BUREAU MOREAU
anläßlich der Ausstellung der Philosophischen Bauern
Die biophilosophischen Naturstudien der Animalie Circe Naumann-Moreau vom 19. August bis 3. September 2023 im Frizz 23, Friedrichstraße 23, Berlin
Auflage 50 — ©2023 Die Philosophischen Bauern
Chimärchen
Liebe Freunde der Philosophischen Bauern, spätestens seit in der mythologischen Antike die feuerspuckende CHIMAIRA erstmals südlich von Antalya gesichtet wurde, vorne Löwe, hinten Drache, in der Mitte Ziege, mit notorisch übler Laune und gefährlich für alle, die sich näherten, ist das Monsterarsenal der Menschheit auch mit Mischwesen gut gefüllt.
CHIMAIRA selbst, die zumindest begrifflich als Ur-Mischwesen gelten kann, hat davon allerdings nicht viel mitbekommen. Sie wurde im Auftrag des lykischen Königs Iobates recht zügig nach ihrem Erscheinen von Bellerophon, dem listigen Bleigießer, endgültig erledigt. Dass Bellerophon seinen erfolgreichen Angriff auf dem Rücken eines Mischwesens führte, auf Pegasos, dem geflügelten Pferd, zeigt schon: es war an der Zeit, sich an Mischwesen, die seitdem Chimären heißen, zu gewöhnen.
Und das taten dann auch alle.
Bis aber jemand entschied, Chimären systematisch zu erforschen und zu züchten, dauerte es ein Weilchen.
Wir wissen es nicht genau, Details verrät sie nicht, aber es wird um 1900 gewesen sein, als Animalie Circe Naumann-Moreau sich auf den Weg zur weltweit unerreichten Koryphäe der biophilosophischen Chimärenzüchtung gemacht hat.
Ihre Chimären sind fröhliche MIXTA NATURALIA, gemischte Naturphänome, die sich nicht auf Organismen beschränken, wie in der mythologischen Antike und noch heute in der modernen Biologie. NaumannMoreau schimärisiert Freestyle: sie baut Chimären aus Menschen, aus Tieren, aus Pflanzen, aus Pilzen, aus Erde, aus Wasser, aus Luft, aus Steinen, aus Holz oder auch aus Ideen, Begriffen, Theorien, Kunsterzeugnissen.
Wir freuen uns sehr, dass wir auf Vermittlung unseres Ehrenvorsitzenden Johann Andreas Naumann, der in herzlicher Verbundenheit zugleich auch der Lieblingscousin
2. Grades von Animalie Circe NaumannMoreau ist, erstmalig ihre Forschungs- und Züchtungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit präsentieren können.
Orcär
Überflüssige Züchtung der eigens zu diesem Zwecke gegründeten Nowaja Semlja-Gruppe auf Basis einer Idee des trunksüchtigen Willem Barents ein amphibatorisches Wesen zu schaffen, welches sowohl zu Land als auch im Wasser Fressfeinde vermissen lässt. Das meiotische Crossing-over der Gruppe ging allerdings so dermaßen schief, dass sich die ansonsten doch sehr honorige Animalie eine Weiterführung des Projektes in ihren Laboren verbat.
Ikabus Ed
Eine flüchtig dahingeworfene minoische Skizze, die ihr Charles Dickens nach dem Liebesakt auf ihrem Nachttisch plazierte, trieb Animalie zur Idee einer Züchtung, die als Transportmittel im Ionischen Meer der Seefahrt Konkurrenz machen sollte. Die Pläne verschwanden in den Archiven. Später griff Dickens Sohn
Bruce die Idee auf und ihm gelang tatsächlich die Aufzucht eines Prototypen, jedoch verglühte dieser beim Jungfernflug nach Überschreiten der KármánLinie.
Schmeber
Inspiriert durch die recht grausame Hetzjagd auf den Kalydonischen Eber erträumte sich Animalie dessen Rettung mithilfe von Flügeln. Sie begann ein Ferkel mit einem Schmetterling zu kreuzen, was ihr auch tatsächlich gelang. Nur entwickelte die Kreatur eine dermaßen ausgeklügelte Mimikry, dass Animalie nur ab und zu noch ein leises Grunzen oder einen Flügelschlag vernahm, aber sich niemals sicher sein konnte, dass es sich dabei um ihren liebgewonnenen Schmeber handelte.
Karnivor
Entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass der von ihr so verehrte, sie aber stets missachtende Charles Darwin mit der Bitte an Animalie herantrat, seine Venusfalle mit einer gewissen Mobilität auszustatten?
Flugs zog sich Animalie in ihr Labor zurück und es gelang ihr, eine Ratte mit ebenjener Venusfalle zu kreuzen. Blöd nur, dass sich das Vieh unter Darwins Obhut innerhalb weniger Tage selbst fraß, was wiederum Darwin als ordentlichen Deppen dastehen ließ.
Scholf
Auf Bitten eines unter fehlendem Jagdtrieb leidenden Wolfes, sein Aussehn so zu verändern, dass er einem Schaf glich, griff Animalie so geschickt in dessen Genstruktur ein, dass ihm ein Schafspelz wuchs. Der nun zum Scholf mutierte schlich sich in eine Schafsherde, wo er selbst dem Hirten nicht auffiel. Als die Nacht einbrach, verschloss er die Herde nebst Scholf in einem Stall. Dumm nur, dass die Wahl des Schäfers für sein Abendessen ausgerechnet auf den Scholf viel.
Spidai
Ergebnis einer Kungelei zwischen Jack Arnold und Peter Benchley mit dem Ziel, ein Superwesen zu züchten, welches sämtliche Phobien der Menschheit in sich birgt. Man einigte sich auf einen Spidai und Animalie machte sich sogleich an die Züchtung. Das so erschaffende Wesen wusste zu überzeugen, führte aber zu einem fürchterlichen Streit darüber, wer denn nun Urheber dieses Wesens sei. Man einigte sich darauf, es sofort wieder zu töten und niemandem davon zu erzählen.
Ziggy Mouse
Animalie Circe Naumann-Moreau unterhielt schon länger eine sehr enge Freundschaft zu Kansai
Yamamoto. Von ihm erfuhr sie 1973 vom NASA-Forschungsprojekt Life on Mars. Statt der erwarteten vieräugigen Kühe mit Fuchsschwanz fand man aber im Stardust wild tanzende Gestalten der Spezies
Ziggy Mouse
.
Satus Autonomus Juengeri
In einer Rohrpost zum Erscheinen von Animalies
Dissertation Die Biophilosophie des Schimärischen schrieb Ernst Jünger: „Wenn Säfte vegetativer und tierischer Herkunft sich durchdringen, so entstehen neue Moleküle, es bilden sich Ketten und Ringe verschiedenster Art. Seit kurzem sind wir imstande, in diesen Feinbau ein wenig einzublicken.“ Handschriftlich hatte er ergänzt: „Pflanze als autonome Macht!“ Hoch erfreut widmete Animalie ihm die erste Pflanzenwespe.
Die Alraune
Mandragora, aus der Ordnung der Nachtschattenartigen. Sie raunt nicht, sie schreit.
Undine Melusine Konopke S
ie betrieb eine Wurstbude im Wannsee.
Während eines Spaziergangs mit Victor H. anlässlich des Krönungsjubiläums von Karl X. am 29.05.1925 in Reims sah Animalie die Leere in der Mitte des Stadtwappens. Bonjour Tristesse! Als Victor H. ihr beim Diner zuflüsterte: „Reims ist das Land der Chimären“, zeichnete sie auf ihrer Serviette sofort ein hübsches Seepferdchenschwein, das, wie sie fand, sich gut in die Leerstelle fügen würde. Sämtliche Aufnahmeanträge wurden jedoch kommentarlos abgelehnt. Merde!
Dachsorai
Schier ausgesetzt kann man von diesem Wesen trefflich behaupten. Mitte der 1940er Jahre gemeinsam aus einem Labor der Firma Bell entwichen, wurden aus zweien eines und auch als ein solches wollten sie sich hernach verstanden wissen, als sie dann in San Francisco viele Jahre später ohne Reu und Ingrimm über der damals nur Eingeweihten bekannten Twin Peaks Tavern wohnte, lebte, arbeitete und vor allem an ihren berühmten Diaries of Murray Hill vierhändig schrieben.
Alice Alicorn
Animalie Circe Naumann-Moreau war schon immer ein großer Fan von Einhörnern und hasst Unpünktlichkeit. Damit Alice, das Einhorn, pünktlich zum Nachmittagstee die düsteren und geheimnisvollen Räumlichkeiten am Halleschen Ufer 70 erreicht, hat Animalie dem heilbringenden Geschöpf kurzerhand Flügel verliehen. Alice ist jetzt ein Alicorn.
Billy Capra Octopoda
Animalie Circe Naumann-Moreau wollte eigentlich einen Satyrn schaffen. Sie war aber etwas durcheinander, weil sie am vorherigen Abend zu viel Absinth mit Edgar Allan Poe getrunken hatte. Daher schuf
Animalie, noch ganz benommen von der heiteren Geselligkeit, Billy Capra Octopoda. Hicks.
Palatirossi
Eigentlich könnte es fliegen, denn darauf deutet der ganze Körperbau hin; allein, es hat sich dagegen entschieden, gar nicht so sehr, weil es die Höhe, den Wind und all die Leichtigkeit mied, – wie auch, denn auf einem Hügel immer noch weilend, dort vermutlich geboren (von wem?), ist es ein mit ganzer Wonne Kriechendes geworden, das immerzu die Nähe basischen Ergussgestein suchend und dem calcium- und natriumreichen Feldspat nicht abgeneigt ist.
Amanita Caballus
Beim Besuch der Wulstlingsverwandten fiel einem Tungusischen Schamanen auf, dass das nach dem Verzehr von Fliegenpilzen ausgelöste PantherinaSyndrom bei seinem Pferd durchweg positive Verhaltensweisen freisetzte. Er beauftragte Animalie mit der Züchtung einer Chimäre aus Fliegenpilz und Pferd. Der Urin sollte gewonnen, und zur Glücksstimulanz und als Religionsersatz seinem Volk verabreicht werden.
Arachnogirl
In einer schimärischen Formel muss das Maßverhältnis der Teile (m) passen, es darf nie zu Null sein. So ergäbe m = 1 (Spinne) : 0 (Frau) immer eine Spinne, niemals aber eine Spinnenfrau. Das wäre lediglich Metamorphisieren, wie bei Ovid’s Arachne: „Winzig wird der Kopf, und auch der ganze Körper ist geschrumpft.“ (VI, 141) Bei Arachnogirl aus den späten 1970ern hingegen stimmt das Verhältnis. Es dürfte etwa bei m = 0,65 (Spinne) : 0,35 (Girl) liegen.
Rufus Luscus Porcus
Animalie Circe Naumann-Moreau kennt Rufus noch aus dem Kindergarten. Anders als Hildisvini, sein großer Bruder mit den goldenen Borsten und dem kriegerischen Charakter, bevorzugt Rufus es, seine Borsten pink zu färben, grellen Nagellack zu tragen und auf dem Geschenk seiner Oma, einem Fisher
PH-492 Boombox Ghetto Blaster, den ganzen Tag lang
Take On Me von A-ha zu hören.
Heideggermoth
Als Animalie bei Heidegger eine Vorlesung hörte, schlief sie ein. Bis ein Satz sie erreichte, der ihr gefiel: „Der Glaube, das Schimärische in der Gestalt des Nochniedagewesenen entspringe nur der blinden Sucht der Übertreibung, ist falsch“. Heidegger stritt im Anschluss ab, das so gesagt zu haben, er habe vom „Riesigen“ gesprochen. Animalie war empört über den nach Mottenkugeln riechenden Denker, schuf eine HeideggerMotte und ließ sie ins Kerzenlicht fliegen.
Ernst von Krockenstein
Noch immer trauert er um „seine“ Burg – entstanden in den Wirren des guerre des Cent Ans auf Château de Coucy, die von den Seinen schändlich verschmäht und als herkunftslose Rache dann an die Krone zurückfiel, zieht er immer noch seine Kreise im südöstlichen Teil der Picardie; all die Jahre gedenkt er des/seines Donjons, den jener deutsche Burgenfreund dann schleifen (nicht schliefen) ließ.
Lacombi
Verzehrt unter Tränen auf wackeligen Stelzbeinen seine Opfer.
Krawitter
Katechogosi
Honey Rider wird immer melancholisch, wenn sie in 2 Thess 2,7 vom Katechon liest: „Denn es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit, nur daß, der es jetzt aufhält, muß hinweggetan werden.“ Sie war nicht davon abzubringen, dass man sich den Aufhalter mit Pferdehufen vorstellen müsse. Johann Revelar plädierte für Schwanenflügel, Niklas L. Incandenza für einen Charakterkopf. Bevor es zum Streit kam, sorgte Animalie in ihrem Labor für einen schönen Kompromiss.
Ovis Bipedis
„Wertes Fräulein Animalie, auf diesem Wege möchte ich Ihnen meinen aufrichtigen Dank für meinen aufrechten Gang aussprechen. Nach zweieinhalb Millionen Jahren der evolutionären Stagnation ist es mir nun möglich, mich meiner gesellschaftlichen Rolle (Stichwort: Sternzeichen) entsprechend fortzubewegen. Dank Ihrer Idee der Kreuzung mit den Hinterläufen eines Rehs ,geschieht dies zudem entsprechend elegant. Grüße Sie herzlichst, Ihr Ovis Bipedis“
Daphne Laura Westwood
Dozentin an der Universität für Baum- und Waldwesen.
Derven
Am Sambesi im Unterholz von lianenüberwucherten Mangosträuchern fühlt sich das Derven am wohlsten. Was es da tut? Es wartet! Aber es wartet nicht im herkömmlichen Sinne auf etwas Kommendes, sondern auf – und das ist für jedweden Utopisten ein Graus –ein uneingetreten Gewesenes; es ist und das ist selten, beharrlich am Depotenzialisieren.
Pavocristatus Burgundis
An einem geselligen Abend im Spätherbst des Jahres
1969 entschieden Animalie Circe Naumann-Moreau, Johann Andreas Naumann und Niklas L. Incandenza im Salon des Kavaliershauses auf Peacock Island nach drei
Flaschen Burgunder und im Getöse eines Feuerwerks, dass man den Blauen Pfau durchaus einmal versuchweise mit dem Körper einer Wespe und dem Schwanz eines Skorpions schimärisieren könnte. Animalie hatte das dann bis zum Morgengrauen bewerkstelligt.
Bisht Kamenzi
Michel Leiris berichtet in seinem Buch L’Afrique Fantôme von diesem traurigen Wesen, das in den Felsen von Bandiagara vermutlich noch lebt; in geringer Zahl, weswegen es eigentlich auf die Liste der aussterbenden Arten gehört, aber als Art eben nicht verzeichnet ist und unter herkömmlichen Biologen als ein Ammonit gesehen wird; wie Falsch, da es parallel zu dem Tellem schon Jahrtausende in den schmalen waagrechten Felsschlitzen ausharrt.
Kurdari
Das ist voll des Witzes im ursprünglichen Sinne, es ist wendig, schlägt zuweilen unergründlich zu nennende Haken und nur von der Seite sichtbar; lebt es in den Bergen Albaniens? Wir vermuten es, genaueres erfuhren wir nurmehr auf der letzten Konferenz der albanischen Archäologie von Aleksandër Meksi: „Das Kurdari ist das albanischste Lebewesen, welches wir kennen, es ist das Signum des Albanischen!“
Bastar Muriza
Ein Unfall, kein gewöhnlicher aber einer der nachfolgend Wirkung in mindestens zwei Dimensionen hatte, steht am Anfang dieser ungewöhnlichen Kreatur. Auf einer kleinen Landstraße des damalig noch k. und k. zugehörigen Herzegowina verunglückte ein wendiger Handkarren mit einer außer Rand geratenen Herde Ziegen; mittendrin ES: zerquetscht, verbogen, ergänzt und verlustig gegangen wesentlicher Glieder.
Formwandlerkatze
Als kantiges Wechselwesen besonders nachts unsichtbar.
Polly Harpietta Podargo
Vergessene Mitbegründerin des P.E.N.. Verfasserin vom großen Buch vom Fliegen.
Scylla Experiment
Weil Scylla Glaucus nicht wollte, dieser Scylla hingegen schon, und weil Glaucus Circe nicht wollte, diese Glaucus hingegen schon, gab es damals in der Stretto di Messina einen ganz gehörigen Ärger, weil nämlich die verschmähte Circe das nicht auf sich sitzen lassen konnte und in einem circaeischen Racheakt mit schädlichen Säften und irren Worten den Leib der armen Scylla zu einem Ungeheuer zertrümmerte. Animalie hat das in einem Experiment nachgestellt.
Man of Tomorrow
Seitdem Animalie im Juni 1938 sich in der ersten Nummer der Action Comics in den Abenteuern des Superman verloren hatte, war es um sie geschehen. Sie trug nur noch blau-rote Kleider und fürchtete sich vor Kryptonit. Sämtliche Versuche, diesen Man of Tomorrow in die Realität hinein zu schimärisieren, scheiterten jedoch. Über einen grotesken Pink Panther mit seltsamen Füßen ist sie nie hinaus gekommen. Seitdem trägt sie auf den Schultern eine Last von Scheitern.
Bellaria Frua
Genaues ist leider zu dieser Chimäre, die dennoch nicht unbedeutend zu nennen ist, nicht überliefert; was wir wissen ist Folgendes: unermüdliches Rascheln, dass an Amseln im Unterholz erinnert; leises Fiepsen, dass man sonst nur von alten Waschmaschinentüren beim Schleudern kennt; und dies: ein Geruch, der plötzlich im Raume steht, ja steht: wie diese graue, wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen, Sie wissen schon!
Selachimorphos
Dass es Pegasos war, das geflügelte Pferd, auf dessen Rücken Bellerophon den siegreichen Angriff gegen die Chimaera führte, ist bekannt. Dass es Pegasos‘ Bruder war, der die linke Flanke im Mittelmeer gegen die Amazonen absicherte und dabei umkam, hingegen nicht. Animalie, die lange bei den Nereïden war, wusste das natürlich. Und so schuf sie zur Freude Bellerophons ein Replikat des Selachimorphos, des Haifischpferds, das seitdem im Wannsee seine Kreise zieht.
Cantarama Maio
Man würde ihn hochdroben vermuten und doch ist er eher unten zu finden, im Gebüsch, da wo es reichlich Klee gibt, also im nur vom Halbschatten bedeckten Erdreich. Man sah ihn nur ein einziges Mal, kurz vor der Schlacht bei Marengo, am 14. Juni 1800, gleich am Morgen, von einem Gefreiten, dessen Name leider nicht überliefert ist, erblickt, kurz innehaltend, weiterkauend und dann verdutzt das nahe Weite suchend – diese Zeichnung einzig ist erhalten.
Homard Petroselinum
George Auguste Escoffier hatte sich stets vehement dagegen gewehrt, seinen berühmten Homard Thermidor mit Petersilienblättchen zu garnieren. Die Frische der mit englischem Senf angerührten Rahmsauce würde vollständig von den ätherischen Ölen der Petersilie absorbiert werden. Undenkbar! Animalie hingegen mochte Petersilie sehr gerne und Hummer ebenso. Also schuf sie, weil sich Escoffier nicht umstimmen ließ, einen Hummer, der immer nach Petersilie schmeckt.
Cygnus Luhmanni
Als Niklas Luhmann in einer Vorlesung einmal sagte, „aus der biochemischen Einmalerfindung der Autopoiesis des Lebens“ folge noch nicht, dass „es Würmer, Vögel und Menschen geben müsse“, ließ sich Animalie zu einem Zwischenruf hinreißen: „Und erst recht nicht, dass Chimären unmöglich sind!“ Herr Luhmann verwandelte sich daraufhin freundlich lächelnd in einen Haifischschwan, wisperte etwas von einem Flug, der „über den Wolken stattfinden“ müsse, und flog davon.
Bat Lobster
Als Animalie im April 1978 auf der Promotionsfeier ihres Assistenten Wilhelm von Osten den Song Rock Lobster von The B52s erstmals hörte, war sie ganz aus dem Häuschen. So viele schimärophile Fische!
„There goes a dogfish / Chased by a catfish / In flew a sea robin / There goes a narwhal / Here comes a bikini whale! / Rock lobster.“ Und da sie heimlich in Batman verliebt war, schnitt sie noch auf der Tanzfläche ganz romantisiert diesen Scherenschnitt.
Battella Frua
Nur zu vergleichen mit einer stetigen Düsseldorfer Champagnerlaune. Aus reiner, lauterer Fröhlichkeit heraus, spricht es auch heute noch wahllos und fröhlichkeitsversessen Reisende auf dem New Yorker Grand Central Terminal an: „Ja ja, immer noch die etwa 20 Grad breite Zone um die Ekliptik, also die scheinbare Sonnenbahn, innerhalb derer die scheinbaren Bahnen von Sonne, Mond und Planeten verlaufen. Ja ja, haben sie auch so einen schrecklichen Durst? – Perfekt!“
Nox
In einer Juninacht im Osternienburger Teichgebiet hatte sich Animalie nach einem Bad zur Ruhe gesetzt, als ein schwarzer Schmetterling heranflog. Er landete auf ihrer Nase und sang ein Lied: „Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht / Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht, / Das den großen Gedanken / Deiner Schöpfung noch einmal denkt.“
Sie rief „Klopstock!“, er seufzte etwas Unverständliches und beide hatten ihre Erste Liebe gefunden.
Die Rote (Rossmännin)
Protestanführerin. Gegen Herdengewalt und kopflose Stampeden.
The Elephant Man
Als Animalie sich in jungen Jahren auf der Insel ihres berühmten Psycho-Daddies Dr. Moreau in den Dschungel geflüchtet hatte, weil sie das ganze Elend der vivisektierten Freaks nicht ertragen wollte, zeichnete sie Schattenrisse. An einem 30. April zum Beispiel in einem einzigen Handstrich den Schattenriss The Elephant Man, den David Lynch etwa ein Jahrhundert später zum Anlass nahm, einen Film über Joseph Merrick zu drehen.
Uboldor Minor
Als es noch in die Grundschule ging, so mutmaßt man, sammelte es früh schon für den, so wurde gemunkelt, völlig mittellosen Filmemacher ***** – dessen aufwendigen Produktionen so viel Geld verschlangen, dessen Publikum derentwegen aber desto treuer war –Geld! Dadurch hätte es berühmt werden können wie jener dessen weiteren Filme Geschichte schrieben, es blieb, was es war ein Uboldor Minor, unbekannt.
Gerenzano Misinto
Es war auch hier nicht nur reine Begleitung, eine Nebengeschichte zu etwas Eigentlichem, was unser Chimärchen „die“ Geschichte mitschreiben ließ. Von ihm stammt die berühmte Einsicht „Nicht die Irrtümer haben wir zu fürchten, sondern die Lüge.“ Das Misinto, mütterlicherseits ein Gerenzano(chen), war es, welches dem großen Las Casas diese Worte in den Mund legte. Sollen wir darob unglücklich sein?
Delfinoman
Animalie viel aus allen Wolken, als in einer lauen Sommernacht 1964 an der Küste Floridas Ricou Browning ihr gestand, unter Delfinophobie zu leiden. Aber nicht nur das, auch beichtete er ihr seine Poriomanie. Zwei Dinge, die nun wirklich unvereinbar waren mit dessen Rolle als Stuntman und Ideengeber für Flipper. Kurzum nahm sich Animalie seiner an und baute zur Expositionstherapie eine Art Sparringspartner, der ihm seine Ängste nehmen sollte.
Pan Comosum
Jegliche Art von Anthropomorphismus in der Chimärenpsychologie lehnte Animalie stets ab.
Als Anfang der neunziger Jahre Robert Bernhard
Grzimecki sie bat, für ein Filmprojekt einen Protagonisten zu züchten, dessen Charaktereigenschaften er mit „etwas sonderbar, verrückt, niedlich, durchaus sympathisch, lustig und tölpelig“ beschrieb, kreuzte sie kurzerhand einen Klammeraffen mit einer Zimmerpflanze. Grzimecki meldete sich nie wieder.
Ndroque
Aus Dover kommend, mit dem Schiff an einem grau zu nennenden Februarmittag des Jahres 1981 geht es an Land in O(o)stende; in Begleitung desjenigen, wunderbaren Musikers, der späterhin den Klassiker von der Heilung durch Überfruchtung sang, ist es auch heute noch, dort in den Bars und Kneipen anzutreffen; singt und komponiert in nuce Hits am laufenden Band für die Trinkenden, über nicht zu hohe Berge und nie zu volle Gläser.
Rashbull mengai
Die für ein mengai typischen Stärken in Form von hohem Tempo und Antriebsschnelligkeit kombinierte der mit beiden Flügeln gleich starke Rashbull mit einer stark ausgeprägten Himmelsgefährlichkeit. Nichts konnte diesem Ausbund an – ja, um den malus eines vielleicht schiefen Vergleichs wissend – Bulligkeit das Wasser (nein es müsste wohl eher... ach entsagen wir uns des ewigen Vergleichs, nehmen Abstand von Analogien und nennen es beim Namen: Rashbull mengai).
Die Philosophischen Bauern
BUREAU MOREAU
Die biophilosophischen Naturstudien der Animalie Circe Naumann-Moreau