos, zwei Künstlermagazine, einen Kurzfilm, ein Buch und eine Diaprojektion. WEBSEITE | www.deichtorhallen.de

Anna Tiessen, Kommando Korn

© Anna Tiessen

Mondsüchtig Fotografische Erkundungen

Lorraine Hellwig, Y A MANIFESTO

© Lorraine Hellwig

Die Mondlandung am 21. Juli 1969 war ein Jahrhundertereignis. 50 Jahre nachdem der erste Mensch seinen Fuß auf die Mondoberfläche setzte, fragt die Fotostiftung Schweiz in Winterthur in ihrer Ausstellung, die bis 6. Oktober läuft, nach der fotografischen Darstellung dieses Gestirns, das die


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FOTOKUNST

Edy Brunner, Apollo 11 (oben: Detail), 1969

© Edy Brunner

tretenen Positionen eint, ist die Befragung eines Ereignisses, dessen Ambivalenz auch heute noch zu denken gibt: Die Großartigkeit der Unternehmung und der sie ermöglichenden technischen Leistungen kontrastieren mit der Banalität des Vorgefundenen und der Motive der Raumfahrtmissionen, des Space Race. Neben ausgewählten historischen Werken werden in erster Linie zeitgenössische Arbeiten und Installationen vorgestellt. WEBSEITE | www.fotostiftung.ch

Daniela Keiser, aus der 63-teiligen Serie „Temporary Urban Spaces“, 2018 © Daniela Keiser, Courtesy Galerie STAMPA

Walter Schels Leben

Fantasien der Menschen schon seit jeher beflügelt. Dabei geht es nicht so sehr um eine wissenschaftliche oder dokumentarische Auseinandersetzung mit dem Mond als vielmehr um die bildhafte Übersetzung einer schwer fassbaren Erfahrung. Die „Entzauberung“ des Monds ist ein Schock, der auch künstlerische Energien freigesetzt hat. Die romantische Verklärung hat einer Diskussion um die Rolle des Menschen im Universum Platz gemacht. Dies kommt etwa in konzeptuellen und erkenntniskritischen Ansätzen zum Ausdruck, die aber immer auch die sinnliche Faszination bewahren, die vom Mond ausgeht. Was die in der Ausstellung ver-

Lucino Rigolini, aus der Serie „AS 15-16“, 2018

© Lucino Rigolini

Die Reihe „Hamburger Helden“, die mit der Ausstellung „Die zweite Heimat“ des Fotografen Peter Bialobrzeski im vergangenen Jahr erfolgreich begonnen wurde, wird im Sommer 2019 mit dem Fotografen Walter Schels (*1936) bis 3. Oktober im Haus der Photographie der Deichtorhallen in Hamburg fortgesetzt. Seit über 50 Jahren beschäftigt sich Walter Schels mit Extremsituationen des menschlichen Lebens. Der Ausnahmefotograf hat sich für viele seiner Projekte an die Ränder der Existenz begeben: Seine Serien und Langzeitprojekte widmen sich der Geburt ebenso wie dem Sterben. Menschen mit Behinderung werden wie bekannte Persönlichkeiten im Stil

Walter Schels, Angela Merkel, Bundeskanzlerin, 2005, aus der Serie „Hände“, 55 x 27 cm, Pigment-Print © Walter Schels

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FOTOKUNST

World-Press-Foto des Jahres: John Moore (Getty Images), Weinendes Mädchen an der Grenze; Yanela aus Honduras weint, während ihre Mutter Sandra Sanchez von einem Beamten der US-Grenzpatrouille durchsucht wird. McAllen, Texas, USA, 12. Juni 2018

Walter Schels, Bodybuilding, 1980, 40 x 40 cm, Pigment-Print © Walter Schels

eines klassischen Studiofotografen vor vorwiegend neutralen, oft dunklem Hintergrund porträtiert. Dabei konzentriert sich Schels auf Körper sowie Mimik der Porträtierten. Diese Fotoarbeiten haben Schels den Ruf eines nachdenklichen Existentialisten auf dem Gebiet der zeitgenössischen Porträtfotografie eingebracht. Die Ausstellung „Leben“ präsentiert einige von seinen bekanntesten Serien, die von neuen Arbeiten ergänzt werden. Präsentiert ist das menschliche Sein in seinen vielen Ausprägungen. Darunter ist die bisher noch nicht gezeigte Serie „Transsexuell“ zu sehen, in der Walter Schels die Entwicklung vom Zeitpunkt der ersten Hormonbehandlung bis zur abgeschlossenen Geschlechtsumwandlung junger Menschen fotografisch begleitet.

lassen als Ikonen der Zeitgeschichte das vergangene Jahr Revue passieren und zeigen auf eindringliche Weise Ereignisse aus den Bereichen Politik, Gesellschaft, Sport und Natur. „Der World Press Photo Award demonstriert ein ums andere Mal, was guter Fotojournalismus zu leisten im Stande ist und welch hohen persönlichen Einsatz Fotografinnen und Fotografen riskieren, damit wir wissen, was auf der Welt vor sich geht. In Zeiten, in denen die freie Presse mehr und mehr unter Beschuss genommen wird, kann das nicht oft genug betont werden. Auch deshalb ist die Ausstellung für uns von so großer Bedeutung“, so WestLicht Vorstand Peter Coeln. Seit 1955 schreibt die World Press Photo Foundation, eine unabhängige Plattform des Fotojournalismus mit Sitz in Amsterdam, den World Press Photo Contest aus. Eine jährlich wechselnde Jury beurteilt die Einsendungen von Fotografinnen und Fotografen aus aller Welt. Das Ergebnis des renommierten Wettbewerbs, das jeweils als Wan-

WEBSEITE | www.deichtorhallen.de

World Press Photo des Jahres Die Welt zu Gast im WestLicht Mit der World Press Photo Ausstellung machen ab 13. September wieder die besten Pressefotografien in der Wiener Westbahnstraße bis 20. Oktober Station. Zum World Press Photo des Jahres kürte die Jury ein Bild des US-amerikanischen Fotografen John Moore, das zu einem Symbol für die restriktive Einwanderungspolitik der USA unter Präsident Trump geworden war. Bereits zum 18. Mal in Folge ist das WestLicht Schauplatz von World Press Photo. 2018 zog das Event knapp 35.000 Besucher in die Westbahnstraße, ein neuer Rekord. Die prämierten Einzelbilder und Fotoserien

Erster Preis „Umwelt, Einzelbilder“: Brent Stirton (Getty Images), Akashinga – die Tapferen; Petronella Chigumbura (30), Mitglied einer ausschließlich aus Frauen bestehenden Einheit zur Bekämpfung der Wilderei, bei einem Tarntraining im Phundundu Wildlife Park, Simbabwe


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FOTOKUNST

derausstellung um den Globus tourt, gilt als wichtigste Leistungsschau der internationalen Pressefotografie. WEBSEITE | www.westlicht.com

Bildwelten Das Werk der Brüder Viegener Das Gustav-Lübcke-Museum in Hamm zeigt bis 6. Oktober die Sonderausstellung „Foto Farbe Form. Bildwelten der Brüder Viegener.“ Mit dieser Schau werden auf einzigartige Weise Brücken gebaut, die sich über ganz Westfalen spannen und erstmals das fotografische, malerische und bildhauerische Werk von Josef, Eberhard und Fritz Viegener verbinden. Die in Soest geborenen Brüder gehören zu einer Generation, die nicht nur den Ersten Weltkrieg, die Inflation und den wirtschaftlichen Zusammenbruch miterlebten, sondern auch den Nationalsozialismus und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Doch all dies vermochte ihren Optimismus und ihre große Empfänglichkeit für visuelle Gestaltung nicht zu erschüttern. Josef Viegener (1899-1992) gelang es mit seinem 1925 in Hamm eröffneten Fotoatelier einen beachtlichen Kundenkreis zu erobern. Wer etwas auf sich hielt, ließ sich von dem renommierten Fotografen porträtieren. Aber er widmete

sich nicht nur der handwerklichen Auftragsfotografie, sondern griff auch gleichzeitig Impulse der fotografischen Moderne auf. Eberhard Viegener (1890-1967) hat schon seit der Zeit des Ersten Weltkriegs als Maler und Grafiker – nicht zuletzt mit Unterstützung des namhaften Galeristen Alfred Flechtheim – in der Kunst Fuß gefasst. Stilistisch äußerst facettenreich, spiegelt sich in seinem Werk die Entwicklung der Moderne, deren Strömungen er eigene Akzente zu verleihen wusste. Unentwegt widmete er sich der Landschaft, dem Porträt und dem Stillleben – mit sichtlicher Zuneigung für Natur, Mensch und Dinge. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war er Mitbegründer des „Westdeutschen Künstlerbunds“, einer Ausstellungsgemeinschaft, die bis heute aktiv ist. Fritz Viegener (1888-1976) stieg – wie die beiden anderen Brüder – ohne akademische Ausbildung in die Kunst ein. Seine Leidenschaft galt der Bildhauerei und der Grafik. Die Kenntnisse eignete er sich selbst an und suchte Orientierung im Studium von Kunstwerken und in der Beobachtung der Natur. Er widmete sich zahlreichen religiösen Themen. Auch die Landschaft und der Mensch gehörten zu seinen vornehmlichen Motiven. Neben den für den Lebensunterhalt nötigen Aufträgen entstand auch eine Vielzahl an freien Arbeiten, die besonders in den späteren Jahren die Möglichkeit der Abstraktion ausloteten. Die Ausstellung umfasst rund 200 Arbeiten. WEBSEITE | www.museum-hamm.de

Josef Viegener, Turm der Brauerei Isenbeck, um 1950

Josef Viegener, Wasser schöpfender Junge, um 1950

© Josef Viegener, Hamm

© Josef Viegener, Hamm

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12.08.2019

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72_77_Olga_Wisinger.qxp_SJ Redaktion 12.08.19 16:29 Seite 2

Wisin gerFl orian Olga WisingerFlorian Die Wiener Malerin war eine Marke Von Anja Iwa

Die österreichische Malerin Olga Wisinger-Florian zählt zu den ersten erfolgreichen Künstlerinnen, die den Beginn einer konsequenten Kunstgeschichte der Frau ab Mitte des 19. Jahrhunderts repräsentieren. Als unabhängige Malerin gelang es ihr schon zu Lebzeiten Anerkennung und Ruhm zu erlangen.

Olga Wisinger-Florian, Blu ̈ hender Mohn, um 1906, Öl auf Karton, 70 × 98 cm Belvedere, Wien, Foto: Belvedere, Wien/Johannes Stoll

Wisinger-Florians Gemälde wurden nicht nur im Wiener Künstlerhaus regelmäßig ausgestellt, sondern waren auch in München, Berlin, Prag und Paris präsent. Olga WisingerFlorian (1844-1926) setzte sich engagiert für die Rechte der Frauen ein, war eine der meist ausgezeichneten Künstlerinnen ihrer Zeit und zählte berühmte Persönlichkeiten des Großbürgertums sowie den hohen Adel und das Kaiserhaus zu ihren Kunden. Als eine der ersten Frauen in der traditionell männlich dominierten Kunstwelt kämpfte sie sich trotz vieler Hürden bis an die Spitze vor. Geschickt baute sie ein beeindruckendes Netzwerk an Kontakten auf und positionierte sich und ihre Kunst als unverkennbare Marke. Die Liste ihrer Kunden und Kontakte liest sich wie ein Who is who der damaligen Gesellschaft: von Bankiers wie Baron Rothschild und Unternehmern wie der Apothekerfamilie Kwizda über Industrielle wie Wilhelm Ritter von Guttmann oder Künstlerpersönlichkeiten wie Felix Weingartner bis hin zum hohen Adel, allen voran Erzherzog Carl Ludwig, Prinzregent Luitpold von Bayern oder Erzherzogin Clotilde, Prinzessin von Sachsen-Coburg. Sie alle schätzten und kauften ihre Kunst. Neben der Präsenz im Künstlerhaus und der privaten Kontakte zu Sammlern galt es, in dem jungen Geschäftsfeld des Kunsthandels Fuß zu fassen – auch hier gelang es Wisinger-Florian, sich gut mit seriösen Partnern zu vernetzen, und selbst im Umgang mit Kunstkritikern bewies sie professionelles Gespür. Ihre Eigenständigkeit erarbeitete sie sich durch enormen Fleiß, Konsequenz und nicht zuletzt durch perfektes Selbstmarketing. Anhand des in ihrem Werk zentralen, typisch weiblich konnotierten Motivs der Blume schuf sie ein Œuvre, das den Bogen von der lyrischen Tonmalerei bis hin zur modernen Malerei an der Schwelle zum Expressionismus spannt.


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BIOGRAFRIE Olga Florian wurde am 1. November 1844 als einzige Tochter von Franz Florian, Regierungsrat in der kaiserlichen Kabinettskanzlei und seiner Frau Anna (Nina), geb. List, in Wien geboren. Die Beziehung zu ihren Eltern war zeitlebens sehr eng. Von 1868 bis 1873 machte sie eine Ausbildung zur Konzertpianistin bei Professor Julius Epstein, doch aufgrund eines chronischen Handleidens musste sie ihre Musikkarriere wieder aufgeben. 1874 heiratete sie Franz Wisinger, den Besitzer der Apotheke „Zum Goldenen Adler“ am Schwarzenbergplatz in Wien. Sie behielt ihren Mädchennamen bei und nannte sich von nun an Wisinger-Florian. Erst jetzt, mit über 30 Jahren, begann Olga ihre intensive Auseinandersetzung mit der Malerei und nahm privaten Unterricht. Obwohl sie es finanziell nicht notwendig gehabt hätte, strebte sie eine Karriere als professionelle Künstlerin an. Sie richtete sich ein eigenes Atelier in der gemeinsamen Wohnung mit ihrem Mann ein und nahm ab 1874 bis 1879 Privatunterricht bei dem Landschaftsmaler Melchior Fritsch. Am 2. März 1875 kam ihr erster und einziger Sohn Oskar Franz Wisinger zur Welt. Bereits 1878 erfolgte eine erste Ausstellung im Wiener Kunstverein, und um 1879/80 war Wiesinger-Florian als Hospitantin an der Wiener Akademie. Gleichzeitig nahm sie Privatunterricht bei August Schaeffer von Wienwald, dem späteren Direktor der k. k. Gemäldegalerie. Ab 1880 eröffnete sich ihr als Schülerin des nur wenige Jahre älteren Landschaftsmalers Emil Jakob Schindler Von oben nach unten: Olga Wisinger-Florian, Blumenbeete im Park von Grafenegg, 1901, Öl auf Karton, 70 × 97,5 cm. Privatsammlung, Foto: Schütz Fine Art, Wien Olga Wisinger-Florian, Blumenstrauß mit Grußkarte, 1887, Öl auf Holz, 30,5 × 43 cm. Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger Olga Wisinger-Florian, Gloxinien im Glashaus von Schloss Grafenegg, 1905, Öl auf Karton, 72 × 101 cm. Privatsammlung, Foto: Auktionshaus im Kinsky, Wien


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eine neue Dimension der Malerei. In Schindler fand sie nicht nur einen herausragenden Künstler, sondern auch einen begabten Pädagogen und kam außerdem in Kontakt mit seiner Malerinnengruppe. Sie bewahrte jedoch stets ihre Selbstständigkeit, war schon bald sehr erfolgreich in den Ausstellungen des Wiener Künstlerhauses und wurde letztlich zu einer zunehmend ernsthaften Konkurrentin für Schindler, was schließlich 1885 zum Ende des Lehrer-Schülerin-Verhältnisses führte. Nach nur acht Jahren ernsthafter künstlerischer Arbeit avancierte Wisinger-Florian bereits zu den teuersten zeitgenössischen Landschaftsmalerinnen in Österreich. Diesen Marktwert sollte sie zeitlebens halten, ihn immer wieder auch steigern können und selbst heute erzielen ihre Werke die höchsten Preise im Bereich der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Ab 1884 unterrichtete sie als Lehrerin und unternahm regelmäßige Künstlerfahrten mit ihren Schülerinnen nach St. Veit an der Gölsen, Gars am Kamp, Hartenstein und Grafenegg in Niederösterreich. Bis 1914 war sie als unabhängige und freie Künstlerin tätig. In Europa entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zahlreiche Frauenvereine, darunter 1885 der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen Wien. Noch im Gründungsjahr trat Wisinger-Florian diesem Verein bei, um in der Folge für 17 Jahre das Amt der Präsidentin zu bekleiden. Sie engagierte sich auch für die Friedensbewegung der Baronin Bertha von Suttner, und reiste als deren Delegierte zu internationalen Friedenskongressen.

Von oben nach unten: Olga Wisinger-Florian, Côte d‘Azur, Gartenweg in Nizza, 1906, Öl auf Karton, 51 × 71,5 cm. Privatsammlung, Foto: Auktionshaus im Kinsky, Wien Olga Wisinger-Florian, Der Strand von tretat (Normandie), 1893/94, Öl auf Karton, 16 × 26 cm. Privatsammlung, Foto: Auktionshaus im Kinsky, Wien Olga Wisinger-Florian, Ulmenallee am Schwarzen Meer, 1911, Öl auf Leinwand, 147,5 × 266 cm. Privatsammlung, Oberösterreich, Foto: Enzlmüller Fotografie, Pettenbach


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MALEREI

1886 wurde die Künstlerin auf einer Ausstellung im Wiener Künstlerhaus Kaiser Franz Joseph vorgestellt. Von 1887 bis 1889 reiste sie auf Einladung von Erzherzogin Clotilde, Prinzessin von Sachsen-Coburg nach Kroatien, wo sie ihre Töchter Maria Dorothea und Margarethe, spätere Fürstin Thurn und Taxis unterrichte. Hier begann auch eine enge Freundschaft mit der Malerin Leo (Leontine) von Littrow. 1889 besuchte sie die Weltausstellung in Paris, ein Jahr später verstarb ihr Ehemann. Wisinger-Florian erhielt die Konzession für die Apotheke als Witwengut unter der Bedingung, keine weitere Ehe mehr einzugehen. Die Apotheke wurde verpachtet und bot ihr eine solide wirtschaftliche Basis. 1891 und 1892 reiste Wisinger-Florian als Delegierte zum Internationalen Friedenskongress nach Rom und nach Bern. Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago legte man erstmals im Rahmen einer internationalen Großveranstaltung in einem Women’s Pavillon einen Schwerpunkt auf die Kunst von Frauen, darunter auch Wisinger-Florians Werke. Die Malerin erhielt eine Goldmedaille und unternahm im Anschluss zusammen mit ihrem Sohn eine zweimonatige Reise durch den Norden der USA. 1894 erfolgte eine weitere Teilnahme als Delegierte am Internationalen Friedenskongress in Antwerpen und eine Einzelausstellung mit 28 Bildern in der Galerie Eduard Schulte in Berlin, die auch Kaiserin Augusta Victoria besuchte. Die Malerin begab sich in diesem Jahr auch erstmals auf Schloss Alcsuth (Alcsút) in Ungarn, der Sommerresidenz von Erzherzog

Von oben nach unten: Olga Wisinger-Florian, Fallendes Laub (Buchenallee in Hartenstein), 1899, Öl auf Leinwand, 96 × 128 cm. Belvedere, Wien, Foto: Belvedere, Wien/Johannes Stoll Olga Wisinger-Florian, Fallendes Kornfeld, um 1900, Öl auf Karton, 33 × 71,5 cm. Privatsammlung, Foto: Dorotheum, Wien/Auktionskatalog 10.05.2017 Olga Wisinger-Florian, Fallender Oktoberschnee (Motiv aus dem Schlossgarten Hartenstein), 1905, Öl auf Karton, 48 × 64 cm. Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger

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Joseph und Erzherzogin Clotilde. Ende 1895 fand eine Kollektivausstellung im Wiener Künstlerhaus statt. Als man 1898 ein schweres Herzleiden bei ihr feststellte, hielt sie sich ab 1899 regelmäßig in der Kaltwasserheilanstalt von Dr. Otto Pospischil auf Burg Hartenstein in Niederösterreich auf. Im Jahr 1900 folgte eine Einzelausstellung im Kunstsalon Pisko in Wien, die Beteiligung an der Weltausstellung in Paris, wo sie eine Goldene Medaille erhielt und eine Einzelausstellung im Kunstsalon Hermes in Frankfurt am Main. Gemeinsam mit Marie Egner und der Porträtmalerin Marianne von Eschenburg entwickelte die begabte Netzwerkerin die Gruppenausstellungen der acht Künstlerinnen, die zwischen 1901 und 1912 jährlich in der Wiener Galerie Salon Pisko mit wechselnder Besetzung stattfanden. 1902 nahm sie als Delegierte am Internationalen Friedenskongress in Monaco teil und 1904 erfolgte ein weiterer Besuch auf Schloss Alcsuth. 1905 wurde Wisinger-Florian von Albert und Margarethe, Fürst und Fürstin Thurn und Taxis, auf das Schloss Emmeram in Regensburg eingeladen. Ab dieser Zeit hielt sie sich regelmäßig im Sommer in Grafenegg in Niederösterrreich auf. Im Februar 1906 besuchte sie die Erzherzogin Clotilde in Menton bei Nizza und von Mai bis Juni fand ein erster Besuch der Künstlerin auf Schloss Euxinograd in Varna in Bulgarien, der Sommerresidenz des Fürsten Ferdinand I. von Bulgarien, statt. Im Jahr darauf war sie erneut zu Besuch auf Schloss Emmeram in Regensburg. Es heißt, dass auf Olga Wisinger-Florians Anregung hin im Jahr 1910 die AusVon oben nach unten: Olga Wisinger-Florian, Feldblumen, 1885, Öl auf Holz, 92,2 × 66,3 cm. Leopold Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger Olga Wisinger-Florian, Alter Friedhof in Goisern, 1884, Öl auf Holz, 72 × 54,5 cm. Privatsammlung, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger Olga Wisinger-Florian, Herbstblumen am Fenster, 1887, Öl auf Holz, 101 × 72 cm. Privatsammlung, Wien, Foto: Graphisches Atelier Neumann, Wien

stellung Kunst der Frau in der Wiener Secession von der neu gegründeten Vereinigung der bildenden Künstlerinnen Österreichs stattgefunden hat. Zu Lebzeiten staunte man über die „männliche Energie“ der Malerin, man wunderte sich über die Fähigkeit einer Frau, „so malen zu können“, und lobte ihr „wahrhaft künstlerisches Naturell“. Losgelöst von diesen geschlechtsspezifischen Definitionen und im historischen Überblick stellt Wisinger-Florian heute eine der auch international bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten an der Schwelle zur Moderne dar. 1912 wurde ein Hirntumor samt einer fortschreitenden Erblindung bei ihr diagnostiziert. Ihre letzten Werke entstanden um diese Zeit, und ab 1914 siedelte sie schließlich nach Grafenegg über, wo ihr Herzog von Ratibor eine Villa in seinem Park von Schloss Grafenegg zur Verfügung stellte. Olga WisingerFlorian starb dort am 27. Februar 1926 im Alter von 82 Jahren und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof im Grab der Familie Wisinger beigesetzt. Im Jahr darauf erfolgte eine Gedächtnisausstellung im Wiener Künstlerhaus und die Versteigerung ihres Nachlasses im Kunsthandel Albert Kende in Wien.

DIE BLUME Zwischen 1890 und 1892 setzte sich Olga Wisinger-Florian intensiv mit dem umfangreichen Bildprojekt „Die zwölf Monate“ auseinander – auf Holz gemalte Ölbilder, welche die Natur im Wandel der Jahreszeiten abbilden. Der Zyklus markiert einen Höhe- und zugleich Wendepunkt am Ende ihrer ersten, vom Poetischen Realismus Schindlers geprägten Stilphase und wurde 1893 in Wien, München und Berlin ausgestellt. Nachdem sie diese Monatsbilder abgeschlossen hatte, wandte sich die Künstlerin von der Ateliermalerei ab und ging stattdessen in die freie Natur, die sie von nun an beharrlich als einzig gültiges Vorbild für ihre Arbeit


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betrachtete. Sie konzentrierte sich fortan mehr und mehr auf die Details und die Plastizität der Malerei. In ihrem Fokus stand stets die Blume, deren Darstellung sie vom Klischee der lieblichen Frauenmalerei befreite. Sie übernahm zunächst vertraute und populäre Kompositionsschemata der Biedermeiermalerei, um diese dann mit der Dynamik eines autonomen Pinselstriches neu zu definieren. Ihre Blumen waren keine romantischen Ausdrucksträger mehr, sondern Symbol für eine unabhängige sowie innovative Malerei. Sie trug die Farbe unvermischt, wenn nötig mit einer Spachtel statt eines Pinsels auf den Bildträger auf und entwickelte so ihre expressive Handschrift. Mittels scharfer Perspektivenlinien und hoher Horizonte experimentierte die Malerin mit neuen Raum- und Seherlebnissen. Fotografische Parallelen lassen sich mit ihrer Tendenz zu nahsichtigen Aufnahmen erkennen, deren Detailgenauigkeit sie besonders in ihrem Spätwerk zugunsten eines ungewöhnlichen und wegweisenden Farbexpressionismus auflöste.

AUSSTELLUNG Mit der Ausstellung Olga WisingerFlorian. Flower-Power der Moderne zeigt das Leopold Museum in Wien die erste umfassende Retrospektive dieser exzeptionellen Malerin. „Die eindrucksvolle Karriere von Olga Wisinger-Florian stellt sich als Ergebnis verschiedener, ineinandergreifender Komponenten dar. Die Hindernisse, die eine Frau in der Kunstwelt ihrer Zeit zu überwinden hatte, verstand sie mit Charme und Intelligenz zu meistern. Talent verschaffte ihr Anerkennung und Respekt, Fleiß machte sie zu einem verlässlichen Partner, aber erst ihr intelligentes Taktieren und ihr geniales Networking führten am schwierigen Marktplatz der Kunst zum Erfolg. Den Nachteil ihres Geschlechts verwandelte sie selbstbewusst in ihren Vorteil und wurde

so für viele der nachkommenden Generation zum Vorbild.“ so Marianne Hussl-Hörmann, Kuratorin der Ausstellung. Präsentiert werden rund 120 Exponate, davon 70 Gemälde, zahlreiche Fotografien, Arbeiten auf Papier, eine Skulptur und viele Archivalien, darunter auch die akribisch geführten Tagebücher der Malerin, die einen einzigartigen Einblick in ihre Gedankenwelt und in den Entwicklungsprozess ihrer Kunst gewähren. Die 70 Ölgemälde stammen aus bedeutenden institutionellen wie privaten Sammlungen, wie aus dem Belvedere, dem Wien Museum, aus der Privatsammlung der Familie

Olga Wisinger-Florian, Pfingstrosen (Päonien, Motiv aus Albrechtsberg), 1904, Öl auf Karton, 64 × 100 cm. Sammlung Eisenberger, Wien, Foto: Vera Eisenberger KG, Wien Oben: Olga Wisinger-Florian, Hortensien (aus Grafenegg), 1901, Öl auf Leinwand, 120 × 150 cm. Privatsammlung, Wien, Foto: Auktionshaus im Kinsky, Wien

Leopold, der Sammlung Eisenberger, der Kunsthandlung Giese & Schweiger, die im Besitz des Nachlasses der Künstlerin ist, sowie aus der Sammlung des Leopold Museum. Ausstellung: „Olga Wisinger-Florian. Flower-Power der Moderne“, Leopold Museum, Wien. Bis 21. Oktober


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Klassiker Fotografie Roh, Franz: Aenne Biermann: 60 Fotos, Broschur, 101 Seiten, Text in Deutsch, Englisch, Französisch, Abbildungen in Schwarzweiß, erweiterter Neudruck, Klinckhardt & Biermann Verlag, München 2019, Preis: € 22,-.

men, Pflanzenstudien, Porträts, Akte, Straßenszenen und Landschaften. Dank eines zusätzlich eingefügten Essays liefert dieser Reprint mehr biografische Informationen zur Hauptperson als die Originalausgabe. ISBN 978-3-943616-59-0

Mutter aller? Religiöse Kunst Schneider, Katja (Hg.): Verehrt. Geliebt. Vergessen. Maria zwischen den Konfessionen, 285 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe, Michael Imhof Verlag, Petersberg, 2019, Preis: € 29,95. Unter den wahrlich nicht wenigen Heiligen, die der gläubige Katholik in jeglicher Notlage anflehen und um Hilfe bitten kann, nimmt Maria den höchsten Rang ein. Sie ist die katholische Heilige schlechthin, nicht nur in der Wahrnehmung der Papisten. Maria als eine Gestalt der Reformation zu bezeichnen, käme von daher wohl nur Wenigen in den Sinn. Eine davon ist die Kuratorin Katja Schneider. Sie stellt

Das „steif kartonierte“ und von Format (17,6 x 25 cm) und Umfang (76 Seiten) her eher unscheinbare Buch über Aenne Biermann erschien erstmals 1930. Die schlichte Aufmachung war wohl durchdacht und sollte der Aktualität und Modernität des Inhalts Rechnung tragen. Diese Monografie war gleichzeitig Band 2 einer vom Kunsthistoriker Franz Roh initiierten und herausgegebenen Reihe „Fototek“. Geplant war in rascher Folge über die Neue Fotografie zu informieren. Dem Projekt war, bedingt durch die prekäre wirtschaftliche Lage in jenen Jahren sowie die Machtergreifung Hitlers, jedoch nur eine kurze Lebensdauer beschert. Nach diesem zweiten Band musste es bereits eingestellt werden. Immerhin wurde aber aus diesem Buch, es war die einzige Publikation, die damals in Deutschland über eine Avantgardefotografin erschienen ist, ein Fotobuch-Klassiker. Die leider sehr jung verstorbene Aenne Biermann (1898-1933) war, aus damaliger wie heutiger Sicht, eine der herausragendsten Fotokünstlerinnen ihrer Zeit, obwohl sie sich den Umgang mit der Kamera selbst beigebracht hat. Sie begann damit in den frühen 1920er-Jahren, indem sie ihre Kinder fotografierte, und binnen weniger Jahre beherrschte sie das gesamte Spektrum der gängigen Motive, Objektaufnah-

zusammen mit Dr. Stefan Rhein, dem Vorstand und Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt im Vorwort zu diesem Katalogbuch diese kühne These auf. Für die anschließende Beweisführung kann sie auf die Unter-


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stützung diverser Fachkolleginnen und -kollegen zählen. Sie zeichnen nach, wie sich diese Marienfrömmigkeit im Mittelalter überhaupt erst ausbildete, ehe sie dann am Ende dieser Epoche, kurz vor der Reformation, einen ersten Höhepunkt erlebte. Luther, der Augustinermönch war davon zwangsläufig erfasst. Während in der katholischen Glaubenslehre Marias Position als Fürsprecherin der Menschen und Mittlerin zwischen Gott im Himmel und den Armen Seelen auf Erden immer stärker in den Vordergrund trat, dachte ihr der Reformator aber eine ganz andere Rolle zu: Sie sollte den Gläubigen ein Vorbild sein. Eine endgültige Distanzierung von der Gottesmutter, die darin gipfelte, dass Marienstatuen und -bilder in Götzenkammern landeten, fand erst im späten 16. Jahrhundert statt. Nach der Lektüre wird man der Ausgangsthese folgen und beipflichten, dass Maria als Bestandteil der Bibel sicherlich auch eine „evangelische“ Gestalt und darüber hinaus eine Integrationsfigur der Ökumene sei. Die Fachbeiträge samt den zahlreichen Abbildungen in diesem Buch tragen den vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten der Person Marias in der katholischen sowie protestantischen Theologie Rechnung. Außerdem geben sie „Ungläubigen“ Hinweise und Orientierungshilfe zum besseren Verständnis sakraler Kunst. ISBN 978-3-7319-0823

Hinter dem Samtvisier Zeitgenössische Kunst Sommer, Achim (Hg.): Ruth Marten – Dream Lover, 253 Seiten, Text in Deutsch und Englisch, Abbildungen in Farbe und Schwarzweiß, Wienand Verlag, Köln, 2018, Preis: € 48,-. Die Frage, wer sich hinter dem tiefroten Samteinband dieses Buches versteckt, ist relativ schnell gelöst. Das Geheimnis wird gelüftet, sobald man den Buchdeckel aufschlägt. Erneut blickt der Betrachter dann in diese stahlblauen Augen und stutzt: Er sieht sich mit dem Porträt einer unbekannten historischen

Gestalt im Wams mit steifer Halskrause konfrontiert, dessen Gesicht komplett behaart ist. Blättert er weiter und vertieft sich außerdem in den Text dieses Katalogbuches, erfährt er, dass diese Tuschezeichnung in doppelter Hinsicht typisch ist für das Werk der amerikanischen Künstlerin Ruth Marten. Ende der 1980er-Jahre erkor die New Yorkerin „Haare“ zu ihrem Lieblingsmotiv und entsagte in den Zeiten der AIDS-Krise ihrer bis dato, laut dem geltenden Gesetz der Stadt, illegal ausgeübten Leidenschaft als Tattookünstlerin. Häufig losgelöst von ihrem eigentlichen Zweck als Kopfschmuck entwickelten sich fortan Locken oder Haarsträhnen bei ihr nicht selten zum surrealen Bildinhalt. Übermäßige menschliche Behaarung wurde dabei als Ausdruck von Nonkonformität ebenfalls künstlerisch umgesetzt. Fast 20 Jahre lang arbeitete sie sich an diesem Thema regelrecht ab, wobei festzuhalten ist, dass sie parallel zu dieser freien künstlerischen Arbeit recht erfolgreich als Illustratorin für namhafte Zeitschriften und Magazine wie The New Yorker, das Time Magazine, die Vogue oder etwa Harper’s Bazaar tätig war. Hirsute, so der Titel der bereits erwähnten Arbeit, ist unabhängig der haarigen Thematik aber vor allem ein Beispiel ihrer dritten und schöpferisch wohl bedeutsamsten Werkphase. Zufallsfunde in Form historischer Kupfer- und Stahlstiche, wie sie in Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts zu finden waren, die ihr beim Bummel über diverse Flohmärkte ins Auge stachen, haucht sie mit ihren perfekten, technisch vom Original nicht zu unterscheidenden Übermalungen und einer guten Portion subtilen Humors neues Leben ein. Diese so einmaligen Collagen stehen im Mittelpunkt dieser Retrospektive. ISBN 978-3-86832-499-0

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VORSCHAU/IMPRESSUM

VORSCHAU

BRUNO BRUNI Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Editionen

TSCHECHISCHER SURREALISMUS Ausdruck künstlerischer Freiheit

BAUHAUS Ausstellungen in Weimar

SAMMLER JOURNAL

ISSN 1863-0332

HERAUSGEBER (verantwortlich f. d. Inhalt)

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VERLAG

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GESCHÄFTSFÜHRER

Gerd Reddersen Rudolf Neumeier

ASSISTENZ DER GESCHÄFTSFÜHRUNG

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REDAKTIONSASSISTENZ

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TERMINE

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KANADISCHE IMPRESSIONISTEN Ausstellung in München

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Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/08 vom 01.11.2008 Bildnachweis links: Bruno Bruni


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