VAMPIRIA MADE IN STIRIA

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VAMPIRIA MADE IN STIRIA ... von der Zauberey der Abgestorbenen 1 von Dr. Peter Kneissl, St. Peter Freienstein

In Fortführung des Historischen Gerichtstages, welcher am 3. Oktober 2010 in St. Peter Freienstein stattfand und mit 160 Zusehern zudem ein großer Erfolg war, folgt nun am 28. August 2011 eine Historische Veranstaltung zum Thema der Vampire in der Steiermark. Wenngleich man geneigt ist Vampire vor allem in Rumänien anzusiedeln, so gab es diese Wesen auch in der Steiermark.

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Der Untertitel stammt aus dem Vampirtraktat des Gerhard van Swieten, erschienen 1768 in Augsburg.


Für die Drucklegung ist Michael Grossmann vom Renner Institut Steiermark herzlicher Dank meinerseits abzustatten. Wie bereits im vorigen Jahr bei der Broschüre über die Werwöl-

fe von Freyenstein hat er auch heuer wieder in seiner grenzenlosen Generosität und Freigebigkeit die nun hier vorliegende Publikation überhaupt erst ermöglicht.

Bezüglich der Marktgemeinde St. Peter Freienstein sei hier stellvertretend für alle fleißigen Helfer und Unterstützer Frau Bürgermeisterin Anita Weinkogl herzlichst bedankt, ebenso vom Fuhrhof Sankt Peter Herrn GR Manfred Rieberer und dessen Vater Peter Rieberer. Großes Lob und vielen Dank gebührt schließlich auch den Darstellern Frau Renate Kneissl als Blutgräfin Erzebeth Bathory und Frau Mag.a Ehrentraud Lebenbauer als deren Zofe und Herrn Thomas Walcher, welcher sich als Vampir im Steinhaus zur Verfügung stellte. Keine Sorge: Seine Pfählung hat er bestens überstanden und erfreut sich allerbester Gesundheit. Herzlicher Dank gebührt auch Frau Mag.a Martina Edler, Bibliothekarin am Volkskundemuseum, Universalmuseum Joanneum, für die Einsichtnahme in die Aufzeichnungen von P. Romuald Pramberger über die Spuren des Vampyrglaubens am 27. Januar 2011.


Was ist nun ein Vampir? Schier unüberblickbar ist die Literatur über die Vampire und ebenso unüberschaubar ist auch längst die Vielzahl jener Filme und Dokumentationen geworden, welche sich mit diesen Figuren der Mythologie und des Volksglaubens beschäftigen. Wie bei den Werwölfen ist auch bei den Vampiren in noch weit stärkerem Maße eine Mischung von Neugier, Skepsis, Furcht und zugleich freudiger Erregung wahrzunehmen. Was fasziniert die Menschen nun schon seit der Antike an den rätselhaften Untoten, welche nachts aus ihren Gräbern, Grüften und Särgen steigen und die Lebenden heimsuchen, um ihnen den Lebenssaft auszusaugen? Bereits im Zeitalter der Antike begegnen wir in der Komödie `Die Frösche´ des Aristophanes (um 400 v. Chr.) der Vampirgestalt der Empusa2. Diese pflegte andauernd ihre Gestalt zu verändern und erschien einmal als schöne Frau, dann als Schaf oder als Rind – mit dem Ziel, Kindern das Blut auszusaugen. Sie war auf Kinder spezialisiert, da deren Blut noch am frischesten ist. Blut galt bereits

in der Antike als Garant für das Leben bzw. Überleben des Menschen. Wenn das Blut bzw. zu viel davon aus dem Körper entweicht, so stirbt der Mensch unweigerlich. Ein beliebtes Kraut zur Blutstillung war schon im antiken Griechenland die Schafgarbe (lat. Achillea millefolium), auch Kraut des Achill genannt. Der Sage nach soll der Zentaure Chiron, ein Mischwesen aus Pferdeleib mit menschlichem Oberkörper, (Sternbild Schütze vom 23. November bis 21. Dezember) einst als Lehrer seinem Schüler, dem Helden Achill, dieses wundertätige Kraut geschenkt haben, der es zur Blutstillung verwendete.3

Heubner, Die Frösche von Aristophanes, S. 37 u. 119. Kneissl, Vorlesungsmitschrift des Autors über Volksmedizin bei Fr. Univ.-Prof. Dr. Elfriede Grabner, SS 1995. 2 3


Die historische Figur für Bram Stokers Roman `Dracula´ bot Graf Vlad III. Tepes (geb. 7. Dezember 1431 bis Dezember 1476 oder Januar 1477) und er war Woiwode der Grafschaft Walachei in den Jahren 1448, von 1456 bis 1462 und im Jahre 1476. Von äußerst unattraktivem Äußeren und einer gewissen Grausamkeit in seiner Handlungsweise, war er ringsum gefürchtet. So nimmt es nicht wunder, dass er im Dezember 1476 oder im

Januar 1477 ermordet und in einem verrufenen Inselkloster im südlichen Rumänien seine letzte Ruhestätte fand. Aber entgegen aller Schauergeschichten, welche rund um Dracula kursierten - zu Lebzeiten des Woiwoden dichtete ihm niemand an, er würde den Leuten das Blut aussaugen. Dies war erst spätere Zutat von Bram Stoker, worauf an gegebener Stelle noch ausführlicher eingegangen wird.4

Bandini, Vampirbuch, S. 29 bis 36. Ein umfangreiches Bild von Dracula und seiner Epoche gibt Märtin. Siehe auch bei Borrmann, Vampirismus, S. 157 bis 163 und bei Langbein, Werwölfe, Zombies und Vampire, S. 223 u. 224..

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Eine Frau, welche unbedingt zur Sprache kommen muss, wenn von Vampiren die Rede ist, ist Erzsebeth (Elisabeth) Bathory (7. August 1560 bis 21. August 1614). Beseelt vom Wahn, nur durch das frische Blut ihrer möglichst jungfräulichen weiblichen Untertanen ewige Jugend und Schönheit zu erhalten, ließ sie über 400 junge Frauen einfach ausbluten. Schließlich wurde die Bathory in ihrem Schloss Cesjte (Cachtice) gefangen gesetzt und gab folgende Greueltaten zu: Sie habe die jungen Mädchen mit Nadeln traktiert, ausbluten lassen und im Winter mussten diese vor der unfreiwilligen Blutspende oftmals stundenlang bei eiskaltem Winterwetter und Sturm im Schlosspark ausharren. Erst dann waren sie der hohen Frau genüglich vorbereitet, um ihr zur Erhaltung ihrer Schönheit

zu dienen. Ihren Beinamen „Blutgräfin“ hat sich die Bathory somit wahrlich mehr als nur bei oberflächlicher Betrachtung verdient! Kaiser Matthias II. ließ die Mörderin wegen der Tötung von 613 jungen Frauen in ein kleines Gemach ihrer Burg einmauern, wo ihr durch eine kleine Öffnung Essen und Wasser zugereicht wurden – im August 1614 war die Blutgräfin Bathory gestorben. Ihr größter Fehler, welcher schließlich auch zur Aufdeckung ihrer Mordtaten führte, war dass sie sich schließlich auch an den Töchtern lokaler Adeliger zu vergreifen begann. Solange die Bathory ihre Opfer nur aus ihren bäuerlichen Untertanen rekrutierte, interessierte dies niemand. Auch in Wien besaß die unheimliche Frau ein Palais nahe der kaiserlichen Residenz, in der Augustinerstraße 12.5

Bouchal – Lukacs, Unheimliches Wien, S. 55 u. 56. Siehe auch Bandini, Vampirbuch, S. 40 u. 41. Siehe auch bei Borrmann, Vampirismus, S. 207 bis 212. Vgl. auch bei Langbein, Zombies, Werwölfe und Vampire, S. 224 bis 228.

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Vampire des 18. Jahrhunderts Bereits seit dem Jahre 1725 erreichten immer wieder Berichte über Vampire aus dem Königreich Serbien den Wiener Hof und sorgten dort für großes Erstaunen, Furcht und enormes Interesse. In einem Protokoll vom 12. Dezember 17316 beschreibt der Physikus Glaser die Vorgänge um die Vampire von Metwett (Medvegya) an der Morawa wie folgt: Das unheimliche Sterben durch die Vampire werde nicht aufhören, bis die löbliche Obrigkeit in einer eigenen Resolution sich der Sache annehmen würde. Bei Lebzeiten befanden sich in dem Dorf Metwett zwei Weiber, welche die alleinige Ursache des Vampirunwesens dort seien. Die beiden Weiber haben schon zu Lebzeiten davon gesprochen, dass sie Vampire seien und nach ihrem Tod als solche die Lebenden heimsuchen würden. Daraufhin hat der Physikus Glaser zehn solcher Vampirgräber öffnen und eingehender untersuchen lassen.

Der erste Vampir, mit Namen Milizia, etwa 5o Jahr alt, kam vor sechs Jahren von der türkischen Grenze herüber nach Metwett und erzählte überall, sie habe in der Türkei von zwei Schafen gegessen, welche einst von einem Vampir angefallen worden waren. So würde sie nach ihrem Tod gleichfalls ein Vampir werden. Und tatsächlich: Der Körper im Grab war nach sieben Wochen in der feuchten Erde mit offenem Mund aufgefunden worden, helles und frisches Blut sei aus Nase und Mund herausgeflossen, der gesamte Leib von frischem Blut unterlaufen und davon förmlich aufgebläht – dabei war die Tote zu Lebzeiten von auffallend dünner und hagerer Konstitution gewesen.

Physikus Glaser über die Vampire von Metwett (Medvegya) an der Morawa vom 12. Dezember 1731, HHSTA, Hofkammerarchiv, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 642, fol. 1131 r – 1135 r.

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Der zweite Vampir, Stanno, eine junge Frau von 20 Jahren starb im Kindbett. Auch das neu geborene Kind, welches noch nicht die Taufe empfangen hatte, starb unmittelbar nach der Geburt. Sie erzählte ihren Nachbarn, dass sie, da sie noch auf der türkischen Seite war, sich zum Schutz vor Vampiren mit dem Blut eines Vampires am ganzen Körper eingerieben hätte. Dadurch würde sie selbst nach ihrem Tod zum Vampir werden. Das Kind wurde gar nicht auf dem Friedhof begraben, sondern daneben hinter einem Zaun, an welchem die Mutter täglich vorbeiging. Nachdem die Tote einen Monat im Grab gelegen hatte, fand man auch ihren Leichnam dort unten liegend vor, wie es sich für einen wahren Vampir geziemt: Unversehrt, von auffallender Schönheit, voll mit Blut und davon förmlich aufgebläht! Laut Aussage des Physikus Glaser, der beide Leichname selbst in Augenschein nahm, falle es einem angesichts solcher An-

blicke wahrlich schwer, den Vampirglauben, welcher in der gesamten Region noch immer weit verbreitet ist, für reinen Aberglauben zu halten. Um endgültige Gewissheit hierüber zu erlangen, wurde der Regimentsfeldscher Johann Flückinger mit einer erneuten Untersuchung der Vorgänge um die Vampire von Metwett beauftragt, worüber er in einem Bericht vom 29. Februar 17327 mitteilt: Nach einhelliger Aussage der bei der Visitation am 7. Januar 1732 anwesenden Zeugen habe sich der hiesige Heiduke Arnont Pavle durch den Absturz von einem Heuwagen vor fünf Jahren den Hals gebrochen und zuvor im Orte Metwett folgendes berichtet: Er sei auf der türkischen Seite von einem Vampir geplagt worden und habe daher von der Erde eines Vampirgrabes gegessen und sich mit dessen Blut eingerieben, um von dieser Plage befreit zu werden. Als er starb, sagten einige der Ortsbewohner

Regimentsfeldscher Johann Flückinger über die Vampire von Metwett (Medvegya) an der Morawa vom 29. Februar 1732, HHSTA, Hofkammerarchiv, Hoffinzanz Ungarn, rote Nr. 654, fol. 1138. 7


aus, sie wären schon 20 oder 30 Tage nach dem Tod des Pavle von dessen Vampirgeist geplagt worden und er habe tatsächlich auch vier Personen umgebracht. Um das Übel endgültig abzustellen, riet ihnen der Amtmann, man solle nach nunmehr 40 Tagen die Leiche wieder ausgraben und in Augenschein nehmen. Man fand den Leichnam des Mannes völlig unverwest im Grab liegend vor; aus Augen, Nase, Mund und Ohren sei ihm frisches Blut geronnen, welches auch Hemd, Leichentuch und Strümpfe ganz besudelt hätte. Zudem seien die alten Fingerund Fußnägel mitsamt der Haut abgefallen und durch neue ersetzt worden. Somit zweifellos ein Vampir! Man schlug dem Leichnam somit nach alter Gewohntheit einen Pfahl ins Herz! In der Zeit Maria Theresias war es ihr Leibarzt Gerhard van Swieten (1700 bis 1772), welcher sich in den Jahren 1755 und 1756 in Mähren umsah, was es mit dem Vampirglauben jener Regionen tatsächlich auf sich hatte. Einen derarti-

gen Aberglauben noch in einer solch intensiven Häufigkeit und in solch starker Verwurzeltheit vorzufinden, hatte der gelehrte und rational eingestellte Leibarzt gewiss nicht erwartet. Van Swieten, aus den Niederlanden stammend, hatte in Löwen und Leyden bei Hermanus Booerhave, dem größten Reformer des medizinischen Unterrichtes studiert und wurde im Jahre 1745 nach Wien berufen. Dort wurde er Hofbibliothekar der Monarchin und innerhalb weniger Jahre für das gesamte Medizin- und Sanitätswesen zuständig. Nicht gerade beliebt und bei den Studenten ob seiner unerbittlichen Strenge gefürchtet, bleiben seine Verdienste um die medizinischen Fächer bis heute unbestritten: Gründung von Spitälern, Waisen- und Findelhäusern, Gebärkliniken, Forschungsinstitute und der Veterinärmedizinischen Universität – all die vorgenannten Institutionen wurden von van Swieten ins Leben gerufen bzw. verdanken ihm die geistige Vorarbeit zu ihrer Entstehung.


Vampyrismus 8 von Herrn Baron Gerhard van Swieten verfasset, Augsburg 1768.9

Vorrede Die vorliegende Schrift über das Daseyn der Gespenster ist mit größter Deutlichkeit, gründlicher Gelehrtheit und bester Ordnung von mir abgefasst worden. Also werden hier lediglich einige Anmerkungen über diejenige verborgene Zauberei angefügt, welche unter dem Titel Vampyrismus bis heute umgehen. Abgefasst von Gerhard Baron van Swieten, dem Leibarzte der Kaiserlichen Majestäten und Hofbibliothekar.

Der Aberglauben rund um die Vampyre wird gemeinhin in Latein als `Magia Posthuma´ oder `Zauberey der Abgestorbenen´ bezeichnet. Diese steigen aus ihren Gräbern wieder heraus, klopfen an die Haustüren, verursachen im Haus allerlei Getöse und verursachen den Tod der Bewohner. Zahlreich sind die Befehle der Majestäten diesen unnötig Angst verbreitenden Aberglauben endgültig abzustellen.

Einige Worte des Traktates wurden vom Autor mit voller Absicht in der barocken Schreibweise belassen.

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Swieten, Vampyrismus. Kurzfassung des Traktates des Leibarztes Maria Theresias über den Vampyrismus. Einzusehen im Internet unter dem Stichwort und Suchbegriff `Gerhard van Swieten´. Dem Leser zuliebe vom Autor in heute geläufiges Deutsch übertragen. Vgl. hierzu auch bei Bouchal – Lukacs, Unheimliches Wien, S. 59 bis 63.

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§1 Vom Vampyrismus überhaupt. Wann immer der Mensch nicht in der Lage ist ein Phänomen vernünftig zu erklären, so muss immer sogleich eine höhere Macht herhalten, welche dies Unerklärliche zu deuten vermag. Trotz der Wundergnade Gottes lehrt die Kirchengeschichte, dass es schon zu allen Zeiten böse Geister gab, welche daneben auch dem Menschen Schaden zufügen konnten. Obwohl die modernen Wissenschaften wie Astronomie und andere schon viel erklären und verbessern konnten, liegt hier im tiefsten Aberglauben noch sehr vieles im Argen. Leider vermögen auch heute noch Schießpulver, Elektrizität, Spiegel und ähnliche optische Kunststücke allzu viele einfältige Narren in unbegründetes Staunen und maßlose Angst zu versetzen. 1732 in einem Dorf in Siebenbürgen trug es sich zu, dass manche der Vampyrii aus ihren Gräbern stiegen und sie würden sowohl den Menschen wie auch

dem Vieh das Blut aus den Körpern saugen. Wer mit solchen Menschen Kontakt hat und von ihnen gar gebissen wird, muss zwangsläufig selbst eine solche abscheuliche Kreatur werden. Ebenso ergeht es jenen, die Fleisch von einem Stück Vieh verzehren, welches von einem Vampir gebissen wurde. Der Amtmann (auch Hadvagy genannt) muss der betreffenden Leiche einen spitzen Pflock durch die Brust treiben, ihr den Kopf abschlagen, alles verbrennen und die Asche entweder vergraben oder noch besser in den nächsten Fluss werfen, damit alles mit dem Wasser davon geschwemmt wird. 1755 versicherte mir vor Ort der Henker, dass aus den zerhackten Körpern der zum Tode Verurteilten auffallend viel Blut herausspritzte. Die Körper der Vampyre verwesen nicht und die Vampyre belästigen und ängstigen die Lebenden durch Erscheinungen, Rumoren und als Druck – und Plagegeister.


§2 Ob die Körper der Vampyren faulen? Wiewohl der menschliche Körper nach seinem Tode zum Verfaulen neigt, wenn er im Grab mit Erde in Berührung kommt, so gibt es hierbei doch auch einige Ausnahmen. Ich habe selbst einige völlig naturgetreu erhalten gebliebene Leichen bei Sargöffnungen gesehen. So war es auch bei den Körpern der beiden in Brüssel verstorbenen Erzherzoginnen10, welche man in Wien völlig unversehrt und wie im Leben stehend in ihren Totentruhen11 liegend vorfand. Jedoch waren diese einbalsamiert und in ihren Zinnsärgen vorsätzlich konserviert worden. Ein ähnlicher Fall wurde mir zudem für das Jahr 1751 aus London berichtet. Auch waren hierbei alle beschriebenen Körper einbalsamiert und somit vorsätzlich zur Erhaltung für folgende

Generationen bestimmt gewesen. Das Phänomen der völligen Unversehrtheit kennt man auch bei außergewöhnlich tiefen Gräbern. Rosina Polak, gestorben den 22. Dezember 1754 wurde am 19. Januar 1755 wieder aus ihrem Grabe herausgeholt und zum Vampyr erklärt, da ihre Leiche noch keinerlei Verwesungsspuren zeigte. Auch die übrigen Körper der vermeintlichen Vampyre wurden vom Konsistorium in Olmütz zur Verbrennung bestimmt. Im Jahre 1724 verbrannte man den Körper eines Menschen 18 Tage nach dessen Tode, weil er mit einem Manne befreundet gewesen war, der im Geruche stand, er sei ein Vampyr! Ein anderer vermeintlicher Vampyr wurde zwei Tage nach seinem Tode verbrannt, weil alle seine Glieder noch biegsam und

Maria Anna, die Schwester Maria Theresias, war im Jahre 1744 bei der Geburt einer Tochter gestorben – auch das Neugeborene überlebte die sehr schwere Geburt nicht. Van Swieten war als Leibarzt der Majestäten in Wien anwesend, als die beiden Särge ankamen. 10

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War früher die weitaus gebräuchlichere Bezeichnung für „Sarg“.


beweglich waren! Aus eben diesem abergläubischen Irrwitz heraus hat das Konsistorium in Olmütz am 23. April 1731 neun Körper vermeintlicher Vampyre verbrennen lassen – darunter gar die Körper von sieben Kleinkindern!

§3 Ob die Vampyre die Lebenden durch Erscheinungen etc. beunruhigen? Bisher konnte noch kein Zeuge glaubwürdig belegen, dass die Toten die Lebenden heimsuchen, sondern all diese Mitteilungen sind lediglich Vorgaukeleien im Schlaf. Jede Katze und jeder Hund (insbesondere bei schwarzer Fellfarbe) sind gleich der Teufel, ja auch jede draußen vorbeilaufende Sau, wenn man nur genau hinhört – man muss sich ja direkt schämen, all die Einfältigkeiten der Zeugenaussagen, welche ich gehört habe, hier wiederzugeben. Die Sallingerin, auch Wenzel Richterin genannt, stand im

Rufe eine Hexe zu sein. Sie ist nun 18 Monate tot und hat Arzneien hergestellt. Ihr eigener Sohn sagte aus, seine Mutter hätte mit Krebsaugen12 Medikmente hergestellt, sie befahl angeblich auch einem Kranken, vier Taler in sein Hemd einzunähen, dann wolle sie ihm die Arznei geben. So soll die Sallingerin die Leute behext haben und ihnen gar die Tage vorhergesagt haben, an welchen sie wieder gesund wurden! Mit den christlichen Sakramenten bestattet, wurde sie 18 Monate danach eine Hexe. Auf die arme Frau wurde nach ihrem Tode Laster auf Laster gehäuft. So wurde die Ruhe des Grabes gestört und die Leiber unschuldiger toter Kinder wurden aus den Gräbern und Grüften wieder hervor gezerrt, wie auch wiederholt die eigenen Kinder die Leiber ihrer toten Eltern als gefährliche Bestien gebrandmarkt haben! Man erklärt diese Bedauernswerten zu Hexen und Zauberern und

Kalkablagerungen in den Mägen von Flusskrebsen, aus denen Medikamente hergestellt wurden. 12


übergibt ihre Leiber einfach dem Schinder zur endgültigen Vernichtung. Wo sind die Gesetze, welche einen solchen Anspruch rechtfertigen? Dass das einfache und ungebildete Volk in solche Wahngebilde verfällt, ist kein Wunder. Dies bewegt mich lediglich zum Mitleiden. Eine besonders grässliche Geschichte rund um einen Vampir mit völlig anderer Ausgangslage trug sich im Jahre 1781 in Kindberg zu. Die Volksmeinung behauptet, dass derjenige unsichtbar wird, welcher die Herzen von sieben Jungfrauen isst. In derartigem Wahn beging der Herzlfresser Paul Reiniger die Morde. Am Kindberger Herzogberg brachte er Magdalena Angerer, eine Näherin um, die nächsten beiden Morde verübte er in Seewiesen und Turnau. Seinem Opfer nahm er den Geldbeutel weg und bezahlte damit in einem Kindberger Geschäft, wo zufällig auch der Verlobte des Opfers anwesend war, sodass 13

Kronen Zeitung vom 23. Februar 2002.

der Täter überführt werden konnte. Besonders ragt unter seinen sieben Mordopfern ein achtjähriges Mädchen heraus! Kaiser Joseph II. begnadigte den offenbar in einem religiösen Wahn befangenen Reininger zu 100 Stockstreichen, welche ihm an drei aufeinander folgenden Tagen verabreicht werden sollten. Danach sollte er in ewigem Gefängnis gehalten werden. Zudem sollten ihm jedes Vierteljahr 5o Stockstreiche verabreicht werden. Nur wenige Monate danach starb Reiniger im Kerker. Noch heute erinnert außerhalb von Kindberg das Marterl am Herzogberg an diesen irren Verbrecher, der ähnlich einem Vampir Menschenherzen samt dem darin enthaltenen Blut verzehrte, um unsichtbar zu werden!13


Zum Vampirglauben des 18. Jahrhunderts Betrachtet man die beiden Berichte aus Metwett und die Ausführungen des Leibarztes van Swieten, so fallen einige Elemente immer wieder auf: Im Falle der Vampire von Metwett der Umstand, dass die Vampire immer von der Zone des türkischen Reiches nach Serbien kamen und dort bereits von einem solchen Unwesen überfallen bzw. befallen worden waren. Schon zu Lebzeiten äußerten die Unglücklichen den Verdacht und die Gewissheit, dass sie nach ihrem Tod zu einem Vampir werden und die Lebenden heimsuchen würden. Bei den Gräberexhumierungen bot sich zudem immer dasselbe Bild: Der Leichnam war überhaupt nicht verwest und aus allen Körperöffnungen war frisches Blut heraus geronnen. Folglich musste der Vampir sich erst von einem seiner mörderischen Streifzüge wieder in seine Grabstätte zurückbegeben haben. Besonders drastisch ist die Schilderung aus

dem Jahre 1732, wobei man auf Anraten des Amtmannes dem Vampir einen spitzen Pflock ins Herz stieß, um diesen endgültig zu vernichten. Weit subtiler ging bei seinen Ausführungen der Leibarzt Maria Theresias vor: Allenthalben hört man bei ihm die Bestürzung über die Leichtgläubigkeit und Ungebildetheit der Landbevölkerung heraus. Solange dieser Umstand nicht beseitigt würde, genauso lange könnte man den Leuten dort alles und jeden nur erdenklichen Unsinn erzählen – und diese würden es auch für bare Münze nehmen. Wirklich erschrocken zeigt sich der gelehrte Medicus über die Dimensionen, welche dort schon die Denunziationen über Vampire wie auch Hexen angenommen haben – ja gar die eigenen Verwandten bezichtigen einander Hexen und Vampire zu sein. So nimmt es nicht Wunder, dass sogar Kinderleichen,


welche im Geruche stehen, Vampire zu sein, vom Konsistorium in Olmütz verbrannt wurden. Welcher Strafen hinsichtlich der Störung der Totenruhe sich hierbei auch die Behörden schuldig machten, wage van Swieten gar nicht genau auszuführen. Dass die oben beschriebenen Eigenarten von Vampiren aus dem reinen Aberglauben wie im Falle von Paul Reininger tatsächlich zu realen Morden an jungen Mädchen und Frauen führen können, ist für die menschliche Phantasie und Vorstellungskraft eigentlich unvorstellbar. Vermutlich war hier tatsächlich religiöser Wahnsinn im Spiel, der sechs junge Frauen und einem Mädchen einen sinnlosen und kannibalischen Tod brachte.

Der Vampir im 19. Jahrhundert Während der Vampir der vorangegangenen Jahrhunderte sich ausschließlich darauf zu beschränken hatte, das Blut der Lebenden aus deren Körpern herauszusaugen, so wurde ihm im 19. Jahrhundert bei den Schriftstellern Joseph Sheridan Le Fanu und Bram Stoker eine neue sexuelle und erotische Komponente beigegeben. Dies entsprach durchaus dem Zeitgeist, welcher trotz aller nach außen gekehrten Prüderie gerade in literarischen Werken die unbefriedigten und unterdrückten Triebe der Zeitgenossen aufs Allerheftigste anzustacheln wusste.14 Joseph Sheridan Le Fanu15 (1814 bis 1873) war zu seiner Zeit einer der bekanntesten Romanschriftsteller, dessen Werke heute leider nahezu in

Insbesondere zur Verbreitung des Vampirs in der Literatur siehe bei Lecouteux, Geschichte der Vampire, S. 18 bis 29. Zur einer genaueren Vertiefung der einzelnen Aspekte ist das Buch von Lecouteux als wertvolle Ergänzung anzusehen. 14

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Haining, Gespenster – Lexikon, S. 161 bis 163.


Vergessenheit geraten sind – völlig zu Unrecht. Sein Hauptwerk ist der Va m p i r r o m a n Carmilla, welcher im Jahre 1872 erschien. Angesiedelt ist die Erzählung, eigentlich eine Novelle im Schloss Hainfeld bei Feldbach, welches einst dem Orientalisten Josef Hammer – Purgstall gehörte. Eines Abends erhalten der Graf und seine Tochter Laura Besuch von einer alten Dame und einem jungen Mädchen namens Carmilla. Die beiden jungen Damen befreunden sich herzlich miteinander und man verbringt ein harmonisches Miteinander. Auffällig ist jedoch, dass sich Carmilla bei Einbruch der Dämmerung immer entschuldigt und den ganzen Tag über unauffindbar ist. Auch in der Nacht kann man sie nirgendwo entdecken. Allmählich häufen sich die Indizien, dass mit dem Mädchen etwas nicht stimmen kann.

Außerdem entdeckt ein herbeigerufener Arzt am Hals der immer mehr geschwächten Laura zwei Wundmale. Ein reisender General hegt schließlich die Vermutung, dass Carmilla eine längst verstorbene Ahnfrau von Lauras Mutter ist und die Lebenden quält und ihnen das Blut aussaugt. Er beschließt den Vampir unschädlich zu machen und Carmilla in ihrem Sarg liegend einen Pfahl durchs Herz zu treiben. Im gleichen Augenblick schreit die Leiche entsetzlich auf, danach wird ihr der Kopf abgeschlagen, woraus das Blut in Strömen quillt. Der Kopf wird auf einem Scheiterhaufen verbrannt und die Asche in den nächsten Fluss gestreut. Seitdem wurde dieser Landstrich nie wieder von Vampiren heimgesucht.


Bram (Abraham) Stoker 16 (1847 bis 1912) schuf mit seinem 1897 erschienenen Vampirroman `Dracula´ 17 den Klassiker der Vampirliteratur schlechthin. Abgefasst in Form von Tagebuchaufzeichnungen und Briefen entsteht ein Szenario, welches den Leser sofort in seinen Bann schlägt. Der junge Rechtsanwaltsgehilfe Jonathan Harker reist nach Transsylvanien (lat. `Land jenseits des Waldes´, hier der Karpaten gemeint), um Graf Dracula bei den Vorbereitungen für einen Grundstückskauf in England behilflich zu sein. Wer die detailreichen Schilderungen zu Anfang des Romans liest, käme wohl kaum auf die Idee, dass Stoker zeit seines Lebens niemals in Rumänien war! Diese

wichtigen Mitteilungen über Land und Leute, sowie die spezifischen Eigenarten der Vampire stammen vom Orientalisten Hermann (Arminius) Vambery, dem Kustos des Nationalmueums in Budapest, dem Stoker im Jahre 1890 begegnete. Voll der allerbesten Vorsätze, seine Arbeit gewissenhaft zu erledigen, muss der junge Mann jedoch erkennen, dass er mit seinem Auftraggeber dem König der Vampire begegnet ist. Völlig verwirrt wird Jonathan Harker in ein Spital in Budapest eingeliefert, während Dracula bereits per Schiff von Varna aus nach London unterwegs ist – mit 50 Kisten Erde von seinem Grab im Gepäck.

Bram Stoker (1847 bis 1912), gebürtiger Ire aus Dublin, erhielt wesentliche Impulse für seine Figur des Grafen Dracula durch seine Zusammenarbeit mit dem Shakespeare – Darsteller John Irving, dem er als Manager und Sekretär über 20 Jahre hinweg diente. Wesentliche Charaktereigenschaften seines Vorgesetzten kombinierte Stoker mit den Mitteilungen von Vambery – hieraus entstand die wohl einzigartige Gestalt des Grafen Dracula. Siehe auch bei Borrmann, Vampirismus, S. 70 bis 77. 16

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Märtin, Dracula, S. 171 bis 178.


In England macht er sich zunächst an Lucy Westenraa heran, eine Freundin von Harkers Verlobter, Minna. Lucy stirbt trotz mehrerer Bluttransfusionen guter Bekannter und wird selbst zu einem Vampir. Man beschließt gemeinsam mit dem Professor Abraham van Helsing, einem Experten in Sachen Vampir den Dämon unschädlich zu machen. Immer mehr seiner 50 Kisten werden mit Kruzifixen und Hostien unschädlich gemacht und der Vampir kehrt per Schiff wieder nach Varna zurück. Nur in seinem Sarg ist er noch sicher, den er von Zigeunern wieder nach Schloss Dracula zurückschaffen lässt. Dort im Schlosshof wird der Sargdeckel geöffnet, die Bestie gepfählt und mit einer Fackel in Brand gesetzt. Damit ist die Welt endlich von Dracula befreit. Bram Stokers Roman haftet eine starke unterschwellige und hintergründige Erotik an, welche das gesamte Werk durchzieht. Für das ausgehen-

de 19. Jahrhundert war dies eine äußerst gewagte Frage des Stils, welche jedoch gerade im viktorianischen Zeitalter mit seiner sprichwörtlichen Prüderie gerne genehmigt wurde – die Verbalerotiker waren der Gesellschaft weit lieber als die Praktiker. Insgesamt bei genauerer Lektüre wird man zudem feststellen, dass der Vampirroman par excellence gegenüber dem tradierten Urteil, er sei so über alle Maßen fad, doch einiges an Hintergrundinformation liefert, welche man ihm auf den ersten Blick wohl nicht zutrauen würde. Nach dem Herzlfresser von Kindberg aus dem späten 18. Jahrhundert machte Peter Rosegger (1843 bis 1918) auf einen ähnlichen Fall, den Herzlfresser von Krieglach, Mathias Bruggraber (1812 bis ?) aufmerksam. Dieser hatte im Jahre 1847 seine Frau Zäzilia, Bäurin vulgo Löwin in Freßnitz erstochen und sie einfach liegengelassen, sodass diese qualvoll verblutete. Nach sie-


benjähriger Haftstrafe kam er wieder in die Heimat zurück und verging sich in geradezu ekelhafter und schier unfassbarer Weise an zwei Leichen, welche am Fronleichnamstage des Jahres 1856 in Krieglach beerdigt wurden: Apollonia Petz, vulgo Schneidersimmerlstochter, sechs Jahre alt und Walburga Königshofer, vulgo Grablertochter, acht Jahre alt. Der Totengräber kam jedoch erst am Abend des 22. Mai 1856 dazu, die Gräber der beiden kleinen Mädchen zuzuschütten. Die Hobelspäne aus den beiden Särgen lagen daneben und anschließend fand der Totengräber beide Särge leer vor. Am nächsten Tag fand ein Bauer die beiden Leichen der Mädchen am nahen Gölk, mit Moos und Erika zugedeckt. Die Untersuchung ergab, dass bei den beiden Leichen die Herzen und jeweils Teile der Leber entnommen worden waren! Der wahnsinnige Täter, der auch den Beinamen „Tiger“ bei den

Nachbarn hatte, wollte sich für seine Ächtung an seinen Mitmenschen rächen. Mithilfe der Herzen der beiden Mädchen wollte er ein starkes Unwetter zaubern, um die Ernte zu vernichten! Zu lebenslanger Haft verurteilt ist das Sterbedatum Bruggrabers nicht in den Sterbematriken verzeichnet. Ein schlichtes Holzkreuz an einer Fichte neben dem Wanderweg am Hochgölk erinnert an die Stelle, wo man die beiden Mädchenleichen fand. Welche menschliche Perversion und Abartigkeit hier am Werke ist, kann man wohl nicht hinreichend erklären. Derartig abscheuliche Verbrechen behalten für alle Zeit hin ihre Aura der Unfassbarkeit. Sich an zwei Mädchen im Alter von sechs bzw. acht Jahren derartig bestialisch zu vergehen, ist schlicht und einfach unsagbare Grausamkeit!


Was hilft nun wirklich gegen Vampire? Knoblauch, Kruzifixe, Tageslicht, Spiegel, Räuchern mit wohlriechenden Kräutern, mit dem Gesicht nach unten in den Sarg legen und begraben (gräbt sich dann tiefer in die Erde hinein, als an die Erdoberfläche). Ein Fischernetz über das Grab des Vampires spannen: Da der Vampir an einem Zählzwang leidet, so muss er vor dem Verlassen seiner Grabstätte erst alle Knoten zählen, welche sich in dem Netz befinden – darüber wird es wiederum Tag und der Vampir muss wieder in die schützende Finsternis zurück.

Legt man einen großen Zweig der Heckenrose (lat. Rosa canina) auf den Sargdeckel eines Vampires, so kann dieser aufgrund des Wohlgeruches, den diese Pflanze verströmt, nicht aus dem Sarg heraus. Vampire haben als Untote und Geschöpfe der Finsternis keinen Schatten – daran kann man sie leicht erkennen. Sie können nicht über das Wasser gehen bzw. haben panische Angst davor, mit dem nassen Element in direkte Berührung zu kommen. Vampire können nur Söhne zeugen, jedoch keine Töchter. Aufgrund der Vielzahl der oben genannten Hilfsmittel gegen Vampire dürfte es wohl nicht sonderlich schwer fallen, sich ihrer zu erwehren.


P. Romuald Pramberger 1 8 (1877 bis 1967) berichtet über Vampire aus der Region um St. Lambrecht in Band IV seiner volkskundlichen Aufzeichnungen folgendes:

Spuren des Vampyrglaubens19 Die winkende Hand Ein Bauer in Mariahof war ein sündiger Wirtshausgeher und hat, wenn er betrunken war, sein Weib und seine Kinder mörderisch gequält. Da ist sein Weib erkrankt und ist gestorben, aber der Bauer ist nicht gescheiter worden, sondern hat nun seine Kinder umso mehr verprügelt.

Einmal nun ist er auch wieder spät in der Nacht rauschig heimgekommen und da hat ihn die Prügellust wieder ganz heftig erfaßt. Zuerst hat er das größere Dirndl aus dem Bett gerissen und geschlagen und so alle bis er beim Jüngsten angelangt ist. Da hat die Stockuhr20 angehoben und zwölf geschlagen. Plötzlich flog die Türe auf und eine Hand ist im Finstern sichtbar geworden und hat ihm gewunken. Da ist dem Bauer freilich der Rausch vergangen, aber von dem Schreck hat er sich niedergelegt und ist ein paar Tage darauf gestorben.

P. Romuald Pramberger, geb. am 12. April 1877 in Pöchlarn wurde nach langer Suche Benediktiner in St. Lambrecht und war generell ein nur wenig zur Unterordnung bereiter Charakter. Von Abt Severin Kalcher erhielt er die Erlaubnis im Umkreis des Klosters volkskundliche Artefakte zu sammeln, woraus die volkskundliche Sammlung des Stiftes entstand. Sein größtes Verdienst ist die Aufzeichnung aller volkskundlichen Mitteilungen, welcher er habhaft werden konnte – die 42 handgeschriebenen Folianten des Benediktinerpaters befinden sich heute in der Bibliothek des Volkskundemuseums am Universalmuseum Joanneum. Pater Romuald Pramberger starb am 7. April 1967 nur wenige Tage vor seinem 90sten Geburtstag. 18

19

Pramberger, Volkskunde, Bd. IV, S. 343 bis 345.

20

Standuhr.


Sand an´s Fenster

Die Kartenspieler

Wie die Nahlerin21 in Ingolstal zum letzten Weg geschürt wurde und wie der Leichenzug am Nachbarhaus, dem Gatterer – Wirt vorbeigieng, hats dort Sand ans Fenster geworfen. Am gleichen Tag noch hat sich der alte Gatterer ins Bett gelegt und ist bald darauf gestorben.

In Lorenzen ob Murau ist auf dem Pfistergute ein Bauer gewesen, der gerne am Samstag „luengerte“23 und mit gleichgesinnten Bauern und dem Holzknecht Sepp viel Karten spielte, am Sonntag aber statt in die Kirche zu gehen, im Bette aber seine Übernächtigkeit ausschlief. Einmal nun saßen sie beisammen und redeten darüber, wie es wohl in der anderen Welt aussehen möge. Und der Bauer und der Sepp machten miteinander aus, dass der, welcher früher stirbt, zurückkommen und dem Anderen Kundschaft von der Ewigkeit geben solle. Nicht gar so lange darauf ist der Sepp krank geworden und hat drei Tag und Nacht mit dem Tod gestritten und hat nicht sterben können, und endlich hat er gar gemacht. Drei Wochen darnach nun ist er zurückgekommen zum Pfisterbauern, und der hat sich nicht wenig gesorgt davor.

Schrecklich Häufiger als Vampyre finden sich Sagen über Kundschaften aus der anderen Welt. Außer einer ganz einfachen Sage erzählt man sich noch eine größere Sage hiervon. Zwei Brüder, die immer im Hader lebten, schieden unversöhnt, als der eine die ewige Reise antrat; und in der Nacht nach dem Begräbnis erschien dieser seinem Bruder in feuriger Gestalt und sagte dreimal: Schrecklich. Christof Krumholz.22

21

Anderes Wort für Großmutter.

22

Der Name des Gewährsmannes des Benedikinterpaters.

23

Ältere Schreibweise für „herumlungern“, auch für „nichtstun“.


Zinnlicht24 ist das Zimmerle geworden, wie der Sepp gekommen ist, und der Bauer hat sich kaum zu fragen getraut: „Nu Sepp, sag, wie geht’s Dir?“ Da hat der Sepp ihm die Hand vors Gesicht gehalten; da ist der Bauer hintergewichen so heiß ist es weggegangen von der Hand. Daraufhin hat ihn der Pfister gefragt: „Vielleicht wär Dir zu helfen?“ Und darauf hat der Sepp geantwortet: „Hart oder gar nicht.“ Und wie der Pfister ihn gefragt hat, wie es in der anderen Welt sei, hat der Sepp ihm drei Worte gesagt und ist dann hinaus bei der Mauer. Die drei Worte hat der Bauer nie gesagt; aber er hat auch nie mehr eine Karte angegriffen und ist sonntags fleißig in die Kirchen gegangen. Martin Mandl j.25, Seppwirtssohn, der sie von einem Holzknecht hörte. Haftet allen Mitteilungen Pater Romualds eine stark moralisierende Note an, so haben wohl

nur die ersten beiden Erzählungen von der winkenden Hand und dem ans Fenster geworfenen Sand beim Leichenzug direkte Verbindung zum Vampirglauben. Wie Pramberger selbst ausführt, haben die beiden letzten Geschichten nur indirekt mit dem Vampirglauben zu tun. Diese handeln eher von Totenerscheinungen und insbesondere die letzte Sage von den Kartenspielern weist ja dezidiert auf die moralische Besserung eines notorischen Kartenspielers hin, welcher sich von seinem zeitund kräfteraubenden Hobby am Sonntage erholen muss, anstatt in die Kirche zu gehen. So haben wir es nur in den ersten beiden Fällen mit Elementen des Vampirglaubens zu tun, während es sich bei den beiden letzten Sagen um Wiedergänger handelt. Trotzdem sei dieser Text aus den Aufzeichnungen des sammelfreudigen Benediktinerpaters aus dem Stift St. Lambrecht hier wiedergegeben.

24

Anderer Ausdruck für „dämmrig“.

25

Name bzw. Vulgoname des Gewährsmannes.


Die beiden erstgenannten Sagen bringen Belege für Mariahof und Ingolstal, welche deutliche Elemente des Vampirglaubens präsentieren, obwohl ein solcher ja nicht ausdrücklich genannt wird. Eine Sage aus St. Peter Freienstein beschäftigt sich ebenfalls mit einem weiblichen Vampir: Eine eitle Jungfer lebte einst im Tollinghof und war ebenso eifrig wie auch verzweifelt darum bemüht ihre Schönheit und Jugend zu erhalten. Eine herum vagierende Alte, welche zudem in dem Rufe stand, eine Hexe zu sein, gab ihr folgenden Rat: Sie solle sich hierzu einfach der vielen Fledermäuse bedienen, welche den Dachstuhl des Wehrhofes am Eingang zum Unteren Tollinggraben so zahlreich bevölkern. Diese Viecher des Satans seien ohnehin zu nichts zu gebrauchen und die Menschen hätten nur große Angst vor ihnen.

Zum Erhalt der ewigen Jugend solle sie das Blut aus dem Kopf der Fledertierte heraus quetschen und deren Herzen essen. Insbesondere das Herzblut, welches aus dem Leben spendenden und zugleich Leben erhaltenden Organ kommt, sei dazu in der Lage ewige Jugend zu verleihen. Die törichte Jungfrau machte sich sogleich begeistert ans Werk, um den Ratschlag der Hexe in die Tat umzusetzen. Man wunderte sich plötzlich, dass keine einzige Fledermaus mehr im Dachgeschoss des Turmes am Tollinghof zu finden war, wo zuvor eine riesige Kolonie der Tiere gehaust hatte. Wie war deren Verschwinden zu erklären? Die Aufklärung erfolgte erst einige Jahre später, als man in der Badestube des Wehrhofes einen grausigen Fund machte: In einer Badewanne voll Fledermausblut lag die so um ihre Jugend bemühte Jungfer, nun in eine hässliche Alte verwandelt. Mit dem Bad im Fledermausblut hatte sie versucht ihren Jugendwahn


zu verwirklichen. Offenbar war sie an etwas erstickt, das sie in großer Eile hinunterzuschlingen versucht hatte. Man öffnete ihr den Mund und fand die Ursache für ihren Tod: Ein hastig zerkautes Herz einer Fledermaus. Seither sieht man hinter dem vernagelten Fenster im Obergeschoss des Wehrturmes in Vollmondnächten eine Frauengestalt stehen, von einem mysteriösen Glanz umgeben: Die Herzerlfresserin vom Tollinghof.26 Diese Sage wurde mir von meiner Großmutter Maria Kneissl (1926 bis 1993) in meiner Kindheit und Jugend wiederholt erzählt, wenn ich mit ihr am Tollinghof vorbeifuhr.

Der Vampir im Film 27 Bei einer so beliebten Figur der Sage und Legende wie dem Vampir konnte es natürlich nicht ausbleiben, dass sich auch der Film und die modernen Medien seiner annahmen. Der erste von zahllosen Filmen, welche

26 27

sich mit dieser Thematik befassten, war „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahre 1922. Weit populärer und auch heute noch häufiger ausgestrahlt werden die Ende der 50er Jahre entstandenen Filme der Darcula – Serie mit Christopher Lee in der Rolle des Königs der Vampire, wie „Dracula“ (1958), „Dracula Fürst der Finsternis“ (1965) und „Nachts wenn Dracula erwacht“ (1958). Ebenso ein Klassiker des Vampirgenres ist Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ aus dem Jahre 1967. Die scheinbare Klamauk – Version „Dracula – Tot aber glücklich“ aus dem Jahre 1995 mit Leslie Nielsen in der Hauptrolle überrascht bei genauerem Anund Hinsehen, dass man sich hierbei peinlich genau an die Romanvorlage gehalten hat. Bezüglich der Blutgräfin Erszebeth Bathory sei hierbei der Film „Die Gräfin“ von und mit Julie Delpy aus dem Jahre 2009 besonders empfohlen.

Kneissl, Volkskunde aus St. Peter – Freienstein, Band VI, S. 55 bis 57. Borrmann, Vampirismus, S. 265 bis 277


Zum Abschluss Wie der Tag „Vampiria made in Stiria“ deutlich zeigt, sind die gefürchteten und geheimnisvollen Blutsauger keineswegs nur auf die Karpaten und Rumänien beschränkt. Auch in der Steiermark finden sich einige Belege für diese Gestalten. Von bestialischen Mördern in Vampirmanier wie in den Fällen von Kindberg und Krieglach bis hin zu Berichten des Benediktinerpaters Romuald Pramberger aus dem frühen 20. Jahrhundert reicht hierbei die Palette der Überlieferung und Dokumentation. Auch eine lokale Sage aus St. Peter Freienstein gilt es diesem Themenkomplex beizusteuern. Sollte man tatsächlich einmal in die Verlegenheit kommen, mit einem Vampir nähere Bekanntschaft zu schließen, so enthält diese Broschüre genug wirksame Abwehrmittel gegen derartige Blutsauger. Man sieht: Schon seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert beschäftigt der Vampir die menschliche Phantasie, und das bis heute – ein Ende ist freilich nicht abzusehen.


Verwendete Quellen und Literatur Bandini, Ditte und Giovanni: Das Vampirbuch. München, 2008. Borrmann, Norbert: Vampirismus oder die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. München, 2000. Bouchal, Robert – Lukacs, Gabriele: Unheimliches Wien. Gruselige Orte, Schaurige Gestalten, Okkulte Experimente. Wien – Graz – Klagenfurt, 2010. Haining, Peter: Das große Gespenster – Lexikon. Geister, Medien und Autoren. Düsseldorf Wien, 1994. HHSTA, = Haus, Hof- und Staatsarchiv, Hofkammerarchiv, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 654, fol. 1131 r – 1135 r. Bericht des Physikus Glaser über die Vampire von Metwett (Medvegya) an der Morawa vom 12. Dezember 1731. HHSTA, = Haus, Hof- und Staatsarchiv, Hofkammerarchiv, Hoffinanz Ungarn, rote Nr. 654, fol. 1138. Bericht des Regimentfeldschers Johann Flückinger über die Vampire von Metwett (Medvegya) an der Morawa vom 29. Februar 1732. Heubner, Heinz: Die Frösche. Komödie von Aristophanes. Stuttgart, 1979. Kneissl, Peter: Mitschrift der Volkskunde – Vorlesung über Volksmedizin bei Fr. Univ.-Prof. Dr. Elfriede Grabner. Universität Graz, SS 1995. Kneissl, Peter: Volkskunde aus St. Peter Freienstein. Handschriftliche Aufzeichnungen, Band VI, S. 55 bis 57. St. Peter Freienstein, 16. November 2009 bis Januar 2011. 193 Seiten. Kronen Zeitung vom 23. Februar 1992 zum Herzlfresser von Kindberg. Langbein, Walter – Jörg: Zombies, Werwölfe und Vampire. In: Habeck, Reinhard (Hg.): Kreaturen der Nacht. Die Welt jenseits unserer Sinne. Zu den Vampiren siehe S. 217 bis 270. Wien, 2006. Lecouteux, Claude: Die Geschichte der Vampire. Metamorphose eines Mythos. Düsseldorf, 2008. Märtin, Ralf – Peter: Dracula. Das Leben des Fürsten Vlad Tepes. Berlin, 2004. Pramberger, Romuald: Spuren des Vampyrglaubens. In: Pramberger Volkskunde, Band IV, Märchen und Volkssagen, Band II. S. 343 bis 345.

GR Dr. Peter Kneissl Historiker und Volkskundler Rechte Siedlungsstrasse 5 8792 St. Peter – Freienstein Mobil: 0664 / 79 55 880 E-Mail: peterkneissl@gmx.at


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