Sammler Journal 08/2020

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SAMMLER JOURNAL

AUGUST 2020

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August 2020 · B 1309 | € 8,00 Schweiz CHF 12,30 | Österreich € 8,90 | Be/Ne/Lux € 9,00

KUNST • ANTIQUITÄTEN • AUKTIONEN

THEMENHEFT AUKTIONEN AUKTIONSNOTIZEN SAMMLER-GUIDE

KUNSTMARKT RĂśCKSCHAU 2019 PORTRAITS DER AUKTIONSHĂ„USER LEO SPIK,

GEMI

KUNST & DESIGN, KENDZIA, WORMSER, SELZER

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In eigener Sache Antikmärkte, Messeveranstaltungen und alles Andere, was „indoor” stattfindet, unterliegt weiterhin den Verboten des Corona-Lockdown. Der Trödler ist wieder eine eigene Zeitschrift und nicht mehr Beilage des SAMMLER Journal, das auch wieder in Richtung normaler Umfänge geht. Außenmärkte sind zur Zeit möglich, aber durch behördliche Einschränkungen nur bedingt vorhersehbar. Deshalb müssen wir leider auf das Termininnenheft verzichten. Die Termine ab 1. August finden Sie jeweils für zwei Wochen wöchentlich aktualisiert auf unserer Homepage www.gemiverlag.de

ste gewählt wurde, und zwar als erste Frau seit 1833, läutete eine neue Phase in der Geschichte der damals 200 Jahre alten Institution ein. Bis heute ist das Werk von Käthe Kollwitz Impulsgeber für viele nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler. Am 22. April 2020 jährte sich ihr Todestag zum 75. Mal. Die erste Preisverleihung fand am 26. März 1960 anlässlich des 10. Jahrestages der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin im Namen der „Förderung einer volksverbundenen realistischen bildenden Kunst“ im Plenarsaal der Akademie am Robert-Koch-Platz statt. Der Preis ging an Karl Erich Müller, einen Grafiker aus Halle, unter anderem für seinen „aktiven Beitrag zu unserem Kampf um den realen Humanismus und unserer progressiven Kunst“. Im Januar 2020 wurde der Konzeptkünstler Timm Ulrichs mit dem Preis ausgezeichnet. TELEFON | 030/200571514 WEBSEITE | www.adk.de

Preisgekrönte Künstler Käthe-Kollwitz-Preisträger online Seit 1960 vergibt die Akademie der Künste alljährlich den Käthe-Kollwitz-Preis. Gemeinsam mit dem 1950 gestifteten Heinrich-Mann-Preis ist dieser eine der ältesten Auszeichnungen der Akademie. Zur Feier des 60. Jubiläums seiner Vergabe steht ab sofort unter www.adk.de/kaethe-kollwitz-preis eine umfangreiche Sammlung an Archivmaterial mit bisher unveröffentlichten Texten und Bildern sowie einer kleinen Auswahl von Tonaufnahmen zu allen Preisträgerinnen und Preisträgern von 1960 bis 2020 online zur Verfügung. Käthe Kollwitz steht für eine Künstlerinnenpersönlichkeit, die gesellschaftliche Defizite und insbesondere die Situation der Arbeiterschaft, Frauen und Familien ungeschönt aufzeigte. Dass Käthe Kollwitz am 24. Januar 1919 zum ordentlichen Mitglied in die Preußische Akademie der Kün-

Gut gestählt Art Nocturne und Sculpture Link in Knokke (B) Die Art Nocturne Knokke wird an den zuvor bereits angekündigten Terminen durchgeführt, nämlich vom 8. bis 16. August im bekannten CC Scharpoord in Knokke-Heist. Dies bedeutet unter anderem, dass die Kunstmesse dadurch eine der wenigen Messen ist, die in diesen schwierigen Zeiten organisiert werden kann. Den von den Behörden auferlegten oder vorgeschlagenen Maßnahmen wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Beim Aufbau der mehr als 50 Stände ist genug Raum für ein breites Publikum gewährleistet. Die Anzahl der Besucher ist streng nach Zeitfenstern geregelt. Dies ist die erste Ausstellung mit einem vollständigen Online-Erlebnis, in der Besucherinnen und Besucher alle Werke auf der Website vorher und nachher in 2D und 3D sehen können. Darüber hinaus wird ein Augmented-Reality-Erlebnis eingeführt, mit dem Besucher ein Kunstwerk über eine App zu Hause an einer Wand hängen sehen können. Ebenfalls noch bis 16. August findet der 27. Sculpture Link statt. Zu sehen sind zehn Skulpturen aus Corten-Stahl von Antoine Leclercq. TELEFON | +32/50354007 WEBSEITE | www.artnocturneknocke.com

Lichtblick 25. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Antoine Leclercq, Southern Memories; 27. Sculpture Link KnokkeHeist (B)

Die 25. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen finden vom 24. Juli bis 24. August 2020 im Weltkulturerbe Bamberg statt. Auch wenn auf die bei allen Kunstliebhabern beliebte Eröffnungsveranstaltung verzichtet werden muss und man sich auf die individuelle Einladung ins Antiquitätenviertel beschränkt, wo alle Galeristen in gewohnter


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gründliche Ausbildung erhalten, die er selbst durch seine intensive Beschäftigung mit Geschichte und Kunst ergänzte. Kunsthandel in den 1970er- und 1980er-Jahren – das bedeutete große Nachfrage einer wachsenden Kundenschicht nach repräsentativen Möbeln, schönen Skulpturen und aussagekräftigen Bildern. Mit Tatkraft, Fleiß und Disziplin nutzte das Ehepaar Senger die Dynamik dieser „goldenen Zeiten“. Auf 30 Jahre Kunsthandel kann Christian Eduard FrankeLandwers zurückblicken. 1964 im Rheinland geboren, studierte er Betriebswirtschaft und wechselte schnell zur Kunstgeschichte, die ihn seit jeher begeisterte. 1990 eröffnete er seinen ersten Kunsthandel. Zwei Jahre später übernahm er sein heutiges Geschäft in bester Bamberger Altstadtlage, in der Herrenstraße 1. Perfekt inszeniert findet der Kunstliebhaber hier hochwertige Einrichtung wie Tische, Sitz- und Schreibmöbel sowie Lüster, Appliken, Gemälde und Tapisserien, Prunk- und Tafelsilber, Uhren, Bronzen, Kunstkammer- oder Sammelobjekte von der Renaissance bis ins frühe 19. Jahrhundert. TELEFON | 0175/2468806 WEBSEITE | www.bamberger-antiquitaeten.de

Mikromosaik-Dose bei Christian Eduard Franke-Landwers bei den Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

Weise ihre Türen dem interessierten Publikum öffnen, gibt es für den Kunstliebhaber endlich wieder einen Lichtblick. In der persönlichen Atmosphäre der Galerien, im historischen Barockzentrum, bieten die Kunst- und Antiquitätenhändler wertbeständige Kunst an. Alle Schauräume befinden sich in großzügigen, denkmalgeschützten Häusern. Und so ist es auch kein Problem, den gebotenen Abstand einzuhalten. So laden die Händler ein, sich von dem breiten Spektrum an nationaler Kunst und internationalem Kunsthandwerk aus sieben Jahrhunderten individuell inspirieren zu lassen. Zwei renommierte Händler können heuer in Bamberg ein Jubiläum feiern: Am 15. Juli 1970 übernahmen Marianne und Walter Senger das alteingesessene Bamberger Antiquitätengeschäft Haramus-Lorenz. Walter Senger war gerade eimal 25 Jahre alt. Der Umgang mit historischen Stücken war dem gebürtigen Bamberger von klein auf vertraut. Die Polsterei Silberhumpen, Augsburg, Ende und Raumausstattungsfir- des 16. Jahrhunderts, MZ: Hierma der Familie war bereits onymus BAIR, geb. 1575, Silber, seit dem 19. Jahrhundert in G 414 g, H 13,3 cm bei Senger der Domstadt etabliert. Kunst- und AntiquitätenwoWalter Senger hatte in der chen Bamberg väterlichen Werkstatt eine

Valentin Lendenstreich Umkreis, Hl. Georg im Kampf mit dem Drachen, Thüringen, um 1490/1500, Hochrelief, Lindenholz, weitgehend originale Fassung, H 95 cm, B 65 cm, T 16 cm, bei Senger, Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen


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Auf der Suche nach Meisterwerken Eine Bestandsaufnahme und Entschlüsselung der Trends auf dem weltweiten Kunstmarkt Das Jahr 2019 verliert mangels eines ebenso prestigeträchtigen Angebots wie 2018, als die Rockefeller-Sammlung allein fast eine Milliarde Dollar generierte, an Glanz. Ein Kunstwerk zu kaufen ist längst nicht mehr das Hobby eines kleinen Insiderkreises. Immer mehr Menschen sind daran beteiligt. Die Nachfrage steigt weiter an, wobei sich jedes Jahr neue Sammler dem Spiel der Auktionen hingeben. Dafür steht ihnen ein Budget von mehr oder weniger 20.000 Dollar zur Verfügung (90 Prozent der Werke sind um weniger als 17.000 Dollar zu haben). Die Transaktionen gewinnen immer mehr an Fahrt, da es einfach und ohne Risiko ist, aus der Ferne vom Smartphone aus zu bieten. Die Anzahl der Werke, die rund um den Erdball den Besitzer wechseln, hat einen Höhepunkt erreicht. Im Vorjahr wurden auf den Auktionen 550.000 Lose um insgesamt 13,3 Milliar-

den Dollar verkauft. Ein historischer Rekord. Dieser Appetit auf Kunst nützt insbesondere dem zeitgenössischen Schaffen mit 71.400 verkauften modernen Werken in zwölf Monaten. Das entspricht einem Durchschnitt von 195 verkauften Werken pro Tag. Dieses Segment, das vor 20 Jahren weniger als 100 Millionen Dollar wert war, beläuft sich heute auf fast zwei Milliarden. Der Anteil der zeitgenössischen Kunst ist so in 20 Jahren von drei Prozent auf 15 Prozent des globalen Kunstmarkts angestiegen. Was hat sich seither geändert? Wie erwähnt, gibt es immer mehr Kunstliebhaber, aber auch Neureiche, die sich mehr für die Kunst ihrer Epoche als die große Kunstgeschichte interessieren. Für sie ist die zeitgenössische Kunst das stimulierendste, das faszinierendste Segment. Ein gewinnbringender Enthusiasmus für die Preise dieses Sektors, dessen Indexerhöhung besser ist als für jede andere Schaffensperiode, plus 4,4 Prozent in zwölf Monaten. In dieser Dynamik hat der Preis für lebendige Kunst vor einigen Monaten neue Maßstäbe gesetzt. Die Skulptur „Rabbit“ (1986) von Jeff Koons wurde zum teuersten Werk der Geschichte für einen noch lebenden Künstler. Mit dem Rekordverkaufspreis von 91 Millionen Dollar liegt sie dicht an der 100 Millionen-Dollar-Marke. Die Werke noch lebender Künstler kommt also nahe an die besten Preise für die

Balthus, Thérèse sur une banquette, 1939 (Christie's, New York, Mai 2019, Zuschlagspreis 14.688135 Euro) © 2019 Christie’s Images Limited


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Jeff Koons, Rabbit, 1986 (Christie's, New York, Mai 2019, Zuschlagspreis 71.404.000 Euro)

© 2019 Christie’s Images Limited

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Werke der großen Meister der Kunstgeschichte heran. Damit die Preise aber so hoch steigen, muss das Werk etwas Ikonisches haben. Es muss einer Epoche seinen Stempel aufdrücken. Wie dieser Rabbit von Koons, ein Sinnbild für die übermäßige Verführung des Amerikas der 1980er-Jahre.

Venedig ausgestellt und im Jahr darauf von Leo Castelli in New York verkauft, ist „Buffalo II“ erstmals 2019, zwei Jahre nach der Rauschenberg-Retrospektive im MoMA, auf dem zweiten Markt aufgetaucht. Das Resultat: Es wurde das drittteuerste Werk 2019. Auf dem Premium-Markt hat das Angebot das Sagen. Die Mangel an Meisterwerken Ergebnisse hängen unweigerlich von der Qualität der Werke ab, die auf den Auktionen angeboten werden. Bei den VerEs ist ein allgemeiner Trend, die Preise für sehr kontextualikäufen im Vorjahr waren Meisterwerke Mangelware. Man sierte Künstler und Werke steigen in ungeahnte Höhen. Als darf nicht vergessen, dass auch nur ein einziges höchst Beispiel sei ein einflussreiches Bild von Rauschenberg begehrtes Werk sich auf das Ergebnis eines ganzen Landes genannt, das zum Rekordpreis von 88,8 Millionen Dollar verauswirken kann. Der Verkauf von Salvator Mundi von Leokauft wurde (Mai 2019, Christie's New York). Das betreffennardo da Vinci (450 Millionen Dollar bei Christie's New York) de Bild, „Buffalo II“ (1964), steht diesmal sinnbildlich für das hat 2017 allein schon drei Prozent des weltweiten Kunstmächtige Amerika der 1960er-Jahre. Es handelt sich um eine markts ausgemacht. In diesem Jahr sind die wirklich ikoniCollage mit dem Porträt von John F. Kennedy, dem Kopf schen Werke, die Meilensteine in der Kunstgeschichte, eines Seeadlers sowie Bildern von der Eroberung des Weltbuchstäblich durch die Decke gegangen. „Thérèse sur une raums und vom Vietnamkrieg. 1964 auf der Biennale in banquette“, eines der berühmtesten Gemälde von Balthus, hat es geschafft, den Weltrekord dieses Künstlers zu verdoppeln (19 Mio. Dollar im Mai bei Christie's); die seltene Plastik „Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum“, Symbol der italienischen futuristischen Avantgarde, hat für Umberto Boccioni einen neuen Rekord von 16 Millionen Dollar aufgestellt; ein Werk des Surrealisten René Magritte, das so bekannt ist, dass es zum kollektiven Gedächtnis gehört („Der sechzehnte September“), hat seinen Schätzwert nahezu verdoppelt und die 20 Millionen Dollar nur knapp verpasst. Diese Meisterwerke, und ein paar andere, haben nicht ausgereicht, um die Euphorie von 2017/18 beizubehalten. Das weltweite Ergebnis des Vorjahres ist um 14 Prozent gefallen. Als Erste davon betroffen sind die USA (minus 22 Prozent) und das Vereinigte Königreich (minus 21 Prozent), deren PremiumMärkte deutlich weniger gut bedient wurden, obwohl in beiden Ländern die Zahl der Transaktionen zugenommen hat. In New York hat 2019 nur ein Gemälde („Meules“ von Claude Monet, dessen Wert seit seinem Verkauf 1986 nebenbei um das 44fache gestiegen ist) die 100 René Magritte, Le seize septembre, 1957 (Christie's, New York, November 2019, Zuschlagspreis Millionen Dollar überschrit15.402.085 Euro) © 2019 Christie’s Images Limited, © VG-Bildkunst Bonn ten. 2018 waren es zwei, eines von Picasso, das andere


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Robert Rauschenberg, Buffalo II, 1964 (Christie's, New York, Mai 2019, Zuschlagspreis 69.618.900 Euro) © 2019 Christie’s Images Limited, © VG-Bildkunst Bonn

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von Modigliani. In der britischen Hauptstadt haben 353 Lose im Jahr 2019 die Millionen-Dollar-Marke geknackt, im Jahr davor waren es 415. Eine der wichtigsten Auktionen des Jahres, jene mit impressionistischer und moderner Kunst bei Christie's, die am 11. November in New York organisiert wurde, hat nur 192 Millionen Dollar eingebracht. Im Jahr davor waren es noch 279 Millionen Dollar gewesen. Die Käufer waren bei dieser Auktion, die eine außergewöhnliche Erfolgsquote zeigt, dennoch sehr aktiv. 90 Prozent verkaufte Werke, ein Beweis dafür, dass der Rückgang der Ergebnisse am mangelnden Elan der Werke und nicht an der Unzufriedenheit der Verkäufer liegt. Die globale Quote der unverkauften Werke ist ebenfalls vollkommen stabil (38 Prozent), ebenso wie der globale Preisindex, der nur um plus 0,48 Prozent variiert. Frankreich im grünen Bereich Frankreich ist die einzige Großmacht im grünen Bereich. Es verzeichnet den besten Zuwachs des Jahres im Hinblick auf den Umsatz (plus 18 Prozent), und das beste Geschäftsergebnis seiner Geschichte, mit 82.000 verkauften Losen um 827 Millionen Dollar. Der französische Markt schrammte erstmals nur knapp an der Milliarde vorbei. Ein Werk gab den Ausschlag: „Judith und Holofernes, 1607, das Caravaggio zugeschrieben wird. Es wurde zwei Tage vor seinem geplanten Verkauf in Toulouse am 27. Juni 2019 freihändig verkauft. Wäre dieses außergewöhnliche Gemälde, dessen Schätzwert zwischen 115 und 170 Millionen Dollar betrug, zur Versteigerung gekommen, hätte es die Wertung gehörig durcheinander gebracht. Ohne dieses Resultat platziert sich das Land trotzdem als vierte Autorität des Kunstmarkts. Mehr noch, sein Image ist im Begriff, sich bei den internationalen Akteuren zu verändern. Die Unsicherheit durch den Brexit hat garantiert etwas damit zu tun. Der britische Markt hat darunter gelitten, aber auf Paris hat der Brexit-Effekt bereits positive Auswirkungen. Dazu kommt die kürzliche Niederlassung von großen internationalen Galerien wie David Zwirner (Oktober 2019), der amerikanischen Pace Gallery und der berühmten Galerie White Cube. Bereits dank ihrer renommierten Museen

(Louvre, Pompidou, Orsay, Museum für moderne Kunst), Privatstiftungen wie LVMH und bald auch der Pinault-Sammlung ein Magnet, wird die französische Hauptstadt für den Kunsthandel wieder zum attraktiven Zentrum. Der Aufschwung ist in den Auktionshäusern mit einer Umsatzsteigerung von 18 Prozent im Vorjahr, einzig und allein beim Verkauf von Kunstwerken, zu spüren. Außerdem stellt Mario Tavella, Geschäftsführer von Sotheby’s France, fest, dass seine „ausländischen Kollegen […] mit uns arbeiten wollen, Exemplare nach New York bringen möchten, um sie in Paris zu verkaufen. Für den Modernités-Verkauf zum Beispiel kamen mehr Werke aus dem Ausland.“ Einerseits gelangen Werke aus dem Ausland nach Frankreich, andererseits sind auch die internationalen Käufer auf dem französischen Markt aktiver, vor allem bei den vier Transaktionen über zehn Millionen Dollar (zwei Mal mehr als 2018) für Nicolas de Staël, Cimabue, Pierre Soulages und Paul Gauguin. Wenig effizient im zeitgenössischen Segment, im Gegensatz zu USA, UK und China, wird der französische Markt hingegen gut mit alter und moderner Kunst bedient. Als Mekka für künstlerische Begegnungen im Laufe der Jahrhunderte hat das Land noch zahlreiche Meisterwerke zu bieten, die bei den Museen und internationalen Sammlern gefragt sind. Meisterwerke, die manchmal sogar in Vergessenheit geraten waren und später wieder entdeckt wurden. Mehrere von ihnen haben im Vorjahr mit ihrem Verkauf auch jenseits der Grenzen für Aufsehen gesorgt. Hierbei ist besonders ein sehr seltenes Werk von Cimabue, „Der verspottete Christus“ (1280), erwähnenswert. Dieses um 26,7 Millionen Dollar verkaufte Gemälde ist weltweit das teuerste antike Kunstwerk des Jahres. Nun ist der Verkauf weder in London noch in New York oder Paris, sondern in der Provinz im Auktionshaus von Senlis über die Bühne gegangen. Der Ersteigerer des Cimabue reservierte das Werk für die Sammlung Alana in den USA. Es hat das französische Staatsgebiet jedoch noch nicht verlassen. Dazu wird es vielleicht auch nie kommen, da der französische Staat es nach dem Zuschlag zum „nationalen Kulturgut“ erklärt hat. Er hat nun zwei Jahre Zeit, um die nötigen Mittel für den Kauf aufzubringen und an die Stelle des Ersteigerers zu treten.


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Ein solcher Erfolg zeigt, dass im digitalen Zeitalter selbst kleine Städte in der Lage sind, die Aufmerksamkeit von internationalen Sammlern und Museen auf sich zu ziehen. Der Cimabue ist nicht der einzige Erfolg abseits der üblichen Zirkel des Premium-Marktes. Die Geschichte hat sich in Dijon mit einem weiteren alten Werk, einer Jungfrau mit Kind, die um 1350 vom Meister von Hohenfurth gemalt wurde, wiederholt. Dieses kleine, 22 Zentimeter große Meisterwerk wurde vom Metropolitan Museum of Art bei einem kleinen Auktionshaus (Cortot-Vregille, Dijon) zum zehnfachen Preis seines hohen Schätzwerts (sieben Mio. Dollar) gekauft. COVID-19, digitaler Beschleuniger Das Jahr 2020 beginnt mit mehreren Begleitschäden des Coronavirus auf dem Kunstmarkt. Mehrere Kunstmessen wurden verschoben oder sogar abgesagt, insbesondere die Art Basel in Hongkong, eine der beliebtesten internationalen Messen für moderne und zeitgenössische Kunst. In erster Linie haben die asiatischen Galerien darunter gelitten, aber Mitte März hat sich das Phänomen aufgrund von Maßnahmen zur Gesundheitsprävention erst in Europa, dann in den USA ausgebreitet. Der Auktionskalender wurde ebenfalls auf den Kopf gestellt. Angesichts der Pandemie haben Christie's und Bonhams die Entscheidung getroffen, ihre Auktionen, die während der asiatischen Kunstwoche im März vorgesehen waren, zu verschieben. Sie befürchteten, dass zu viele asiatische Sammler aufgrund der Restriktionen auf dem Staatsgebiet nicht an der Veranstaltung teilnehmen

könnten. Die chinesischen Auktionshäuser China Guardian und Poly Auction wollten ihre Verkäufe im Frühjahr im April und sogar im Mai ebenfalls verschieben. Einerseits bringt COVID-19 den Kunstkalender durcheinander, andererseits könnte es auch eine starke Auswirkung auf die Online-Transaktionen haben. Das Virus beschleunigt bereits die digitalen Initiativen: Die Art Basel startet ein erstes Online-Messeerlebnis, damit die Aussteller ihre Werke präsentieren können, die sie für die Messe in Hongkong ausgewählt hatten. QUELLE | artprice.com

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