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Buchweizen

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VOn JÖRG teUscheR

Buchweizen, hierzulande sowohl auf Feldern als auch in Läden und Lokalen eine herba incognita, gehört anderswo zu den kulinarischen Selbstverständlichkeiten.

Zum Beispiel Frankreich. Kreuzritter brachten die Körner, die sie ihrer dunklen Farbe wegen Sarrasin nannten, einst mit ins Land. Vor allem die bretonischen Bauern waren begeistert, weil sie selbst auf den kargen Böden im Innern der Bretagne gediehen und ihnen gute Ernten bescherten. Aus dem Mehl wurden auf heißen Steinen – den Jalets – Fladen gebacken, die, nach jenen Backsteinen benannt, bald weit über die Bretagne hinaus bekannt wurden.

In Paris beispielsweise sind seit einigen Jahren die so genannten BILIG-Mobile unterwegs, flinke, elektrobetriebene Dreiräder, ausgerüstet mit einer CrêpesPlatte und einem Kühlschrank, die an vielen Ecken Galettes anbieten – Buchweizenpfannkuchen mit Spiegelei, Schinken und Käse, mit Gemüse, manchmal sogar mit Fisch (s. Bilder auf dieser Seite). Streetfood à la française. Eine feste Größe ist Buchweizen (Soba) auch in der japanischen Küche. Rund eine Million Tonnen werden jährlich konsumiert, fast ausschließlich in Form von Nudeln. Berühmt ist auch der SobaTscha, Tee aus gerösteten Buchweizenkörnern, mild und leicht nussig im Geschmack. Übrigens: Die Japaner stellen aus getrockneten Buchweizenblättern ein staubfeines Pulver her, dass verwendet wird, um etwa Nudeln und Speiseeis grün zu färben.

In Europa sind neben Frankreich auch Österreich, Slowenien und die Schweiz besonders buchweizenaffin. Im Schweizer Kanton Graubünden etwa gibt es Pizzocheri, einen traditionellen Eintopf aus Gemüse und Buchweizenspätzle; in Slowenien wird Potiza gebacken, ein Nusskuchen mit Buchweizen und in Österreich gehört der Jauntaler Hadn (Hadn = Buchweizen) sogar zu den besonders geförderten Produkten, die einer ganzen Gegend im Süden Kärntens das Attribut „Genussregion“ bescherten. Die dort gebackene Hadntorte gehört zu den besten Spezialitäten der Kärntner Küche.

prof. Dr. Friedrich longin, Jahrgang 1978, wurde in Backnang im Rems-Murr-Kreis geboren und studierte an der Universität Hohenheim Agrarbiologie mit den Schwerpunkten Pflanzenzüchtung und Biotechnologie. Dem Diplom schloss sich die promotion in einem deutsch-chinesischen Graduiertenkolleg der Universität hohenheim und der china agricultural University in peking mit einem thema über optimierte Zuchtverfahren bei Mais an. 2009 folgte er dem Ruf der limagrain europe und arbeitete als Maiszüchter in Frankreich und spanien. 2010 kehrte er nach BadenWürttemberg zurück, übernahm die leitung der arbeitsgruppe Weizen an der landessaatzuchtanstalt der Universität hohenheim und habilitierte sich 2016 mit einer Arbeit über Pflanzenzüchtung. 2019 wurde er zum außerplanmäßigen professor berufen. einer der schwerpunkte seiner arbeit liegt auf dem erhalt weitgehend in Vergessenheit geratener Kulturpflanzen und der Förderung ihres Wiederanbaus – u. a. des Buchweizens.

Ihre große Liebe gilt dem Buchweizen, Herr Professor Longin …

Sorry, wenn ich Sie gleich unterbreche, aber Ihre Formulierung beziehe ich doch zuerst auf meine Familie und meine Hobbies – ich liebe zum Beispiel ausgedehnte Wanderungen, Fahrradtouren und das Trompeten und Tubaspiel in meinem Musikverein.

Und wie beschreiben sie ihr Verhältnis zum Buchweizen?

Nennen Sie es eine noch junge wissenschaftliche Beziehung.

Was ist denn das außergewöhnliche an dieser Getreideart?

Erstmal, dass Buchweizen kein Getreide ist, sondern zur Familie der Knöterichgewächse zählt. Das heißt, er ist weder mit dem Weizen, aber auch nicht mit der Buche verwandt, sondern beispielsweise mit dem Rhabarber und dem Sauerampfer. Der einigermaßen irreführende Name leitet sich übrigens von der Form der Frucht des Buchweizens ab, die ungeschält wie eine Buchecker aussieht und nach dem Schälen einem Weizenkorn ähnelt. Das beschreibt auch der botanische Name des Buchweizens – Fagopyrum – gebildet aus dem lateinischen Wort, fagus’ für Buche und dem griechischen, pyrus’ für Weizen.

nun beschäftigen sie sich sicher nicht wegen seiner eigenwilligen etymologie mit dem Buchweizen.

Nein, natürlich nicht. Buchweizen ist eine uralte Kulturpflanze, die ursprünglich aus den Steppen hochgelegener Gebirgsländer in Zentral und Ostasien stammt und dort schon Jahrtausende v. Chr. angebaut wurde. Bis zum zweiten Weltkrieg war der Buchweizen auch in Mittel und Norddeutschland verbreitet, mit der Intensivierung des Ackerbaus jedoch verschwand er immer mehr und ist heute auf deutschen Feldern eine absolute Rarität.

Und das wollen Sie ändern …

Letztlich entscheidet der Landwirt welche Kulturen er anbaut, und er

Verarbeitungs- und Geschmackstest… …mit 18 Buchweizensorten an der Universität hohenheim.

baut eigentlich nur das an, womit er Geld verdienen kann – also, was er gut verkauft bekommt. Insofern entscheiden hier eher der Einzelhandel bzw. wir als Verbraucher. Als Wissenschaftler versuche ich, die Re-Etablierung zu unterstützen mit – meiner Meinung nach – guten Argumenten für den Buchweizen.

Zum Beispiel?

Buchweizen gilt als ernährungsphysiologisch äußerst wertvoll – sowohl was die Menge als auch die Zusammensetzung von Proteinen, Stärke, Fettsäuren, Vitaminen, Mineralstoffen sowie sekundären Inhaltsstoffen angeht. Zudem ist er für die glutenfreie Ernährung extrem wichtig.

Und wie steht es um den Geschmack?

Signifikante sensorische Untersuchungen gibt es bisher nicht, aber das hartnäckige Vorurteil, Buchweizen schmecke fad oder muffig, konnten die kulinarischen Experten, die wir zu Geschmackstests eingeladen haben, nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil – sein Geschmack ist eher aromatisch und fein nussig.

Welche weiteren argumente sprechen für den Buchweizen?

Im Anbau zum Beispiel ist er relativ anspruchslos. Die Pflanze braucht kaum Dünger, wächst sogar noch auf sandigen Böden und stellt somit eine attraktive Sommerfrucht für den extensiven Anbau unter den Bedingungen des Klimawandels dar. Zudem ist der Buchweizen durch seine lange Blühzeit eine wichtige Nektarquelle für viele Insekten zu einer Zeit, in der auf den Wiesen, Feldern und in den Wäldern sonst nicht mehr viel blüht.

Gibt es auch nachteile?

Die Erträge sind mit rund 25 Dezitonnen pro Hektar im Vergleich etwa nur ein Drittel so hoch wie bei Sommergetreide. Deshalb arbeiten wir an einem alternativen Anbausystem, das vorsieht, den Buchweizen als Zweitkultur etwa nach Grünroggen oder einer frühreifenden Kartoffel erst Mitte Juni auszusäen. Wenn dann eine rechtzeitige Reife im Herbst vor der Wintersaat gesichert wäre, würde sich der Buchweizenanbau trotz der geringen Erträge auch für den Landwirt eher lohnen. Ein Problem ist auch die Verfügbarkeit von entsprechendem Saatgut, ein weiteres von Mühlen, die in der Lage sind, Buchweizen zu schälen, und weiterhin bedarf es attraktiver Verarbeitungsideen sowie deren Kommunikation, um dem Verbraucher den BuchweizenKonsum schmackhaft zu machen. Deshalb plädieren wir zum Beispiel für ein heimisches Buchweizenzuchtprogramm, in das wir uns entsprechend einbringen könnten, wenn Fördermittel dafür zur Verfügung stehen würden.

Was sollte denn die aufgabe eines solchen programms sein?

Der Name sagt es. Es müsste gelingen, wenige heimische Buchweizensorten zu züchten, damit interessierte Landwirte sich nicht damit herumschlagen müssen, Saatgut etwa aus Russland zu beschaffen. Außerdem müsste es gelingen, stabile Wertschöpfungsketten vom Züchter über den Landwirt, den Schälmüller bis zum Hersteller von Buchweizenprodukten und dem Lebensmittelhandel zu schaffen und deren langfristige Zusammenarbeit zu etablieren. Dass so etwas funktionieren kann, haben wir in den letzten Jahren an der Universität Hohenheim etwa bei Einkorn, Emmer und Dinkel ja eindrücklich bewiesen.

es bleibt also noch viel zu tun, um den Buchweizen aus seiner vergessenen nische wieder ans licht zu holen.

Keine Frage, aber ich bin mir sicher, dass sich jede Anstrengung dafür lohnt. Eben auch, weil solche alternativen Kulturpflanzen einen großen Beitrag für eine vielfältige Landwirtschaft und einen intensiven Naturschutz leisten können.

Vielen Dank für das Gespräch, herr professor longin.

Als Freda und Friedrich v. Gilsa Ende September 2014 Berlins erste glutenfreie Bäckerei eröffneten, wussten sie über das Backen mit Buchweizen nicht viel. Klar war ihnen und ihrem Bäckermeister Guido Tauer damals nur, dass die Verarbeitung des Pseudogetreides eine backtechnische Herausforderung darstellt. „Natürlich betraf das nicht nur den Buchweizen, auch Hirse oder Teff waren für uns bäckerisches Neuland“, so der 37-jährige diplomierte Landwirt Friedrich v. Gilsa.

Sie eroberten es und ihre JuteBäckerei gilt heute als angesagte Berliner Adresse, wenn es um glutenfreie Backwaren geht, die geschmacklich höchste Ansprüche erfüllen. Dazu gehören auch eine ganze Reihe von Buchweizenprodukten.

Das BioBuchweizenbrot „Max“ beispielsweise enthält 19 Prozent Buchweizenvollkornmehl und 19 Prozent Buchweizenkerne und überzeugt durch sein intensivnussiges Aroma, eine ausgebackene Krume und die dunkel glänzende Kruste.

inhaber Friedrich v. Gilsa und Mitarbeiterin Danielle Mancini.

Auch das zuckerfreie Bio-Brot „Wilhelm“ mit einem 23-prozentigen Anteil an Buchweizenvollkornmehl ist ein echtes Charakterbrot, herzhaft und saftig (s. Bilder unten). „Unser Ciabatta und unsere Bagel werden übrigens ebenfalls mit Buchweizenmehl gebacken“, ergänzt Friedrich v. Gilsa die Aufzählung.

Nicht besonders glücklich ist er darüber, dass er Buchweizenmehl aus dem Ausland kaufen muss, weil der Anbau der uralten Kulturpflanze hierzulande kaum der Rede wert ist. „Dabei ist Buchweizen für eine nachhaltige Landwirtschaft durchaus attraktiv.“

JUte BäcKeRei

Schönhauser Allee 52a 10437 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 0172 – 938 09 42 www.jutebaeckerei.de

Es wäre angebracht gewesen, im Titel dieses Buches den Artikel fett zu drucken: Das BUCHWEIZENBUCH. Der Grund liegt auf der Hand. Es gibt – zumindest im deutschsprachigen Raum – kein zweites Werk, das derart umfassend über Fagopyrum esculentum und Fagopyrum tataricum, die beiden Arten des glutenfreien Pseudogetreides aus der Familie der Knöterichgewächse, informiert.

Bemerkenswert ist außerdem, dass hinter dem 259SeitenBand zwar renommierte Autoren stecken (etwa Prof. Dr. Ivan Kreft, Buchweizenforscher an der Universität Ljubljana und Mitglied der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste), als Herausgeber allerdings kein bekannter Verlag fungiert, sondern die wirtschaftliche Interessenvereinigung Islek ohne Grenzen mit Sitz im luxemburgischen Weiswampach.(Der Islek übrigens ist eine grenzüberschreitende Landschaft im Dreiländereck BelgienDeutschlandLuxemburg und eine der wenigen Regionen Europas, in der noch großflächig Buchweizen kultiviert wird sowie mehrere Buchweizenmühlen in Betrieb sind.)

DAS BUCHWEIZENbuch ist Sach, Lehr und Kochbuch zugleich. Neben Kapiteln über Anbau und Verarbeitung von Buchweizen, enthält es auch 70 Rezepte aus immerhin 15 Ländern.

Das Buchweizenbuch islek ohne Grenzen eWiV Verkehrsamt arzfeld isBn 978-2-9599967-1-9

199, UVP*

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