friedrich - Zeitschrift für Potsdam Februar 2011

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Positiv Denken!?

Seit mehr als 70 JAhren gibt es HIV Seit 1983 ist das Virus nachweisbar Seit zwanzig Jahren unterstützt die AIDS-Hilfe Potsdam betroffene

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ie Gleichgültigkeit. Das ist das Schlimmste. Da könnte ich aus dem Anzug springen“, sagt Karin (Name geändert). Die Frau mit der angenehmen Telefonstimme klingt jetzt tatsächlich ein bisschen aufgebracht. Seit mehr als einer halben Stunde reden wir über ein Thema, das nicht alltäglich ist, für Karin aber Alltag wurde: Es geht um HIV. Seit achtzehn Jahren lebt sie mit der Infektion, deren Erreger schlimmstenfalls ihr Immunsystem zerstören könnte. Als heterosexuelle Frau gehört Karin eigentlich nicht zur größten Risikogruppe. Am gefährdetsten sind – laut Statistik auch in Brandenburg – nach wie vor homosexuelle Männer. Sie infiziert sich 1993, als sie »während einer Weiterbildung ungeschützten Geschlechtsverkehr« mit einem Mann hat, eine Affäre. Sie geht vier Monate später zum Blut spenden. Dadurch bekommt sie die Information,

nach der diagnose fiel sie in ein tiefes Loch – Zehn Jahre Lebenserwartung hieSS es damals dass mit ihrem Blut etwas nicht in Ordnung ist und lässt sich testen. »Ich bin froh, dass ich nicht schon eher Spenden war und noch jemanden angesteckt habe«, sagt sie heute. Schlimm genug, dass sie ihren Ehemann infiziert. Der allerdings bleibt an ihrer Seite. Sie raufen sich zusammen, erst Jahre später trennen sie sich, aus anderen Gründen. Heute hat sie seit vier Jahren einen festen

Lebenspartner, der ihr Halt gibt. 1993 allerdings, nach der Erstdiagnose, fiel sie »in ein tiefes Loch«. Zehn Jahre Lebenserwartung, hieß es damals. »Da hast du nur noch Tod im Hinterkopf«. Sie verschlang Fachliteratur, informierte sich. Das half. Die Medikamente vertrug sie gut. Mittlerweile wird mit der Kombinationstherapie behandelt, die Lebenserwartung der Infizierten ist stark gestiegen. Anfängliche Nebenwirkungen – Schwindel, Schlaf- und Bewusstseinsstörungen – sind unangenehm. Aber Karin konnte sie bisher stets in den Griff bekommen. Drei Medikamente am Tag retten ihr zurzeit das Leben. Bisher hat sie keine gesundheitlichen Probleme, die auf die Virusinfektion zurückzuführen wären. »Ich gehe zum Sport, in die Sauna, wie andere Leute auch. Ich habe Arbeit, liebe Kollegen, meine Kinder und Enkel.« Sie hat gelernt, offensiv mit ihrer Infektion umzugehen, und sie entscheidet bewusst, wer davon wissen muss. Es hat zwei Jahre gedauert, bis sie es ihrer Familie erzählen konnte. Als sie einen neuen Zahnarzt brauchte, informierte sie ihn sofort. »Es gibt keine Mitteilungspflicht, aber es gibt Wechselwirkungen, die zum Beispiel durch Betäubungsspritzen auftreten könnten. Aber ich will schließlich auch zu meinen Gunsten, dass ich bestmöglich behandelt werde. Und wenn dann der Arzt nicht mit der Krankheit umgehen kann, dann suche ich mir einen anderen Arzt«, sagt


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