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25 Years of Moving Art Museum Tinguely

Museum Tinguely

Das Museum Tinguely auf grosser Fahrt

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Das Museum Tinguely feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Im Interview mit Artinside erzählt Direktor Roland Wetzel über die Auseinandersetzung mit dem Werk Tinguelys, die Aufgaben des Museums und über seine Aktivitäten im Jubiläumsjahr.

25 Jahre Museum Tinguely: Es ist eine anspruchsvolle Zeit in der Pandemie, wie bereitet man ein Jubiläumsjahr vor ohne Planungssicherheit?

Roland Wetzel: Wir planen mit vielen Unsicherheiten – und darum auch mit verschiedenen Optionen. Die Schiffsreise, die wir aus Anlass unseres Jubiläums durchführen, startet am 17. Juli in Paris und wird im September in Basel enden. Im besten Fall können wir das Programm ohne Einschränkungen umsetzen – im schlechtesten Fall müssten wir im Juni die Reissleine ziehen. Am Fest Ende September werden wir hauptsächlich den Park vor dem Museum bespielen, und wir sind zuversichtlich, dass wir die Veranstaltung wie geplant umsetzen können.

25 Jahre Museum Tinguely – wann ist der Name eine Chance, wann ist er eine Bürde?

Wir sind ein monografisches Museum, das ist unser Fundament. Ich sehe darin eine grosse Chance, denn Tinguelys Werk ist sehr offen und bietet viele Anknüpfungspunkte. Themen wie das Verhältnis Mensch und Maschine, Konsumismus oder Leben und Tod sind aktueller denn je. All diese Themen sind auch für eine jüngere Künstlergeneration sehr spannend. Dies gibt uns einen Rahmen, in dem wir sehr eigenständige, einzigartige Ausstellungen konzipieren und umsetzen können. Und schliesslich erleben wir hier im Museum fast täglich, dass Tinguely als Künstler mit seinem Werk viele Menschen bewegt – sie möchten seine Kunst sehen und erleben – immer wieder.

Das Jubiläumsfrachtschiff fährt von Paris nach Amsterdam und dann den Rhein hoch bis nach Basel. Wie sind Sie auf diese Route gekommen?

Wir steuern bedeutende Stationen im Leben Jean Tinguelys an: natürlich Paris, aber auch Amsterdam oder Düsseldorf, wo Tinguely wichtige Ausstellungen machen konnte. Auf dem Schiff zeigen wir nicht nur eine Ausstellung, wir werden auch ein Bildungs- und Vermittlungsprogramm anbieten sowie ein spezifisches Performanceprogramm in den Partnerinstitutionen und im Stadtraum.

Rechtzeitig zum grossen Fest soll das Schiff dann vor dem Museum vor Anker gehen.

Ja, wir planen eine Anlegestation vor dem Museum, die Festbesucher*innen haben so die Möglichkeit, diese Ausstellung ebenfalls anzusehen.

«Kinder sind meine wichtigsten Kritiker», hat Jean Tinguely mit Stolz gesagt, Bildung und Vermittlung sind zentrale Anliegen des Museum Tinguely. Wie schafft man es, so viele Menschen zu erreichen?

Der Schlüssel dazu ist das Werk Tinguelys mit seiner Offenheit, dem unmittelbaren, sinnlichen Erlebnis. Das spricht schon kleine Kinder an. Viele Künstler*innen und Kunstsammler*innen erzählen mir, dass ihre ersten Kunsterfahrungen die Werke von Jean Tinguely waren. Wir sind ein Einsteigermuseum, und das werden wir auch auf unserer Schiffsreise ins Zentrum stellen. Das Werk Tinguelys hat aber auch grosses Reflexionspotenzial, das teilweise unterschätzt wird.

YEARS OF MOVING ART

Der Totentanz ist ein zentrales Thema im Werk von Jean Tinguely, nun erleben wir seit einem Jahr eine Pandemie, die unser Leben prägt. Denken Sie, dass das Thema schon bald von Künstlerinnen und Künstlern aufgenommen wird?

Das Thema Totentanz lässt sich mit den Pest-Epidemien in Basel im 15. Jahrhundert verbinden, als es zu gesellschaftlichen Verwerfungen kam, die weitreichende Folgen hatten. Konkret geht es darum, wie wir in einer schwierigen Situation miteinander umgehen: Rücken wir näher zusammen – oder grenzen wir gewisse Gruppen aus? Da wurde eine humanistische Perspektive in der Kunst verhandelt, die Tinguely wieder aufnahm und weiterverarbeitete. Kunst entsteht eigentlich immer in Auseinandersetzung mit unserer Lebenswelt. Sie ist offen, sie ist freiheitlich, sie zielt aufs Ganze, und sie erschliesst sich durch Sinnvermutung im Dialog mit und zwischen Betrachterinnen und Betrachtern, die je ihren eigenen Erfahrungshorizont mitbringen. Wir alle stellen uns jetzt ja die existenziellen Fragen: Was ist wichtig – was ist nicht so wichtig? Wie viel Freiheit möchten wir – und wie viel Sicherheit? Diese gesellschaftlichen Debatten werden sicher einen Einfluss auf das künstlerische Schaffen haben, und da kann ‹die Kunst› einen wichtigen Beitrag leisten – im Blick nach vorne und im Blick zurück.

In der Pandemie habt ihr mit tinguely@home das digitale Angebot stark ausgebaut. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?

Wir konnten mit den digitalen Formaten ganz neue Besuchergruppen ansprechen und Dinge bieten, die wir im allgemeinen Museumsbetrieb vor Ort nicht umsetzen können. Ein Workshop beispielsweise, an dem jemand aus Helsinki teilnehmen kann, den wir sonst nicht erreicht hätten. Unsere Online-Beiträge stiessen auf grosse Resonanz, und wir werden diesen Bereich auch in Zukunft weiterentwickeln. Wir sehen in diesen digitalen Angeboten, die wir nicht erst seit Corona pflegen, eine ideale Ergänzung zum Museumsbesuch.

Das Museum Tinguely veranstaltet regelmässig Konzerte. Welche Rolle spielt die Musik in Ihrem Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm?

Die akustische Dimension ist eine besondere Qualität im Werk von Jean Tinguely, ob das nun Musik, Klang oder einfach Lärm ist. Wir sehen das als Steilvorlage, diese Dimension auch in unser Veranstaltungsprogramm einfliessen zu lassen: Das sind einerseits unsere populären Jazz-Abende, aber auch Konzerte mit experimenteller Musik, die ein kleineres Publikum ansprechen.

Zurück zum Jubiläumsjahr: Auf was dürfen wir uns freuen?

Wir bieten 2021 ein attraktives Ausstellungsprogramm: Impasse Ronsin hatten wir Ende 2020 eröffnet – fünf Tage später kam der Lockdown, und wir mussten die Tore schliessen. Darum verlängern wir diese Ausstellung bis 29. August. Mit « le Définitif – c’est le Provisoire » zeigen wir seit Anfang März das Schaffen von Jean Tinguely in einer neuen Sammlungspräsentation. Ebenso ist derzeit die Ausstellung Leu Art Family. Caresser la peau du ciel zu sehen sowie Katja Aufleger. GONE. Und am 4. Mai eröffnen wir die Ausstellung Bruce Conner. Light out of Darkness. Das Jubiläumsfest findet schliesslich vom 24. bis 26. September statt: Wir feiern unseren Geburtstag im Park, im Museum und auf dem Schiff. Hoffentlich etwas sorgenfreier, als es die vergangenen Monate waren… ◀

Schiffsreise vom 17. Juli – 24. September 2021

Museum Tinguely AHOY!

Anlässlich seines 25-Jahre-Jubiläums 2021 wird das Museum Tinguely mit einem umgebauten Frachtschiff über Kanäle und den Rhein von Paris über Amsterdam bis nach Basel fahren. Die Tour führt entlang wichtiger Stationen von Jean Tinguelys Karriere und der Rezeption seines Werks und dauert vom 17. Juli bis 24. September 2021: von Paris über Antwerpen, Amsterdam und schliesslich rheinaufwärts über Duisburg, Düsseldorf und Frankfurt bis nach Basel. An zwölf Orten wird das Schiff jeweils für zwei Tage haltmachen und als schwimmender Ausstellungs- und Veranstaltungsort dienen. Diese zwölf Stationen haben einen historischen Bezug zu den Wirkungsstätten von Tinguelys künstlerischem Schaffen. Einen besonderen Höhepunkt der Präsentation wird die auf dem Schiff montierte Brunnenskulptur Schwimmwasserplastik von 1980 bilden. In einem Wasserbecken direkt vor dem Museum Tinguely installiert, hat sie seit der Eröffnung 1996 den Status eines Wahrzeichens bekommen.