friedrich - Zeitschrift für BerlinBrandenburg

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LOB & Kritiken Lea Porcelain Hymns To The Night [Musik] Wie leicht man sich doch aufgrund von einfachen Vorurteilen täuschen kann. Vielfach lässt es sich vom Künstlernamen ja auf den Stil der Musik schließen und wenn man »Lea Porcelain« liest, wer denkt dann nicht an eine süßliche Frauenstimme, die bestenfalls noch irgendwas zwischen Elfenpop und Indiefolk auf der Gitarre klimpert. Falsch gedacht: Lea Porcelain ist ein männliches Duo aus Frankfurt, deren Debüt ›Hymns To The Night‹ dann hält, was es verspricht: Düster-Post-Punk, Synthiepop, Wave. Die Vorbilder kommen eben nicht aus Frankfurt, sondern Manchester, und heißen Joy Division, The Cure, Bauhaus, Nick Cave, Depeche Mode – und ›Hymns To The Night‹ steht diesen vom Niveau her in nichts nach. Schon der Opener ›Out Is In‹ verbindet diese altbekannten Sounds und ist dennoch clubtauglich. ›Warsaw Street‹ könnte sogar eine direkte Anspielung auf Joy Division sein, die sich zu Beginn ja »Warsaw« nannten. Zwar klingt jedes Stück nach schwarz gestrichener Raufasertapete, wer aber auch nur einen Hauch Interesse an dem Stil dieser Zeit hat, kommt an diesem Album nicht vorbei. Es ist von vorn bis hin mit Anti-Hits gespickt, die einen packen, nicht mehr loslassen und in eine ganz eigene Stimmung bringen. Einen besseren Begleiter für die Nacht als ›Hymns To The Night‹ wird man in diesem Jahr schwer finden. [Klaus Porst]

8kids Denen, die wir waren [MUSIK] Schon die Fünf-Track-EP im Frühjahr 2016 ließ mich aufhorchen und einen begeisterten Rezensionstext schreiben. Nun, ein Jahr später, legen die drei Darmstädter also das Ganze auf Albumlänge vor. Endlich! Und dazu mit dreizehn gänzlich frischen Songs. Nach wie vor ist die Musik von den 8kids krachig, explosiv und emotional. Oder wie sie selbst es nennen: »laute Popmusik«. Die Stimme bricht, Gitarren bauen sich langsam auf und explodieren eruptiv in einem Moshpit aus brechenden Gitarrenwänden, sich wild in die Schädeldecke hämmernden Drums, während sich die Stimme im hochemotionalen Screaming überschlägt. Was mich natürlich besonders erfreut, ist die Tatsache, dass Jonas und Hans sich für Texte in deutscher Sprache entschieden haben. Diese sind schön bildlich gehalten und laden dazu ein, selbst sinnhaft zu interpretieren. Also wirklich hörens- und lesenswert. Und sie schaffen es, mich als geneigten Hörer in den Bann zu ziehen und auch mal genau hinzulauschen. Oder wie die Band selbst sagt (und ich es nicht passender ausdrücken könnte): »Melancholie und Tristesse brechen sich an Liebe und Hoffnung. Nur keine Angst vor großen Emotionen. Die Emotionen sind schließlich größer als die Angst.« Ach ja, auch schön und nicht oft so: An den unheimlich druckvollen Drums sitzt mit Emma McLellan eine durchaus beeindruckend aufspielende Dame. [jes]

Rezensionen LEbenswelt

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Alt-J Relaxer [Musik] Eine vielzitierte und immer wieder gern angebrachte Aussage für Bands ist: Das dritte Album ist das schwierigste. Manchmal nur Floskel, betreffend ›Relaxer‹ des britischen Quartetts ›Alt-J‹ jedoch passend. Nach zwei vielbeachteten, hochgelobten und auch kommerziell erfolgreichen Alben muss sich nun Nummer drei beweisen – und macht dabei keinen guten Schnitt. ›Alt-J‹ sind, wer sie kennt, bekannt dafür, nicht nur großartige Stücke zu schreiben, sondern ihre Veröffentlichungen aus einem Guss zu präsentieren. Jeder Übergang wirkte aufeinander abgestimmt, und bislang nahm man sich sich oft die Zeit, mit kleineren Zwischenspielereien oder Intros für zusätzlichen Klebstoff zwischen den eigentlichen Songs zu sorgen. Dies ist nun passé. ›Relaxer‹ präsentiert nur acht neue, für sich stehende Titel, denen der Kitt in den Fugen fehlt. Die vielgelobten Übergänge sind nicht vorhanden, die einzelnen Laut-Leise-Übergänge, etwa von ›In Cold Blood‹ zum Cover ›House Of The Rising Sun‹ und zurück zu ›Hit Me Like That Snare‹, klingen abenteuerlich und erfordern mehrfaches nachjustieren der Lautstärke. Bisweile hört man kaum Töne, Sekunden später bläst es einem unnötig die Ohren weg. Und das, obwohl die Hälfte der neuen Titel an sich herausragende, wunderschön komponierte Kleinode sind, wie etwa ›Adeline‹und ›In Cold Blood‹. [Klaus Porst]

Kraftklub Keine Nacht für Niemand [MUSIK] Kraftklub sind für einige Menschen dort draußen ja immer ein bisschen zweischneidig. Manche sagen den sympathischen Jungs aus Karl-Marx-Stadt – äh, Chemnitz – nach, viel zu schnell viel zu groß geworden zu sein. Aber ich finde, dass sie den frühen Hype extrem souverän gemeistert haben und unbeirrt ihren Weg gehen. Das heißt dann aber leider auch, dass mitunter der eine Song so ähnlich funktioniert wie der andere. Nicht destotrotz finden sich auf allen Alben zwei, drei Stücke, die das Zeug zum Klassiker haben. Was auf dem ersten Album ›Ich will nicht nach Berlin‹ oder ›Songs für Liam‹ waren, sind auf dem vorliegenden, nun schon dritten Album beispielsweise ›Fenster‹ oder ›Dein Lied‹. Wobei mich ›Fenster‹ extrem abholt. Ich kenne derzeit kein besseres Lied, das das Thema »Gutmenschen« und so weiter besser auf den Punkt bringt. Und das natürlich in der typisch sarkastisch-humoristischen Kraftklub-Art. Ich kann den Text des Liedes jedenfalls voll unterschreiben und das Teil auch auf Dauerschleife hören. Und beim ersten Hören dachte ich tatsächlich die ganze Zeit: »Eigentlich ist das doch ein typischer Farin-Urlaub-Song?!« – Und wer singt zum Ausklang des Liedes im Refrain? Ja, richtig! Und schon lief mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Aber auch ›Fan von Dir‹ oder ›Am Ende‹ (mit Sven Regner als Gastsänger) sind ganz klar zukünftige Klassiker. [jes]


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