Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart Nr. 50

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AUSGABE NR. 50 | 2018 | 6 €

ESSEN, TRINKEN & LEBENSART

ARAI | WEINPLANET | RICHARD‘S WILD | RÜBBELBERG | PIMENT D‘ESPELETTE PAOLO PARISI | TAMAS KOVACS | MARIA HINRICHSEN | SABINA LISCHK A


INNOVATIVE PASTA-IDEEN FÜR DIE GASTRONOMIE!

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MISE EN PLACE

100 Seit 40 Jahren entwickle ich mit Leidenschaft Getreidemühlen und will dieses Jubiläum mit Ihnen feiern. Mit 72 Jahren bin ich fit und gesund. Dabei spielt meine Ernährung mit frischem Getreide eine große Rolle. Denn frisch Mahlen ist guter Geschmack, Unabhängigkeit und viel mehr Gesundheit.

Liebe Freunde, seit ich in Sachen Gastronomie unterwegs bin – und das sind jetzt immerhin schon 25 Jah­

1978

re – gibt es mit schöner Regelmäßigkeit Anrufe von guten Freunden oder von Bekannten der guten Freunde. Entweder sie planen eine Reise nach Barcelona, Malmö oder Tokio und

2018

hätten gern einen Restauranttipp. Oder sie bekommen Gäste von dort und suchen die ulti­ mative Einkehrstätte in Berlin. Dann folgen die üblichen Bedingungen – von kinderfreund­ Deshalb ist meine Vision seit der ersten von mir entwickelten Mühle (die erste hawos): Jedem Haushalt eine Mühle! Starten Sie mit meinem Jubiläum in die Welt des Frischmahlens:

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lich bis preisgünstig – und der Hinweis: Ist doch sicher kein Problem für dich! O.K., was Berlin betrifft, sicher nicht. Wobei, auch hier gibt es Ausnahmen – beispielsweise, als ich kürzlich Heinz aus Basel für seinen Mittwoch- und Donnerstagbesuch in Berlin das Tulus Lotrek empfahl und er mich zurückrief, ob ich denn nicht wisse, dass dort mittwochs und

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donners­tags geschlossen sei. Nein, das wusste ich nicht. „Soviel zum Thema bestens

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informierte Journalistin“, beendete Heinz das Gespräch spöttisch. Um solche Situationen künftig zu vermeiden, habe ich mir einen 1.183-Seiten-Wälzer zugelegt: Where Chefs eat – 4.500 top tips from the real experts. 660 namhafte KüchenCracks verraten darin ihre Lieblingsrestaurants und alles, was man über diese best pla­ ces wissen sollte. Darunter auch vier Berliner und zwei Ex-Berliner Küchenchefs. Wo die hauptstädtischen „real experts“ selbst essen gehen – siehe Seite 26. Übrigens: Wenn ich den nächsten Anruf bekomme, von wegen Empfehlung und so, berufe ich mich darauf.

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INHALT MISE EN PLACE

TITEL „Äh eenzscher Draum“

Das Hotel Bei Schumann in Kirschau

34

Wagner: Ein außergewöhnliches Pop-up-Dinner.

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„Äh eenzscher Draum“: Das Hotel Bei Schumann in Kirschau.

LOKALTERMIN Where Chefs eat

GESCHMACKSSACHEN 26

Rübbelberg

Die Favoriten der Küchenprofis

Arai

Ein Omalikör kehrt zurück

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Avocado

Chuka-ryori in Berlin

Wagner

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Das perfekte Ei

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Anaїs Causse empfiehlt

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Kostproben

Berliner Meisterköche 2018

Weinbar Freundschaft in Mitte Layla by Meir Adoni in Kreuzberg

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GARÇON

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KOPFSALAT

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Neue Manufaktur in Dannenwalde

Neue Restaurants

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Piment d'Espelette

Klassentreffen bei Hendrik Otto

Richard's Wild

54

Paolo Parisi und sein Hühnerparadies

Erste Vinothek in Elsterwerda

Lorenz Adlon Esszimmer

50

Superfood mit Schattenseiten

Ein außergewöhnliches Pop-up-Dinner

Weinplanet

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Titelvergabe ohne Überraschungen

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Arai: Chuka-ryori in Berlin.

Tamas Kovacs Es muss nicht immer Moёt sein

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Die Seele vom Schmidt Z&KO.-Service

Frauke und Wolfgang Funkhauser

81

Die Bohnenpatin und der Sprossenkönig

Sabina Lischka

87

Berlinerin gründet eine Hofkäserei

Wie geht's eigentlich..?

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Lukas Mraz

RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

96

Okra

Berliner Marktnischen

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„Küstlichkeiten“ aus Holland

Kulinarische Nachlese

54

Das perfekte Ei: Paolo Parisi und sein Hühnerparadies.

102

In alten Kochbüchern geblättert

BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

105

Garcon-Guide

115

Garcon-Quiz/Impressum

118

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100

Berliner Marktnischen: „Küstlichkeiten“ aus Holland.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Sternekoch Philipp Liebisch.

Seinetwegen machten wir uns Anfang Oktober auf den Weg. Unser Ziel hieß Kirschau. Der Ort liegt in der Oberlausitz, sächsische Pro­ vinz, der östlichste Winkel Deutschlands. Hier erwartet man alles, nur kein Sternerestaurant. Doch wie das so ist mit der großstädti­ schen Voreingenommenheit – das „Juwel“ in Kirschau trägt nicht nur einen Stern, sondern wäre auch gut genug für den zweiten. Chef am Herd ist Philipp Liebisch, 37, ein gebürtiger Berliner, des­ sen Können in der Hauptstadt nicht so richtig Anerkennung fand, vielleicht weil er zu bodenständig und unaufgeregt daherkommt und sich nicht wahnsinnig besonders gibt. Ihn also wollten wir porträtieren. Dass aus dem Vorhaben dann unser ­Heft-Titel wurde, liegt daran, dass nicht nur Liebischs Küche das Attribut „großartig“ gebührt, sondern auch dem gesamten Domizil, das sie beherbergt.

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Hotel Bei Schumann TITEL

„Äh eenzscher * Draum“ DAS HOTEL BEI SCHUMANN IN KIRSCHAU: PARADIES IN DER PROVINZ VON JÖRG TEUSCHER

* Die Gästebücher des Hauses sind voll von Lobeshymnen: fabelhaft, faszinierend, himmlisch, wohltuend, wundervoll. Besucher loben das stilvolle Ambiente, preisen den einzigartigen Spa-Tempel, rühmen das sensationelle Frühstück. Ein Eintrag gefiel uns so gut, dass wir ihn zum Titel unseres Berichts machten. Nach einem Besuch im Hotel Bei Schumann am 9. Februar 2017 notierte U. Steimle resümierend: „Äh eenzscher Draum“. Wir vermuten mal, dass es sich bei dem Schreiber um den Dresdner Schauspieler, Kabarettisten und Parade-Sachsen Uwe Steimle handelt, dessen gastronomische Kompetenz spätestens seit seiner Hauptrolle in „Sushi in Suhl“ wohl unbestritten ist. Für alle, die auch nach langsamem Lesen der Steimleschen Eloge noch „Bahnhof“ verstehen, hier die Übersetzung aus dem Sächsischen ins Hochdeutsche: Ein einziger Traum.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Kirschau (sorbisch Korzym), 2.400 Einwohner, ist ein Ort im sächsischen Landkreis Bautzen. Er war bis zum 31. Dezember 2010 eine selbstständige Gemeinde und gehört seitdem zur Stadt Schirgiswalde-Kirschau. Gelegen im Lausitzer Bergland, eingebettet im Tal der Spree und der Pilke, wird Kirschau begrenzt von Crostau im Osten, Wilthen im Westen, Großpostwitz im Norden und Schirgiswalde im Süden. Letzteres hat rund 2.900 Einwohner und ist vor allem unter Historikern dafür bekannt, dass es durch diplomatische Irrungen zwischen1809 und 1845 sozusagen „staatenlos“ war, eine böhmische „Insel“ inmitten sächsischen Gebiets ohne wirkliche Staatsgewalt, eine „Freie Republik“, die politisch Verfolgte ebenso anzog wie Räuber und Schmuggler.

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Hotel Bei Schumann TITEL

Kirschau: Bonjour tristesse am Bahnhof...

... und architektonische Opulenz im Zentrum.

Wir wählen den Zug. Wir hätten auch das Auto nehmen können,

„Nächster Halt Kirschau“, sagt die hochdeutsche Zugstimme. Man

aber Bahn fahren ist bildender. Der EC 171 von Berlin via Dresden

muss eine Haltewunschtaste drücken, das wissen wir aber nicht.

nach Prag heißt Carl Maria von Weber. Ein guter Zug – diese Na­

Unser Spracherklärer reagiert geistesgegenwärtig. Kirschau also.

mensgebung. Der Freischütz-Komponist war einst Hofkapellmeis­ ter in Dresden und Operndirektor in Prag. „Durch die Wälder durch die Auen...“, 150 Stundenkilometer,

Der Bahnhof bietet ein Bild provinzieller Tristesse. Blinde Fens­ terscheiben, ein zerstörter Fernsprecher und Graffiti, von denen „Dynamoland“ und „Fuck Police“ noch die harmloseren sind.

Carl Maria von Weber erreicht minutenpünktlich die Hauptstadt

Der Ort wirkt anders als sein Bahnhof, sauber, aufgeräumt, im

des Freistaates. Die Regionalbahn nach Zittau hat keinen Namen

Zentrum beinahe städtisch. Viele Villen lassen einstigen Reichtum

und mehr Zeit. Man sieht viel Grün, Rehe, Fahrradfahrer. Bischofs­

vermuten. Das Postamt, ein prächtiger Jugendstilbau, diente vor

werda, Schmölln, Putzkau, Wilthen. Die Lautsprecher-Ansagen der

Jahrzehnten sogar mal als Briefmarkenmotiv.

Orte sind hochdeutsch, die meisten Mitreisenden sprechen die Mundart der Gegend. „Nu wardch euch amoal woas arzähln...“ Sie sagen „Äberlausitz“ und rollen dabei das „Err“ als sei es der wichtigste Buchstabe des Alphabets. Ältere Oberlausitzer, lernen wir – Bildungsfaktor Bahnfahrt – bezeichnen ihre Sprechweise als „kwurrln“, quirlen.

Schirgiswalde: Die Barockkirche St. Mariä Himmelfahrt...

Später erfahren wir, dass Kirschau früher Zentrum der sächsischen Grobgarnindustrie war. Scheuertücher und Schlafdecken gingen von hier in die halbe Welt und bescherten Wohlstand. Kirschau, „das Dorf mit den goldenen Dächern“, hieß es. Das ist allerdings Geschichte. Kirschau setzt heute, wie so viele Orte dieser Region, auf den Tourismus.

... und der historische Marktplatz.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Haus mit Historie: 1921 von Kirschauer Industriellen als Gästehaus in Auftrag gegeben und 1923 als Fremdenhof „Zum Weber“ eröffnet.

Ein Angebot nicht nur für Italo-Freaks: Picknickfahrten durch die Oberlausitz mit der Piaggio Ape Calessino.

Bei Schumann ist ein respektables Anwesen am grünen Rand von Kirschau. Neben der Hoteltür hängt ein Kasten, darin sieht man sein Spiegelbild. Und eine Schrift: Das ist das Beste in unserem Haus. Na ja. Die Empfangsdame heißt Doreen Hänsel und ist eine sächsische Frohnatur. „Nu“, sagt sie, „wie war die Fahrt?“ Dann bringt sie kalte Kompressen. „Jetzt entspannen Sie erstmal.“ Sébastien Bazin, Chef von Accor, Europas größter Hotelkette, wurde vor einiger Zeit gefragt, woran er die Qualität eines Hotels erkenne. „Erstens“, antwortete er, „ob ich nach einer anstrengen­ den Anreise mit einem Lächeln empfangen werde. Zweitens, ob das Haus seine Versprechen in Bezug auf Lage, Ausstattung und Komfort erfüllt. Und drittens, ob das Hotel es schafft, mich wäh­ rend meines Aufenthaltes ein-, zweimal zu überraschen.“ Im Falle des Hotels Bei Schumann konstatieren wir: Punkt eins – übererfüllt. Doreen Hänsels Lächeln geht von Ihrem gewinnenden Doreen Hänsel, stellvertretende Empfangschefin

Wesen aus und ist kein verordneter Grinszwang.

Der jugendstilige Festsaal: Ein idealer Platz für Hochzeits- und Jubiläumsfeiern.

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Hotel Bei Schumann TITEL

Auch das zweite Qualitätskriterium des französischen Top-Mana­ gers können wir schnell abhaken. Das Vier-Sterne Superior Hotel Bei Schumann ist der place to be, kein Quartier für Eilige, sondern eine Residenz für Reisende, die das Individuelle schätzen. Selbst die Flure, in den meisten Herbergen charmefreie Zonen, haben das gewisse Etwas – moderne Kunst, gepflegtes Grün. 45 Doppelzimmer und Suiten bieten luxuriösen Komfort fernab des globalisierten Einheitslooks vieler Häuser. Und auch hier sind es wieder die Details: eine Schale frischer Kirschen zur Begrüßung, ein Buch für den Abend. Es gibt eine Ladestation für ­Mobiltelefone und einen nächtlichen Schuhputz-Service... Noch wichtiger für uns: Das Hotel Bei Schumann strahlt menschliche Wärme und Gebor­ genheit aus. Die Hausdame Alin Popig, Chefin von neun Mitarbei­ tern und seit 2001, seit ihrer Hotelfach-Lehre im Haus, formuliert es so: „Wir wollen jedem Gast das Gefühl vermitteln, erwünscht zu sein statt nur erwartet zu werden.“

Alin Popig, Hausdame

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TITEL Hotel Bei Schumann

Kurz bevor wir uns auf den Weg nach Kirschau machten, kam in Deutschland das Magazin TIME in die Kioske. Auf dem Cover ein gutes Dutzend akkurat gezeichneter Gebäude und die schriftliche Ankündigung THE WORLD´S GREATEST PLACES 2018 – 100 DESTINATIONS. Seit Berlin vor einigen Jahren mit dem Rüdesheimer Platz (sic!) mal in diesem Ranking vertreten war, schauen wir genauer hin, welche Orte auf der Welt die TIME-Menschen als interessant, innovativ und originell genug und deshalb als unbedingt besuchenswert ansehen. Unter den 100 Auserwählten in diesem Jahr – 39 Hotels, auserkoren wegen ihrer Lage (Marriott Mena House Kairo mit Blick auf die Pyramiden), ihrer Historie (Hôtel de Crillon Paris in einem ehemaligen Palast von Ludwig XV.), ihres Ambientes (Icehotel 365 im schwedischen Jukkasjärvi) oder, weil Alain Ducasse gleich zwei Restaurants in einer Herberge eröffnet hat (Morpheus Macau). Nix von Servicekompetenz und Wohlfühlfaktor. Dafür empfehlen wir den TIME-Reportern das Hotel Bei Schumann in Kirschau.

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Hotel Bei Schumann TITEL

Petra Schumann.

Kostprobe: Auch die Chefin ist gefragt.

Sie sprechen weder das singende Sächsisch noch das Oberlausit­

„Da waren familiäre Wurzeln im Spiel, natürlich auch geschäftliche

zer Roll-Err. Petra und Rüdiger Schumann stammen von weiter her,

Interessen“, sagt er. Rüdiger Schumann kam in die Oberlausitz und

das hört man. Er wuchs im Hessischen auf, sie ist Schwäbin.

verliebte sich zweimal. Zuerst in die Gegend und ein paar Jahre

Die Beiden sind als Hoteliers Spätberufene. Sie eher weniger –

später, da hatte er bereits den leerstehenden Fremdenhof Zum We ­

Petra Schumann hat mal Hotelfachfrau gelernt und war in guten

ber in Kirschau gekauft und saniert, in eine junge Frau, die er ein­

Häusern in Deutschland und der Schweiz angestellt, Walserhof in

gestellt hatte, um das wiedereröffnete Hotel zu führen. Aus der Ro­

Klosters, Wald- und Schlosshotel in Friedrichsruhe, Barreis in Bai­

manze wurde eine Ehe, der Baustoffunternehmer verkaufte seine

ersbronn – er dagegen ist ein totaler Seiteneinsteiger. „Erst nach

Firmenanteile und stieg mit ins Hotelbusiness ein.

zehn Jahren Kirschau hat sie mir erlaubt, mich Hotelier zu nennen.“

Mit der Namensgebung Bei Schumann legten Petra und Rüdiger

Schumann ist Straßenbauer von Beruf. Richtungsentscheidun­

Schumann dann fest, wohin die Reise gehen soll. „Der Aufenthalt

gen und Zielvorstellungen spielen da eine Rolle, das prägte. Mit

bei uns bedeutet, Gast zu sein in einem gepflegten Zuhause“, bringt

24 wurde er Unternehmer, führte einen Betrieb, der Baustoffe pro­

es Petra Schumann auf den Punkt und entwirft sogleich ein detail­

duzierte. Sand, Kies, Steine, Erden – das war sein Geschäft. Wie

reiches Bild von der Zukunft. „Meine Frau ist der Vulkan und ich

erfolgreich er es betrieb, beweist die Tatsache, dass er schnell zu

habe immer einen Deckel dabei“, beendet Rüdiger Schumann unser

einem der Marktführer seiner Branche in Deutschland aufstieg.

Gespräch und verabschiedet sich auf seine Baustelle. „Kommen

1990 zog es ihn nach Sachsen.

Sie mit“, lädt er uns ein, „da sehen Sie schon ein Stück Zukunft.“

Rüdiger Schumann, li. und Jens Herrmann, Klixer Recycling im nahen Großdubrau.

Baustelle: Hier entsteht der Seeflügel.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Frühstück im Kirschgarten.

Machen selbst Morgenmuffel munter: Manuela Hilbig, li. und Azubi Samira Schumann.

Wir haben noch nie im „Turnberry Isle“ in Miami gefrühstückt und auch nicht im „Peninsula Hongkong“, deren Frühstücksofferten Deutschlands Hotelpapst Heinz Horrmann das Prädikat „Weltklasse“ gibt. Für uns galt bisher die Traube Tonbach, was die erste Mahlzeit des Tages betrifft, als kulinarisches Nonplusultra. Daran ändert sich auch nichts, wir werden künftig nur das Bei Schumann hinzufügen. Weshalb? Weil jeder Start-in-den-Tag-Typ an Büfett oder Tresen sein Glück findet – der Ernährungsbewusste Müsli aus einer Berliner Bio-Manufaktur und frische Säfte (er kann auch selbst pressen und mischen), der Anspruchsvolle wachsweiche Eier im Glas, die er sogar mit Imperialkaviar zieren kann (Aufpreis 45 Euro/10g), der Deftige frische Kalbsbouletten und der Süße hausgemachte Marmeladen oder Honig aus der Wabe. Der zwei­ te Grund: Weil Anja Häntzschel, Cornelia Berger, Manuela Hilbig und Samira Schumann, die Frühstücksfeen, schon am Morgen gute Anja Häntzschel, Bäckerin und Frühstücksköchin

Unser täglich Brot: Hausgebacken oder aus der Landbäckerei Richter in Kubschütz.

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Laune haben und damit selbst Hardcore-Morgenmuffel knacken.

Eggs Benedict: Natürlich mit à la minute aufgeschlagener Sauce hollandaise.


Hotel Bei Schumann TITEL

Die Hippo-Bar.

Die Bar Bei Schumann heißt Hippo – angeblich, weil das Flusspferd das Lieblingstier des Hoteleigners Rüdiger Schumann ist. Gefragt haben wir ihn danach aber nicht. Wir bevorzugen die Plätze am Tresen, der Rest ist uns zu ku­ schelig. Außerdem hat man hier die beste Möglichkeit, dem Chef im Ring auf die flinken Finger zu schauen. Der Mann heißt Benjamin Pfeiffer, stammt aus Torgau und hat, bevor er ins Barfach wechsel­ te, eine Ausbildung zum Restaurantfachmann absolviert. Fünf Jahre lang war er beruflich in der Schweiz unterwegs, dann ging er nochmal zur Schule – Abschluss als Master of Wine and Spirits. Dementsprechend ist auch das Hippo-Angebot. Natürlich beherrscht Pfeiffer die gängigen Klassiker – von Moscow Mule bis Patty Smith – seine Liebe jedoch gilt dem Experiment. Er referiert über „Liquid Kitchen“ und „Cuisine Style“, über „Detox“ und die neue Welt der „Low ABV-Drinks“ (low alcohol by volume). „Barten­ ding“, sagt er, „ist inzwischen eine Genussdisziplin geworden.“

Signature drinks: Pisco sour insólito...

Benjamin Pfeiffer, Barchef

... und Irish Coffee 2.0.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Ein Juwel ist in jedem Fall etwas Wertvolles, etwas, das besonders geschätzt wird. Wer sich die Herkunft des Wortes genauer ansieht, landet dann noch beim lateinischen „iocus“, Spaß. Beides passt zu diesem Restaurant im Hotel Bei Schumann. Weshalb dieser lange verbale Landeanflug? Weil es nicht ganz so einfach ist, sich dem Juwel mit Worten zu nähern. Spitzenrestaurant klingt zu statisch, Gourmetlokal zu steif. Ort der Sinnesfreuden? Zu frivol. Obwohl es stimmt. Das Juwel gewährt vielfältigen Genuss, auch den des Zusammenseins, und fordert keine Etikette. Das hat natürlich viel mit denen zu tun, die hier tätig sind, also mit Philipp Liebisch, Jana Metting und ihren Teams in Küche und Service. Liebisch und Metting, beide Ende 30, sind seit acht Jahren beruflich gemeinsam unterwegs, privat noch etwas länger. Im Gegensatz dazu passte es im Job nie wirklich, weder in Berlin noch in Senftenberg. „Hier dafür hundertprozentig“, so der Küchenchef und die Restaurantleiterin in strahlendem Gleichklang.

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Hotel Bei Schumann TITEL

Das Sternerestaurant Juwel.

Das Juwel ist so edel eingerichtet und opulent ausgestattet, wie es

Team angehörte (s. Bild S. 22). Ihnen allen allerdings stiehlt Philipp

der Restaurantname ankündigt. Schwarz, anthrazit und ein dunk­

Liebisch immer dann die Schau, wenn der Küchenchef beispiels­

les Violett sind die dominierenden Farben, die Tische stehen groß­

weise seinen Signature dish höchstpersönlich serviert.

zügig, man sitzt bequem und entspannt. Die Lampen wirken zwar

Übrigens: Es soll Juwel-Gäste geben, die ihr Menü nur deshalb

auf den ersten Blick wie Lichtverhinderungsgeräte, schaffen aber

mit einem Käsegang beschließen, um den Einsatz des Käsewagens

mit ihrem Schein aufs Wesentliche eine angenehme Atmosphäre.

zu erleben. Selbst die Tester des Gault&Millau waren derart von

Den Rest erledigt eine Servicebrigade mit jener Mischung aus un­

Form, Farbe und Funktion des Gefährts beeindruckt, dass sie ihm

aufdringlicher Freundlichkeit, souveräner Gelassenheit und feiner

einen ganzen Abschnitt widmeten. Das Meisterwerk handwerkli­

Grandezza, die man nicht allzu häufig antrifft.

cher Kunstfertigkeit glänzt lackschwarz, besitzt eine eigene Kli­

Gastgeberin ist Jana Metting, 39, die nach ihrer Ausbildung zur

maanlage und Beleuchtung, es gibt unendlichen Stauraum, und die

Hotelfachfrau in Dublin, Deidesheim und Berlin tätig war und die

Glasabdeckung kann mechanisch nach oben gefahren werden. Der

wir schon dort wegen ihrer Empathie und Natürlichkeit schätzen

Preis des Unikats dürfte den eines Kleinwagens erreichen – ob ein

gelernt haben. Dazu kommen die kompetente und eloquente Som­

Führerschein für die Bedienung nötig ist, konnten wir nicht in Erfah­

melière Dominique Hennig, die allerdings während unseres Besu­

rung bringen. Bestückt wird er übrigens von Maître Affineur Volker

ches Urlaub hatte und neuerdings der Leipziger Patrick Grunewald,

Waltmann aus Erlangen, dessen Reifekeller ähnlich einzigartig wie

den wir auch schon kennen, weil er neun Jahre lang dem Falco-

der Kirschauer Käsewagen ist.

Überraschung Käsewagen: Ein Unikat, bestückt mit 70 Sorten aus 9 Ländern.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Wenn man mal so weit gehen will, das Restaurant Juwel als Gour­ metbühne zu bezeichnen, dann muss man hinzufügen – eine der fähigsten des Freistaates. Und eine der meistgeehrten. An einer Wand irgendwo im Haus hängen die Urkunden: Falstaff, Feinschme­ cker, Gusto, Gault&Millau, Savoir Vivre, Varta, sie alle bescheinigen dem Juwel und seiner Mannschaft beste Performance. Dazu der erste Michelin-Stern, es darf applaudiert werden – zumal Philipp Liebisch zuvor in seiner Berliner und Senftenberger KüchenchefZeit zwar auch schon etliche Auszeichnungen einheimste (Newco­ mer des Jahres 2012, Junges Talent 2013, Brandenburger Meister­ koch 2013), seine jeweiligen Arbeitgeber aber wenig interessiert an kulinarischen Glanzleistungen waren. Anfang 2016 kam der 37-Jährige nach Kirschau, ein Glücksfall für ihn und für das Hotel. Petra und Rüdiger Schumann stellten ihm alles zur Verfügung, was gut und teuer ist, und Liebisch machte daraus das Beste.

Robert Hauptvogel, Senior Sous Chef.

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Maximilian Kurth, Junior Sous Chef.


Hotel Bei Schumann TITEL

SANDMÖHRE, AMALFIZITRONE, KORIANDER Eine vegane Vorspeise aus rehydrierter ­Sandmöhre, Karottenbändern, Karottenchips, Karottencrème, Ka­ rottenpulver, in Salz eingelegter Amalfizitrone, Zitro­ nencrème, Koriander- und Karottensud.

PAZIFISCHE GELBSCHWANZMAKRELE, ANANAS FAIRY QUEEN, ACKERGURKE, ROYAL PREMIUM KAVIAR „REZA KOROUJE“ Temperiertes und abgeflämmtes Filet von der Gelbschwanzmakrele, Ossiertrakaviar, gegrillte Ananasscheibe, Ananas­sphäre, getrocknete Ananas, Gurken­ relish, Gurkenblüte, Tapiokaperlen.

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TITEL Hotel Bei Schumann

TAUBE „JEAN CLAUDE MIÉRAL“, SPITZMORCHEL, BROMBEERE Sous vide gegarte und mit Aromaten gebratene Mié­ ral-Taube, Tauben-Praline aus Keulenfleisch, Herz und Leber, marinierte und getrocknete Brombeeren, Brombeerflan und -gel, gebratene Spitzmorchel, Morchelcrème und -pulver.

VALRHONA IVOIRE, CASSIS, ROSMARIN Valrhona-Ivoire-Törtchen mit Rosmarin und flüssigem Cassiskern, Ivoire-Knusperperlen, Ivoire-Steine, Cassisbeeren, -crème, -eis, -perlen und -staub, gebackener Rosmarin, Rosmarincrème, -sand, -öl und Rosmarinblüten.

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Hotel Bei Schumann TITEL

Robert Hauptvogel und Beatrice Tobias, Chefpâtissière.

Liebisch („bitte vergessen Sie in Ihrem Bericht mein Team nicht“), also Liebisch und sein Team, sind dabei fast schon revolutionär puristisch. Jeder Gang konzentriert sich auf drei Komponenten, wobei die natürlich nicht pur auf die Teller kommen, sondern in ver­ schiedenen Konsistenzen und Texturen. Der Einfallsreichtum dabei ist verblüffend, beispielsweise, wenn eine in ihrer Schale dampfpo­ chierte Gillardeau-Auster auf einen Ingwer-Soja-Fond, Ingwerjuli­ enne, Ingwerkaviar, Sojasprossen und eine Tofu-Soja-Crème trifft. Das ist sowohl geschmacklich als auch optisch eine Offenbarung. Bei uns bleibt nur ein Wunsch offen: Wie wäre es, fragen wir uns, wenn Philipp Liebisch eine kleine Anleihe in Österreich oder der Schweiz aufnähme. Seine Kollegen Heinz Reitbauer in Wien und Andreas Caminada in Fürstenau, die ähnlich komplexe Kreationen servieren, geben ihren Gästen kleine Zutatenkarten an die Hand, bei Caminada sogar in einer edlen schwarzen Box. Wäre das nicht auch was für das Juwel?

Bärbel Weckwerth, Casserolière.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Die Weberstube.

Die Weberstube ist eine Reverenz an die Region, in deren Dörfern einst in fast jedem Haus ein Webstuhl klapperte. Einige Relikte der Kirschauer Leineweberhistorie, viel Holz, bunte Stoffe, eine heime­ lige Kachelofen-Installation – bodenständig und lokalstolz kommt das Interieur daher. Doch Wirtshäuser und Gaststuben folgen in der Oberlausitz einem klaren Kodex, dem nicht nur die Einrichtung, sondern auch die Gemütlichkeit und vor allem die Speisekarte ent­ sprechen sollte. Das weiß natürlich auch Philipp Liebisch, und so hat er für die Weberstube eine gut geerdete Küche konzipiert, die von seiner Brigade genauso perfekt zubereitet wird wie die Gerich­ te des Sternemenüs. Das Ergebnis sind regionale Klassiker – an der Spitze Kellers Rindfleisch aus dem Kupfertopf – Tafelspitz, Rinderbrust oder -zunge oder von jedem ein Stück. Zur Räucherfo­ relle vom Forellenhof Rottstock (!) gibt es Vollkornbrot, Rührei und Sauerrahm, zur Bauernente aus dem Rohr böhmische Knödel und Patrick Grunewald, Restaurantleiter

Bautzener Kupfer: malzig, würzig, süffig.

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Speckwirsing. Wie gesagt, das alles verrät souveränes Handwerk.

Krosser Bauch vom sächsischen Duroc-Schwein, Hopfen-Malz-Sauce, Rahmkohlrabi, Semmeltaler.


Hotel Bei Schumann TITEL

Mit Pazienza: Chef de rang Mandy Spieth.

Al forno – dt. der Ofen, lesen wir in der Speisekarte. Nun wollen wir uns nicht als Beckmesser unbeliebt machen, aber der Ofen, das ist il forno („al forno“ bedeutet „im Ofen gebacken“, zum Beispiel Kartoffeln: patate al forno). Ansonsten stimmt hier alles. Das Ambiente wirkt mediterran luzid, eine gelungene Mischung aus Taverne und Osteria. Der Ofen ist ein blickfangendes Schau­ stück, das auch noch prächtig funktioniert. Und so gibt’s schon mal Szenenapplaus, wenn Kamel Hamdi mit typisch italienischer Grandezza eine Pizza Parma oder Roma ans Feuer schiebt. Der 43-jährige Tunesier ist seit acht Jahren Bei Schumann und liebt die offene Al-Forno-Küche. Ein bisschen Show muss sein, das passt auch zu diesem angenehm unkomplizierten und atmosphä­ rischen Ort. Und wenn sich ein Gast mal wieder nicht entscheiden kann – Servicechefin Mandy Spieth stammt zwar aus Brandenburg, bringt aber jenes Maß an römischer Pazienza mit, um solche Situa­ tionen locker zu meistern. Also, grazie mille, gut war´s.

Kamel Hamdi, Koch und Pizzabäcker

Mit Grandezza: Pizzaiolo Kamel Hamdi.

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TITEL Hotel Bei Schumann

Kirschau ist nicht Berlin und das Hotel Bei Schumann nicht der BER. Deshalb kann man sicher sein, dass diese Computergrafik nicht irgendwann, sondern spätestens im Mai 2019 Geschichte sein wird. Dann gibt es Bei Schumann die Realität. Der 2.600 Quadratmeter große Seeflügel ist die jüngste, aber wohl nicht letzte Investition von Petra und Rüdiger Schumann in ihr Kirschauer Refugium. Und keine, die man eben mal aus der Portokasse bezahlt: 5 Millionen Euro. Dafür entsteht, so der Bauherr, „ein exklusiver und hochmoderner Erholungstempel.“ Stichworte: 19 DeLuxeDoppelzimmer, alle mit infrarotbeheiztem Balkon, ein separater Wellnessbereich, ein Snowroom mit echten Schneeflocken, ein Kneippbecken auf dem Dach, eine Rooftop-Bar mit allem Drum und Dran, knapp 140 Quadratmeter groß und – Schumann lächelt – der erste Flying Pool Deutschlands. Ein fliegender Pool? Vorstellen können wir uns das nicht. „Kommen Sie im nächsten Jahr wieder“, sagt Schumann, „und lassen Sie sich überraschen.“

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Hotel Bei Schumann TITEL

Der Außenpool.

Das Kaminrondell.

Spa steht für sanum per aqua, gesund durch Wasser. „In der Ober­

Für die letzte Bemerkung unseres Berichtes aus Kirschau überge­

lausitz gibt es genug Wasser“, so Rüdiger Schumann, „gutes, mi­

ben wir an einen Mann, der die Hotels dieser Welt kennt wie kein

neralstoffreiches Wasser, das man für diesen Effekt nutzen kann.“

Zweiter und dessen Expertisen weltweit anerkannt sind. Er schreibt:

Aber? „Aber es bedarf schon erheblicher Investitionen, damit das

„Im Hotel Bei Schumann steht der Gast im Mittelpunkt und nicht

auch funktioniert.“ Vor zwanzig Jahren, gab es eine Sauna im Haus, 2005 entstand

im Weg. Viele große Grandhotels sind heute nichts als servicefreies Gelände. Dagegen hebt sich Bei Schumann glanzvoll ab.“

der römische Spa-Tempel. Auf das Attribut legt Schumann Wert,

(Heinz Horrmann, Publizist, Kolumnist, Moderator. Von der Ameri­

denn das Ensemble ist ein 1:10-Nachbau der berühmten Caracalla-

can Academy of Hospitality Sciences mit dem „Five Star Diamond“

Thermen in Rom. Doch es ist nicht nur die antike Säulenarchitek­

als bester Hotel-Autor geehrt.)

tur, die diesen Tempel zu einem besonderen Wohlfühlort macht. „Es geht auch um die Vielfalt der Möglichkeiten“, erläutert Petra

HOTEL BEI SCHUMANN

Schumann das Konzept und beginnt eine beeindruckende Aufzäh­ lung: 9 verschiedene Saunen und Dampfbäder, 16 Behandlungsräu­ me, 12 Edel­steinquellen, Eisbrunnen, Kneippbecken, ein türkisches Hamam, ein orientalisches Rhassoul, der Innenpool, der beheizte Außenpool, Beauty, Fitness, Meditation. Das alles setzt Maßstäbe.

Der Wasseraltar.

Bautzener Straße 20 02681 Schirgiswalde-Kirschau Tel. 03592 — 52 00 www.bei-schumann.de

Die Binsenkammer, eine 47-Grad-Trockensauna.

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LOKALTERMIN Where Chefs eat

„Freundlich, gemütlich, das Essen macht den Tag groß.“ Micha Schäfer über das Hallmann & Klee.

„Fantastische italienische Küche, eine der besten, die ich kenne.“ Chakall Noir über Francucci's Ristorante.

WHERE CHEFS EAT ZUM BEISPIEL IN BERLIN

„Ein Österreicher macht die beste Pizza der Stadt.“ Lukas Mraz über das Standard Serious Pizza.

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„Für mich eine der kreativsten Küchen in Berlin.“ Marco Müller über das Bandol sur mer.


Where Chefs eat LOKALTERMIN

GAL BEN-MOSHE Inhaber & Küchenchef, Prism

• • • • •

Benedict Big Stuff Smoked BBQ Einsunternull Madame Ngo The Butcher

MICHA SCHÄFER Küchenchef, Nobelhart & Schmutzig

• • • • •

Cordobar (jetzt Restaurant Cordo) Dolden Mädel Hallmann & Klee Lode & Stijn Markthalle Neun

CHAKALL NOIR Ehem. Inhaber, Sudaka – jetzt in Lissabon

• Francucci´s Ristorante • Sudaka (seit Oktober 2018 geschlossen)

LUKAS MRAZ Ehem. Küchenchef, Cordobar – jetzt in Wien

• • • • • • • •

Aroma Hodori House of Small Wonder Industry Standard Lon Men`s Noodle House Nobelhart & Schmutzig Restaurant Tim Raue Standard Serious Pizza

MARCO MÜLLER Küchendirektor, Rutz

• Aigner • Bandol sur mer • Bieberbau • NU • Rosenburger • Sets • Strandbar Mitte

DANIEL ACHILLES Inhaber & Küchenchef, Reinstoff

• • • • • • • • • • • •

Balzac Coffee Benedict Borchardt Einsunternull Facil Grill Royal Horváth Kuchi Lorenz Adlon Restaurant Tim Raue Rosenthaler Grill Rutz

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CUISINE LOGIQUE Genießen Sie hochwertige, regionale Produkte, raffiniert und unkompliziert auf feinstem KPM Porzellan vereint. Wöchentlich wechselnder BUSINESS LUNCH *** Ideenreiche DINNERKARTE *** Schlichtes MEHRGÄNGE-MENÜ *** Beschwinger JAZZ-BRUNCH am Sonntag *** Kreative, kulinarische EVENTS

RESTAURANT DUKE IM ELLINGTON HOTEL BERLIN NÜRNBERGER STRASSE 50-55 | 10789 BERLIN RESERVIERUNG:  +49 (0)30 68 315-4000 |  CONTACT@DUKE-RESTAURANT.COM

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Restaurant Arai LOKALTERMIN

ベ ル リ ン の 中 華 料 理

Chuka-ryori in Berlin ZU GAST IM JAPANISCHEN RESTAURANT ARAI VON SHOKO KONO UND JÖRG TEUSCHER

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LOKALTERMIN Restaurant Arai

Früher Latino-Bar, heute Japan-Restaurant.

Arai-Gründer Shiori Arai.

Der Start des Arai im Frühjahr war ein ganz und gar unspektaku­

あ ら 井

lärer Akt. Tür auf – und warten. Keine vollmundigen Presseaus­ sendungen, keine Vorausberichte über den Trocknungszustand der Wandfarben, keine Eröffnungsparty. Was war denn das? Geheim­ niskrämerei als Marketinginstrument? Vergesslichkeit? Oder Be­ scheidenheit? Wer Shiori Arai, den Inhaber des Restaurants in der Straßburger Straße kennenlernt, merkt sofort: Nur Letzteres. Arai ist das personifizierte Understatement. Typisch japanisch. Der 30-Jährige stammt aus Fukui in der gleichnamigen Präfek­ tur in der Mitte Japans. Er absolvierte in Tokio eine Kochausbil­ dung, arbeitete in New York und Düsseldorf und eröffnete vor zwei Jahren in Berlin sein erstes Restaurant, das Shiori. Dem Gault&Millau waren Konzept und Küche in diesem Jahr 13 Punk­te wert. Natürlich ist Shiori Arai stolz darauf, in diesem Gui­ de vertreten zu sein, zumal seine kulinarische Offerte nicht à la mo­ de daherkommt, sondern so authentisch wie außerhalb Japans nur

Der in Berlin lebende Architekt und Designer Kuma Kenta...

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GARÇON

... schuf Räume von schlichter Schönheit.


Restaurant Arai LOKALTERMIN

Arai-Küchenchef Makoto Ishii.

irgend möglich zubereitet wird. „Vielleicht schaffen wir das ja auch

Küchenchef Makoto Ishii, 42, hat die mehrjährige Ausbildung zum

mal mit dem Arai“, formuliert der junge Mann vorsichtig.

Chuka-ryori-Koch in China und Japan absolviert und kam via Düs­

Die Skepsis in seiner Stimme hat ihren Grund, der wohl zu al­

seldorf und München nach Berlin. An seiner Seite: Restaurantleiter

lererst im deutschen Verständnis für die japanische Art, Speisen

Shuai Wang, 33, der aus Shenyang, einer Stadt im Nordosten Chi­

zuzubereiten und darzubieten liegt.

nas stammt, in Kanada Bauwesen und Geologie studiert hat und

„Minimaler Aufwand, maximale Wirkung – auf diesem Prinzip

über Umwege in die Gastronomie fand.

beruht die immer populärer werdende japanische Küche auch über

Übrigens, dass sein „Service auf Augenhöhe“ ausschließlich auf

Sushi und Sashimi hinaus“, heißt es im Gault&Millau. Das klingt

Knien stattfindet, liegt daran, dass die riesige Tafel in den Boden

nach Schnelloküche und verkennt, dass es gerade die japanische

eingelassen ist, die Gäste also auf Fußbodenhöhe sitzen.

Küche ist, die sich intensiv wie kaum eine andere mit ihren Produk­ ten beschäftigt, um sie dann mit möglichst einfachen Techniken

RESTAURANT ARAI

schmeck- und erlebbar zu machen. Dementsprechend zeitaufwen­ dig sind im Arai dann auch die Menü-Vorbereitungen, selbst wenn nur für zehn Gäste gekocht wird und der Küchenchef bestimmt, was auf den Tisch kommt. Das ist das Omakase-Prinzip, der Koch­ stil im Arai heißt Chuka-ryori (s. Seite 32).

Straßburger Straße 60 10405 Berlin-Mitte Tel. 0163 — 384 85 48 www.araiberlin.com

Arai-Restaurantleiter Shuai Wang.

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LOKALTERMIN Restaurant Arai

Ein Arai-Beispiel für die aktuelle japanische Chuka-ryori-Küche sind die sieben Kostproben auf unserem obigen Bild: Sellerie und Rettich in japanischer Senfsauce – Frittierter Seeteufel mit Orangensauce und Ossietrakaviar – Tintenfisch mit Spinatsauce – Rinderfilet und frittierter Tofu mit Sichuanpfeffersauce – Mais und Okra mit Pflaumensauce – Jakobsmuschel und Zucchini mit Mentaikosauce (aus Kabeljaurogen) – Qualle mit Wasabisauce.

中国料理

中華料理

CHUGOKU-RYORI

CHUKA-RYORI

Wer sich der Mühe einer nicht allzu oberflächlichen Beschäftigung mit der japanischen Küche unterzieht, kommt unweigerlich auf die­ se beiden Begriffe: Chugoku-ryori und Chuka-ryori. Sie unterscheiden sich im Japanischen lediglich durch ein einzi­ ges Schriftzeichen, gehören also offenbar eng zusammen. Und so ist es auch. Während Chugoku-ryori die authentische chinesische Küche beschreibt, die es natürlich vielerorts auch in Japan gibt, steht Chuka-ryori für einen Kochstil, der die Aromen chinesischer Traditionsgerichte mit japanischer Produktphilosophie und japani­ schen Kochtechniken verbindet. Ramen ist ein Beispiel dafür. Die auch hierzulande bekannte Nudelsuppe stammt ursprünglich aus China, japanische Köche passten sie jedoch den Gaumen ihrer Landsleute an, indem sie vor allem viel verhaltener würzten. Starke Gewürze wie Anis, Korian­ der, Nelken oder Zimt gelten – im Gegensatz zu China – in Japan als No-Go. Im Verlauf einiger Jahrzehnte entstand aus der Adaption chine­ sischer Gerichte eine eigenständige Küche, die stark saisonal ge­ prägt und heute in Japan vor allem bei jungen Leuten angesagt ist.

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GARÇON


Restaurant Arai LOKALTERMIN

Chawanmushi – gedämpfte Eier, Königsdorsch, Pilze, Wasserkastanien, Hummer, Sichuanpfeffer, Bottarga.

Abalone, Abaloneleber-Sauce, Steinpilze.

Atlantische Languste, Yuzu-Pfeffer-Sauce.

Entenbrust, Paprika, Frühlingszwiebeln, Minispargel, hausgemachte süße Bohnenpaste.

Lachs, Bratpaprika, Pfifferlinge, süße Essigsauce.

Chili-Garnelen, Chili-Tomaten-Ingwer-Knoblauch-Sau­ ce, frit­tierte Garnelen, japanische Mayonnaise.

Kalte Somennudeln, Gemüse, Eierstreifen, Maishuhn, hausgemachte Sesamsauce.

Frittierte Auster, Sojamilchhaut (Yuba).

Mangopudding, Himbeersauce.

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LOKALTERMIN Pop-up-Dinner im Wagner

Holger Schwarz.

Maxim Boillard, Viniculture.

Viniculture + Vadim= ZU GAST BEI EINEM AUSSERGEWÖHNLICHEN POP-UP-DINNER VON JÖRG TEUSCHER Das Wagner am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer ist eine angesagte

weinhändler und Vadim Otto Ursus, ein 26-jähriger Koch, von dem

kulinarische Adresse, wir waren einmal dort und total geflasht.

auch die noch hören werden, die nicht in der Szene unterwegs sind.

Ein Cocktailbistro mit verdammt guter Küche und einem Barmann,

Einen besonderen Anlass für das weinbegleitete Dinner gab es

dessen Namen man sich merken muss: Tuan Nguyen. Trotzdem:

nicht, Schwarz und Ursus hatten sich irgendwo getroffen und ver­

Wenn dieses Wagner an einem stinknormalen Montag dermaßen

abredet, mal was zusammen zu machen. Herausgekommen ist ein

proppevoll ist, dass keine Tür mehr aufgeht, dann muss da schon

außergewöhnlicher Abend, der zumindest uns zwei Erkenntnisse

was Besonderes laufen. Lief es auch.

bescherte: erstens, welche Vielfalt sich inzwischen in der Nische

Die Pop-up-Community feierte ein Fest. Gastgeber waren ­Holger Schwarz, Chef von Viniculture und Deutschlands rüh­rigster Na­tur­

Naturwein (oder ist das keine Nische mehr?) breit gemacht hat und zweitens, dass es Pop-up-Küche auch auf Sterneniveau gibt.

Vadim Otto Ursus.

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GARÇON


Pop-up-Dinner im Wagner LOKALTERMIN

Sascha Silberstein, Vadim Otto Ursus und Raoul Zellien, v.li.

Bleiben wir mal beim Naturwein, einem Phänomen, das immer

lehre bei Neugrüns Köchen in Prenzlauer Berg und ging danach

noch heftig diskutiert wird, sowohl begrifflich als auch inhaltlich.

auf Wanderschaft: Maaemo in Oslo, Noma in Kopenhagen, Loco

Weine, die anders sind, weil sie anders erzeugt werden – auf die­

in Lissabon und Koks auf den Färöer, wo er einen klitzekleinen Bei­

sen Konsens können sich Befürworter und Kritiker der puren Wein­

trag zum ersten Michelin-Stern eines Restaurants auf den Inseln

erzeugung inzwischen einigen.

im Nordatlantik leistete.

Dass Naturweine aber auch ausgesprochene Klasse haben

2017 kam er zurück nach Berlin und begann, unterstützt von

können, bewies Holger Schwarz an diesem Abend. Unser Favorit

seiner Mutter Meggie, draußen in der Schorfheide aus einer Gar­

kam aus der Magnum – ein 2016er Müller-Thurgau vom Demeter-

tenlaube ein Kulinariklabor zu machen. Hier testet er regionale Pro­

Weingut Bianka & Daniel Schmitt im rheinhessischen Flörsheim-

dukte mit Hilfe alter Techniken auf ihre kulinarische Tauglichkeit –

Dalsheim, der deutlich machte, dass die feingliedrige Rebsorte zu

er pökelt, räuchert, trocknet, fermentiert und mariniert. Was gut ist,

Unrecht ein so schlechtes Image hat. Nix von rustikaler Literware,

kommt dann mit zum nächsten Pop-up-Dinner – Fischsauce aus

sondern mit seiner feinen Säure ein hervorragender Begleiter des

Stechlin-Maränen etwa oder mit Gerstenkoji gebeiztes Eigelb. Regelmäßige Auftritte hat Vadim Otto Ursus im Mars, der kulina­

Wildschwein-Tatars mit Gelbsenf von Vadim Otto Ursus. Der Mann ist, wie gesagt, eine Pop-up-Größe ohne eigenen Herd

rischen Dependance des Silent Green Kulturquartiers in der Wed­

und deshalb dem Berliner Besseresser-Publikum wohl eher unbe­

dinger Gerichtstraße (www.mars-berlin.net). Und irgendwann wird

kannt. Deshalb soviel: Vadim Otto Ursus absolvierte seine Koch­

es ja vielleicht auch mal ein eigenes Restaurant geben...

Paul Knittel, Viniculture.

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LOKALTERMIN Pop-up-Dinner im Wagner

Wildschweintatar, gelber Ackersenf, TopinamburBlütenblätter, Beutebrot.

Rohmilcheis und Schwarze Waldameisen auf frisch geschnittenem Kiefernholz.

Bei 45 Grad Celsius konfierter Saibling, Kapuzinerkresse, Sauerampfer, Tagetes, Eigelb.

In Wollschweinschmalz ausgebackener Zwetschgenkuchen, schwarze Walnüsse in eigenem Gel.


Weinplanet Elsterwerda LOKALTERMIN

WOW! IN ELSTERWERDA! DER UNTERNEHMER MATTHIAS JOHN BRINGT WEINKULTUR IN SEINE HEIMATSTADT VON Y VONNE WEINLICH

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LOKALTERMIN Weinplanet Elsterwerda

Matthias John hat das Unternehmer-Gen. Wäre er – sagen wir mal – in Erlangen im BRD-Bundesland Bayern statt in Elsterwer­ da im DDR-Bezirk Cottbus aufgewachsen, er hätte wahrscheinlich schon während der Schulzeit seine erste Firma gegründet. Doch an sowas war im Arbeiter-und-Bauern-Staat nicht zu denken. John lernte Installateur, ging zur Armee, Sanitätsdienst. Ein technisches Studium brach er ab. „Zu viele rote Fächer.“ Und weil er das auch nicht verschwieg, blieb ihm nur noch der Knochenjob als Rettungssanitäter beim Roten Kreuz. Fünf Jahre lang fuhr John mit seinem SMH-Barkas dorthin, wo er gebraucht wurde: Herzatta­ cken, Knochenbrüche. Er erlebte Wohnungsbrände und Verkehrs­ unfälle, sah Bilder, die ihm lange nicht aus dem Kopf gingen. Im Mai 1988 schließlich, Matthias John war 26, bekam er einen Gewerbeschein und durfte einen Kiosk betreiben. „Die DDR war nur noch im Suff zu ertragen“, grinst er, „und ich war mit meinem Läd­ chen der Alkoholversorger Nummer eins in Elsterwerda.“

Matthias John: „Ein bisschen Wein muss sein.“

Elsterwerda gratuliert dem Weinplanetarier.

Wie bizarr die Situation in der DDR kurz vor deren Ende war, schil­ dert der Mann mit dem Kurzhaarschnitt und dem Hang zu auffäl­ ligen Hemden an einem Beispiel: „Zweimal war ich mit meinem Kiosk sogar im Fernsehen – sozusagen als Beispiel, wie Selbst­ ständigkeit hilft, Versorgungslücken zu schließen.“ Nach dem, was heute Wende heißt, tatsächlich aber der Zusam­ menbruch eines gesellschaftlichen Systems war, startete Matthias John richtig durch, wurde Gastrounternehmer, Getränkehändler, Dis­ kothekbetreiber. Und er blieb nicht der einzige in Elsterwerda, der dem Rausch der neuen Gründerzeit erlag. Der jedoch hielt nicht lan­ ge an. John sah die Krise als Chance. Er mietete eine Halle, kaufte benutzte, aber nicht mehr gebrauchte Küchengeräte, reinigte und reparierte sie und zog ein Gastro-Second-Hand-Geschäft auf. 1996 Gründung der as-gastro GmbH und Umzug nach Berlin. Heute: 15 Mitarbeiter, eine Versuchsküche, ein SB-Gerätemarkt, Mit im Boot: Weinberaterin Silke Altmann aus Dresden.

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Küchenplanung und -ausstattung. Eine Erfolgsgeschichte.


Weinplanet Elsterwerda LOKALTERMIN

Inzwischen ist er 56, ein Alter, in dem andere längst daran denken, kürzer zu treten. Nicht so Matthias John. Getreu seinem unterneh­ merischen Motto „Nicht quatschen, machen“ baute er in seiner Heimatstadt Elsterwerda eine Weinhandlung auf. Freunde, Bekann­ te, Nachbarn und Geschäftspartner staunten nicht schlecht, als sie Anfang September eine Einladung zur Eröffnung erhielten: „Entge­ gen dem Trend in unserer strukturschwachen Region möchte ich Ihnen das Thema Wein im entsprechenden Ambiente mit Verkos­ tungen und einer exklusiven, wechselnden Auswahl an Weinen aus aller Welt näherbringen.“ „Weinplanet“ nannte John seine für Els­ terwerda-Verhältnisse ziemlich große Vinothek, in der 210 Weine aus allen Weinbauländern Europas und aus Übersee Platz haben. Bei den deutschen Gewächsen sind natürlich Saale-Unstrut und Sachsen stark vertreten – darunter Klassiker wie die Weingüter Dauerbrenner Nr. 1: Big John, Rotweincuvée aus dem Weingut Scheiblhofer, Burgenland.

Schloss Proschwitz und Drei Herren in Radebeul oder der SaaleUnstrut-Spitzenbetrieb von André Gussek in Naumburg.

Matthias John und seine Beraterin Silke Altmann, die aus Dresden stammt, in Geisenheim Weinbau studiert hat und danach ins Elbtal zurückkehrte, punkten allerdings auch – ganz heimatverbunden – mit einigen jungen Winzern der Region: dem Naumburger Matthias Hey, Matthias Schuh vom Weingut Walter Schuh im sächsischen Sörnewitz, Tim Strasser, Chef des Rothen Gutes in Meißen. „Und das alles in Elterwerda?“, fragen wir skeptisch. Matthias John antwortet mit einem Alten Griechen: „Wo der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens.“ WEINPLANET Springhornweg 5 04910 Elsterwerda Tel. 03533 — 23 47 www.weinplanet.com

Dauerbrenner Nr. 2: Solaris Spätlese aus dem Weingut Drei Herren, Sachsen.

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LOKALTERMIN Lorenz Adlon Esszimmer

Adlon 6/13 KLASSENTREFFEN BEI HENDRIK OTTO

6 Köche, 13 Sterne: Marco Müller (Rutz), Daniel Achilles (Reinstoff), Michael Kempf (Facil), Hendrik Otto (Lorenz Adlon Esszimmer), Sven Elverfeld (Aqua Wolfsburg) und Sebastian Frank (Horváth), v.li.

Von der immer mal wieder beschriebenen Krise der deutschen

Die meisten Gäste teilten dieses Lob. Dennoch ist unser Foto eine

Spitzengastronomie war an diesem Oktoberabend im Restaurant

Art Abschiedsbild: Daniel Achilles schließt am Jahresende das

Lorenz Adlon Esszimmer nichts zu spüren. Krise? Welche Krise?

Reinstoff und – glaubt man Gerüchten – wird das nicht der letzte

Hausherr Hendrik Otto hatte zur Küchenparty geladen, vier

Abschied eines Berliner Restaurants aus der Sterneliga bleiben.

hauptstädtische Zwei-Sterne-Köche sowie der Wolfsburger Drei-

Also doch Krise? Tatsache ist, dass die Margen in der Spitzen­

Sterner Sven Elverfeld waren gefolgt und die rund 150 Gäste erleb­

gastronomie wegen des Wareneinsatzes sowie der Personal- und

ten ein kulinarisches Feuerwerk vom Feinsten. Daniel Achilles' in

Mietkosten verschwindend gering sind. Branchenkenner rechnen

Fichtensprossen gebeizter Rehbock, die rauchschmalzglasierten

mit maximal zehn Prozent – Getränke eingerechnet und eine Aus­

Gelben Bete von Sebastian Frank oder Marco Müllers in Koji-Reis

lastung von 100 Prozent vorausgesetzt. Das kann auf Dauer kaum

aromatisierter Stör waren Kreationen, die alle Ansprüche erfüllten,

funktionieren, es sei denn, neue Konzepte – Stichwort Casual Fine

die gelernte Esser an große Köche stellen.

Dining – greifen Raum und die Tester honorieren sie entsprechend.

Michael Kempf, Facil Berlin, servierte Short Rib vom Wagyu mit Wassermelone, Liebstöckel und Artischocke...

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... und Sven Elverfeld, Aqua Wolfsburg, Forelle aus der Lüneburger Heide mit Kaviar Imperial Auslese.


Guido Richards Wildmanufaktur LOKALTERMIN

WILD AUF WILD?

JA? DANN AUF NACH DANNENWALDE. HIER HAT GUIDO ­R ICHARD ENDE SEPTEMBER SEINE WILDMANUFAKTUR ­E RÖFFNET: FLEISCHEREI, BISTRO, HOFLADEN. JÖRG ­T EUSCHER BESUCHTE DEN KULINARISCHEN ORT IM ­B RANDENBURGISCHEN LANDKREIS OBERHAVEL.

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LOKALTERMIN Guido Richards Wildmanufaktur

Guido Richard, seine Mutter Rosemarie und seine Tante Christine Baum, v.li.: „Waidmannsheil, auf unsere neue Wildmanufaktur!“

„Gott sei Dank, geschafft.“ Guido Richard atmet durch. „Also dann, Waidmannsheil!“ Nun kann die neue Wildmanufaktur am Ortsrand von Dannenwalde im Landkreis Oberhavel an den Start gehen. Vor vier Jahren übernahm Guido Richard das Anwesen einer ehemali­ gen LPG, ein Jahr Bauzeit war geplant, zwei wurden es. Dafür ist jetzt alles vom Feinsten: ein Schlachthaus von beein­ druckenden Dimensionen, in dem zwar nicht geschlachtet, sondern zerlegt und verarbeitet wird – ein Wildbistro, in dem das serviert wird, was der Name sagt – und ein Hofladen, in dem es natürlich Wild, aber auch andere Spezialitäten der Region gibt. Der hat es dem 46-jährigen Richard besonders angetan, weil er mit seiner Firma Richard´s Wild bisher nur Restaurants und Hotels mit Wildbret belieferte – über 100 in Berlin und Brandenburg – der Otto Normalverbraucher aber außen vor blieb. „Das war tatsächlich ein Manko meiner Unternehmung“, so der gelernte Koch, „zumal Wild in den privaten Küchen durchaus noch Reserven hat.“

Wildmetzger Mario Baumann: „'Das neue ­Schlachthaus ist einfach mal vom Feinsten.“

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Reifung: Während des „Abhängens“ wird im Tierkörper Glykogen abgebaut und in Milchsäure umgewandelt – das Fleisch wird zart.


Guido Richards Wildmanufaktur LOKALTERMIN

Großer Bahnhof zum Herbstanfang in Dannenwalde mit...

Deshalb nutzen er und seine acht Mitarbeiter auch jede Gelegen­ heit, um für das gesunde Lebensmittel zu werben. „Der Name sagt es doch schon“, erklärt Mario Baumann, seit sechs Jahren als Wildmetzger in Richards Firma tätig, „Wild ist das vom Men­ schen am wenigsten geformte tierische Lebensmittel, mehr bio geht gar nicht. Weiter Auslauf, natürliches Futter, wenn Fleisch, dann dieses.“ Er zeigt uns einen Hirsch, der vor anderthalb Wochen geschossen wurde. „Das Fleisch ist fettarm, kurzfaserig und, ent­ sprechend geschnitten, auch besonders zart.“ RICHARD'S WILD Fürstenberger Straße 2 16775 Gransee OT Dannewalde Tel. 033085 — 50 99 33 www.richards-wild.de

... zünftiger Blasmusik der Granseer Feuerwehrkapelle...

... Wildschwein am Spieß...

... und vielen guten Gesprächen, hier Guido Richard mit Oberförster Ulrik Schöttler von den Kirchlichen Forstbetrieben Templin.

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LOKALTERMIN Neue Restaurants

Zwei Freunde in der Freundschaft: Willi Schlögl, re. und Johannes Schellhorn.

neu new nouveau Ganz taufrisch ist die Weinbar Freund­

Schat­tens von Billy Wagner, der auch ohne

schaft ja nun nicht mehr, aber sicher noch

Schatten klarkommt – damit also die Glä­

neu genug für diese Rubrik, oder? Willi

ser klingen können, gibt es 500 Weine, ein

Schlögl und Johannes Schellhorn, Steirer­

gutes Dutzend davon offen.

bua der eine, Salzburger der andere, nicken

Hauswein ist ein „Doppler“, eine Zwei-

zustimmend.: „Wir san a no net durt, wo ma

Liter-Flasche, Austria-traditionell ein Zech­

hinwollen. No lang net.“ Also.

wein, bei Schlögl und Schellhorn allerdings

Wir beginnen mal mit dem Namen. Die

ein feiner Sauvignon Blanc vom Premium-

Freien Deutschen Jugendlichen der DDR

Winzer Armin Tement aus dem südsteiri­

trugen ein blaues Hemd und grüßten mit

schen Berghausen. Fünf Euro fürs 0,1er Glas

„Freundschaft!“ – aber wer in Berlin weiß

ist der Freundschaftspreis.

das heute schon noch.

Was es nicht gibt: Cocktails und Kon­

„Freundschaft!“ ist übrigens auch der alte

ventionen. Und Komplett-Menüs natürlich

Gruß der österreichischen Sozialdemokra­

auch nicht. Wer zum Weißburgunder oder

ten – das weiß in Berlin aber erst recht

Welschriesling unbedingt ein Gulasch oder

keiner. Und wenn, Schlögl und Schellhorn

eine Brotzeit braucht, bitteschön.

würden sich darüber keinen Kopf machen. Prost, Jugendfreunde! Auf Euer Wohl, Ge­

Ansonsten: Hier wird getrunken! In aller Freundschaft.

nossen! Auf die Freundschaft! Damit die Gläser auch nachhaltig klin­gen

WEINBAR FREUNDSCHAFT

können, haben die beiden Sommeliers – Schlögl war mal die Seele der Cordobar, die heute nur noch Cordo heißt, weil sie keine Bar mehr ist und der gute Schellhorn hatte im Nobelhart&Schmutzig die Funktion des

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GARÇON

Mittelstraße 1 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 — 80 49 24 44 www.facebook.com/bar.Freundschaft


Neue Restaurants LOKALTERMIN

Markenzeichen N.Y.-Basecap: Küchenchef Meir Adoni.

nuovo nuevo yeni Branchenkenner prophezeiten bereits vor

übergab, später folgten die viel gelobten

einigen Jahren die Eroberung der westli­

Restaurants Blue Sky und Lumina und in

chen Restaurantwelt durch die Küche der

New York das Nur.

Levante – also aus Israel, Syrien, ­Jordanien und dem Libanon. Sie lagen richtig.

Seine Art zu kochen, beschreibt er so: „For me, I have no rules, no limits. I don´t

Vor allem sind es junge israelische Kö­

cook inside a box, I´m creating the box and

che, die derzeit die levantinische Küche

I´m really proud of what we are doing here.“

auch hierzulande populär machen. „Das

Sätze, die sicher keine Übersetzung nötig

än­dert nichts an der Tatsache, dass deren

haben.

Fundamente arabisch sind, das Hebräische

Seine „Küche ohne Regeln und Schran­

ist die Offenheit und das Liberale, der un­

ken“ hat Adoni nun auch nach Berlin ge­

orthodoxe, kreative und eklektische Zu­

bracht. Im Crown Plaza Hotel am Anhalter

gang zur Kulinarik“, bemerkt in diesem Zu­

Bahnhof eröffnete er das Restaurant Layla.

sammenhang die Wiener Trendforscherin Hanni Rützler in ihrem Food Report 2018.

Die ersten Kommentare fallen ­euphorisch aus: unfassbar gutes Essen, tolles, zurück­

Meir Adoni, 45, geboren im südisraeli­

haltendes Design, sagenhaft entspannte At­

schen Eilat, ein Mann mit marokkanischen

mosphäre. Und – Chef Meir Adoni steht tat­

Wurzeln, gehört zu diesen Köchen. Er lernte

sächlich selbst am Herd!

in Sydney und bei Lenôtre in Paris, stand bei Superstar Grant Achaz in dessen Chica­

LAYLA BY MEIR ADONI

goer 3-­S terne-Restaurant Alinea am Herd und bei Meister René Redzepi im Kopenha­ gener Noma. Im Jahr 2002 eröffnete er in Tel Aviv das Catit, das er inzwischen einem Nachfolger

Hallesche Straße 10 10963 Berlin-Kreuzberg Tel. 0151 — 22 56 36 54 www.layla-restaurant.com

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GESCHMACKSSACHEN Eierlikör

GO FOR GOOD Pop Up nannten die Organisatoren der Berliner Gale­

von drei jungen Männern war allabendlich dicht umlagert. Christo­

ries Lafayette ihren von Anfang September bis Mitte Oktober 2018

pher Leidinger, Philipp Nagel und Sebastian Tigges sind Anfang 30,

geöffneten Showroom an der Friedrichstraße. GO FOR GOOD bot

ziemlich cool und ziemlich smart. Wir vermuteten also erstmal dar­

jungen – wie es im Branchenjargon heißt – Fair Fashion Designern,

in den Grund für den Andrang des meist jüngeren und überwiegend

also Modemachern, die vor allem auf Nachhaltigkeit im Material­

weiblichen Publikums – weniger in der Offerte des Trios.

einsatz und der Produktionsweise zielen, eine Plattform. Das kam an und davon profitierten andere kleine Unternehmun­

Leidinger, Nagel und Tigges servierten Eierlikör. Ausgerechnet Eierlikör. Wenn es um trendige Spirituosen geht, kann der dickflüs­

gen – etwa die Kerzenmacher von Garden State Candles oder die

sige Eigelb-Zucker-Alkohol-Mix mit dem erheblichen Hüftgold-Fak­

Babykostproduzenten von Löwenzahn Organics. Auch der Stand

tor nicht erste Wahl sein – dachten wir. Und hatten uns wohl geirrt.

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Eierlikör GESCHMACKSSACHEN

Eieieieiei EIN OMALIKÖR KEHRT ZURÜCK VON TABATA THIEL

Mettigel und Mosaikbrot, Tomaten mit Mayotupfen und Hawaiitoast

feiert – glaubt man den Rezeptsammlungen des Internets und di­

mit Dosenananas gelten als die wichtigsten kulinarischen Symbole

versen Branchenkennern – derzeit ein Revival. Knapp 20 Millionen

der Fresswelle der Wirtschaftswunderzeit. Auch ein kuchenähnli­

Flaschen bringt der deutsche Lebensmitteleinzelhandel jährlich an

ches Gebilde namens Kalter Hund gehört dazu und natürlich der

Frau und Mann – vom Billigfusel für 3,99 Euro bis zur manufak­

Eierlikör, der zudem die Basis für einige der erschütterndsten Re­

turellen 40-Euro-Edelkreation. Und natürlich gibt es auch schon

zepte der Cocktail-Geschichte bildete – kombiniert mit Orangen­

Eierlikör ohne Ei. Der vegane „Veierlikör“ besteht aus Soja-Vanille-

saft als „Blonder Engel“, mit Orangenbrause als „Kalter Busen“

Joghurt und Rum, riecht wie Komposthaufen im Hochsommer und

oder mit Rotwein als „Blutgeschwür“. Die meisten dieser klebrigen

schmeckt auch so. Also, sage ich, wenn schon Eierlikör, dann was

Exzesse sind Geschichte, der Eierlikör allerdings hat überlebt und

Richtiges. Rübbelberg Premium aus Berlin zum Beispiel.

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GESCHMACKSSACHEN Eierlikör

Omas Lieblinge: Sebastian Tigges, Philipp Nagel, Christopher Leidinger, v.li.

Und damit wären wir wieder bei Christopher Leidinger, Philipp Na­

schmacklich gut ausbalanciert, weist eine erwachsene Süße auf

gel und Sebastian Tigges. Die drei Rheinländer Jungs – Leidinger,

und fließt trotz der feinen Cremigkeit fröhlich aus der Flasche. Zu­

diplomierter Volkswirt und Tigges, Jurist, stammen aus Düssel­

cker verwenden Leidinger, Nagel und Tigges äußerst sparsam, auf

dorf; Nagel, der ebenfalls Jura studiert hat, kommt aus Krefeld –

Sahne verzichten sie völlig. Auch der Ersatz der sündhaft teuren

starteten ihren unternehmerischen „Take-off“ 2017 in Berlin.

Vanilleschoten durch die preiswerteren, nach Vanille und Bitter­

Monatelang tüftelten die Gründer an der perfekten Eierlikör-

mandel schmeckenden Tonkabohnen, lehnen sie ab. „Wo Premium

Rezeptur. Was dann aus Bio-Eiern, reichlich Madagaskar-Vanille

draufsteht, sollte auch Premium drin sein“, so Philipp Nagel, „und

(das Kilo kostet im Einkauf derzeit um die 600 Euro!), Limette und

höchste Qualität erreicht man eben nur mit besten Zutaten.“

einem ordentlichen Korn aus Schleswig-Holstein entstand, ist ge­

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GESCHMACKSSACHEN Avocado

Die Avocado SUPERFOOD MIT SCHATTENSEITEN VON JÖRG TEUSCHER Als Georgia O´Keeffe (1887-1986), eine der bedeutendsten ameri­

ne Community „a new kind of superfood“. Selbst seriöse britische

kanischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, 1923 ihr Alligator-

Zeitungen berichteten auf ihren Genussseiten über „Avolato“, den

Pears-Bild schuf, galt die Avocado noch als „obscure delicacy“, als

aktuellen Sommer-Snack von Selfridges für trendige Londoner.

unbekannte Exotin. Für fast alle Kochbücher dieser Zeit war sie

Dabei handelt es sich um Avocado-Eis – Avo(cado) + (ge)lato –

kein Thema, lediglich einige Rohkostveröffentlichungen erwähn­

serviert in einer Avocado-Schale mit einem Kern aus Erdnussbutter

ten Mitte der 1930er die Avocado als Butter- oder Alligatorbirne

und Leinsamen-Eis. Damit konnten die Briten zwar ein paar Punk­

(wegen ihrer grünen, ledrigen Haut), ohne allerdings auf die Rie­

te sammeln, aber der Aufstieg Deutschlands zur Avocado-Nation

senbeere aus der Familie der Lorbeergewächse näher einzugehen.

Nummer eins war mit Avolato natürlich nicht aufzuhalten.

Das wäre heute nicht mehr vorstellbar. Die Avocado hat in den

So meldete das Statistische Bundesamt ebenfalls während der

letzten Jahren einen Siegeszug sondersgleichen angetreten, der

Sommermonate einen Avocado-Absatz-Anstieg in Deutschland um

2018 sicher einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. So erklärte die

satte 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2017 stehen damit

World Avocado Organization den Juni kurzerhand zum Avocado-

69 Millionen Kilo auf der Konsumenten-Uhr – und es müsste mit

Monat, initiierte Presseaussendungen und Verbraucherinfor­

dem Teufel zugehen, wenn wir in diesem Jahr die 70-Millionen-Kilo-

mationen und editierte sogar ein e-Kochbuch ausschließlich mit

Schallmauer nicht knacken.

Avocadogerichten. In München feierte ein Luxushotel eine „AvoYo­

Da liegt die Frage auf der Hand, wieso es ausgerechnet eine etwa

ga-Party“ und in London bejubelte nicht nur die vegetarisch-vega­

400 Gramm schwere Beere so weit bringen konnte? Die schlichte

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Avocado GESCHMACKSSACHEN

Antwort: Avocados sind gesund und machen schön. Dank ihres

Das Gros der Flächen liegt im Bundesstaat Michoacán im Westen

milden, nussigen Aromas und ihres zarten, cremigen Fruchtflei­

des Landes. Dort wiederum konzentriert sich der Anbau in der Me­

sches eignen sie sich für Salate, als Brotaufstrich oder für Crèmes

seta Purépecha, einer weitläufigen Hochebene. Monokulturen, so

und Desserts. Ihre buttrige Konsistenz sorgt geschmacklich für

weit das Auge reicht, die jährlich Millionen Hektoliter Wasser benö­

höchsten Genuss und ein angenehmes Sättigungsgefühl.

tigen. 1.000 Liter, so eine Faustregel, sind nötig, um ein Kilogramm

Hinzu kommen die Inhaltsstoffe: Avocados sind reich an un­

Avocados zu produzieren, rund drei Stück also.

gesättigten Fettsäuren, die den Cholesterinspiegel senken sowie

Eine Studie der Universität Twente in den Niederlanden kam so­

Herz und Gefäße schützen können, und der hohe Anteil an B-Vita­

gar auf 2.000 Liter. Tomaten übrigens, auch eine durstige Kultur,

minen, Kalium und Magnesium tut ein Übriges. Man kann sich das

brauchen nicht einmal ein Fünftel davon.

pürierte Fruchtfleisch sogar als Peeling ins Gesicht schmieren und

Doch mit dem Wasser ist es nicht getan. Um die Erträge der gro­

das Avocadoöl schließlich, das aus dem Fruchtfleisch gepresst

ßen Bäume mit den dicken, lorbeerartigen Blättern stabil zu hal­

wird, macht trockene und schuppige Haut wieder geschmeidig.

ten – vier Mal im Jahr kann geerntet werden – müssen Mineraldün­

Wow – die Wunderfrucht, die sich perfekt als Lifestyle-Lebens­

ger und Pestizide ausgebracht werden, die den Boden versalzen

mittel vermarkten lässt. Und wenn dann noch Superpromis wie

und das Grundwasser verseuchen. „Was wir hier als gesund essen,

Mariah Carey und Gwyneth Paltrow eine Lanze für das Superfood

ist andernorts also ungesund für alle“, kommentieren die Kritiker

brechen – Letztere gleich mit drei Avocadotoast-Rezepten in ihrem

des extensiven Avocadoanbaus dessen dramatische Folgen für die

Kochbuch „It´s all easy“ – dann scheint ja alles im grünen Bereich.

Umwelt – nicht nur in Mexiko, sondern auch in anderen Erzeuger­

Doch, wie so häufig, der Schein trügt. Bereits vor zwei Jahren

ländern.

brachte die taz das Problem auf eine kurze Formel. „Grün, beliebt,

Wer also eine Ökobilanz der geschmacksstarken und gesunden

zerstörerisch“ überschrieb das Blatt eine Reportage aus Mexiko

Exotin aufmacht, dem Wasserverbrauch in den Anbauregionen den

über die verheerenden Folgen des Avocadobooms.

Energiebedarf für den Transport über tausende Kilometer, die not­

„Die seit Jahren steigende Nachfrage“, heißt es da, „hat dazu

wendige Kühlkette und die speziellen Reifekammern hinzurechnet,

geführt, dass die Anbauflächen in Mexiko zwischen 2000 und 2010

kommt rasch auf ein verheerendes Resultat. Da ist jede Rübe um­

von 95.000 Hektar auf rund 134.000 Hektar erweitert wurden.“

weltverträglicher.

Jaime Navia Antezana von der Umweltorganisation Gira rechne­

Und nun? Kein Nahrungsmittel bringt nur Gutes oder Schlechtes.

te bereits damals, dass pro Jahr rund 2.000 Hektar Wald gerodet

Es gibt immer ein Für und Wieder. Also weder den Hype befördern

werden, um Platz für Avocado-Felder zu schaffen – das heißt, dass

noch irgendeine Hysterie schüren, sondern einfach nur vernünftig

derzeit in Mexiko auf 150.000 Hektar Avocados angebaut werden.

konsumieren.

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GESCHMACKSSACHEN Avocado

Die begann vor knapp 30 Jahren. „Im Herbst

wenn man sie zerschneidet, um sie

1989“, erzählt sie im Vorwort des Buches,

zu essen, ist sie gelb, und ihr Inneres

„beschloss ich – endlich befreit von den

ist wie Butter und hinterlässt einen so

schulischen Fesseln – die Welt zu erobern

guten und zarten Geschmack, dass

und damit in Madrid zu beginnen.“

es eine Freude ist.“

Sie wurde Au-pair-Mädchen und lernte in

Die Avocado-Historie montiert die

ihrer spanischen Gastfamilie die Avocado

Autorin mit einer Prise Botanik und et­

kennen. „Meine Gastmutter Teresa begeis­

was Ökotrophologie, würzt kräftig mit

terte mich mit einem denkbar einfachen

Etymologie und kombiniert das Ganze

Rezept: Sie schnitt die Avocado in Hälften

mit einer Beilage aus aktueller Pro-

und füllte in die kleine Mulde Olivenöl, Zi­

und-contra-Avocado-Diskussion.

trone, Salz und Pfeffer... Der Kontakt zur

Ihr Fazit: „Die Avocado ist weder

Gastfamilie verlief sich leider mit den Jah­

Heilsbringerin noch das personifizier­

ren. Die Liebe zur Avocado erwies sich als

te Böse. Natürlich sollte man aus öko­

tragfähig.“ Kathrin Wohlmuth-Konrad stu­

logischen Gründen auf keinen Fall täg­

dierte in ihrer Geburtsstadt Wien Romanis­

lich zwei Avocados essen – aber man kann die Frucht genießen und als das

Das beste Buch zum Thema „Avo­

betrachten, was sie ist: etwas Beson­

cado“ ist keine bilderbuchbunte Re­

deres.“ Die in das Buch aufgenomme­

zept­sammlung, sondern ein ziemlich

nen 25 Rezepte geben dafür jede Men­

schlichtes Bändchen, grün-gold und

ge Anregungen. Unser klarer Favorit:

nur mit Schrift und einer Federzeich­

Ge­röstete Blutwurst mit Avocado.

nung drauf. Es ist nicht dick und nicht

Avocado

teuer (12 Euro) und sieht so aus, wie

mandelbaums kleine gourmandisen

Bücher früher aussehen durften, als die

mandelbaum Verlag

Menschen noch gerne welche kauften.

Wien 2017 ISBN 978-3-85476-531-8

Erschienen ist „Avocado“ bei man­ delbaum, einem 1996 in Wien von

www.mandelbaum.at

Michael Baiculescu gegründeten Ver­

Preis 12 Euro

lag, der vor drei Jahren seine Reihe „kleine gourmandisen“ startete und inzwischen 22 Titel editierte – „Avo­ cado“ ist die Nummer 11. Respekt!

Kathrin Wohlmuth-Konrad.

Geschrieben wurde der Band von

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Kathrin Wohlmuth-Konrad, hauptberuf­

tik/Spanisch, Publizistik und Kommunika­

lich für die Öffentlichkeitsarbeit des

tionswissenschaft, schrieb in Argentinien

Verlages zuständig. Ihr Stil allerdings

ihre Diplomarbeit, bereiste weitere Länder

klingt kein bisschen so, wie man es

Mittel- und Südamerikas und avancierte so

von einer PR-Frau erwarten würde,

peu à peu von der Avocado-Liebhaberin zur

ganz im Gegenteil.

Avocado-Kennerin.

Sie schreibt einfach, verständlich,

Ihrem Buch entnehmen wir zum Beispiel

normal – wie übrigens auch die an­

die bisher nicht publizierte Tatsache, dass

deren Autoren der „kleinen gourman­

der spanische Geograf, Kartograf und Na­

disen“. Und man merkt jedem ihrer

vigator Martín Fernández de Enciso (1470-

kurzen Kapitel an, dass sie eine beson­

1528) als erster Europäer über die Avocado

dere Beziehung zu dieser Frucht hat.

berichtete: „Sie ähnelt einer Orange, und

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GESCHMACKSSACHEN Paolo Parisis Hühnereier

Uovo Assoluto ZU GAST IN PAOLO PARISIS HÜHNERPARADIES VON JÖRG TEUSCHER

Welcher Formenreichtum schon beim Rührei! Rührei mit Butter und Rührei mit Bratensauce, Rührei mit Speck und Rührei mit Blumenkohl, Rührei mit Trüffeln, Rührei mit Sardellen, mit Schinken, mit Schnittlauch, mit Käse, mit Spargel. Dazu die Geschwader der Eierkuchen (…) die Eiermehlspeisen, die E ­ ierbackwerke und die Eiercrèmes, endlich noch die Spezialitäten, die Schöneberger Soleier, das Berliner Knickebein (...) kurz und gut, das Ei ist zu allem fähig, es ist eine der Säulen der Küche, bei deren Wegnahme die Kunst elend zusammenbrechen würde, es ist unentbehrlich wie das Salz und wie dieses überall gesucht... Österreichisches Appetitlexikon, Wien 1899

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Paolo Parisis Hühnereier GESCHMACKSSACHEN

Die meisten Schlagzeilen machte – wenn es um Hühnereier ging –

Geht man der Sache auf den Grund, entdeckt man, dass es bei den

im zurückliegenden Jahr – Italien. Keine Ahnung, warum. Eier­

vielen Berichten nie um italienische Eier im Allgemeinen geht, son­

speisen rangieren in Bella Italia nur unter ferner liefen, lediglich

dern immer um die Eier vom Hof eines Mannes.

die zuckerfreien Crespelle, dünne Pfannkuchen, die mit Spinat und

Sein Name: Paolo Parisi, Hühnerzüchter, Eierhändler, Koch und

Ricotta gefüllt werden, haben eine gewisse Tradition. Kein Wun­

inzwischen eine kleine kulinarische Berühmtheit. Italienische Spit­

der also, dass das Land, betrachtet man den jährlichen Eier-Pro-

zenköche reißen sich ebenso um die Eier und zahlen Höchstpreise

Kopf-Konsum, mit 233 Stück auf einem mickrigen siebten Platz in

bis zu vier Euro pro Stück wie eine Reihe ihrer Kollegen aus Ös­

Europa liegt – abgeschlagen hinter Spitzenreiter Spanien (304),

terreich und Frankreich. Wieder so ein Hype, geschürt durch ge­

Tschechien und Dänemark (je 260). Und selbst Deutschland steht

schicktes Marketing?, fragten wir uns.

mit einem statistischen Durchschnittswert von 246 Stück pro Kopf und Jahr immer noch besser da.

Um eine Antwort zu finden, fuhren wir nach Usigliano di Lari. Nordwestliche Toskana, Pisa – Pontedera – Ponsacco – Ripoli –

An der Verzehrmenge also kann es nicht liegen, das mit den

Cèvoli – Lari, gut 50 Kilometer, eigentlich keine Hürde, eigentlich.

Schlagzeilen. Woran dann? An der Qualität? Italiener, die häufig

Das Dorf fanden wir schnell, das Anwesen von Paolo Parisi jedoch

nach Deutschland kommen und deshalb vergleichen können, zu­

blieb erstmal unauffindbar. Erst einheimische Hilfe führte uns zu

cken mit den Schultern. „Non minima idea“, keine Ahnung. Unter­

einem Feldweg. Die Via delle Macchie, an deren Ende, mitten im

schiede, finden sie, gäbe es da keine.

Wald, die Azienda des berühmten Eiermannes.

Paolo Parisi und seine Frau Manuela.

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GESCHMACKSSACHEN Paolo Parisis Hühnereier

Meine agrarische Karriere begann e­igentlich mit ein paar Schweinen einer alten Rasse, die Hühner kamen erst später. Kennen Sie das Maiale di Cinta Senese? Es ist, ähnlich wie das französische Bigorre, das ungarische Mangalitza oder bei Ihnen das Bunte Bentheimer, sehr robust, genügsam, effizient, aber auch langsamer im Wachstum, und es hat mehr Fett als die schneller wachsenden Industrieschweine. Deshalb galt die Cinta-Senese-Rasse irgendwann als unwirtschaftlich und ihr drohte das Aussterben. Ich habe mit meiner Arbeit dazu beigetragen, die Rasse wiederzubeleben. Heute gibt es kaum ein Spitzenrestaurant in Italien, das in seinem Angebot auf Fleisch vom Cinta Senese verzichtet. Paolo Parisi, Hühnerzüchter, Koch und Eierhändler

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Paolo Parisis Hühnereier GESCHMACKSSACHEN

Die Begrüßung ist, positiv formuliert, verhalten sachlich. Paolo Pa­

war Arzt, er folgte dessen Wunsch und begann ein Medizinstudi­

risi, nach vielen Interviews ganz und gar Medienprofi, hat so seine

um. Abbruch kurz vor dem Physikum, Arbeit als Staubsaugerver­

Erfahrungen gemacht. „Da kommen sie mit dem Ferrari und inter­

käufer, später als Vertreter für medizinische Geräte.

essieren sich nur dafür, warum meine Eier so teuer sind.“ Und, was haben Sie geantwortet? „Weil sie so gut sind.“ Immerhin, er bittet uns ins Haus, das ist in der Toskana nicht

„Ich habe gut verdient, aber es war ein Job ohne wirkliche Erfül­ lung“, erzählt er. Parisi beschloss, aufs Land zu gehen. „Erstmal war es eine gute Entscheidung, weil die Natur die Leere in mir ge­

eben üblich. Parisis Küche hat palastartige Dimensionen und ist

füllt hat.“ Er übernahm Le Macchie – Haus, Hof und 13 Hektar Land –

fürstlich ausgestattet: Konvektomat, Holdomat, Thermomix, Paco­

sanierte das Anwesen, hielt Schafe und Ziegen, baute Oliven an,

jet. „Ich bin jetzt häufiger als Caterer unterwegs, das Agriturismo-

organisierte Kutschfahrten und lebte dennoch nah am Boden. Er

Geschäft (die italienische Variante des Urlaubs auf dem Bauernhof,

zitiert den trotzigen Satz von Ernest Hemingway: „Ein Mann kann

d.A.) habe ich aufgegeben, man wird ja nicht jünger.“

zerstört werden, aber nicht besiegt.“

Als wir ihn nach seinem Alter fragen, verrät sein Blick erstmal

Parisi entdeckte das Cinta Senese-Schwein oder was von der

nichts und lässt daher alles befürchten. „Einundsechzig“, sagt er

Traditionsrasse noch übrig war. Ein Glücksfall – für ihn und die

nach kurzer Pause. Wir spielen Staunen. „Das sieht man Ihnen aber

Schweine und der Beginn einer unglaublichen Erfolgsgeschichte.

nicht an.“ Jetzt ist das Eis gebrochen. Typisch italienisch. Paolo

2008 dann kam er auf das Huhn. Köche in Italien und Frankreich

Parisi wurde in Massa geboren und wuchs in Genua auf. Sein Vater

hatten ihn auf die Idee gebracht. „Es war ein Experiment“, sagt er.

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GESCHMACKSSACHEN Paolo Parisis Hühnereier

Ich mag Ziegen und ich mag Hühner. Hühner besonders. Unsere sind glücklich. Sie picken überall und scharren richtige Höhlen in den Sand. Sie kriegen aber auch Futter, das zeige ich Ihnen. Später will ich vielleicht auch mal Hühnerzüchter werden und so berühmt wie mein Papa. Brando Parisi, 10 Jahre, jüngster Sohn von Paolo Parisi

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Paolo Parisis Hühnereier GESCHMACKSSACHEN

Filippo, Paolo Parisis ältester Sohn.

Eigentlich sollte uns Parisis ältester Sohn Filippo zum Hühnerpara­

ter zum Thema Tierwohl, diesem schwammigen Begriff, der für vie­

dies führen, aber der 30-Jährige hat zu tun. Also übernimmt Nest­

le Züchter einfach nur ein lästiger Kostenfaktor ist.

häkchen Brando die Aufgabe und erledigt sie gründlich und nicht

Trotz des großen Auslaufs und der Möglichkeit, sich mit In­

ohne Stolz. Zuerst kommen die Schafe, dann die Ziegen, bei der

sekten, Würmern und Schnecken zu versorgen, liefert die Haupt­

Frage, ob wir auch die Pferde sehen möchten, lehnen wir dankend

nahrung natürlich der Züchter. Parisi gönnt seinen Hennen eine

ab, das Areal ist doch ziemlich weitläufig.

Mischung aus Getreideschrot und Ziegenmilch. „Die Proteine im

Das Hühnerparadies benötigt den Plural, es gibt mehrere Para­ diese. Fußballfeldgroße Sandgruben, die Hänge mit Büschen be­

Futter verändern das Ei geschmacklich“, doziert er, „der Dotter wird weicher, zarter und bekommt ein feines, nussiges Aroma.“

wachsen, in der Mitte des Grundes einige Schattenbäume und ein

Hinzu kommt, dass seine „Galline Livornesi“ keinen Legestress

offener Stall. Nichts von der quälenden Enge der Massentierhal­

haben – üblich sind bei Parisi 100 bis 150 Eier pro Jahr. Die Hühner –

tung, nichts von Turbohennen, die auf Höchstleistung getrimmt sind

hierzulande als Leghorn bekannt – stammen übrigens ursprüng­

und wenigstens 300 Eier im Jahr legen müssen. Hier ist noch Platz

lich aus Italien, wurden Anfang des 19. Jahrhunderts in den USA

für ein beschauliches Hühnerleben. „Ich wollt` ich wär ein Huhn...“,

weiter gezüchtet und kamen dann zurück nach Europa.

die Comedian Harmonists lassen grüßen. „Die Tiere müssen sich wohlfühlen und die Möglichkeit haben, ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben“, sagt uns Parisi spä­

„Zum Futter“, fährt Parisi fort, „kommt die Fürsorge, auch ein Faktor, der in der Intensivhaltung keine Rolle spielt.“ Und dann wid­ met er sich dem letzten Punkt seines Vortrages, der Zubereitung.

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GESCHMACKSSACHEN Paolo Parisis Hühnereier

Mal schnell ein paar Spiegeleier in die Pfanne hauen, mein Gott, wie das schon klingt, wie Dosensuppe und Mikrowelle. Ich finde, wir sollten dem Ei einen größeren Respekt erweisen, auch beim Kochen. Haben Sie Lust auf ein perfektes Spiegelei? Es dauert allerdings ein bisschen. Gut Ding will Weile haben, so heißt es doch bei Ihnen in Deutschland, oder? Paolo Parisi, Hühnerzüchter, Koch und Eierhändler

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Paolo Parisis Hühnereier GESCHMACKSSACHEN

Der französische Spitzenkoch Fernand Point (1879-1955) wird zum

erklärt er, „nur grober schwarzer Pfeffer aus der Mühle.“ Endlich

Thema Spiegelei häufig mit der Forderung zitiert: „Man gebe mir

stellt er die Pfanne auf die dicke hölzerne Platte seines Küchenti­

viel Zeit und viel Butter!“ Parisi hält es da wie Point, außer, dass er

sches, genau 16 Minuten sind vergangen, seit er sie auf den Herd

anstelle der Butter Olivenöl und Parmesan verwendet.

bugsierte. Er serviert selbstgebackenes Brot, öffnet eine Flasche

Die Aktion „Perfektes Spiegelei“ beginnt damit, dass Paolo Pa­

seines Hausweins und lächelt.

risi eine eiserne Pfanne auf seinen Herd stellt. Während das Eisen

„Uovo assoluto“, sagt er dann, „prego, das perfekte Ei.“ „Gra­

heiß wird, schlägt er Eier auf, trennt Eiweiß und Eigelb. Dann gießt

cie mille, Paolo“, antworten wir brav. Tatsächlich, das Ergebnis

er Olivenöl in die Pfanne, nicht zu knapp, und betont, dass das ge­

schmeckt göttlich. Was das auf italienisch heißt, wissen wir aller­

wünschte Geschmackserlebnis nur mit bestem toskanischen Extra

dings nicht. Also bleibt es bei einem schlichten „benissimo“.

Vergine erreicht wird, einem „olio eccelente“, wie er es nennt. Nun kommt des Eiweiß in das rund 80 Grad warme Öl. Während

LE MACCHIE

es langsam fest wird, streut Parisi geriebenen Parmesan darüber und zwar soviel, dass der Käse das inzwischen gestockte Eiweiß vollständig bedeckt. Sobald der Parmesan zu schmelzen beginnt, nimmt Parisi die Pfanne vom Feuer und läßt langsam die Eidotter auf die Eiweiß-Olivenöl-Parmesan-Mischung gleiten. „Kein Salz“,

Via delle Macchie 1/2 56035 Usigliano di Lari — Pisa Tel. +39 (0)587 — 68 53 27 www.paoloparisi.it

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GESCHMACKSSACHEN Piment d'Espelette

Anaïs Causse, 39, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an der Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften, merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr Ding ist. Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und einer möglichen akademischen Laufbahn, heuerte bei FeinkostLindner an und absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie. 2003 stieg sie in das Feinkostgeschäfts ihres Vaters ein. 2014 folgte ihre jüngere Schwester Noémie und übernahm den Onlineshop, aus „Maître Philippe“ wurde „Maître Philippe & Filles“ – ein Spezialitätenhandel, der beste Beziehungen vor allem nach Frankreich pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den ersten Adressen der Branche in Berlin zählt. Für Garcon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten Spezereien und deren Produzenten.

PIMENT D'ESPELETTE, S´IL VOUS PLAÎT VON ANAÏS CAUSSE Ich liebe Piment d´Espelette. Diese zarte, fruchtige, nuancenreiche Schärfe, die Zunge und Herz wärmt! Diese feinen Grillaromen! Und diese Farbe, die jedem optisch noch so langweiligen Gericht einen extravaganten Tupfer verleiht! Natürlich kannte ich Piment d´Espelette schon länger, aber wirk­ lich Feuer fing ich erst vor zehn Jahren während einer Reise in den baskischen Teil Südwest-Frankreichs. Ich erinnere mich als sei es gestern gewesen – ich fuhr mit dem Auto von Saint-Jean-de-Luz an der Atlantikküste in Richtung der Pyrenäen. Je näher ich den Ber­ gen kam, desto höher und mächtiger wurden sie. Eine tolle, wilde Landschaft, die zu entdecken sich wirklich lohnt. Espelette, der Ort, der dem Piment d´Espelette („Chili aus Espe­ lette“) seinen Namen gab, liegt im Nive-Tal, im Pyrenäen-Vorland. Ein traditionelles baskisches Bergdorf in der historischen Region Labourd. Das Dorfbild ist geprägt von meist mehrstöckigen Fach­ werkhäusern, deren wichtigste Besonderheit ihre blutroten Balken sind. Die Farbe heißt Cœur de bœuf, das bedeutet „Ochsenherz“ – und tatsächlich wurde in der Vergangenheit das Holz mit frischem Ochsenblut gestrichen und so vor Schädlingen geschützt.

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Piment d'Espelette GESCHMACKSSACHEN

Bon courage! – Nur Mut!

Zwischen August und November regiert allerdings ein anderes Rot

begehrt, dass vielerorts Fälschungen am Markt sind. Deshalb soll­

in Espelette und weiteren Dörfern des französischen Baskenlan­

ten Sie beim Kauf auf das AOC-Schutzsiegel achten, das für eine

des – das Rot der Chilischoten, die wegen der besonderen klimati­

kontrollierte Herkunftsbezeichnung steht (Appellation d´Origine

schen Bedingungen in der Gegend bestens gedeihen und in diesen

Controlée). Weil die würzige Rarität nicht unbegrenzt verfügbar ist,

Monaten per Hand geerntet und auf lange Schnüre gefädelt wer­

müssen wir Händler gut planen, unseren Jahresbedarf vorab ein­

den. So trocknen sie dann unter den Vordächern der Häuser sanft

schätzen und die entsprechende Menge in Espelette reservieren.

in einem föhnigen Wind, der im Herbst hier tags wie nachts mit gleicher Stärke weht.

MAÎTRE PHILIPPE ET FILLES

Nach ungefähr drei bis vier Wochen luftiger Trocknung ist aus dem leuchtenden Zinnoberrot der Schoten ein dunkleres Rostrot geworden – Kennzeichen dafür, dass die Chilis vermahlen und so zu dem weltweit geschätzten Piment d´Espelette verarbeitet werden können. Das an- und aufregende rote Pulver ist dermaßen

Herbstbesuch in Espelette im Département Pyrénées-Atlantiques.

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Unter den Vordächern jedes Hauses trocknen die Chilischoten.

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GESCHMACKSSACHEN Kostproben

KOST­PROBEN Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte Fertiglebensmittel, plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme Industrieware. Nicht nur, aber größtenteils. Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwerker, kenntnis­ reiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit ihrem Gegenentwurf zur Mas­senware der Lebensmittelindustrie be­­setzt: manufakturell hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der Schlachtfabrik kommen; handgefertigte Schokoladen, haus­­gemachte Liköre, Konser­ ven ohne E-Zusätze, vieles in Bioqualität. Das meiste ist teurer als Supermarktware glei­ chen Namens, aber eben auch gesünder, natürlicher und geschmackvoller. Sechs Kostproben dessen, was wir in den vergangenen Wo­chen entdeckten, probierten und als kulinarisch bemerkenswert empfanden, servieren wir Ihnen auf der folgenden Seite. GUTEN APPETIT!

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Kostproben GESCHMACKSSACHEN

Irizake ist eine traditionelle japanische Würzsau­ ce, deren wichtigste Bestandteile getrocknete Bonitoflocken, Salzpflaumenessig, Sake, Tamarin­ de und Wasser sind. Während der ­sogenannten Edo-Zeit (1603-1868) war sie eins der wichtigsten Würzmittel in Japans Küchen, wurde dann aber sukzessive von der Soya-Sauce abgelöst. Neu­ erdings kommt Irizake – vor allem, weil es we­ niger Natrium enthält als Soya-Sauce – wieder in Mode: vor allem zum Würzen von Fisch, Tofu und – mit Olivenöl – als beliebtes Salatdressing.

Bei diesem Bio-Fruchtaufstrich aus der Berliner Fruleé-Manufaktur von Marat Nugmanov wird die elegante Maracuja mit vollreifen Datteln und ei­ nem Schuss Zitronensaft vermählt. Das ­Ergebnis ist ein Geschmackserlebnis erster Güte, eine De­ likatesse etwa zu feinem Käse, Obstsalaten, Va­ nilleeis oder pur auf dem Butterbrötchen. Und das Ganze kommt ohne jeglichen Zuckerzusatz oder andere Zusatzmittel aus und wird auch nicht ge­ kocht. Der Vorteil: alle Vitalstoffe bleiben voll­ ständig erhalten.

Das alkoholfreie Getränk ist süffig, schmeckt fruchtig-frisch, leicht malzig, und hat eine ange­ nehme Säure. Entwickelt wurde es von Philipp Behr und Yannik Zimmer sowie den drei Mitarbei­ tern ihres in diesem Jahr gegründeten Start-ups nach einer Originalrezeptur aus dem Jahr 1908. Damals hieß das Getränk aus Wasser, Kräuter- und Malzextrakten sowie Fruchtsaftkonzentraten Fass­ brause, heute trägt die Kreation, der seine Erfin­ der noch belebendes Koffein zusetzten, einen Na­ men, der zu Berlin passt: Kreuzbär.

Preis: 26,50 Euro / 300 ml Hanabira – Japanische Feinkost Colbestraße 5 10247 Berlin-Friedrichshain Tel. 030 – 57 79 12 22 auch online unter www.hanabira.eu

Preis: 5,00 Euro / 150g Fruleé Lehderstraße 5 13086 Berlin-Weißensee www.frulee.de u.a auf dem Samstagsmarkt am Kollwitzplatz

Preis: 0,99 – 1,29 Euro / 0,33 Liter Kreuzbär UG Bergmannstraße 17 10961 Berlin-Kreuzberg www.kreuzbaer.de u.a. bei Ick bin Berliner, Rathausstraße 19

Ein servierfertiges, hausgemachtes Goulasch, das seinen herzhaften Geschmack nicht dem üb­ lichen E-Cocktail verdankt, sondern dem feinfase­ rigen, zarten Fleisch des Deutschen Angusrindes. Die Weiderinder werden auf Gut Klepelshagen – Gutsherr ist die Deutsche Wildtier Stiftung – art­ gerecht gehalten und in der eigenen Bio-Fleischerei geschlachtet. Handarbeit, beste Zutaten, kleine Chargen und viel, viel Liebe zum Produkt lautet das Motto der engagierten Mannschaft. Das Ergebnis schmeckt tierisch gut.

Knabberchips sind in der Regel Hüftgold pur. Wer dennoch knuspern und das befreit von Selbst­ vorwürfen tun will – hier ist ein leichter Ausweg: Fruchtpapier. Der geschmacksstarke Ap­fel-Erd­ beer-Snack besteht aus einem feinen Fruchtpüree, das nicht frittiert, sondern getrocknet wird und deshalb fast so vitaminreich ist wie die frischen Früchte. Hersteller ist das Berliner Startup Dörr­ werk, das seine Kreationen übrigens aus Obst fertigt, das zwar kleine Mängel hat, aber zu gut für die Tonne ist. Chapeau!

Napusöl – das Etikett verspricht Besonderes. Der Flascheninhalt hält das Versprechen. Dieses kalt­ gepresste Öl riecht feinröstig, schmeckt mildnus­ sig und erweist sich beim Erhitzen als sehr ­s tabil. Es ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des Ster­ nekochs Max Strohe (Tulus Lotrek) und des Öl­ müllers Frank Besinger (Ölmühle an der Havel). Bei „Napus“ handelt es sich übrigens nicht um eine geheimnisvoll-exotische Ölfrucht, sondern um Brassica napus, den guten alten Raps, dessen Samen für dieses Öl sorgfältig geröstet werden.

Preis: 9,90 Euro / 350g Gourmet Manufaktur Gut Klepelshagen GmbH 17335 Strasburg (Uckermark) Klepelshagen 4 Online Bestellung: www.gourmet-manufaktur.de Telefonische Bestellung: 039753 – 258 84

Preis: 3,00 – 3,80 Euro / 40g Dörrwerk GmbH Im Marienpark 22 12107 Berlin-Mariendorf www.dörrwerk.de u.a. bei Manufactum, Hardenbergstraße 4-5

Preis: 6,90 Euro / 100 ml Ölmühle an der Havel Bergmannstraße 104 10961 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 50 56 71 15 www.oelgenuss.de

GARÇON

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KOPFSALAT Berliner Meisterköche 2018

Gefragter Gesprächspartner in der Kreuzberger Neuen Mampe Heimat: Dr. Stefan Elfenbein, Chef der 13-köpfigen Meisterköche-Jury.

Als Dr. Stefan Elfenbein am letzten Septemberdonnerstag ans Mi­ krofon trat, um die Berliner Meisterköche 2018 zu verkünden, gab's eigentlich keine Überraschungen. An Daniel Achilles, einziger Ber­ liner Zwei-Sterne-Koch ohne Meisterkoch-Titel, kam die Jury nach sieben Nominierungen nun nicht mehr vorbei. André Macionga, Servicechef und Sommelier im Restaurant Tim Raue, na klar, auch das Stammhaus des Großmeisters war nach dreijähriger Abstinenz wieder mal dran. Und Nobelhart & Schmutzig-Billy Wagner, Stamm­ gast auf allen Bühnen der Gastrowelt, keine Frage, wem sonst hätte der Titel Gastronomischer Innovator denn verliehen werden sollen? Angesichts solcher wortgewaltigen und weitgereisten („bin gerade aus Peru gelandet“) Siegertypen wirkte der Berliner Kiezmeister 2018 dann fast ein bisschen verloren. Dietmar Rogacki bedankte sich ar­ tig für die Ehrung und zog sich in eine Ecke der Mampe-Halle zurück. Dennoch: Eine der besten Jury-Ideen, diesen Titel zu vergeben und so den Blick für das „Genuss-Kulturgut Kiez“ zu schärfen.

Raus aus der Jury: Alexandra Kilian (Berliner Morgenpost, derzeit in London tätig) und Reiner Veit (rbb Inforadio, auf eigenen Wunsch). Neu in der Jury: Tina Hüttl, li., Kulinarik-Edelfeder der Berliner Zeitung.

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GARÇON


Berliner Meisterköche 2018 KOPFSALAT

Berliner Meisterkoch 2018: Daniel Achilles, Restaurant reinstoff.

Berliner Kiezmeister 2018: Dietmar Rogacki, ­Rogacki GmbH Co. KG, Delikatessen, Imbiss, Stadtküche.

Aufsteiger des Jahres 2018: Nicholas Hahn, li., Restaurant am ­S teinplatz, hier mit seinem Sommelier Nico Florian Böttcher.

Berliner Gastgeber 2018: André Macionga, Restaurant Tim Raue.

Gastronomischer Innovator 2018: Billy Wagner, Nobelhart & Schmutzig.

Berliner Szenerestaurant 2018: TISK Speisekneipe, ­Gastgeber Kristof ­Mulack und Küchenchef Martin Müller, v.re.

GARÇON

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KOPFSALAT Berliner Meisterköche 2018

Kristof Mulack und Martin Müller, v.li.

Zum TISK, dem Berliner Szenerestaurant 2018, gibt es noch einige

„Wir hatten die Idee einer Berliner Speisekneipe, er die dafür geeig­

Anmerkungen. Nicht über seine Gault&Millau-Premiere und auch

neten Räumlichkeiten, das passte, und so kamen wir zusammen“,

nicht über die Silberne Palme, einen Innovationspreis, der dem

erzählt Mulack. Sie gründeten eine GmbH, an der Roland Walter

TISK kürzlich für sein gastronomisches Konzept verliehen wurde.

und seine Frau Birgit 50 Prozent halten, Kristof Mulack und Martin

Nein, es geht um einen Mann, ohne den es die „Speisekneipe“, zumindest in dieser Form, nicht gäbe. Sein Name: Roland Walter. Sein Job: kulinarisch aufgeschlossener Investor.

Müller die anderen 50. „Das Stammkapital übernahm Roland Wal­ ter allerdings zu 100 Prozent“, so die Gastronomen. Weshalb wir diese Anmerkung machen? Weil das in Berlin häufig

Walter, in seinem ersten Leben Software-Unternehmer, hatte

angespannte Verhältnis Vermieter-Gastronom auch anders ausse­

das Neuköllner Mietshaus mit dem heutigen TISK-Domizil gekauft,

hen kann und weil das TISK-Team noch Einiges in der Pipeline hat...

saniert und geplant, aus den Räumen im Erdgeschoss ein Restau­ rant mit alltagstauglicher Wohlfühlatmosphäre zu machen. „Eins

TISK SPEISEKNEIPE

also, in das ich auch selber gehen würde.“ Auf der Berliner „Chef´s Night“, einem Gastronomen-Treff, stell­ te Walter sein Projekt vor und fand etliche Interessenten, von de­ nen Kristof Mulacks und Martin Müllers Konzept ihm am erfolgver­ sprechendsten erschien.

Neckarstraße 12 12053 Berlin-Neukölln Tel. 030 — 398 20 00 00 www.tisk-speisekneipe.de

Investor Roland Walter und seine Tochter Clara, Innenarchitektin und TISK-Designerin.

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GARÇON


Tamas Kovacs KOPFSALAT

Es muss nicht immer Moët sein TAMAS KOVACS UND SEIN STARTUP CHAMPAGNE THERAPY VON JÖRG TEUSCHER

Rund 13 Millionen Flaschen Champagner

dass diesem Champagner dann und wann

werden hierzulande Jahr für Jahr konsu­

Ausdruck, Charakter und Finesse fehlen.

miert, mal 100.000 mehr, mal 100.000 we­

Tamas Kovacs hat weder mit der Groß­

niger. Trotz dieser Schwankungen ist der

marke Moët & Chandon noch mit deren be­­

Markt stabil. Bestimmt wird er von w ­ enigen

kanntester Prestige-Cuvée Dom Pérignon

Platzhirschen, unter denen Moët & Chandon

etwas am Hut, und selbst die teure Reim­

der größte ist: rund 30 Millionen Flaschen

ser Exklusiv-Marke Krug, die jährlich nicht

jährlich, die weltweit vermarktet werden

mehr als 600.000 Flaschen produziert, lässt

und überall und immer wie Moët & ­Chandon

ihn kalt.

schmecken müssen: trocken, cremig, sanft. Mainstream eben.

Kovacs setzt auf so genannte WinzerChampagner, kleine Hersteller, ­sogenannte

Das ist übrigens nicht ganz so leicht hin­

RM´s (Récoltant-Manipulant), die auschließ­­­

zukriegen wie es klingt. Ein schlechter Jahr­

lich Weine aus eigener Lese ­verarbeiten –

gang zum Beispiel kann nicht mal einfach

im Gegensatz etwa zu den großen NM´s

so mit importierten ­Grundweinen ausge­

(Negociant-Manipulant), die Moste oder

glichen werden, sondern nur mit Wein aus

Grundweine zukaufen und dann die weite­

dem Vorjahr oder aus der Champagne-Re­

re Verarbeitung und den Vertrieb überneh­

gion zugekauften Vins de Réserve. Und das

men. Übrigens: Die bekannten Champag­

wiederum ist wohl auch ein Grund dafür,

nerhäuser sind alle NM's.

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KOPFSALAT Tamas Kovacs

Eine Champagner-Degustation in der Torbar in Berlin-Mitte. Bol­ linger, Roederer, Taittinger, Moët & Co. spielen hier keine Rolle. Gastgeber Tamas Kovacs füllt die Gläser stattdessen mit einer Grand Cru von Francine und Flore Dauby, 75 Prozent Pinot Noir, 25 Prozent Chardonnay. Die Tester konstatieren ein angenehmes Bouquet, das neugierig macht, reifes Obst, einen Hauch Vanille, eine feine Mousseux, die mundfüllend und harmonisch wirkt, einen schönen Abgang. „Ein anregender Aperitif und Speisenbegleiter zugleich“, so Matthias Martens. Der erfahrene Gastronom, der in­ zwischen als Gastronomieberater tätig ist, lobt zudem das PreisLeistungs-Verhältnis des charismatischen Getränks – die Flasche kostet bei Champagne Therapy 34,90 Euro. Ähnlich positiv äußert sich auch die Viniculture-Sommelière Alexandra Rehberger nach der Verkostung der Standard Bruts von Guy Charlemagne, Laurent Lequart, André Robert und François Secondé: Das sind keine Blub­ berbrausen, sondern Champagner, die nach Region schmecken.“

Tamas Kovacs, Gründer von Champagne Therapy.

Bergblick: Grand-Cru-Lagen in Aÿ, einem Dorf im Herzen der Champagne.

Importeur der Champagner, „die nach Region schmecken“, ist Ta­ mas Kovacs, ein 37-jähriger Ungar, der nach seinem Marketing- und Ökonomiestudium in Budapest 2013 nach Deutschland kam und im Telekom-Konzern Kommunikationsmanager wurde. Dem Champa­ gner allerdings verfiel er nicht im beschaulichen Bonn, sondern im prickelnden Paris, in das es ihn immer wieder zog. Und wie das so ist – wenn erstmal ein Funke glüht, ist das Feuer nicht fern. Kovacs reiste in die Gegend, die dem Champagner seinen Namen gab. Er lernte Winzer wie Francine Dauby und ihre Tochter Flore kennen, die in der Nähe des Städtchens Epernay auf acht Hektar Wein anbau­ en und daraus Champagner herstellen. Und er beschloss schließ­ lich, diesen und andere noch unentdeckte Champagner kleinerer Produzenten nach Deutschland zu importieren. Der Idee folgte die Tat. Vor einem Jahr ging Kovacs mit einer eigenen Firma und dem Projekt Champagne Therapy an den Start – Online-Shop inklusive. Champagner-Degustation in der Berliner Torbar.

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GARÇON

www.champagne-therapy.com


Tamas Kovacs KOPFSALAT

Ich trinke gerne Champagner, empfinde allerdings das überhöhte Luxusimage der großen Häuser eher geschmacklos. Für mich ist Champagner einer der charakterstärksten, terroirbe­ tontesten Weine, dessen Qualität durch das einzigartige Zusammenspiel der speziellen Böden, der klimatischen Besonderheiten und der langen Lagerung zustande kommt. Genau diesen Ansatz verfolgt Tamas Kovacs mit seiner kleinen ImportFirma Champagne Therapy. Nicht selbstverständlich und deshalb umso erfreulicher. Alexandra Rehberger, Sommelière www.viniculture.de

Kellerblick: Champagner Dauby Mère & Fille.

Ich habe den Champagnerfan Tamas Kovacs und sein Startup schon eine ganze Weile im Blick. Die Idee, überzeugende Qualitäten von hierzulande weitgehend unbekannten Winzern zu importieren, ist nicht neu, wird aber von Champagne Therapy zum ersten Mal konsequent umgesetzt. Die Champagner, zumeist Standard Bruts, sind überlegt ausgewählt, angenehm kalkuliert und bieten sowohl für den Endverbraucher als auch für die Gastronomie eine gute Alternative zu den immer noch übermächtigen Industriemarken. Matthias Martens, Gastronomieberater www.gastro-martens.de

GARÇON

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KOPFSALAT Maria Hinrichsen

Marias Lächeln

ZU GAST BEI DER RESTAURANTLEITERIN VON SCHMIDT Z&KO. VON JÖRG TEUSCHER

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GARÇON


Maria Hinrichsen KOPFSALAT

72 Bars, Bistros und Restaurants hält der Gault&Millau 2019 in Ber­

in der Gastronomie eher bescheiden sind, was sich wiederum mit

lin für nennenswert, das ist Spitze. Dass von diesen 72 lediglich 16

einiger Sicherheit nicht unbedingt positiv auf die Berufswahl von

von Frauen geleitet werden (dafür kann natürlich der Gault&Millau

Schulabgängerinnen auswirken dürfte. Andererseits zeigen gerade

nichts), ist dann schon weniger prickelnd – und wir vermuten ein

etliche Gastgeberinnen, wie erfüllend ihr Job sein kann: Christiane

ähnliches Verhältnis bei denen, die der Guide nicht zur Spitze zählt.

Dutschmann, Anne Garkisch, Bini Lee, Sabrina Lehricke, Barbara

Daraus schlussfolgern wir, dass die Karrierechancen von Frauen

Merll, Ilona Scholl, Julia Winkler und eben – Maria Hinrichsen.

GARÇON

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KOPFSALAT Maria Hinrichsen

MARIA HINRICHSEN GEB. LISCHKA geboren am 21. November 1982 in Werder/Havel

Stolz: Azubi im Adlon, 1.v.li., 2003.

2003-2006 Ausbildung zur Hotelfachfrau Hotel Adlon Kempinski Berlin 2006-2007 Chef de Rang Brasserie Desbrosses im The Ritz-Carlton Hotel Berlin 2007-2010 Assistant Manager Back of House The Ritz-Carlton Hotel Berlin Atemberaubend: Am Rand des Grand Canyons, Colorado/USA, 2010.

2010-2011 Backpacker-Weltreise u.a. Australien, Neuseeland, USA, Südafrika 2012–2014 Service Supervisor Restaurant Les Solistes by Pierre Gagnaire Hotel Waldorf Astoria Berlin seit 2014 Gastronomische Leiterin und Restaurantchefin Weinrestaurant Schmidt Z&KO. 2015-2016

Einladend: Eröffnung des Les Solistes by Pierre Gagnaire, 2.v.li., 2012.

Qualifikation zur IHK-geprüften Sommelière

Ehrfürchtig: Weinlese auf dem berühmten Assmannshäuser Höllenberg, 2015.

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GARÇON


Maria Hinrichsen KOPFSALAT

Geschafft: Die frischgebackenen Hotelfachfrauen Maria Lischka, re. und Doreen Kalisch mit Adlon-General-Manager Jean K. van Daalen, 2006.

Für den Berliner Fotografen Andreas Amann

Sie reden über ihre gemeinsame Zeit im

ist es ein normaler Arbeitstag, für die jun­

Adlon. Maria war damals Sprecherin der 60

gen Leute, die er vor seiner Kamera hat, der

Auszubildenden ihres Jahrgangs und weiß,

wichtigste Tag ihres bisherigen Lebens.

dass heute nur noch wenige davon im einst

Deshalb kann sich Amann Aufforderungen

erlernten Beruf tätig sind, Hotelfachleute

à la „Bitte recht freundlich!“ sparen, die Ad­

ebenso wie Restaurantfachleute. Auch Do­

lon-Absolventen des Jahrgangs 2006 strah­

reen Kalisch, die Freundin aus der Lehrzeit

len auch ohne Kommando. Auch Jean K.

(Foto oben, li.), hat längst die Branche ge­

van Daalen, damals General Manager der

wechselt und arbeitet als Office Managerin

Nobelherberge, strahlt. Sein Haus, die ge­

in einer Berliner Werbefirma. Gute Arbeits­

samte Branche, braucht gut ausgebildeten

bedingungen, ordentliche Bezahlung, gere­

Nachwuchs. Menschen wie Maria Lischka.

gelte Arbeitszeiten.

Ende Oktober 2018. Das erste Wieder­

„Es ist doch kein Wunder, dass bei der

sehen nach über zwölf Jahren. Maria hat

Wahl eines Ausbildungsberufes die Ser­

­ge­heiratet, heißt nun Hinrichsen und leitet

vice­jobs im Gastge­werbe auf der Be­liebt­

bei Schmidt Z&KO. in der Steglitzer Rhein­

heitsskala junger Leute nur unter ferner

straße die Gastronomie – ein Restaurant,

liefen rangieren“, konstatiert van Daalen

­die Wein­bar, eine Kochschule. Und Jean K.

zum Schluss des Gesprächs, „ihnen fehlt

van Daalen, in­zwischen 65, führt eine eige­

die gesellschaftliche Anerkennung. Köche

ne Unternehmung. „Hotelentwicklung und

werden zu Stars gemacht, Servicemitarbei­

Hotelmanagement“, sagt er.

ter sind nicht mal mehr Sternchen.“

Zwölf Jahre später: Jean K. van Daalen zu Gast im Schmidt Z&KO.

GARÇON

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KOPFSALAT Maria Hinrichsen

Am Morgen des 17. Mai 2018 veröffentlichte die Jury Berliner Meis­ terköche die Namen der diesjährig Nominierten in den Kategorien Berliner Meisterkoch, Aufsteiger des Jahres, Berliner Gastgeber Natürlich gehe ich nicht nur wegen Maria zu

und Berliner Szenerestaurant. „Rund 100 Köche, Restaurants, Som­

Schmidt Z&KO. Ich treffe mich dort oft mit Freun-

meliers und Gastgeber fanden sich in diesem Jahr auf der Jury-

dinnen auf einen Feierabend-Wein, weil mein Ge-

Vorschlagsliste“, so deren Vorsitzender Dr. Stefan Elfenbein, „die

schäft nur ein paar Türen weiter ist und ich das

20 Besten sind in den vier Kategorien nun nominiert.“

Angebot, vor allem an deutschen Weinen, groß-

Maria Hinrichsen, schon einige Tage im Urlaub in den Abruzzen,

artig finde. Das gilt übrigens auch für die Küche.

staunte nicht schlecht, als ihr Handy plötzlich verrückt spielte.

Tja, und dann Maria. Sie gibt uns immer das Ge-

Gratulationen, Glückwünsche, mehr als zwanzig Nachrichten. „Als

fühl, wirklich willkommen zu sein. Was soll ich

Gastgeber des Jahres nominiert zu sein, das ist wie ein Ritterschlag.

noch sagen? Sie ist eine sympathische Botschaf-

Viele reden plötzlich über eine Branche, die sonst von der Öffent­

terin ihres Hauses und halt ein ‚Sonnenschein‘.

lichkeit kaum wahrgenommen wird.“

Birgit Staack, Inhaberin einer Dessous-Boutique in Steglitz und Stammgast bei Schmidt Z&KO.

Dass es am Ende bei der Nominierung blieb und ein Anderer den Titel holte (s. Seite 66), damit hat Maria Hinrichsen, die Restaurant­ leiterin der vinophilen Genusswerkstatt Schmidt Z&KO., kein Prob­

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GARÇON


Maria Hinrichsen KOPFSALAT

Maria Hinrichsen und Geschäftsführer Carsten Schmidt.

lem, ihr bleibt der Stolz zu den Besten ihres Berufsstandes in der Stadt zu gehören. Gastgeber, eine offizielle Berufsbezeichnung ist das nicht. Der Begriff wurde erfunden, um das Bild vom steifen Maître ad acta legen zu können. „Die wichtigste Eigenschaft eines guten Gastge­ bers ist für mich, sich selbst nicht wichtiger zu nehmen als seine

Meine Meinung zu Maria? Easy. Also, ihre ku-

Gäste“, sagt Maria Hinrichsen. Dabei, das weiß die 36-Jährige aus

linarische Kompetenz ist unbestritten, ihre stete

eigener Erfahrung, ist das Rollenspiel subtil, die Trennlinie zwischen

Freundlichkeit unbeschreiblich und ihre Berufs-

aufmerksam und aufdringlich fein.

auffassung unübertroffen. Ich sag‘ jetzt mal was

Eben weil das so ist, wundert sie sich vor allem darüber, dass

und bitte, es ganz, ganz positiv zu verstehen: Ma-

viele Restaurantbetreiber den Service nur noch von unqualifizier­

ria ist durchgeknallt auf höchstem Niveau.

ten Hilfskräften erledigen lassen – Hauptsache irre locker. „Sicher

Andres Bergel, Sommelier, Schmidt Z&KO.

gehört das auch dazu“, sinniert sie, „es ist eben ziemlich schwer, die Basics, die Must-haves des Serviceberufes zu formulieren.“ Sie nennt Empathie, Natürlichkeit, Kompetenz, Persönlichkeit, eine positive Ausstrahlung, die Fähigkeit, Gäste lesen zu können.

GARÇON

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KOPFSALAT Maria Hinrichsen

Schmidt Z&KO.-Dreamteam: Restaurantleiterin Maria Hinrichsen, Sommelier Andreas Bergel und Genussexperte Maik Omenzetter, v.re. (nicht dabei, gehört aber zum Team – Daniela Lohmeier).

Was kann die Ausbildung dafür tun? Maria Hinrichsen weiß es nicht. „Was ich weiß“, sagt sie, „dass junge Leute, die sich für einen Serviceberuf in der Gastronomie oder Hotellerie entschieden ha­ ben, Vorbilder brauchen, dass der Beruf endlich attraktiver werden muss, auch durch eine größere Sicherheit bei der Entlohnung.“ Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Was mich verwundert, An Maria schätze ich besonders, dass sie immer

ist die Tatsache, dass es für uns Gastronomen keine Interessenver­

die Übersicht behält und, wenn´s mal Stress gibt,

tretung zu geben scheint, keine Gewerkschaft, die für unsere Rech­

immer ruhig bleibt. Sie hat eben Persönlichkeit.

te eintritt – und zwar mindestens genauso laut wie bei den Piloten

Für mich eine Chefin wie aus dem Bilderbuch.

oder Flugbegleitern...“ Maria Hinrichsen macht sich viele Gedan­

Maik Omenzetter, Genuss-Experte, Schmidt Z&KO.

ken über ihren Beruf. Sie ist meinungsstark und strukturiert und wäre sicher auch eine würdige Gastgeberin des Jahres gewesen. Gelächelt allerdings hat sie während unseres Gespräches nur selten, dabei ist das ihr Markenzeichen. „Bei manchen Themen bin ich eben nicht zum Strahlen aufgelegt“, sagt sie, „ich bin doch kein Dauerlächler.“ Dass wir unsere Notizen dennoch mit

Think pink, drink pink & help: Anja Schmidt und Dr. Kristina Zappel, Geschäftsführerin Berliner Krebsgesellschaft, v.li.

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GARÇON


Maria Hinrichsen KOPFSALAT

Maria Hinrichsen und Ralf Zacherl.

der Überschrift „Marias Lächeln“ versehen werden, akzeptiert die Schmidt Z&KO.-Gastgeberin. „Aber schreiben Sie bitte dazu – sie kann auch anders.“ An diesem Tag wird es keinen Grund dafür geben. In der Rhein­ straße steigt die traditionelle Think pink, drink pink & help-Party.

Maria ist die Seele unseres Service, damit wäre

Ein Fest mit Charakter, nennt es die Restaurantleiterin. Vom Ein­

eigentlich alles gesagt. Auch, dass sie eine un-

trittsgeld jedes Gastes gehen 10 Euro direkt an die Berliner Krebs­

glaubliche Weinkompetenz besitzt. Ich ergänze

gesellschaft. Der Andrang ist groß, viel Arbeit für den Service. Mit­

nur noch – ohne die häufig anzutreffende Som-

tendrin und immer im Bilde – Maria Hinrichsen. Lächelnd.

melierskrankheit. Das heißt, sie textet den Gast mit ihrem Wissen nicht zu, sondern sagt, was nö-

SCHMIDT Z&KO.

tig ist. Der Wein bleibt kalt und das Essen warm und nicht umgekehrt.

Rheinstraße 45-46 12161 Berlin-Steglitz Tel. 030 — 20 00 39 570 www.schmidt-z-ko.de

Ralf Zacherl, Geschäftsführer, Schmidt Z&KO.

GARÇON

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DIE LIEBE ZUM GAST VERBINDET, DER SCHÖNE STRAND AUCH – UND DAS MEER.

I H R E AU S Z E IT LIEGT So NAH ! WELLNESS, YoGA & BEAUTY SpoRT, FREIZEIT & GENUSS AUF DER HALBINSEL FISCHLAND-DARß-ZINGST: Strandhotel Fischland & Strandhotel Dünenmeer, exklusive Ferienwohnungen & Häuser – mitten in der Natur eine außergewöhnliche Urlaubswelt am herrlichen Ostseestrand.

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Frauke und Wolfgang Funkhauser KOPFSALAT

PAARLAUF DIE BOHNENPATIN UND DER SPROSSENKÖNIG VON UWE AHRENS Frauke Funkhauser, 52, stammt aus Essen,

Wolfgang Funkhauser teilt mit seiner Frau die

wuchs in Stuttgart auf, absolvierte eine Lehre

Liebe zu guten Lebensmitteln. Der 56-jähri­

als Automechanikerin und studierte in der Ne­

ge Wiesbadener lernte in Hans-Peter ­Wodarz´

ckarstadt und in Madrid Bildhauerei. Der Kunst

„Ente vom Lehel“ den Beruf des Restaurant­

ist sie immer noch verbunden, ihr Brot jedoch

fachmanns, machte den Abschluss als staat­

verdient sie seit knapp anderthalb Jahren mit

lich ge­­­prüfter Betriebswirt für das Hotel- und

geschmacksstarken Bohnenpasten, 100 Pro­

Gaststättenwesen und ist seit 13 Jahren Mit­

zent bio, 100 Prozent vegan.

gesellschafter der Sprossenmanufaktur Berlin.

GARÇON

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KOPFSALAT Frauke und Wolfgang Funkhauser

Kürzlich testete Felix Mielke, Küchenchef des Le Faubourg, für die Süddeutsche Zeitung pflanzliche Brotaufstriche, die sich auf deutschen Frühstücks- und Abendbrottischen breit machen. „Ein Hoch auf die Gemüsigkeit“, überschrieb die SZ den Test, na ja. Für immerhin fünf der neun Aufstriche hatte der Berliner Küchenchef lediglich vernichtende Urteile: furchtbar, kraftlos, nichtssagend. Die Bohnenpasten von Frauke Funkhauser sind da von ganz anderem Kaliber – cremig, je nach Sorte (sechs stellt sie in ihrer Friedrichshainer Manufaktur her) mehr oder weniger würzig, aus­ gewogen und natürlich ohne jegliche Zusatzstoffe. „Ich habe lange experimentiert, bevor ich auf den Markt gegangen bin“, sagt die 52-Jährige, „weil ich wollte, dass das Produkt 100-prozentig nach dem schmeckt, was drin ist.“ Das ist ihr 100-prozentig gelungen. Ihre Bohnenpasten sind nicht nur ein guter veganer Brotaufstrich, sondern eignen sich ebenso als Fisch- und Fleischbegleiter. www.facebook.com/bohnenpate

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GARÇON


Frauke und Wolfgang Funkhauser KOPFSALAT

Sprossen-Chefs: Klaus Schacherer und Wolfgang Funkhauser, v.li.

An der Sprossentrommel: Mitarbeiterin Anh Kon Kol.

„Sprossen sind eine gesunde Bereicherung des täglichen Speise­ plans“, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, „besonders im Winter beliefern sie den Körper kompakt mit vielen Vitaminen und Mineralstoffen.“ Diese Erkenntnis hatte auch Klaus Schache­ rer, ein an der Uni Hohenheim diplomierter Agraringenieur, als er 2004 die Berliner Sprossenmanufaktur gründete. Ein Jahr später kam Wolfgang Funkhauser mit ins Boot. Von ihrer Friedrichshainer Hinterhofproduktion aus belieferten die bei­ den mit Fahrrad und Kühltasche ein gutes Dutzend Kunden. Mit wachsendem Ernährungsbewusstsein stieg Jahr für Jahr auch das Interesse an dem wertvollen, vielseitig verwendbaren Lebensmittel. 2017 zogen Funkhauser und Schacherer in eine große Halle am Stadtrand und produzieren hier rund 20 Bioland-zertifizierte Spros­ sensorten und diverse Mischungen, die sie inzwischen nicht nur in Berlin verkaufen, sondern sogar bis nach Warschau liefern. www.sprossenmanufaktur.de

Bei der Verpackung: Nguyen Minh Phuong und Klaus Schacherer.

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KOPFSALAT Frauke und Wolfgang Funkhauser

LEINÖL: Ein Bio-Produkt, kaltgepresst und naturbelassen aus regionaler Leinsaat, das mit großer Frische punktet. www.oelwerk.de

Kennengelernt haben wir die Genusshand­

Stefan Prechtner beispielsweise, Mitgrün­

werker Frauke und Wolfgang Funkhauser

der und Vertriebsleiter der Dörrwerk GmbH

Anfang September 2018 auf der Regiona­

Berlin, deren mehrfach ausgezeich­netes

len Produktbörse für Lebensmittel im Ber­

„Fruchtpapier“ (s.Seite 65) bereits bei EDE­

liner Ludwig Erhard Haus.

VEGANER BROTAUFSTRICH: Eine bekömmliche ayurvedische Paprika-Mandel-Paste mit erfrischend säuerlicher Note. www.anaveda.de

INSTANT INSEKTENSNACK: Ein in Berlin entwickelter und in Kanada hergestellter Snack aus dem Mehl bio-gezüchteter Grillen. www.yourinstinct.de

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GARÇON

KA, Kaufland und REWE gelistet ist, sprach

Organisiert wurde die Messe von der

ebenso von neuen, vielversprechenden Kon­

IHK Berlin – mit kleinen Standmieten, aus­

takten wie Marcus Friedrich, ­Gründer und

gewähltem Publikum und einem klaren Ziel.

Geschäftsführer der Bearprotein GmbH.

Dazu Veranstalterin Simone Blömer: „Wir

Das Startup mit Sitz in Eberswalde will

wollten auch in diesem Jahr Erzeuger und

Insektenlebensmittel in Deutschland salon­

Produzenten regionaler Lebensmittel mit

fähig machen und präsentierte auf der IHK-

Einzel- und Großhändlern sowie Gastrono­

Produktbörse – sozusagen als Appetizer –

men und Hoteliers zusammenbringen und

einen zucker-, gluten- und laktosefreien

miteinander vernetzen.“ Die Aussagen der

In­­sektenriegel in den Geschmacksrichtun­

meisten der 73 Aussteller bestätigten, dass

gen Apfel-Zimt und Salzige ­Schokolade.

dieses Ziel locker erreicht wurde.

„Auf dieser Börse hatten wir auch die


Frauke und Wolfgang Funkhauser KOPFSALAT

MAXIMILIAN CURRY: Von den Steglitzer Pot-&-Pepper-Gewürzprofis exklu­ siv für die Neuköllner Wurstmanufaktur entwickelt. www.maximilian.de.

Gelegenheit, das Potenzial von Insekten

zu verarbeiten und zu verkaufen. Grillen,

als Nahrungsmittel und nachhaltige Protein­

Mehlwürmer und ­Wanderheuschrecken auf

quelle zu kommunizieren“, so Friedrich, „zu­

unseren Tellern – Garcon wird sich in ­seiner

mal weltweit bereits rund zwei Milliarden

nächsten Ausgabe mit diesem Thema be­

Menschen in über 80 Ländern regelmäßig

schäftigen.

Insekten verzehren.“

Auch Frauke und Wolfgang Funkhauser,

Was in Europa und Nordamerika noch

die Bohnenpatin und der Sprossenkönig,

mit einem Tabu belegt ist und bei vielen

hatten an ihren Ständen im Ludwig Erhard

Verbrauchern Ekel hervorruft, hält der Mar­

Haus gut zu tun. Gespräche, Erklärungen,

keting- und Vertriebschef von Bearprotein

Verkostungen – für Frauke Funkhauser, Che­

für den Beginn einer ­Ernährungsrevolution.

fin der Friedrichshainer Bohnenpate GmbH,

Auftrieb bekommt sein Unternehmen durch

die beste Form des Marketings. Und der Er­

eine neue ­EU-Lebensmittelverordnung, die

folg gibt der toughen Jungunternehmerin

Anfang des Jahres in Kraft trat und es end­

Recht, ihre verschiedenen Bohnenpasten

lich auch in Europa erlaubt, Insekten zum

stehen inzwischen sogar in vielen Regalen

Verzehr zu züchten, sie zu ­Nahrungsmitteln

der Berliner Bio Company.

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Sabina Lischka KOPFSALAT

Blankenfelde-Blues SABINA LISCHKA GIBT GAS UND GRÜNDET EINE HOFKÄSEREI – TEIL 1 VON JÖRG TEUSCHER

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KOPFSALAT Sabina Lischka

Wir sind in Blankenfelde verabredet. „Kirche, Kneipe, Kriegerdenk­

Der Hof von Udo und Volker – der guten Ordnung halber Prof. Dr.

mal“, sagt Sabina Lischka, „dort können wir uns treffen, das liegt

Udo Pursche und Dr. Volker Woltersdorff – befindet sich dort, wo

alles dicht beieinander.“ Blankenfelde also, das genau genommen

Blankenfelde noch ein bisschen Dorf ist. Kirche, Kneipe, Krieger­

nach einem Zusammenschluss von fünf Gemeinden Blankenfelde-

denkmal. Der Hochfrequenz- und Mikrowellenprofessor und der

Mahlow heißt und 24.000 Einwohner hat.

Kultur- und Literaturwissenschaftsdoktor übernahmen vor acht

Der Ortsteil Blankenfelde, so muss man heute also formulieren,

Jahren das Anwesen, zu dem neben einem Bauernhaus, einigen

wirkt wie eine Stadtrandsiedlung und ist es wohl auch. Reihenhaus­

Ställen und Scheunen auch 22 Hektar Grün- und 6 Hektar Acker­

idylle, mein Baum, mein Strauch, mein Carport. Man lebt ruhig hier

land gehören. Dazu Bressehühner, Pommerngänse, Bunte Benthei­

draußen, Aufreger sind selten – wenn mal wieder eine bedrohliche

mer Schweine, Jerseyrinder, das volle Programm.

Information aus Schönefeld durchsickert, der künftige Großflugha­

„Wir sind keine Aussteiger, sondern Einsteiger“, so Wolters­

fen liegt in der Nachbarschaft – oder wenn einem ortsansässigen

dorff. Der 47-Jährige stammt aus dem Allgäu und kümmert sich

Medikamentenhandel Mafiakontakte nachgesagt werden.

um die Tiere. Seinen Job an der Freien Universität hat er an den

Sabina Lischka kommt mit Rasanz und einer Honda CBF 600. In

Nagel gehängt. Udo Pursche ist 49, Oberlausitzer, zuständig für

Blankenfelde will sie Käse machen. Und Butter. Auf dem Hof von

die Feldarbeit und seit 2016 ordentlicher Professor an der Berliner

Udo und Volker soll eine Hofkäserei entstehen, am Briefkasten

Hochschule für Technik und Wirtschaft. „Einer muss ja das Geld

klebt schon das Schild: Lischka, Käserei Blankenfelde in Gründung.

verdienen.“

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Sabina Lischka KOPFSALAT

Weshalb wir aus Berlin nach Blankenfelde gezogen sind? Ganz einfach: Wegen des Blicks in die Augen unserer Kühe. Dr. Volker Woltersdorff, Literaturwissenschaftler und Landwirt

Prof. Dr. Udo Pursche und Dr. Volker Woltersdorff, v.re.: Wissenschaftler, Hochschullehrer und Landwirte.

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KOPFSALAT Sabina Lischka

Was braucht man, um Käse zu machen? „Milch.“ Mit Sabina Lisch­

Hier erst trat der Käse in ihr Leben. „Ganz unspektakulär“, erzählt

kas Laune steht es nicht zum Besten. Im Dezember wollte sie mit

die 37-Jährige, „es gab eine Käserei, der Käser war weg und ich war

ihrer Hofkäserei an den Start gehen, den ersten Käse produzieren,

da. Und weil ich Käse mag, dachte ich, o.k., ich versuch es.“

aber diese Rechnung hat sie wohl ohne die Ämter gemacht.

Sie ging zu einem alten Käser in die Lehre und absolvierte ein

Im Juli stellte sie einen Antrag auf Nutzungsänderung – so heißt

Praktikum im Allgäu. „Käse- und Buttertingelei“ nennt sie die an­

das im Behördendeutsch (eine Hofkäserei ist ein Gewerbe, der Hof

derthalb Jahre Wanderschaft, an deren Ende sie – inzwischen durch

aber ein Landwirtschaftsbetrieb) – beim zuständigen Bauamt des

und durch Profi – die Leitung einer Käserei in Sachsen-Anhalt

Landkreises Teltow-Fläming, dessen Bearbeitung allerdings aus­

übernahm. Dem Wunsch, sich selbstständig zu machen, folgte die

steht. Weshalb, das weiß sie nicht. Nun macht sie erstmal Urlaub

Suche nach einem geeigneten Ort und die – siehe oben – Wow-

und hofft auf das Gute im Amt.

Landung in Blankenfelde. Sabina Lischka stemmte den Umbau

Zum Käsen kam die Berlinerin Sabina Lischka erst spät und

der ehemaligen Stallungen in käsetaugliche Produktions- und Rei­

durch einen Zufall. Sie studierte in Berlin Architektur, plante als

feräume mit privaten Mitteln – „Fördermittel gibt es hier nicht, weil

Diplom-Ingenieurin in Düsseldorf Zweckbauten, fand den Job „sau­

Blankenfelde weder strukturschwach noch gewerbearm ist“ –

blöd“ und bewarb sich in München für ein zweites Studium – Nach­

kaufte gebrauchtes, aber funktionstüchtiges Gerät und übt sich

haltiges Ressourcenmanagement. Für ein Projekt zur Humuswirt­

nun in dem, was sie am wenigsten hat, in Geduld.

schaft landete sie schließlich auf einem Gut in Schleswig-Holstein.

(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)

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Sabina Lischka KOPFSALAT

Ich bin auf den Hof von Udo und Volker gekommen und habe sofort gewusst, wow, das ist es. Dann standen die beiden vor mir, ich habe gesagt, dass ich Milch suche und Käse machen will, ja, und dann war für sie ganz schnell alles klar und für mich auch. Sabina Lischka, Käserin

Sabina Lischka und ihre Partnerin Nina Restemeier, Literaturübersetzerin, die den geplanten Hofladen übernehmen wird.

Sabina Lischka und Ewald Warmuth, Butterund Käsemeister aus Kempten im Allgäu.

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KOPFSALAT Wie geht's eigentlich..?

Wie geht's eigentlich..? LUKAS MRAZ Als er im Herbst 2013 in Berlin aufschlug und Küchenchef in der Cordobar wurde, trug er noch keinen Bart und wirkte mit seiner blonden Tolle und dem glatten Gesicht wie ein braver Schulbub. Ein Foto aus dieser Zeit haben wir allerdings nicht – das auf dieser Seite entstand Anfang 2015 und zeigt Lukas Mraz schon im Wikinger-Look. Da war er Mitte 20 und hatte sich bereits in die Spit­ zengruppe der hauptstädtischen Herdarbei­ ter gekocht. Zuerst war es seine Blutwurstpizza, die das Attribut „legen­där“ erhielt, dann ließ sein Vegi-Knochenmark die Kritiker hyper­ ventilieren – ausgekochte Markknochen, ge­ füllt mit einer Creme aus Eigelb, Sahne, Miso,

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GARÇON

Tofu und Rauchöl. Und solche Sachen wie GEBOREN 24. Juli 1990 in Wien

das Tandoori-Huhn mit Puffreis oder die

AUSBILDUNG Kochlehre – wie sein Vater und Großvater – ­Gastronomiefachschule Wien

lich schienen sogar dem Michelinstern ver­

BERUFLICHE STATIONEN L`Arnsbourg, Baerenthal/Frankreich (Jean-Georges Klein) De Librije, Zwolle/Niederlande (Jonnie Boer) Vendôme, Bergisch Gladbach (Joachim Wissler) Amador, Langen (Juan Amador) Cordobar, Berlin (Küchenchef) HEUTE TÄTIG Mraz & Sohn, Wien, 20. Bezirk/Brigittenau (seit April 2018)

Auster mit Granny-Smith-Schaum schließ­ dammt nahe zu sein. Doch es kam alles ganz anders. Lukas Mraz sagte leise Servus und ver­­ließ Berlin in Richtung Heimat. Der Gault&Millau tarockte noch ein bisschen nach – ­seine an Wahnsinn grenzenden Kreationen seien immer einen Tick zu ­aromatisch, zu komplex und viel zu scharf gewesen, um als Wein­be­ gleiter durchzugehen. Darauf ange­sprochen, zuckte der Küchen­ chef nur mit den Schultern. Sein Kommen­ tar: „Scheiß­egal, le­se ich eh nicht.“


Wie geht's eigentlich..? KOPFSALAT

Der 1. Oktober 2018 war ein ganz normaler Herbstmontag – abge­

Der 28-Jährige kommt ganz in Schwarz und mit reichlich Wiener

sehen vielleicht mal vom Wetter. 25 Grad und ein azurblauer Him­

Schmäh: „Ich bin gut vor der Kamera und gut in der Küche, Tim

mel, das ist zu dieser Zeit in Berlin nicht eben die Regel – ebenso

Mälzer ist nur gut vor der Kamera, deshalb ist er auch nicht hier.“

wenig wie die vormittägliche Völkerwanderung nach Treptow.

Das Auditorium tobt. Doch Mraz kann´s auch nachdenklicher, etwa

Autos mit Kennzeichen aus halb Europa verstopfen die sonst

wenn er für mehr Frauen in den Profiküchen plädiert, für mehr

eher verschlafene Elsenstraße, dazwischen dutzende Taxis, und

Nachhaltigkeit wirbt – „das beginnt schon bei der Mülltrennung“ –

selbst in den um 9.00 Uhr meist nur spärlich gefüllten Bussen der

oder an seine Kollegen appelliert, der jungen Generation die Ster­

Linie 265 stehen sich die Fahrgäste auf den Füßen. Das Ziel der

neküche schmackhafter zu machen. „Je weniger steif unsere Lä­

Menschenmassen – die Chefdays Germany in der Arena Treptow,

den sind, desto mehr werden auch von denen kommen, die sich

ein vom österreichischen Gastro-Magazin Rolling Pin gemeinsam

bisher mit Dosenfutter die Bäuche füllen.“

mit der METRO veranstaltetes Foodsymposium. Auf der großen Bühne der angesagten Hauptstadtlocation wech­

Lukas Mraz zeigt quadratische Kacheln: „Die reiben wir mit Speck ab und räuchern sie in unserem Restaurant zehn Minuten lang mit

seln die Küchenstars im Halbstundentakt und demonstrieren nicht

Kirschholz. Er bestreicht die Unterlage mit Créme fraîche und ver­

nur ihr Können am Herd, sondern auch ihre Qualitäten als Entertai­

teilt darauf einige Kaviarnocken. „Das müssen die Gäste als Starter

ner: Mauro Colagreco, Kevin Fehling, Jan Hartwig, Ángel León, Tim

ablecken“, grinst er, „eine Watschn für die Anzugmenschen.“ Die

Raue, Heinz Reitbauer, Ana Roš – und Lukas Mraz.

tragen sowas mit Fassung, denn das „Mraz & Sohn“ in Wien-Brigit­

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KOPFSALAT Wie geht's eigentlich..?

Trio furioso: Lukas, li., sein Bruder Manuel und Vater Markus, Mitte, Chef des Zwei-Sterne-Hauses in Wien-Brigittenau.

tenau („vergleichbar mit Berlin-Wedding, nur nicht so cool“) gehört

bote gab es, aber ich habe mir gesagt, jetzt oder nie. Der Papa ist

zu den besten Restaurants der Donaumetropole – zwei Michelin-

inzwischen 50, steht seit über 30 Jahren am Herd und irgendwann

Sterne, 18 Gault&Millau-Punkte, drei Hauben. Senior Markus Mraz,

wird die Frage der Nachfolge ja sowieso mal akut.“

50, wurde 2018 zum „Koch des Jahres“ in Österreich gekürt. „Seine

Das „Mraz & Sohn“ – eigentlich müßte es ja jetzt der guten Ord­

Küchenlinie ist kreativ, minimalistisch, unkonventionell und expe­

nung halber „Mraz & Söhne“ heißen, denn Lukas‘ Bruder Manuel

rimentell zugleich“, so die Begründung der Gault&Millau-Heraus­

managt das Restaurant – blickt also gelassen in seine Zukunft. Die

geber. Seit sein Sohn Lukas ihm am Herd zur Seite steht, ist das

Gäste haben es vernommen und jubeln. Die kulinarische Instituti­

Restaurant im Wiener Norden sogar noch einen Tick kreativer ge­

on in der Wiener Wallensteinstraße wird ihnen noch lange erhalten

worden. „Der Papa akzeptiert mich als gleichberechtigten Partner

bleiben.

am Herd“, so Mraz jr., „außerdem haben wir jetzt beispielsweise viel mehr Möglichkeiten, kleinere Produzenten ausfindig zu ma­

RESTAURANT MRAZ & SOHN

chen, die uns Waren liefern, die wir bei den großen Händlern nicht bekommen und die unsere Küche voranbringen.“ Ob das Kapitel Berlin für ihn nun ein für alle Mal beendet sei, wollen wir wissen. „Schon“, erwidert Lukas Mraz, „ich hätte nach der Cordobar auch etwas Eigenes in Berlin machen können, Ange­

Wien, Wallensteinstraße/Ecke Sachsenplatz mit...

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Wallensteinstraße 59 A-1200 Wien Tel. +43 (0)1 — 33 04 594 www.mraz-sohn.at

... dem 2-Sterne-Restaurant Mraz & Sohn.


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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten ­Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obstund Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Produkte ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität. Von A wie Artischocke bis Z wie Zi-

Dieter und Marcus Fuhrmann.

tronengras. Wenn in Berlin oder Brandenburg die wei-

ern, heißt es bei den Küchenchefs dort

Für unser Magazin Garcon stellen die

ßen 7,5-Tonnen-­Kühltransporter mit dem

meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

beiden Großhändler Dieter und Marcus

Zeichen der Kirsche ­Hotels, Krankenhäu-

Dieter Fuhrmann, Chef des gleichna-

ser, ­Kantinen oder Res­taurants ansteu-

migen Fruchtgroßhandels ­und ­der Grand

Fuhrmann im Wechsel ihre Früchte vor. Heute: Okra

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB DIE GRÜNE EXOTIN VON DIETER FUHRMANN In diesem Fall sind sich die Wissenschaft­ ler einig: Okras gehören zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt. Ihre Spuren las­ sen sich bis ins zweite Jahrtausend v. Chr. zurückverfolgen, nach Ägypten und Äthio­ pien. Wo genau der Ursprung des Fruchtge­ müses aus der Familie der Malvengewächse liegt, konnte bisher allerdings nicht geklärt werden. Heute sind Okras – also die Samenkap­ seln der bis zu 2,50 Meter hohen, gleich­ namigen Pflanze – ein weit verbreitetes Ge­müse, beliebt nicht nur in Afrika, son­ dern auch in vielen Teilen Asiens, in Süd-, Mittel- und im südlichen Nordamerika, in Griechenland, dem Libanon, der Türkei und anderen Mittelmeerländern. Zu den kulinarischen Klassikern beispiels­ weise vieler griechischer Restaurants gehört Kotopoulo me Bamies, gebratenes Hähn­ chen mit Okras, Tomaten und Zwiebeln. In der Türkei serviert man Zeytinyağlı bamia,

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Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN

Patio-Küchenchef Enrico Pawlak, re. und sein Sous Chef Kevin Rau.

eine Vorspeise aus marinierten und in Olivenöl gegarten Okras. Die

Wir bekommen Okras aus Thailand, weil uns der dortige Exporteur,

israelische Küche kennt in Buttermilchteig frittierte Okras, in der

die Siam Fresh Enterprise Company, seit Jahren eine gleichblei­

indischen Küche werden sie mit einer Gewürzmischung aus Chili,

bend gute Qualität garantiert.

Ingwer, Knoblauch, Koriander, Kreuzkümmel, Kurkuma sowie Pfef­

Allerdings – obwohl diverse Food-Blogs die kalorienarmen, ma­

fer gefüllt und gedünstet, und in der sogenannten Cajun-Küche der

genfreundlichen sowie mineralstoff- und vitaminreichen Schoten

amerikanischen Südstaaten schließlich gelten Okras als Haupt­

immer häufiger als „Neuling in der Superfood-Familie“ feiern – wir

bestandteil des berühmten Gumbo, eines würzigen Eintopfes aus

merken davon nicht allzu viel. Nur wenige Küchenchefs in Berlin

Reis, Gemüse, Fisch und Fleisch.

und Brandenburg bestellen Okras, die geschmacklich übrigens an

Die Hauptanbauländer des Fruchtgemüses sind Indien, wo mit

Bohnen erinnern – mild, leicht herb, säuerlich-pikant.

rund 5,5 Millionen Tonnen jährlich die weltgrößte Okraernte einge­

Zu denen, die das Fruchtgemüse regelmäßig ordern, gehört Enri­

bracht wird, gefolgt von Nigeria (rund 1,9 Millionen Tonnen), dem

co Pawlak, der vor rund einem Jahr als Chef de Cuisine auf dem

Sudan (rund 290.000 Tonnen), Mali (rund 241.000 Tonnen) und Pa­

Restaurantschiff Patio anheuerte. Hier bringt Pawlak das Filet vom

kistan (rund 118.000 Tonnen).

Simmentaler Rind mit Süßkartoffelpüree, Feigen und Okras auf die

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RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

Teller. Nun will ich mich nicht als Gastrokritiker aufspielen, aber

überdachtem Ober- und gemütlichem Unterdeck inklusive Bar und

dieses Gericht hat nach meinem Dafürhalten alles, was Besseres­

Partylounge. Seit Anfang April 2007 liegt das Patio am Helgolän­

ser suchen: Es ist fröhlich in der Optik und einschmeichelnd im

der Ufer vor Anker, vor gut einem Jahr heuerten die beiden Berliner

Geschmack. Und es wird an einem wirklich grandiosen Ort serviert –

Enrico Pawlak und Kevin Rau hier an und krempelten zuerst mal die

am Helgoländer Ufer mit Blick auf das Spreebogen-Areal und die

Speisekarte um – Pawlak, davor Küchenchef in der Fleischerei von

prächtigen Gründerzeitvillen am gegenüberliegenden Holsteiner

Bernhard Hötzl, brachte einschlägige Erfahrung mit.

Ufer. Romantik pur mittenmang und deshalb für mich einigermaßen

Dabei müssen die Gäste nun weder exaltierte Liaisons noch

unverständlich, dass das Restaurantschiff Patio in den einschlägi­

aromatische Akrobatik fürchten, selbst dann nicht, wenn Pawlak

gen Berliner Gastronomie-Guides so wenig Beachtung findet.

und Rau das Jakobsmuscheltatar mit Miso abschmecken oder das

Eigner Mathias Böhme, gelernter Maschinenbauer und Restau­

Kräuterlamm mit Cranberryjus auf die Teller bringen. Das alles ist

rantfachmann, ersteigerte vor Jahren den früheren DDR-Arbeiter­

geschmacksstimmig und sehenswert angerichtet. Und der Service

wohnkahn und machte ihn zu dem, was er heute ist: eins der origi­

trägt das Seine zum Behagen in dieser Entspannungsidylle bei.

nellsten Berliner Restaurantschiffe, ganzjährig geöffnet, mit teil­weise

www.dieter-fuhrmann.de

RESTAURANTSCHIFF PATIO Helgoländer Ufer/Kirchstraße 10557 Berlin-Tiergarten Tel. 030 — 40 30 17 00 www.patio-berlin.de

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RUBRIKEN Marktnischen

tigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürger­ meister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins. Heute gibt es wieder rund 120 Wochen-

Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

märkte in Berlin – nicht nur vor Rathäu-

Wochenmärkte haben in Berlin eine lange

er genannt. Im benachbarten Berlin sind

sern – die sich wachsender Beliebtheit er-

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte

der Molkenmarkt und der 1728 von Fried-

freuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadt-

rich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten

gründungsdokument vom 7. März 1232 wird

ge­­schaffene Gendarmenmarkt die wich-

auch eine weite Anreise wert sind.

BERLINER MARKTNISCHEN ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER Baaf Vonk und Roel van Vliet sind typische Holländer – fröhlich, vielsprachig und fisch­ verrückt. Im Fall von Vonk und van Vliet soll­ te man noch „besonders“ hinzufügen, „be­ sonders fischverrückt“, denn die beiden haben das Meeresgetier inzwischen zu ih­ rem Beruf gemacht. Baaf Vonk, 32, stammt aus Rotterdam und hat mal Militärgeschichte studiert, der Utrechter Roel van Vliet, 38, Betriebswirt­ schaftslehre – das aber nur am Rande. Seit einem Jahr arbeiten die beiden als Fischhändler. Dafür kommen Vonk und van Vliet jeden Donnerstag nach Berlin, in ih­ rem Kühltransporter Fische und Austern aus dem holländischen Wattenmeer. Am Bei den wilden Wattaustern handelt es sich um Japan- oder Pazifikaustern, die sich vor einigen Jahrzehnten im europäischen Wattenmeer ausbreiteten und – weil sie zur Konkurrenz für dort heimische Muschelarten wurden – seit 2010 von Berufsfischern u.a. in Holland

ge­erntet werden dürfen. Die meist imposanten Exemplare sind besonders fleischig und angenehm salzig. „Der pure Geschmack des Wattenmeeres“, sagen Baaf Vonk und Roel van Vliet, die seit einem Jahr das feine Seafood in der Kreuzberger Markthalle Neun anbieten.

25-Teiche-Stand von Matthias und Susan­ ne Engels verkaufen sie ihre Ware. Schön und gut, aber das allein wäre noch kein Grund, die beiden vorzustellen – einkaufen, den Einkauf zum Kunden bringen, verkaufen, das machen andere Fischhändler auch.

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Marktnischen RUBRIKEN

Küstlichkeiten-Gründer: Baaf Vonk und Roel van Vliet, v.li.

Das Besondere an der Offerte der Männer von Küstlichkeiten: Sie vermarkten vor allem Beifang aus der Kaisergranatfischerei vor Hollands Küsten. „Kein Fisch sollte umsonst gefangen werden“, sagt Baaf Vonk und verweist darauf, dass ein Drittel aller gefan­ genen Fische tot wieder über Bord geworfen wird. Zumeist Arten, die kein Händler will – der Knurrhahn zum Beispiel, die Kliesche, der Franzosendorsch oder die weithin unterschätzte Makrele. „Wir bringen sie ebenso auf den Markt wie die handgesammelten wil­ den Wattaustern.“ Zumindest hier in Kreuzberg funktioniert das. Markthalle Neun, Berlin-Kreuzberg am Stand „25 Teiche“ Donnerstag, 17.00 – 22.00 Uhr Freitag, 12.00 – 18.00 Uhr Samstag, 10.00 – 18.00 Uhr www.kuestlichkeiten.de

Austern-Ladies: Veronica Veneziano und Ghyslaine Louvet, v.li.

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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese

Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare.

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen

„Trotz Internet und Fernsehküche – Koch­

Die beiden Männer zogen im Januar 2010

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffent-

bücher werden immer ein Kulturgut blei-

aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-

lich. Für Garcon blättern sie in Kochbü-

ben“, davon sind Johannes Mohr und Swen

treiben seitdem in einem restaurierten

chern aus vergangenen Zeiten und notie-

Kernemann-Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

ren, was sie dabei bewegt.

KULINARISCHE NACHLESE IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

Die Küche der Neuzeit Praktisches Kochbuch für naturgemäße Lebensweise Herausgegeben von Frieda Mangold, Berlin Vorwort von Dr. med. Carl Sorge, Erlangen 5. erweiterte Auflage, 23. bis 32. Tausend Verlag „Die Küche der Neuzeit“ Heilbronn a. N. 1929 Preis (antiquarisch): 12,00 Euro

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Kulinarische Nachlese RUBRIKEN

Auf Frieda Mangold, die Verfasserin und Herausgeberin des 69-sei­ tigen vegetarischen Rezeptbüchleins, das wir ihnen in dieser Gar­ con-Ausgabe vorstellen, machte uns eine langjährige Stammkun­ din aufmerksam. Birgit Jochens ist Historikerin, leitete 25 Jahre lang das Muse­ um Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim und be­gann nach ihrer Pensionierung, sich mit Berliner Kochbuch-Autorinnen und deren Werken zu beschäftigen. Inzwischen ist ein Buch ent­ standen, das, so erzählte uns Birgit Jochens kürzlich, im kommen­ den Jahr erscheinen könnte. Sie bat uns, noch nichts über den In­ halt zu schreiben, wir versprachen es und halten uns natürlich daran. Also sagen wir heute nur, dass wir sehr gespannt auf den Band sind – vor allem auch deshalb, weil Frauen wie Hedwig Heyl, Hele­ ne Löffler oder Lina Morgenstern, die zu ihrer Zeit zu den meistge­ lesenen Autorinnen zählten, nur selten eine Würdigung ihrer kultur-

Historikerin, Museumsleiterin a.D. und Autorin Birgit Jochens.

die der sogenannten Lebensreformbewegung anhingen, Tantra und Yoga praktizierten und sich streng vegetarisch ernährten. Hier machte sich Frieda Mangold offenbar auch einen Namen als Koch­ lehrerin. Im Vorwort ihres Buches schreibt der Erlangener Medi­ ziner Dr. Carl Sorge, dass sie „durch ihre Kochkurse weit bekannt wurde – in ganz Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und der Schweiz.“ Einer Fußnote schließlich verdanken wir den Hinweis darauf, dass Frieda Mangold – wahrscheinlich 1927 oder 1928 – in Berlin ein Restaurant und ein angeschlossenes Reformgeschäft eröffne­ te, „um eine richtige, vollwertige Diät öffentlich zu demonstrieren“. Das Speisehaus Mangold befand sich in Berlin W. 57, also in Schöneberg, in der Bülowstraße 19 und gehörte wohl zu den frühen rein vegetarischen Lokalen in der deutschen Hauptstadt. Wir neh­ men an, dass viele der 450 Rezepte ihres „Praktischen Kochbuches für naturgemäße Lebensweise“ auch im Speisehaus Mangold ge­ kocht wurden und dass man die dafür nötigen Zutaten im Reform­ haus Mangold erwerben konnte. und sozialgeschichtlichen Leistungen erfuhren und mit den Jahren in der historischen Versenkung verschwanden. Auch Frieda Mangold ist ein Beispiel dafür. Viel konnten wir über die Verfasserin des „Praktischen Kochbuchs für naturgemä­ ße Lebensweise“, das zwischen 1925 und 1985 immerhin fünfzehn Auflagen mit insgesamt 65.000 Exemplaren erlebte, nicht in Erfah­ rung bringen, zumal auch die Verlage verschwunden sind. Wir wissen, dass sie Ende des 19. Jahrhunderts in Markdorf am Bodensee geboren wurde, Tochter eines Apothekers war, früh hei­ ratete und mit ihrem Mann, dem Bildhauer Paul Aichele, nach Berlin zog. Wann und wo Frieda Mangold Köchin wurde, konnten wir nicht herausfinden. Es gibt lediglich den Hinweis auf ihre Tätigkeit als „Leiterin der Küche des großen Schweizer Etablissements Aryama Herrliberg am Zürichsee“ Mitte der 1920er Jahre. Dabei handelte es sich um eine Art Kommune, in der Menschen zusammenkamen,

Birgit Jochens und Kochbuch-Antiquar Swen Kernemann-Mohr.

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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese

Weil neben guten Büchern und gutem Essen auch Stadtspazier­gän­ ge zu unseren Leidenschaften gehören, machten wir uns auf den Weg nach Schöneberg. Die Bülowstraße, benannt nach einem preu­ ßischen General, heißt noch immer so, das wussten wir. Was wir nicht wussten: Das Haus Bülowstraße 19 existiert nicht mehr. Es bekam, so erzählte uns ein Anwohner, im letzten Kriegsjahr einen Bombentreffer und brannte aus. Die Ruine wurde 1949 gesprengt. Heute steht hier das Aldea-Hotel, eine sechsstöckige Bettenburg, so charmefrei wie ein Betonklotz eben ist. Als wir uns mit Grausen wenden wollten, entdeckten wir eine winzige Bronzetafel: „Archi­ tekturpreis Berlin 2009“. Ja, in dieser Stadt ist man nirgendwo vor Überraschungen sicher. Leider nicht im Fall der Kochbuchautorin Frieda Mangold. Keine Fotos oder andere Dokumente, nichts, das über die wenigen Fakten hinausgeht, die wir schon kennen.

Gefüllte Gurken und Tomaten nach Frieda Mangold.

gesunden Körper zum Privileg machte. „In der Tat nähren sich heu­ te die breiten Massen so, als ob sie ein Volk von Selbstmördern wären“, schrieb Clara Ebert (1863–1949), eine Zeitgenossin Frie­ da Mangolds, in ihrem Buch „Küche der Zukunft auf fleischloser Grundlage“, das 1927 im Dresdner Verlag für angewandte Lebens­ pflege erschien und sich ebenso rasch verbreitete wie Mangolds „Praktisches Kochbuch für naturgemäße Lebensweise“. Neben der Betonung des Wertes etwa von Gemüse für die Ge­ sundheit fanden während der Weimarer Zeit übrigens auch viele neue Erkenntnisse Eingang in die Hauswirtschaftslehre. So verrin­ gerte sich zum Beispiel die Kochdauer der Speisen, schonendere Zu­ bereitungsarten wurden propagiert, Dampf- und Schnellkochtöpfe kamen in Mode, die Kraft der Vitamine wurde erkannt und auf die Ernährung übertragen. Berlin zählte im vorigen Jahr allein 58 rein vegane Bistros, Cafés und Restaurants und gilt damit als Veggie-Paradies. Frieda Man­ gold hätte daran sicher ihre helle Freude. Hotel Aldea Berlin, Bülowstraße 19-22.

www.bibliotheca-culinaria.de

Und auch das Museum Tempelhof-Schöneberg teilte uns mit: „Lei­ der haben wir nichts zu Frieda Mangold, ihrer Speisewirtschaft oder dem Reformhaus in unserem Archiv.“ Ob Frieda Mangold beispielsweise im 1892 in Leipzig gegründe­ ten Deutschen Vegetarierbund eine Rolle spielte, bleibt ebenso im Dunklen wie ihre Beziehung zu dem geheimnisumwitterten Philo­ sophen Otoman Z. A. Ha'nish (1844–1936) und seiner MazdaznanDiät oder zu dem medizinischen Außenseiter Maximilian Oskar Bircher-Brenner (1867–1939), der das Bircher-Müsli als „Sonnen­ lichtnahrung“ erfand. Wie auch immer – nach dem, was wir über Frieda Mangold wis­ sen, zweifeln wir nicht daran, dass diese Frau in den 1920er Jahren in Berlin zu den Protagonisten einer fleischlosen Ernährung zähl­ te und damit auch den Zeitgeist jenes Teils der bürgerlichen Ge­ sellschaft traf, der Stehkragen und Korsett abgelegt hatte und den

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Mit Kohlrabi gefüllter Kartoffelreif nach Frieda Mangold.


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Carsten Schmidt, re., bei der Rennvorbereitung...

... und auf der Strecke, li.

SPORTLICH(ST)ER GASTRONOM

Schmidt, Jahrgang 1964, ist Extremradsportler. Im September ging

Eine offizielle Statistik gibt es nicht, also müssen wir uns bei der

der Geschäftsführer von Schmidt Z&KO. beim Ötztaler Radmara­

Beantwortung der Frage, wie sportlich die Berliner Gastronomen

thon an den Start, einem Rennen, das verniedlichend „Ötzi“ heißt,

sind, auf Insider-Vermutungen verlassen.

aber so gar nichts Niedliches hat: 238 Kilometer, 5.500 Höhenme­

Danach dürfte Golf die am meisten ausgeübte Sportart von

ter, Steigungen und Abfahrten bis zu 18 Prozent.

Köchen, Kellnern, Hoteldirektoren, Restaurantbetreibern, Weinex­

Schmidt, mit Startnummer 2992 ins Rennen gegangen, verlor

perten usw. sein, gefolgt von Angeln, Joggen und Reiten. Eine

zwar bei seiner ersten Teilnahme den Kampf gegen die Karenzzeit,

ganze Reihe spielt Tennis und einige laufen sogar Marathon. Einer

absolvierte aber 152 Kilometer und dabei 3.200 Höhenmeter. Res­

jedoch stellt sie alle in den Schatten: Carsten Schmidt.

pekt! 2019 heißt sein Ziel: Ankommen!

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Gault&Millau RESTAURANTGUIDE DEUTSCHLAND 2019 Über 1.000 Restaurants, neu getestet und b­ ewertet Junge Talente und neue Genusstrends Neu: 70 pop-Adressen, locker und lecker Mit Sonderteil Südtirol ZS Verlag München ISBN 978-3-89883-840-5 Preis 39,99 Euro www.gaultmillau.de

POP-CUISINE

nicht los, dass einige Gastronomen ihre Haube ganz gerne gegen

Da ist der Gault&Millau-Redaktion ja mal ein großer Coup gelun­gen.

die pop-Plakette eintauschen würden...

Das ist jetzt keine süffisante Anspielung auf die vor der offi­ziellen

Um einen Punkt nach oben ging es in Berlin für die Restaurants

Auslieferung der Ausgabe 2019 durchgesickerten Testerge­bnisse –

Horváth (jetzt 18 Punkte), Einsunternull (17), Am Steinplatz, Ernst

ganz und gar nicht. Wir meinen die Premiere der pop-Kategorie.

und Tulus Lotrek (16), Herz & Niere, Cinco by Paco Pérez und Grill

Ein für die Verhältnisse des Guides geradezu knalliges Logo ziert

Royal (15) sowie die Rutz-Weinbar und das 893 Ryōtei (14).

erstmals die Namen von 70 Restaurants, die nach Gault&Millau-

Den größten Sprung in Berlin machte allerdings Tim Raue: von

Version besonders locker und trotzdem lecker genug sind, in ihrem

19 auf 19,5 und damit up in the sky. Jetzt kocht der 44-Jährige fast

Führer zu stehen. Reverenz an die neue Lässigkeit in der deutschen

auf Augenhöhe mit Wissler & Co., der dritte Stern sollte nun wohl

Gastro-Landschaft und vielleicht auch Köder für die young genera­

nur noch eine Frage bis Februar sein.

tion, sich das Buch zu kaufen. Von den 70 Restaurants jedenfalls sind zehn in Berlin am Start, keine Frage also, wo es am meisten poppt in Deutschland. Es fol­

Ach ja, bleibt die Abwertung des Rutz (von 18 auf 17), weil der gute Marco Müller den Testern mitten im Frühsommer unbedingt Eingewecktes servieren musste. Das hat er nun davon.

gen Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und München mit jeweils

Dafür schrieb ihm das Test-Team der FAZ (Jürgen Dollase und

sechs pops sowie Düsseldorf, Leipzig und Nürnberg mit jeweils

Stuart Pigott) die besten kulinarischen Innovationen zu. Auch fürs

drei. Übrigens, wer sich so in der Branche umhört, wird das Gefühl

Eingeweckte. So ist das eben. C´est la vie.

Von der Gourmet-Bibel Gault&Millau in den Rang eines Weltklasse-Kochs erhoben: Tim Raue Superstar.

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GARÇON


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Die Malzfabrik in Berlin-Schöneberg am 29. September 2018: Treffpunkt der besten europäischen Streetfooder.

Richard Johnson, Journalist aus London und Gründer des European Street Food Awards.

STREETFOOD-OLYMPIADE „Paris ist keine Streetfood-Stadt“, sagt Gil de Bizemont. Trotzdem ist der Architekt mit seiner fahrbaren Crêpe-Station nach Berlin ge­ kommen, um die französischen Farben beim Finale des European Street Food Awards zu vertreten. Ob er sich Chancen ausrechne? De Bizemont zeigt auf den polnischen Hightec-Smoker gleich ne­ benan: „Dagegen wird es wohl schwer.“ Das Finale des European Street Food Awards bestritten Teil­ nehmer aus 13 Ländern, darunter auch vier deutsche Teams: Frit­ tenwerk, Jatta Food, Tapiocaria und Piek Fein, ein Food Truck aus Berlin. Kay Sokolowski und Jane Schütt sahnten am Ende für ihren Angus Burger mit Cheddar und Bacon den Publikumspreis ab. Bei der hochkarätig besetzten Jury hatten sie allerdings keine Chance. Die kürte Jah Jyot aus England zum Street Food Champion 2018. Das Siegergericht: Spinat Pancake, gefüllt mit Hähnchen, Tamarin­ Piek Fein aus Berlin gewann am Ende des Tages den Publikumspreis.

Angus Burger, Chickpea Burger, Prime Rib Burger, Korean Kimchi BBQ Burger, Donuts, Pancakes, Steaks...

de und Raita, einer Joghurtsauce mit Gewürzen und Kräutern.

... und fünf Juroren bissen sich durch – darunter Max Strohe vom Sternerestaurant Tulus Lotrek.

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Dr. Carolin Schilde, Brandenburger Staatssekretärin für ländliche Entwicklung und Braumeister Markus Klosterhoff aus Finsterwalde.

Es ist angezapft...

MARC STEYERS SCHLACHTFEST-NOTIZEN „Schlacht-Fest“, mein Freund Harald dehnte das Wort, „wie kann das Töten eines Tieres ein Fest sein?“ Dennoch begleitete er mich – ebenso widerwillig wie neugierig – am letzten Oktobersamstag ins Märkische Ausstellungs- und Freizeitzentrum nach Paaren/Glien und stellte erleichtert fest, dass dort nicht geschlachtet, sondern nur verkauft wurde, was zuvor geschlachtet (und verarbeitet) wor­

®

den war. Damit hatte Harald kein Problem und probierte sich fröh­ lich durch die Spezialitätenofferten der Brandenburger Fleischer. Sein Kommentar: „Das gönne ich mir jetzt mal.“ Normalerweise gehört Harald zu denen, die auf jeden CleanEating-Zug aufspringen und nur das essen, was ihren Körper vo­ ranbringen könnte. Gerstengras und Gojibeeren gehören dazu, Grützwurst nicht. Aber – siehe oben. Und für mich Bestätigung, dass viele der ach so modernen Ernährungstrends schon paranoi­ de Züge tragen.

Es ging um die Wurst: Bei Eva Paulus und Prof. Dr. Thomas Thießen von homemade...

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GARÇON

... sowie bei Innungs-Obermeister Klaus Gerlach und Alicia Utrillas, Betreuerin der deutschen Fleischer-Nationalmannschaft.


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Eingespieltes Ensemble: Die Brandenburger Hausschlachter.

Der Fleischbeschauer: Tierarzt Ulrich Redlich, li.

Auf dem 22. Brandenburger Schlachtfest wurde übrigens auch in echt geschlachtet – genauer – zerlegt und verwurstet. Das Mot­ to der Show: Hausschlachten wie anno dunnemals. Die Idee hatte Holger Wieloch, Chef einer Lübbener Werbe- und Eventagentur. Er begeisterte die Fleischermeister Bernd und Andi Neumann aus Petkus und fand weitere Mitstreiter: den Zimmerermeister Klaus Altkrüger aus Lübben, den Tierarzt Ulrich Redlich aus Dah­ me, den Maurer Rene Linsenbarth aus Golzen und die pensionierte Erzieherin Brigitte Kerstein aus Hennickendorf. Auf Dachböden und Flohmärkten suchten sie die notwendigen Requisiten und Kostü­ me. „Alles, vom Wurstkessel bis zum Fleischbeschauermikroskop, sollte authentisch sein“, so Wieloch, „1930er bis 1950er Jahre.“ Das gelang offensichtlich perfekt, begeisterte die Schlachtfest-Gäste, und selbst Harald war beeindruckt – und das will was heißen, denn er ist Ausstattungsleiter einer großen Filmproduktion. www.proagro.de

„Mama, was macht der Mann?“

Der Initiator: Agenturchef Holger Wieloch.

„Schnitzel, mein Mäuschen.“

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Das Festival Burmé in Penzlin...

... und seine Organisatoren Julia und Holger Gniffke.

KULINARIKFESTIVAL Burmé zum Ersten, das war 2017. Burmé zum Zweiten nun ein Jahr später – tatsächlich mit noch mehr Spin. So gelang es den Orga­ nisatoren des Kulinarikfestivals Nummer eins in Mecklenburg-Vor­ pommern (ein Lob, das nicht aus unserer Feder stammt, sondern das die Spitzenköche des Landes prägten), Mitte September 2018 noch mehr Teilnehmer auf die Burg Penzlin zu locken – nicht, in­ dem sie mit möglichem Umsatz warben, sondern mit dem Interes­ se der Gäste. Und das zieht sowohl bei Sterneköchen als auch bei Raritätenproduzenten. „Noch nie haben sich derart viele Menschen für meine alten Gemüsesorten interessiert“, so beispielsweise Thomas Steger, der in Ückeritz, einem Dörfchen in der Nähe von Demmin, den Gärtnerhof „Guter Heinrich“ betreibt und dort rund 250 Kräuter- und Gemüseseltenheiten kultiviert – von Haferwurz Wikinger-Fans im Gespräch: Prof. Rudolf Simek, re., von der Uni Bonn und Metzgermeister Torsten Klar aus Süderholz.

Aus Berlin angereist: Sternekoch Björn Swanson, re., aus dem Golvet...

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GARÇON

bis Nachtkerze. Ebenso dicht umlagert waren die Stände der See­ schmiede Trebbow oder der Garnelenzucht Grevesmühlen.

... und sein Restaurantleiter Benjamin Becker.


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Gefragt: Seltene alte Gemüsesorten...

... und ihr Züchter, der Biogärtner Thomas Steger, li., aus Ückeritz.

Dazu die fast komplett versammelte erste Reihe der Herdarbeiter aus Mecklenburg und Vorpommern: u.a. Ronny Bell und Holger Mootz (Weinhaus Uhle, Schwerin), Dennis Kühnappel (Gutshaus Lu­ dorf), Pierre Nippkow (Ostseelounge, Dierhagen), Wenzel Pankratz (Forsthaus Strelitz), Daniel Schmidthaler (Alte Schule, Fürstenha­ gen), Hendrik Türk (Kleines Meer, Waren/Müritz), Georg Walther (Blüchers, Göhren-Lebbin), Tom Wickboldt (The O´Room, Herings­ dorf), Raik Zeigner (Ich weiß ein Haus am See, Kuchelmieß/Krakow) und – als Vertreter der Hauptstadt mit gutem MV-Verhältnis – Natur­ weinpapst Holger Schwarz mit seinem Team und die Golvet-Crew mit Björn Swanson und Benjamin Becker an der Spitze. Angesichts von so viel Küchen-Prominenz gingen Anwesenheit und Angebot von Kathrin Baake leider ein bisschen unter. Schade, denn die Sterneköchin aus Malmö (Restaurant Bloom in the Park) zeigte, was die Nachbarn im Norden kulinarisch so umtreibt. www.burme.de

Bestaunt: Kunst- und Hufschmied Stefan Weber, li., aus Trebbow...

... und seine handgefertigten Messer.

GARÇON

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Stadt Land Food-Teller: Bio-Linsen in Rahm mit gebackenem Apfel-Rüben-Chicorée-Gemüse.

Verantwortlich für die Gastronomie in ihren Betrieben: Harald Eck (BVG), Vivien Finke (Wasserbetriebe), Daniel Indlekofer (BSR), v.li.

KANTINEN-GESPRÄCHE

Küchenleiter verweisen in diesem Zusammenhang häufig auf die

Es passte in der ersten Oktoberwoche 2018 alles zusammen: Wäh­

begrenzten Budgets. Dass gute Produkte nicht zwangsläufig einen

rend Berlin als erstes Bundesland seine übergreifende Ernährungs­

höheren Wareneinsatz bedeuten, bewiesen während eines Aktions­

strategie vorstellte, feierten die Foodies das Festival für gutes Es­

tages die Küchenteams der Berliner Verkehrs- und Wasserbetriebe

sen und gute Landwirtschaft. Stadt, Land, Food, initiiert von der

sowie der Berliner Stadtreinigung.

Markthalle Neun, ist keine Fressmesse, sondern Erfahrungsaus­

Gemeinsam mit Patrick Wodni, Kantinenchef des Krankenhau­

tausch, politischer Dialog und Bühne für eine neue Generation von

ses Havelhöhe, kreierten sie einen Stadt Land Food-Teller aus regi­

Lebensmittelenthusiasten.

onalen Bio-Produkten, der in allen drei Betriebsrestaurants für 4,20

„Gutes Essen für alle“ lautete dann auch das diesjährige Festi­ valmotto und – das wir fügen hinzu – überall, denn bei vielen Ver­ anstaltungen stand die Gemeinschaftsverpflegung im Fokus.

Euro angeboten wurde. „Wir sind offen für solche Gerichte“, so Vivien Finke, Chefin der Betriebsgastronomie der Berliner Wasserbetriebe, „und wir stehen

Immerhin isst jeder fünfte Deutsche täglich in einer von 14.000

da auch nicht ganz am Anfang. Wir servieren täglich ein Vitalessen

Kantinen, Betriebsrestaurants oder Mensen. Dort werden jedes

mit höchstens 650 Kalorien, dazu ein vegetarisches oder veganes

Jahr rund 1,5 Milliarden Hauptmahlzeiten zubereitet, die oft aber

Gericht und ein sogenanntes Motto-Gericht sowie einen Klassiker

weder ausgewogen noch gesund sind. Deftig und fett sind immer

für die Traditionalisten. Dabei merken wir, dass die Wasserbetriebe

noch die Spitzenreiter in deutschen Kantinen.

langsam jünger werden. Die neuen Gerichte sind gefragt wie nie.“

Pionier einer zukunftsfähigen Gemeinschaftsverpflegung: Patrick Wodni, Küchenchef der Kantine des Krankenhauses Havelhöhe, re.

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A U F SCH N ITT MASCH I N E

H A N D A U F S C H N I T T MASCHINE

Feierlicher Akt: Reinickendorfs stellvertretender Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen und die Swema-Gründer Swen Straßberger und Maja Linda Gérard, v.li.

MANUFAKTUR-START

für Technik, mit Gemüse zu experimen­

Ein Gewerbehof in der Reinickendorfer Flot­

tieren. Ihr Ziel: die Entwicklung einer Al­

tenstraße am letzten Septemberfreitag, viel

ternative zu den handelsüblichen Brüh­

Volk in feinem Zwirn.

würfeln, -pasten und -pulvern – ohne all

„Planmäßig“, erklärt Swen Straßberger,

die Zu­satz- und Füllstoffe und mit mehr

„planmäßig eröffnen wir heute unsere Le­

Gemüse drin. Suppengrün im Glas sozu­

bensmittelmanufaktur.“ Das Adjektiv hat

sagen, aber in Rohkostqualität.

der gelernte Koch und graduierte Lebens­

Anfangs wurden sie belächelt – jetzt

mitteltechnologe bewusst gewählt. Gut pla­

lächelt keiner mehr. Ihre Swema-Gemüse­

nen, klare Kante, nichts dem Zufall über­

brühe enthält 73 Prozent rohes Bio-Gemü­

lassen, das ist sein Ding – und das seiner

se, die Produkte der Wettbewerber ­gerade

Partnerin Maja Linda Gérard, die ebenfalls

mal so 20 (Alnatura).

den Master in Lebensmitteltechnologie in

Die Gemeinde pro­­bierte und goutierte –

der Tasche hat. Straßberger und Gérard,

die eigene Lebensmittel-Manufaktur war

beide Ende 20, begannen bereits während

da nur die lo­gische Konsequenz.

ihrer Studienzeit an der ­Beuth-Hochschule

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

PERSONALIEN

► Gal Ben Moshe und Jacqueline Lorenz

► Einen Titel hat Evgeny Vikentev schon mal

gehören zusammen – im Leben wie im Job.

abgeräumt, einen inoffiziellen, aber immer­

Ihre erste gemeinsame Großtat: die Eröff­

hin. Der 30-Jährige aus St. Petersburg ist

nung des Restaurants prism in der Char­

unter den vieltätowierten Berliner Spitzen­

lottenburger Fritschestraße am ersten No­

köchen sicher der meisttätowierte. Dass er

vembermittwoch.

auch kulinarisch in der Meisterklasse mit­

Der bekannte Berliner Architekt Patrick

spielen will, zeigen die beiden Menüs, die

Batek, dessen Handschrift u.a. auch das Restaurant Tim Raue trägt, krempelte die Ex-Fräulein-Fiona-Räumlichkeiten komplett um, setzte auf warme Grau- und Blautöne sowie auf Nussbaum, Samt und Messing und schuf so ein angenehm heimeliges Metro­ polenrestaurant. Michael Ruf.

Der israelische Spitzenkoch Gal Ben Mo­ she, dessen bisheriges Restaurant Glass

► Michael Ruf, 59, ist waschechter Berliner. Der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Bolle folgten Jahre als Vertriebsmitar­ beiter großer Firmen. Nun eröffnete er ein kleines Geschäft im Nikolaiviertel: „Ick bin Berliner“ bietet Lebensmittel und Geschenk­ artikel aus Berliner Manufakturen. Evgeny Vikentev.

www.ick-bin-berliner-de

Vikentev seinen Gästen im Ende Oktober eröffneten Berliner Restaurant Cell (Uh­ landstraße 172) offeriert – Time Steps mit Austern, Muscheln, Fisch und Wild sowie das vegetarische Root Religions. Jeweils neun Gänge für 110 Euro. Vikentev absolvierte eine Kochschule in

Gal Ben Moshe und Jacqueline Lorenz.

Russland und begann seine ­Küchenkarriere in den St. Petersburger Spitzenrestaurants

bereits mit 16 Gault-Millau-Punkten notiert

Il Palazzo und La Marée, in denen Chefs aus

war, serviert hier seine Interpretation der

dem Ausland Regie führten.

Küche der Levante, die derzeit in ­Europa

Von ihnen inspiriert, ging er nach Barce­

total angesagt ist und sich anschickt, un­

lona zu Albert Adrià und ins ligurische Noli

serer Esskultur einen völlig neuen Spin zu

zu Giuseppe Richebuono. Zurück in seiner

verleihen – legerer, gesünder, aromatischer

Heimatstadt eröffnete er mit dem Hamlet & Jacks sein erstes eigenes Restaurant und

Josefine Staats.

und – last but not least – auch weltoffener. Dazu offeriert seine aus Berlin stam­

► Josefine Staats gehört zu den erfolg­

mende Partnerin Jacqueline Lorenz, kürz­

Nun also Berlin. Und damit jeder weiß,

reichsten mittelständischen Lebensmittel­

lich erst unter die 50 besten Sommeliers

wohin die Reise gehen soll, engagierte er –

unternehmern in Berlin. Als sie 2008 die

Deutschlands gewählt, ihre Weinfavoriten –

als Statthalter sozusagen – gleich eine rich­

Kulau GmbH zur Produktion und Vermark­

immerhin 230 Positionen zählt die Karte.

tige Hausnummer: Simon Dienemann, der

tung von Kokosprodukten gründete, pro­

Mehr über Gal Ben Moshe, Jacqueline Lo­

immerhin mal Souschef bei Tim Raue und

phezeiten ihr selbst Freunde ein schnelles

renz und ihr Restaurant prism in unserer

Phil Howard in London war.

Ende. Nun feierte sie ihr Zehnjähriges.

nächsten Ausgabe.

www.cell.restaurant

www.kulau.de

www.prismberlin.de

avancierte schnell zum Superstar.

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GARCON-QUIZ

VERLAG UND REDAKTION Bild Art Media Verlag Inh. Yvonne Weinlich Marzahner Promenade 26 12679 Berlin Fon 0 30 - 28 86 79 70 Fax 0 30 - 28 86 79 69 info@bildart-verlag.de www.garcon24.de | facebook.de/garcon24 HERAUSGEBER Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.) REDAKTION Petra Leonhardt (Leitung) Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Corinna Hägele, Marc Steyer, Wolf-Dietrich Strobel Tabata Thiel (Praktikantin) AUTOREN UND KOLUMNISTEN Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans ­Diener, Stephan Falke, ­Dieter ­Fuhrmann, ­Marcus ­Fuhrmann, Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono, Johannes Mohr, Jörg Teuscher, Thor­ sten Tonski, Ruben Voisard, M ­ arion Wiese GRAFIK, ILLUSTRATIONEN UND LAYOUT Melanie Budinger www.melanie-budinger.de TITELBILD Marie Geißler www.mariegeissler.de FOTOS Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garcon, Bastian Werner/Hotel Bei Schumann 6 (1/S.4 oben, 1/S.24 oben, 4/S.25), Kathrin Wohlmuth-Konrad privat (1/S.52 Mitte), Anaïs

Keine Frage, das Borchardt ist eher eine

Wir wollen wissen, wo es sich befand:

(5/S.74 u. 75 oben), Frank Besinger (2/S.94

Institution als ein Restaurant. Der ­heute bekannteste Berliner Schauplatz des ­Sehens und Gesehenwerdens brachte es schon von 1853 bis 1945 als Weinlokal und Delikates­ senhandlung auf eine fast hundertjährige Geschichte. Es folgte ein knapp vierzigjäh­

A in der Berliner Kongresshalle B im Flughafen Tempelhof C im Rathaus Schöneberg

arbeiterversorgung und Lagerhalle. 1992

Bildart Media Verlag

In den 1960er Jahren gab es auch in Westan den legendären Firmengründer Friedrich Wilhelm Borchardt erinnerte.

­B erlin (1/S.115), Hanabira (1/S.115), ASGASTRO GmbH/Lars Reßler Fotografie (5/S.115-116), Maître Philippe/PWB Philipp

Ihre Antwort bitte an:

Berlin ein Restaurant gleichen Namens, das

FOTOS GUIDE www.bleiche.de (1/S.115), Popcorn Bakery

(1/S.115), Beumer&Lutum/Magali Fuhs-Balster

te „Lukullus“, „Gastmahl des Meeres“, Bau­

Marina Richter das Borchardt neu.

unten), Markthalle Neun (1/S.101, oben re.), ­w ww.­sportograf.com (1/S.105 oben re.), Samantha Sin (1/S.114 re.)

riges DDR-Zwischenspiel als HO-Gaststät­

schließlich eröffneten Roland Mary und

Causse privat (3/S.63), Dauby Mère & Fille (2/S.70 u. 71 Mitte), Maria Hinrichsen privat

Weber-Bertram (1/S.116), Hotel Ellington/ Amin Akhtar (1/S.116), 25 Teiche/BVLH/ Rosendahl (1/S.117), Goldkörner/Patricja

Redaktion GARÇON

Zienterski (1/S.117), Strandhotel Fischland

Marzahner Promenade 26

(1/S.117), Strandhotel Dünenmeer (1/S.117),

12679 Berlin E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 29. Dezember 2018. Die Gewinne werden per Post zugesandt.

Olaf Schnelle (1/S.117) ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Henriette Jüngel anzeigen@bildart-verlag.de DRUCK www.erfolgssysteme24.de BEZUGSHINWEISE Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abon­ nement. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,45 Euro Versandkosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Ver­ lages. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Ver­vielfältigung auf Datenträgern nur nach schrift­ licher Bestätigung des Verlages.

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GARÇON


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Unser Wasser spricht fßr sich. Ohne uns läuft nix.


EIN ARCHITEKTONISCHER SCHATZ MIT CHARME DER SPÄTEN ZWANZIGER In der Nünberger Strasse befindet sich die wohl längste, auffälligste und eine der schönsten Fassaden Berlins. Das "Haus Nürnberg", wie es ursprünglich hieß, entstand 1928-31 unter dem Eindruck der bahnbrechenden Bauten des Berliner Architekten Erich Mendelsohn. Das im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Gebäude ist mit seiner mit Travertin verkleideten Natursteinfassade, den auffälligen Messingrahmen der hohen Schaufenster, den abgerundeten Erkerecken und den horizontal gezogenen Linien ein wahrer Blickfang. Auch im Inneren ist vieles erhalten geblieben, wie das Original-Foyer mit den hohen, in Messing eingefassten Glastüren, die cremeweißen Keramikkacheln mit zartgrüner Linie, das Haupttreppenhaus mit seinen massiven Steinstufen und dem aufwändig geformten Handlauf aus Keramik, die Stuckornamente an den Decken und die vergoldeten Schriftzüge an den Wänden. Seit 2007 beinhaltet das denkmalgeschützte Gebäude ein Vier-Sterne-Designhotel mit 285 hellen Zimmern und Suiten, dem mehrfach ausgezeichenten Restaurant DUKE mit anschließendem Sommergarten und einen Veranstaltungsbereich mit zehn flexiblen Räumen. Tipp: Im kommenden Jahr stehen (kulinarische) Veranstaltungen im Zuge von "100 Jahre Bauhaus" im Eventkalender.

ELLINGTON HOTEL BERLIN | NÜRNBERGER STRASSE 50-55 | 10789 BERLIN | +49 (0)30 68 315-0 | CONTACT@ELLINGTON-HOTEL.COM

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