DOUGLAS SIRK WOMEN MAKE HORROR RUTH BECKERMANN1. Oktober – 16. November 2022
THE VELVET VAMPIRE (USA 1971) S. 23 Online-Q&A mit Regisseurin und B-Movie-Ikone Stephanie Rothman nach der Vorstellung MO, 3. OKTOBER | 20.30 UHR
RE:VISION ALL THAT HEAVEN ALLOWS S. 38 Vortragsreihe mit Thomas Binotto in Kooperation mit der Volkshochschule Zürich MI, 19. OKTOBER | 18.15 UHR DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL S. 16
Elisabeth Bronfen und Johannes Binotto im Gespräch; ein Pas de deux zu 2 × Imitation of Life (USA 1934 & 1959) MI, 26. OKTOBER | 18.30 UHR ANTARCTICA S. 41
Buchvernissage und Film (Kongress der Pinguine, Hans-Ulrich Schlumpf, Schweiz 1993) mit Hans-Ulrich Schlumpf, Franz Hohler und weiteren Gästen FR, 28. OKTOBER | 18.15 UHR HALLOWEEN IM FILMPODIUM S. 29
In Anwesenheit des Regisseurs Roman Hüben SA, 8. OKTOBER | 18.30 UHR
PREMIERE: DOUGLAS SIRK – HOPE AS IN DESPAIR S. 16
Oktober/November
ACHTUNG TRIGGERWARNUNG! S. 29 Podiumsdiskussion mit Lisa Brühlmann, Urs Honauer, Denise Bucher, Sabine Boss, Aiyana de Vree und Pascal Blum (Gesprächsleitung) DO, 6. OKTOBER | 19.00 UHR
Filmpodium-Highlights
in der Filmpodium-Lounge: Scream! Teens Make Horror! Highlights aus dem Archiv der Jugendfilmtage (Regie anwesend), Moderation: Jugendfilmtage-Ko-Direktorin Valentina Romero In der Filmpodium-Lounge: MO 31. OKTOBER | 19.00 UHR anschl. im Saal: Revenge, Coralie Fargeat, F 2017 MO, 31. OKTOBER | 20:45
Das jährliche Quiz mit vielen Film-Clips, zum Mitraten und Gewinnen. Moderation: Nicole Reinhard & Michel Bodmer FR, 11. NOVEMBER | 20.00 UHR
FILMBUFF-QUIZ S. 37
MUTZENBACHER (ÖSTERREICH 2022) – PREMIERE S. 37 Online-Q&A mit der Regisseurin Ruth Beckermann nach der Vorstellung SA, 12. NOVEMBER | 18.30 UHR 10 JAHRE MISTERIOSO JAZZ CLUB S. 40 Avantgarde-Stummfilmkonzert in Kooperation mit IOIC; Live-Musik: Iokoi, Víz und Carla Boregas SO, 13. NOVEMBER | 18.30 UHR FAROCKI FORUM: MILITANT MANGROVE EDUCATION S. 39 Übertragung #2. Film- und Diskussionsabend mit Filipa César und Sónia Vaz Borges MO, 14. NOVEMBER | 18.30 UHR
TROUBLE EVERY DAY (CLAIRE DENIS, F 2001) S. 25 mit einer Einführung von Pierre-Yves Walder (künstl. Leiter NIFFF) MI, 12. OKTOBER | 20.30 UHR
Wie eine Flaneurin durch Raum und Zeit lässt sich die ös terreichische Filmemacherin auf ihren Reisen unvoreingenommen von den verschiedensten Begegnungen leiten und überraschen. Es ist ein lustvolles wie ehrliches Entdecken, an dem sie das Publikum teilhaben lässt: Sei es, dass sie sich mit Sissi auf die Suche nach dem Orient begibt, über eine papierene Brücke in die eigene Vergangenheit blickt oder, wie unlängst in Mutzenbacher, Männer auf die Couch holt, um sie mit Erotikliteratur und ihrem eigenen Be gehren zu konfrontieren.
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Auch unsere anderen Programme und Specials drehen sich um die Fra gen nach dem Blick und dem Blickwinkel. Douglas Sirk etwa, dem wir eine facettenreiche, vom Locarno Film Festival übernommene Retrospektive wid men, hält in seinen grossen, stilisierten Melodramen als deutscher Immigrant der US-Gesellschaft der Fünfzigerjahre einen Spiegel vor. Eine Einladung zur Identifikation und kritischen Distanz zugleich, mit der Sirk die Risse im Ame rican Way of Life enthüllt.
Ein Hubschrauber landet mitten in der Wüste vor einer stylishen Luxusvilla. Poppige Farben. Aus dem Cockpit steigt Jen, Lolli im Mund, spärlich bekleidet. Lasziv stolziert sie durchs Bild. Die Kamera klebt an ihrem Hintern. Ein ziemlich billiges Girl, das ein romantisches Weekend mit seinem steinreichen, anderweitig verheirateten Freund geniessen will. Dumm ist sie wahrscheinlich auch noch. Schnell haben wir uns ein Bild gemacht, mit wem wir es hier zu tun haben. Dann aber reisst Regisseurin Coralie Fargeat das Steuer herum: Jen mutiert in diesem atemlosen Rape-Revenge-Thriller zur Superwoman, die ihre Vergewaltiger gnadenlos durch die Wüste jagt. Wir fiebern mit und den ken uns: Respekt! Im Visier der Kamera ist jetzt der gestählte, gequälte Ober köper ihres Beaus. Spielerisch und gekonnt demonstriert Fargeat in Revenge die Macht von Stereotypen, Blicken und Blickwechseln. Women Make Hor ror! Unsere Anthologie des Frauenhorrorfilms bietet 16 weibliche, neue Bli cke auf ein bisher männerdominiertes Genre.
Titelbild: Revenge von Coralie Fargeat Editorial Blickwechsel
Ob Horrorfilm, Weepie oder dokumentarische Reise: Genau hin schauen, erneut hinschauen, anders hinschauen eröffnet neue Perspektiven und Erkenntnisse. Machen Sie sich also Ihr eigenes Bild von unserem Pro gramm voll lustvoller Blickwechsel. Die erste Abendvorstellung findet übri gens neu um jeweils 18.30 Uhr statt, damit es mit dem Kino nach der Arbeit nicht so stressig ist.
Den dokumentarischen Kontrapunkt dazu setzt unsere Ruth-Becker mann-Werkschau.
Nicole Reinhard
02 INHALT Douglas Sirk – Imitationen 04 des Lebens Er galt als Meister des Melodrams, was ebenso Lob wie verkappter Tadel war. Douglas Sirks bekannteste Filme der 1950er-Jahre wie Imitation of Life oder All That Heaven Allows jedoch behandeln unter ihrer gefälli gen Oberfläche brisante Themen wie Rassismus und die Klassengesell schaft. Überhaupt behielt der 1897 als Hans Detlef Sierck geborene Regis seur in Hollywood seinen Aussen blick und verlieh auch Genrefilmen eine spezielle Note, was die Cineasten der Nouvelle Vague und des Neuen deutschen Films (v. a. Fassbinder) würdigten. Unsere Auswahl aus der Retrospektive, die Bernard Eisen schitz und Roberto Turigliatto am diesjährigen Locarno Film Festival ausgerichtet haben, spannt den Bogen von Siercks UFA-Anfängen bis zu Sirks Blütezeit in Hollywood.
The Velvet Vampire
Bild: Magnificent Obsession
A Girl Walks Home Alone 18 at Night: Women Make Horror! Julia Ducournau hat mit ihrem furio sen Body-Horror-Film Titane 2021 als zweite Frau in Cannes die goldene Palme geholt. Es ist offensichtlich: Frauen erobern im Eiltempo ein Genre, das bisher Männern vorbehal ten war – den Horrorfilm. Was aber passiert, wenn Filmautorinnen das «Final Girl» in den Kampf mit dem Bösen schicken? Mit welchen Themen lehren uns Regisseurinnen das Fürch ten? Wir präsentieren die aufregends ten Frauen-Horrorfilme der letzten 50 Jahre und freuen uns auf das Gespräch mit der B-Movie-Ikone Stephanie Rothman nach der Vorfüh rung ihres restaurierten Meisterwerks The Velvet Vampire. Halloween fei ern wir mit den Jugendfilmtagen und der Premiere von Coralie Fargeats spannungsgeladenem Debüt Revenge. Bild:Scream!
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Bild: American Passages
Filmpodium für Kinder: 43 Coco Ein Pixar-Animationsfilm über einen mexikanischen Jungen, der gegen den Willen seiner Familie Musiker wer den möchte. Durch ein Missgeschick gerät er in das überraschend bunte
Reich der Toten, wo er turbulente und lustige Abenteuer erlebt, die ihn seinem Traum näherbringen. Bild: Coco Einzelvorstellungen Filmbuff-Quiz 2022 37 Re:vision 38 All That Heaven Allows Farocki-Forum: Übertragung #2 39 10 Jahre Misterioso Jazz Club 40 Buchvernissage: «Antarctica» 41 Women Make Film: Teil 3 & 4 43 Sélection Lumière: 44 Faustrecht der Freiheit
2011Filmproduktion,BeckermannRuth©
Ruth Beckermann hat ein besonderes Gespür für Menschen: Seit über 40 Jahren begibt sie sich in jedem ih rer Filme auf eine neue Reise durch Zeit und Raum. Manchmal in ferne Länder, die sie mit ihrer jüdischen Vergangenheit konfrontieren. Manch mal ohne sich über die Grenzen ihrer wienerischen Heimat hinaus zu bewe gen. Es ist die Welt zwischen gestern und heute, die sie fasziniert, und es sind die Menschen, auf die sie trifft, von denen sie sich immer wieder gerne überraschen lässt. Ob in filmischen Essays, dokumentarischen Roadmo vies oder poetischen Versuchsanord nungen, Beckermann ist immer ganz nah dran, mit Herz und Verstand. Am 12. Nov. ist sie anlässlich der Premiere ihres neuen Films Mutzenbacher vir tuell im Filmpodium zu Gast.
Ruth Beckermann: Poetische 30 Passagen durch Raum und Zeit
Eine Schlüsselszene aus All that Heaven Allows (1955) bringt die bittere Iro nie auf den Punkt, für die Douglas Sirks Melodramen berühmt sind. Die wohlhabende Witwe Cary hat sich gegen eine zweite Ehe mit dem Gärtner Ron entschieden, weil ihre Kinder den jüngeren Mann aus Standesdünkel ab lehnen. An einem Weihnachtsmorgen wird Carys mütterliche Opferbereit schaft als Selbsttäuschung entlarvt. Die Tochter hat sich verlobt, der Sohn eine Stelle im Ausland angenommen. Beide werden nur noch selten ihre Mut ter besuchen. Das Geschenk, das die Kinder als Ersatz für ihre Anwesenheit ausgewählt haben, verdeutlicht, wie sinnlos diese Entsagung war. Nachdem der Händler ein Fernsehgerät ins Haus getragen hat, erklärt er stolz, ein Knopfdruck genüge und man habe eine vielfältige Parade des Lebens in sei nem Wohnzimmer. Von trauervollen Klängen auf der Tonspur begleitet, fährt die Kamera nach vorne. Carys Gesicht erscheint gespiegelt auf dem Bild schirm, eingerahmt von einer grossen rote Schleife links und einer Weih nachtskarte rechts. Ihr verzweifelter Blick ist erschütternd. Konsequent zeichnen Sirks Filme einfühlsame Porträts von Menschen, die hin- und hergerissen sind zwischen ihrem persönlichen Begehren und den sie einschränkenden gesellschaftlichen Moralvorstellungen. Sie sehnen sich danach, aus Familienverhältnissen auszubrechen, die ihnen unerträglich ge worden sind. Dabei rückt seine subtile Gesellschaftskritik ins Blickfeld, wie wenig Spielraum sie haben, um ihre Wünsche zu erfüllen. Zugleich unterläuft sein visueller Stil die überschwängliche Sentimentalität, von der diese Ge schichten menschlichen Scheiterns zehren. Die grossen Leidenschaften, denen seine Figuren sich hingeben dürfen, und sein präzise kalkulierter Einsatz von Farben, Musik und Kamerafahrten halten sich die Waage.
Douglas Sirk –Imitationen des Lebens
Remarquabel: Lilo Pulver in A Time to Love and a Time to Die Kitschoberfläche über Abgründen: All That Heaven Allows
Nach seiner Emigration in die USA bewährte sich der deutsche Filme macher Detlef Sierck (1897–1987) als Douglas Sirk in Hollywood in diversen Genres, vom Musical bis zum Thriller, vom Western bis zum Film noir. Stets jedoch galt sein Augenmerk dem Schicksal seiner Hauptfiguren, die im Konflikt mit gesellschaftlichen Regeln und Erwar tungen stehen. Am geschicktesten verpackte Sirk seine Sozialkritik im Melodram.
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Auch seine eigene Biografie ist von Ambiguität durchzogen. Der in Hamburg als Hans Detlef Sierck geborene Sohn eines dänischen Schulrektors studierte zuerst Jura, dann Philosophie und Kunstgeschichte, bevor er als Theaterregis seur an diversen Häusern in Deutschland arbeitete. Nach der Machtergreifung der Nazis wechselte er zum Kino und entdeckte in seiner Regiearbeit bald das Grundprinzip, das den Film vom Theater unterscheidet: «Motion is emotion», hat er viele Jahre später in seinem Interview mit Jon Halliday (veröffentlicht als: Sirk on Sirk, Viking 1972) erklärt. Die Blickwinkel der Kamera sind die Gedanken des Regisseurs, die Beleuchtung seine Philosophie.
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Doppelgänger seiner selbst
Die Filme, die er 1937 mit Zarah Leander für die Ufa machte – Zu neuen Ufern und La Habanera –, brachten ihm grossen Erfolg. Er aber setzte alles daran, mit seiner zweiten Ehefrau, der jüdischen Schauspielerin Hilde Jary, aus Deutschland zu fliehen. Als er zwei Jahre später in Hollywood ankam, riet sein Agent ihm, seinen Namen zu ändern. Dort wurde er als Doppelgänger seiner selbst zum Meister eines auf uneindeutige und zugleich grosse Gefühls regungen setzenden Kinos. Unter dem Deckmantel jener Gattung, die man damals «women’s weepies» nannte, rückt er die Verunsicherung und den Zerfall der amerikani schen Gesellschaft der 1950er-Jahre in den Fokus. Zwar arbeitet er gerne mit einem Gleichgewicht zwischen stabilen Figuren und solchen, die in sich gespalten sind, doch alle sind aufgrund ihrer widersprüchlichen Gefühle in glücklose Beziehungen verstrickt. Verwirrt drehen sie sich im Kreis, kommen wieder dort an, wo sie angefangen haben. Die Häuser, die sie bewohnen, empfinden sie eher als Gefängnis denn als Schutzort. Oft stehen sie an Fens tern und lassen ihren Blick träumerisch in die Ferne schweifen. Verlassen können sie dieses Zuhause, wenn überhaupt, nur unter grossen Mühen. Sie verzweifeln an der Welt, doch dadurch wird ihnen auch eine innere Erkennt nis gewährt: Sie begreifen nicht nur, wie trostlos die Dinge um sie stehen, sie stellen sich auch vor, wie die Welt sein müsste, damit sie ihren Wünschen ge recht würde.DieErkenntnis, die den Zuschauerinnen und Zuschauern angeboten wird, ist ebenfalls nicht eindeutig. Wir sollen uns mit den um ihr Glück rin genden Figuren identifizieren, uns in ihr Hadern und Scheitern vertiefen. Da bei sind auch wir hin- und hergerissen zwischen den grossen Leidenschaften, die sie uns vorleben, und der ironischen Distanz, die Sirks stilisierte Filmspra che erzeugt. Sosehr uns die melodramatischen Verstrickungen der Figuren be wegen, so sehr werden wir angehalten, in dem Schauspiel auf der Leinwand eine Imitation des Lebens zu erkennen. Die Gesellschaftskritik, an der Sirk ge legen ist, setzt unsere eigenen Emotionen in Bewegung. Seine Filme weisen auf der Ebene von Zeichen und Denkbildern auf Ungerechtigkeiten hin, um beim
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Ironischerweise war Imitation of Life einer von Sirks grössten Erfolgen, und Universal Studios versuchte den Regisseur mit allen Mitteln zu behalten. Er aber entschloss sich einmal mehr für einen radikalen Wechsel seiner Le bensumstände. Er kehrte nach Europa zurück, wo er keine Wurzeln mehr hatte. In Amerika fühlte er sich viel mehr zu Hause, doch der unbestreitbaren Verlockung, die Hollywood ihm weiterhin bot, wollte er sich entziehen. In seinem Gespräch mit Jon Halliday bringt er die bittere Ironie seines Lebens auf den Punkt: «So bin ich in der Schweiz geblieben, wo ich auch nicht zu Hause bin, und manchmal, wenn ich über mich nachdenke, kommt es mir so vor, als wäre ich eine dieser verdammten, gespaltenen Figuren aus meinen ei genen Filmen.»
Publikum ein soziales Bewusstsein zu wecken. Was wir mit diesem Einblick in den Zwiespalt seiner Figuren anfangen, liegt bei uns.
In dem unglücklichen Happy End, auf das seine Melodramen jeweils hinauslaufen, wird Sirks Ambiguität auf die Spitze getrieben. In La Habanera steht die von Zarah Leander gespielte Heldin auf einem Dampfer und blickt mit gespaltenen Gefühlen zurück auf den Hafen von Puerto Rico. Sie ist sich be wusst, dass sie zwar marode, aber fraglos auch interessante Lebensumstände verlässt. In All that Heaven Allows blickt Cary mütterlich auf Ron, dessen Unfall ihr endlich erlaubt, alle Gewissensbisse abzustreifen. Jetzt kann sie dem Mann, den sie gesundpflegen will, versichern, sie sei endlich zu ihm heim gekehrt. In Written on the Wind sitzt Marylee, die Tochter eines texanischen Ölmagnaten, allein am Schreibtisch ihres Vaters. Sie hat sowohl den Bruder wie auch den Jugendfreund, um den sie hemmungslos buhlte, verloren. Nun bleibt ihr einzig das Familiengeschäft. Und schliesslich muss sich am Ende von Imitation of Life Sarah Jane, die hellhäutig genug ist, um sich als weisse Frau auszugeben, beim Begräbnis ihrer Mutter eingestehen: Dem Schicksal ihrer Herkunft kann sie nicht entkommen. In ihrer Verzweiflung sucht Sarah Jane Zuflucht in dem Auto, in dem die Schauspielerin, für die ihre Mutter gearbei tet hat, mit ihren Familienangehörigen sitzt. Die Kamera aber verharrt bei dem pompösen Leichenzug. In all diesen Schlussbildern spüren wir, wie we nig Hoffnung diese dramatische Auflösung bietet.
Unglückliche Happy Ends
Elisabeth Bronfen Elisabeth Bronfen ist Kulturwissenschaftlerin an der UZH und Autorin. Das Filmpodium dankt dem Locarno Film Festival und Bernard Eisenschitz und Roberto Turigliatto, den Kuratoren der Retrospektive Douglas Sirk.
> Imitation of Life (1934)
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung©Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung©
> Das Mädchen vom Moorhof
> April! April! > La Habanera
Der Nudelfabrikant Lampe ist reich geworden, was ihm und seiner Frau zu Kopf gestiegen ist; als dann noch ein Prinz bei Lampe Nudeln bestellt, kennt ihr Stolz keine Grenzen. Lampes Freund Finke will ihm am 1. April einen Denkzettel ver passen, indem er anonym einen Besuch des Prin zen in der Fabrik ankündigt. Lampes informieren sofort die Presse. Finke gesteht seinen Scherz, und um sein Gesicht zu wahren, heuert Lampe den weltgewandten Handelsreisenden Müller an, der als Prinz auftreten soll. Da kommt der echte Prinz zu SiercksBesuch...«erster
Versuch einer deutschen Ko mödie in amerikanischem Stil» lässt seine Wur zeln im Theater erkennen, erinnert aber auch an Lustspiele von Lubitsch. (mb) 82 Min / sw / DCP / D // REGIE Detlef Sierck (= Douglas Sirk) // DREHBUCH H. W. Litschke, Rudo Ritter // KAMERA Willy Win terstein // MUSIK Werner Bochmann // SCHNITT Fritz Sta penhorst // MIT Erhard Siedel (Julius Lampe), Werner Finck (Reinhold Leisegang), Lina Carstens (Mathilde Lampe), Char lotte Daudert (Mirna Lampe), Carola Höhn (Friedel Bild), Albrecht Schoenhals (Prinz von Holsten-Böhlau), Paul Westermeier (Finke), Hilde Schneider (Emmi), Hubert von Meyerinck (Müller).
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09Douglas Sirk APRIL! APRIL! Deutschland 1935
LA HABANERA Deutschland 1937 «Eine Schwedin, die einen wohlhabenden Puerto Ricaner geheiratet hat, wird fern der Heimat nicht recht froh. Von grossem Heimweh geplagt, trifft sie ihren Freund aus Kindertagen.» (kino.de)
«Sirk schafft eine poetische, menschliche Tra gödie inmitten einer prächtigen Welt aus glitzern dem Licht und Schatten.» (Nicholas Kemp, Film at Lincoln Center, 2.11.2015) «Mit Stierkampf, Hafenszenen, Strassensän gerinnen, Landschaftsmotiven und der immer wiederkehrenden Habanera, einer Art National lied auf Puerto Rico, zeichnet Sirk die Atmosphäre so eindringlich, dass der vitale und vegetative Zauber dieser Welt und die Macht ihrer Verlo ckung auch dem Zuschauer zum Erlebnis wer den.» (Frank Maraun, Berliner Börsen-Zeitung, 9820.12.1937)Min/sw/DCP D // REGIE Detlef Sierck (= Douglas Sirk) // DREHBUCH Gerhard Menzel // KAMERA Franz Weihmayr // MUSIK Lothar Brühne // SCHNITT Axel von Werner // MIT Zarah Leander (Astree Sternhjelm), Ferdinand Marian (Don Pedro de Avila), Karl Martell (Dr. Sven Nagel), Julia Serda (Tante Ana Sternhjelm), Boris Alekin (Dr. Luis Gomez), Paul Bildt (Dr. Pardway), Edwin Jürgensen (Shumann).
// MIT Zarah Leander (Gloria Vane), Willy Birgel (Sir Albert Finsbury), Edwin Jürgensen (Gouverneur), Carola Höhn (Mary, seine Tochter), Viktor Staal (Henry), Erich Ziegel (Dr. Hoyer, Arzt), Hilde von Stolz (Fanny, Dr. Hoyers Frau), Jakob Tiedtke (Wells sr.), Robert Dorsay (Bobby Wells).
ZU NEUEN UFERN Deutschland 1937 «Im England des 19. Jahrhunderts nimmt eine Sängerin eine Scheckfälschung ihres Geliebten, eines adligen Offiziers, auf sich und wird dafür nach Australien deportiert. Dort begegnet sie dem Offizier schliesslich wieder; der liebt sie noch immer, ist aber unschlüssig und innerlich zerrissen. Zu neuen Ufern war Zarah Leanders erster Film in Deutschland und begründete ihren Status als einer der grössten Stars des deutschen Kinos. Meisterhaft geht Sierck mit Kamera und Licht um, und sein Porträt der bürgerlichen Gesellschaft ist auch hier schon von kritischer Schärfe.» (Deut sches Filminstitut & Filmmuseum, Jan. 2019) 106 Min / sw / DCP / D // REGIE Detlef Sierck (= Douglas Sirk) // DREHBUCH Kurt Heuser, Detlef Sierck (= Douglas Sirk), nach einem Roman von Lovis H. Lorenz // KAMERA Franz Weihmayr // MUSIK Ralph Benatzky // SCHNITT Milo Harbich
DAS MÄDCHEN VOM MOORHOF Deutschland 1935 Das Mädchen vom Moorhof nach der Novelle von Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf schildert das Schicksal der Magd Helga, die den Hof verlassen muss, nachdem sie von ihrem Arbeitgeber ge schwängert worden ist.
«Als eine von Sirks ersten Erkundungen von Vorurteilen in Kleinstädten (…) glänzt der Film mit romantischen, bukolischen Bildern und einem aufrichtigen Einfühlungsvermögen für seine ver stossene Heldin. Das Ergebnis ist einer der sen sibelsten und lyrischsten Filme des Regisseurs.» (Nicholas Kemp, Film at Lincoln Center, 2.11.2015) 82 Min / sw / DCP / D/e // REGIE Detlef Sierck (= Douglas Sirk) // DREHBUCH Lothar M. Mayring, nach einer Novelle von Selma Lagerlöf // KAMERA Willy Winterstein // MUSIK HansOtto Borgmann // SCHNITT Fritz Stapenhorst // MIT Hansi Knoteck (Helga Christmann), Ellen Frank (Gertrud Gerhart), Friedrich Kayssler (Vater Dittmar), Theodor Loos (Richter), Kurt Fischer-Fehling (Karsten Dittmar), Jeanette Bethge (Mutter Dittmar), Eduard von Winterstein (Amtmann Ger hart), Lina Carstens (Mutter Christmann).
John M. Foley // MIT George Sanders (Robert Fleming), Lucille Ball (Sandra Carpenter), Charles Coburn (Inspektor Harley Temple), Boris Karloff (Charles van Druten), Cedric Hardwicke (Julian Wilde), Joseph Calleia (Dr. Nicholas Moryani), Alan Mowbray (Lyle Maxwell), George Zucco (Wachtmeister H.R. Barrett).
10 Douglas Sirk
«Sirks erster amerikanischer Film beruht (…) auf der wahren Geschichte des Nazi-Befehlshabers Heydrich, dessen Ermordung durch die Tsche chen grausame Repressalien durch die deut schen Streitkräfte nach sich zog.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)
A SCANDAL IN PARIS USA 1946 «A Scandal in Paris beruht lose auf der Autobio grafie von François-Eugène Vidocq, dem es im Frankreich des 19. Jahrhunderts gelungen war, gleichzeitig als Krimineller und als Kriminologe von sich reden zu machen.
Auch Sirk interessiert sich für diese Doppe lung. Sein Vidocq lässt sich nach einem Juwelen raub, den er selbst begangen hat, als Polizist an stellen, um ebendiesen Diebstahl aufzuklären. Bald allerdings tauchen gleich zwei Frauen in sei nem Leben auf, und die Handlung nimmt eine weitere Wendung.» (Lukas Foerster, Deutsches Historisches Museum, Juli 2016) «Sirk wirft einen ironischen, zynischen Blick auf die Sitten der Alten Welt und den Moralismus der Neuen Welt gleichermassen.» (Richard Brody, The New Yorker) 100 Min / sw / DCP / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Ellis St. Joseph, frei nach den Memoiren von EugèneFrançois Vidocq // KAMERA Eugen Schüfftan, Guy Roe // MU SIK Hanns Eisler, Heinz Roemheld // SCHNITT Al Joseph //
MIT George Sanders (Vidocq), Signe Hasso (Thérèse), Akim Tamiroff (Émile Vernet), Carole Landis (Loretta), Gene Lock hart (Polizeichef Richet), Jo Ann Marlowe (Mimi), Alma Kruger (Marquise de Pierremont), Alan Napier (Houdon), Vladimir Sokoloff (Onkel Hugo), Fritz Leiber (der Maler).
LURED USA 1947
«Die Krimi-Groteske, die sowohl innerhalb von Sirks Werk als auch im Kanon des klassischen Film noir wie ein eigensinniger Querschläger wirkt, hatte bei den meisten Sirk-Fans lange einen schweren Stand. Heute dagegen ist es möglich, gerade das Schräge und Unangepasste an Lured zu geniessen. ‹Genre-Switching und Stilbruch (sind) Tugenden des Films. Die Story steckt voller Überraschungen, ist mal fesselndes Whodunit à la Agatha Christie, mal Jack-the-Ripper-Geschichte, mal Screwball-Comedy.› (Jens Hinrichsen)» (Lu kas Foerster, Deutsches Historisches Museum, Juli 2016) 102 Min / sw / Digital HD / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Leo Rosten, nach einer Erzählung von Jacques Companéez, Ernst Neubach, Simon Gantillon // KAMERA William H. Daniels // MUSIK Michel Michelet // SCHNITT
«Ein Serienmörder in London ermordet junge Frauen, die er über die Leserbriefspalten von Zei tungen kennenlernt. Er kündigt jeden seiner Morde bei der Polizei an, indem er dieser ein kryp tisches Gedicht schickt.» (mubi.com)
HITLER’S MADMAN USA 1942
84 Min / sw / 35 mm / E/f // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Peretz Hirshbein, Melvin Levy, Doris Malloy, nach einer Er zählung von Emil Ludwig und Albrecht Joseph // KAMERA Jack Greenhalgh, Eugen Schüfftan // MUSIK Karl Hajos // SCHNITT Dan Milner // MIT John Carradine (Heydrich), Patricia Morison (Jarmila), Alan Curtis (Karel), Ralph Morgan (Hanka), Howard Freeman (Himmler), Ludwig Stossel (Major Bauer), Edgar Kennedy (Nepomuk), Jimmy Conlon (Dvorak), Elizabeth Russel (Maria), Victor Kilian (Janek).
SLEEP, MY LOVE USA 1948 «Es ist mitten in der Nacht und Alison Courtland (Claudette Colbert) erwacht im Abteil eines ra senden Zuges. Dummerweise kann sie sich nicht erinnern, wie sie dorthin kam und weshalb sich in ihrer Handtasche eine Pistole befindet.» (derfilm-noir.de)«Inden1940er-Jahren begann sich Hollywood für psychische Krankheiten zu interessieren, und mit diesem Interesse entstand eine Reihe von Fil men, in denen ‹Er macht mich verrückt› kein Witz, sondern ein Handlungsstrang war. (...) Der Thril ler Sleep, My Love von Douglas Sirk passt in dieses Schema. (...) Eine Frau findet unter den Lügen, die sie jahrelang hingenommen hat, ihr wahres Ich.» (Farran Smith Nehme, Film Comment, 2.3.2016)
«Einer der detailliertesten Blicke auf den Na tionalsozialismus, die das klassische amerikani sche Kino zu bieten hat. (...) Es ist ein Werk von be trächtlicher Komplexität, das fast ausschliesslich von Menschen gemacht wurde, die wie Sirk Flüchtlinge aus Nazideutschland waren. Obwohl in Kalifornien gedreht, ist es also in gewisser Weise eine Studie über Nazideutschland von deutschen Anti-Nazis und eine engagierte, bewe gende Hommage an den Widerstand des besetz ten tschechischen Volkes.» (Michael Grost, Clas sic Film and Television, 30.1.2012)
80 Min / sw / DCP / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH
St. Clair McKelway, Leo Rosten, nach einem Roman von Leo Rosten // KAMERA Joseph A. Valentine // MUSIK Rudy Schrager // SCHNITT Lynn Harrison // MIT Claudette Colbert (Alison Courtland), Robert Cummings (Bruce Elcott), Don Ameche (Richard W. Courtland), Rita Johnson (Barby), George Coulouris (Charles Vernay), Queenie Smith (Grace Vernay), Ralph Morgan (Dr. Rhineheart), Keye Luke (Jimmie Lin), Fred Nurney (Haskins), Raymond Burr (Wachtmeister Strake), Marya Marco (Jeannie Lin), Lillian Bronson (Helen).
«Die Darstellung der Sitten und der ‹Moral› des bürgerlichen Mittelamerika ist niederschmet ternd, und die Präzision, mit der Sirk die Verdrän gungen, Eifersüchteleien und Freuden, die eine Familie durchdringen, seziert, bleibt unübertrof fen.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide)
James Gunn, Robert Blees, Gina Kaus, nach einem Roman von Carol Ryrie Brink // KAMERA Carl E. Guthrie // MUSIK Henry Mancini, Herman Stein // SCHNITT Milton Carruth // MIT Barbara Stanwyck (Naomi Murdoch), Richard Carlson (Henry Murdoch), Lyle Bettger (Dutch Heinemann), Marcia Henderson (Joyce Murdoch), Lori Nelson (Lily Murdoch), Maureen O’Sullivan (Sara Harper), Richard Long (Russ Underwood), Billy Gray (Ted Murdoch).
ALL I DESIRE USA 1953
Oscar Saul, Andrew Solt, nach dem Bühnenstück «Bonaven ture» von Charlotte Hastings // KAMERA William H. Daniels // MUSIK Hans J. Salter // SCHNITT Ted J. Kent // MIT Claudette Colbert (Schwester Mary Bonaventure), Ann Blyth (Valerie Carns), Robert Douglas (Dr. Edward Jeffreys), Anne Crawford (Isabel Jeffreys), Philip Friend (Sidney Kingham), Gladys Cooper (Mutter Oberin), Michael Pate (Willie).
11Douglas Sirk Restored by the UCLA Film & Television Archive in coopera tion with Paramount Pictures 97 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH
MAGNIFICENT OBSESSION USA 1954 «Der selbstsüchtige Playboy Bob Merrick (Rock Hudson) verunglückt mit seinem Schnellboot und nimmt das einzig verfügbare Notfallbeatmungs gerät in Anspruch, sodass der gleichzeitig darauf angewiesene Dr. Phillips stirbt. Merrick sucht Wiedergutmachung bei der Witwe des Arztes –und verliebt sich dabei.» (mubi.com)
«Unter Sirks Filmen sticht Magnificent Obses sion durch seine einzigartig überdrehte Handlung hervor – und genau diese Ungeheuerlichkeit scheint Sirks Regie zu einem entsprechenden Elan angespornt zu haben. Anstatt die emotiona len Extreme der Geschichte abzuschwächen, ak zeptiert er sie und lässt sie in ihrer vollen, etwas durchgeknallten Wucht hervortreten.» (Geoffrey O’Brien, Criterion, 19.1.2009)
108 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Robert Blees, Wells Root, Sarah Y. Mason, Victor Heer man, nach einem Roman von Lloyd C. Douglas // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Milton Carruth // MIT Jane Wyman (Helen Phillips), Rock Hudson (Bob Merrick), Agnes Moorehead (Nancy Ashford), Otto Kru ger (Randolph), Barbara Rush (Joyce Phillips), Gregg Palmer (Tom Masterson), Paul Cavanagh (Dr. Giraud).
ALL THAT HEAVEN ALLOWS USA 1955 Eine amerikanische Vorstadt in den 50er-Jahren: Die einsame Witwe Cary Scott verliebt sich in den jüngeren Gärtner Ron Kirby. Die eigenen Kinder und Freunde reagieren mit Unverständnis und Ablehnung, worauf Cary sich gezwungen sieht, die Beziehung abzubrechen. (Filmpodium, Mai/ Juni 2016)
Die ehrgeizige Naomi Murdoch (Barbara Stan wyck) verlässt ihre Kleinstadtfamilie, um eine Schauspielkarriere zu verfolgen. Jahre später kehrt sie auf Einladung ihrer Tochter zurück. «Sirk schafft ein exakt psychologisiertes Por trät einer Frau, die hin- und hergerissen ist zwi schen der Geborgenheit und Liebe, die ein norma les Familienleben mit sich bringt, und der Unabhängigkeit und Erfüllung, die ihr die Arbeit bietet.» (James Travers, frenchfilms.org)
THUNDER ON THE HILL USA 1951 «Die verurteilte Mörderin Valerie Carns wird nach Norwich transportiert, um dort hingerichtet zu werden, als eine Überschwemmung sie und ihre Bewacher in einem Klosterkrankenhaus festhält. Schwester Mary (Claudette Colbert) ist von Vale ries Unschuld überzeugt und macht sich auf die Suche nach dem wahren Mörder.» (mubi.com) «Sirk gelingt es wunderbar, das Wüten des Wetters in einen Kommentar auf die gleichfalls aufgewühlten Emotionen seiner Figuren zu ver wandeln.» (TV Guide) «Selbst wenn Douglas Sirk nicht die Genialität von Rossellini und Hitchcock besitzt, so ist er doch aufgrund der Aufrichtigkeit und Intelligenz seiner Regiearbeit ihrer würdig.» (François Truffaut, Cahiers du Cinéma, August/ September 1953) 84 Min / sw / 35 mm / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH
> Sleep, My Love > Thunder on the Hill. > Hitler's Madman > Zu neuen Ufern. > A Scandal in Paris > Lured.
Bernard C. Schoenfeld, nach einer Erzählung von Ursula Parrot // KAMERA Russell Metty // MUSIK Heinz Roemheld, Herman Stein // SCHNITT William Morgan // MIT Barbara Stanwyck (Norma Miller Vale), Fred MacMurray (Clifford Groves), Joan Bennett (Marion Groves), William Reynolds (Vincent «Vinnie» Groves), Pat Crowley (Ann), Gigi Perreau (Ellen Groves), Jane Darwell (Mrs. Rogers), Race Gentry (Bob).
an der von Rock Hudson ver körperten Figur die Spaltung zwischen mörderi scher und religiös-karitativer Intention. Wie in all seinen ausstattungsintensiven Grossproduktio nen gelingt Sirk auch in Battle Hymn eine Akzent verschiebung: weg von den Schauwerten des Bewegungskinos, hin zu sanfter Ironie und mora lischer Komplexität. Sirk nannte Battle Hymn ei nen ‹koreanischen Film›, und in der Tat wurde der im Rest der Welt weitgehend vergessene Film in Südkorea zu einem bis heute gefeierten Klassi ker.» (Lukas Foerster, Deutsches Historisches Museum, Sept. 2016)
SCHNITT Russell F. Schoengarth // MIT Rock Hudson (Col. Dean E. Hess), Anna Kashfi (En Soon Yang), Dan Duryea (Sgt. Herman), Martha Hyer (Mary Hess), Don DeFore (Capt. Dan Skidmore), Jock Mahoney (Maj. Frank Moore), Carl Benton Reid (Diakon Edwards), Alan Hale Jr. (Küchenbulle).
«Der erfolgreiche Spielzeughersteller Clifford Groves lebt mit seiner Familie in öder Einfalt. Als er einer früheren Geliebten wiederbegegnet, beginnt er, von einem anderen Leben zu träu men.» (Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Jan.«Sirks2019) zweites angebliches Dreiecksdrama mit Barbara Stanwyck ist ein brillantes Beispiel für seinen meisterhaften Umgang mit alles zer setzender Ironie. Indem er die soziale Fantasie des Happy Home demontiert – Inbegriff der wohl gefälligen amerikanischen Oberflächenwerte der 50er-Jahre –, zeigt Sirk gleichzeitig deren tragi sche Dominanz auf.» (Paul Taylor, Time Out Film 84Guide)Min/ Farbe / DCP / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH
THERE’S ALWAYS TOMORROW USA 1956
13Douglas Sirk «Ohne Scheu vor Pathos und Künstlichkeit rech net Sirk in seinem ergreifenden Melodram mit der materialistischen und verlogenen US-amerikani schen Kleingeistigkeit der 1950er-Jahre ab. (…)
«Tochter und Sohn eines amerikanischen Öl-Ty coons leiden unter schweren psychischen Proble men. Ziehsohn Mitch Wayne (Rock Hudson) ist scheinbar der einzige Bodenständige. Als dieser Lucy (Lauren Bacall) kennenlernt, beginnt zwi schen ihm und seinem Bruder ein Eifersuchts spiel.»«Sirk(mubi.com)inszeniert das vor Spannungen knis ternde Familiendrama (…) als eine Kritik, in der die Sympathie weit mehr den ‹verlorenen› Kin dern als den Normalen gilt. Die Schauspielerei ist reines Dynamit, das Melodrama entfaltet eine zwingende Logik, Ausstattung, Kamera- und Lichtführung lassen jeden Realismus kühn au sser Acht. Kein alter Film, sondern ein Film für die Zukunft.» (Tony Rayns, Time Out Film Guide) 99 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREH BUCH George Zuckerman, nach dem Roman von Robert Wilder // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Russell F. Schoengarth // MIT Rock Hudson (Mitch Wayne), Lauren Bacall (Lucy Moore Hadley), Robert Stack (Kyle Hadley), Dorothy Malone (Marylee Hadley), Robert Keith (Jasper Hadley), Grant Williams (Biff Miley), Robert J. Wilkey (Dan Willis), Edward C. Platt (Dr. Paul Cochrane).
108 Min / Farbe / DCP / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH
Charles Grayson, Vince Evans, nach den Memoiren von Dean E. Hess // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner //
Der Film gönnt der bornierten, in sozialen Kodi zes gefangenen Mittelklassegesellschaft nicht ihren Triumph und porträtiert einfühlsam eine Frau, die die Stärke findet, auszubrechen.» (Vien nale, 2016) 89 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREH BUCH Peg Fenwick, nach einer Erzählung von Edna L. Lee, Harry Lee // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Frank Gross, Fred Baratta // MIT Jane Wyman (Cary Scott), Rock Hudson (Ron Kirby), Agnes Moorehead (Sara Warren), Conrad Nagel (Harvey), William Reynolds (Ned Scott), Gloria Talbott (Kay Scott), Virginia Grey (Alida Ander son), Charles Drake (Mick Anderson).
WRITTEN ON THE WIND USA 1956
BATTLE HYMN USA 1957 «Ein amerikanischer Geistlicher, der im Zweiten Weltkrieg als Flieger unabsichtlich ein deutsches Waisenhaus bombardierte, versucht auf dem Kriegsschauplatz in Korea seinen Schuldkomplex zu tilgen, indem er dort ein Waisenhaus gründet.» (filmdienst.de)«Sirkinteressiert
> Imitation of Life (1959) > There's Always Tomorrow > The Tarnished Angels. > Interlude
125 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREH BUCH Eleanore Griffin, Allan Scott, nach dem Roman von Fanny Hurst // KAMERA Russell Metty // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Milton Carruth // MIT Lana Turner (Lora Douglas Sirk
«Ein weiteres John-M.-Stahl-Remake (neben Magnificent Obsession, Anm. d. Red.) und gleich zeitig Sirks letztes Werk. Dem Film gelingt es, der meisterhaften Vorlage weitere Bedeutungs schichten hinzuzufügen und die aufgeworfenen Fragen zu Rassismus und Klassenzugehörigkeit zu aktualisieren.» (Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Jan. 2019)
91 Min / sw / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH George Zuckerman, nach dem Roman «Pylon» von William Faulkner // KAMERA Irving Glassberg // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Russell F. Schoengarth // MIT Rock Hudson (Burke Devlin), Robert Stack (Roger Shumann), Dorothy Malone (LaVerne Shumann), Jack Carson (Jiggs), Robert Middleton (Matt Ord), Alan Reed (Colonel Fineman), Alexander Lockwood (Sam Hagood), Christopher Olsen (Jack Shumann).
Während seines dreiwöchigen Urlaubs von der russischen Front heiratet ein deutscher Soldat seine Schulfreundin und bringt sie vor den Nazis in Sicherheit. Dann muss er zurück an die Front. «Noch nie fand ich eine junge Deutsche im zu sammenbrechenden Dritten Reich so überzeu gend wie diese Zürcherin (!), die bei jedem Mit- und Aufschwenken der Kamera zittert. Gehen wir noch weiter. Ich fand Deutschland im Krieg nie so über zeugend wie in diesem in Friedenszeiten gedreh ten amerikanischen Film.» (Jean-Luc Godard) Für die noch nicht dreissigjährige Liselotte Pulver brachte dieser Film den grossen internati onalen Durchbruch. 132 Min / Farbe / DCP / E/d // REGIE Douglas Sirk // DREH BUCH Orin Jennings, nach dem Roman von Erich Maria Remarque // KAMERA Russell Metty // MUSIK Miklos Rozsa // SCHNITT Ted J. Kent // MIT John Gavin (Ernst Gräber), Liselotte Pulver (Elisabeth Kruse), Erich Maria Remarque (Professor Pohlmann), Dieter Borsche (Hauptmann Rahe), Jock Mahoney (Immermann), Don De Fore (Boettcher), Keenan Wynn (Reuter), Barbara Rütting (Soldatin), Thayer David (Oscar Binding), Charles Regnier (Joseph), Dorothea Wieck (Frau Lieser), Klaus Kinski (Gestapoleutnant).
A TIME TO LOVE AND A TIME TO DIE USA 1958
THE TARNISHED ANGELS USA 1957
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IMITATION OF LIFE USA 1959
«Vergessen Sie all die Stimmen, die das Holly wood-Melodrama der 50er-Jahre verunglimpfen; gerade dank der Konventionen dieses hyperemo tional gefärbten Genres gelingt Sirk ein so un schlagbar bitterer und pessimistischer Film.» (Geoff Andrew, Time Out Film Guide)
INTERLUDE USA 1957 «Der scheinbar unnahbare Dirigent Tonio Fischer verliebt sich in München in die unkomplizierte Amerikanerin Helen. (…) Auch als Helen erfährt, dass Tonio verheiratet ist, kann sie sich nicht von ihm trennen. Doch dann nimmt dessen kranke Ehefrau Kontakt mit ihr auf.» (prisma.de) «Ein philosophischer Reisebericht, eine alle gorische Romanze, eine grossartig symphonischvisuelle Umsetzung der Kulturgeschichte – Inter lude ist einer von Sirks dichtesten und wildesten Filmen, in dem dramatische Handlung und insze natorische Details zu scharfsinnigen Einsichten verschmelzen. Er steht ganz oben auf der Liste der filmischen Meisterwerke, die der Wiederauf führung und Wiederentdeckung bedürfen.» (Ri chard Brody, The New Yorker, 11.2.2013) 90 Min / Farbe / 35 mm / E // REGIE Douglas Sirk // DREHBUCH Daniel Fuchs, Franklin Coen, Inez Cocke, Dwight Taylor, nach einer Erzählung von James M. Cain // KAMERA William H. Daniels // MUSIK Frank Skinner // SCHNITT Russell F. Scho engarth // MIT June Allyson (Helen Banning), Rossano Brazzi (Tonio Fischer), Marianne Koch (Reni Fischer), Françoise Rosay (Gräfin Reinhart), Keith Andes (Dr. Morley Dwyer), Frances Bergen (Gertrude Kirk), Lisa Helwig (Haushälterin).
«In den Südstaaten zur Zeit der Depression ist Rock Hudson als heruntergekommener Reporter fasziniert von einer Gruppe von Kunstfliegern, an geführt von Robert Stack als desillusioniertem Piloten aus dem Ersten Weltkrieg und Dorothy Malone als Fallschirmspringerin. In Sachen Handlung passiert nur sehr wenig; die Figuren täuschen einander und sich selbst, versuchen vergeblich, besser zu kommunizieren, und ver kaufen sich immer wieder unter Wert. Unweiger lich gipfelt alles im Tod, der ironischerweise eine Art halbherzige Befreiung bringt, aber Sirks düs teres, zärtliches Bewusstsein für die Illusionen, die das Leben seiner hoffnungslosen Figuren nähren, erlaubt kein Aufatmen.» (Geoff Andrew, timeout.com, 10.9.2012)
«Eine weisse und eine schwarze Mutter haben ihren Anteil am Unglück ihrer Töchter, die sich ihnen ent fremden: die eine, weil ihre Mutter wegen ihrer Schauspielkarriere keine Zeit für sie hat, die andere, weil sie sich der Hautfarbe ihrer Mutter schämt und als Weisse gelten möchte.» (filmdienst.de)
Schweiz/Deutschland/Frankreich 2022
DOUGLASPREMIERESIRK
Der Filmstudent Roman Hüben, als Deutscher in der Schweiz aufgewachsen, stellt eines Tages fest, dass Douglas Sirk in seiner Nachbarschaft in Lugano gelebt hat. Er fängt an, sich für den Cine asten zu interessieren und stöbert im Sirk-Archiv der Cinémathèque suisse nach biografischem Material. Vor allem die Tagebuchaufzeichnungen von Sirks zweiter Ehefrau Hilde Jary erweisen sich als aufschlussreich (im Film werden sie ge lesen von Hanna Schygulla). So hat Sirk mit sei ner ersten Familie Dramen erlebt, die sich in sei nem Werk immer wieder in unterschiedlicher Form niedergeschlagen haben. Sirk-Kenner wie Todd Haynes und Bernard Eisenschitz runden das Porträt des Cineasten ab. (mb) 76 Min / Farbe + sw / DCP / D+E+F/e // DREHBUCH UND REGIE Roman Hüben // KAMERA Mathieu Gaudet // MUSIK Martin Perret // SCHNITT Marylou Vergez // MIT Douglas Sirk (Archivmaterial), Todd Haynes, Jon Halliday, Bernard Eisen schitz, Denis Rossano, Hanna Schygulla. * am Samstag, 8. Oktober, 18.30 Uhr in Anwesen heit des Regisseurs
IMITATION OF LIFE 1934 & 1959 MIT ELISABETH BRONFEN & JOHANNES BINOTTO
«John M. Stahl inszeniert diese Art von Film sehr gekonnt. Er zügelt den Snobismus von Fan nie Hursts ‹Erfolgsgeschichte›, während der Film dahinfliesst und unser Interesse wächst.» (Vari ety, «Dies31.12.1933)istdererste Film, den der Rezensent gese hen hat, in dem die Beziehung zwischen Weissen und Schwarzen einen so wichtigen Teil der Ge schichte ausmacht. (…) Es ist gut möglich, dass durch diesen Film Sympathien für die Probleme der schwarzen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten geweckt werden.» (Robert Randol, Fort Worth Star-Telegram, 24.11.1934)
101 Min / sw / DCP / E // REGIE John M. Stahl // DREHBUCH William Hurlbut, nach dem Roman von Fannie Hurst // KAMERA Merritt Gerstad // MUSIK Heinz Roemheld // SCHNITT Philip Cahn, Maurice Wright // MIT Claudette Colbert (Beatrice «Bea» Pullman), Warren William (Stephen «Steve» Archer), Rochelle Hudson (Jessie Pullman mit 18 Jahren), Ned Sparks (Elmer Smith), Louise Beavers (Delilah Johnson), Fredi Washington (Peola Johnson mit 19 Jahren), Baby Jane (= Juanita Quigley) (Jessie Pullman als Baby), Alan Hale (Martin, der Möbelmann).
DOUBLE BILL ON DOUBLE BILL: MI, 26. OKT. | 18.30 UHR
Douglas Sirk16 Meredith), Juanita Moore (Annie Johnson), John Gavin (Steve Archer), Susan Kohner (Sarah Jane Johnson), Sandra Dee (Susie Meredith mit 16), Dan O’Herlihy (David Edwards), Terry Burnham (Susie als Sechsjährige), Karen Dicker (Sarah Jane als Achtjährige), Mahalia Jackson (sie selbst als Sängerin).
Im Zwiegespräch aus zwei ganz unterschiedlichen Filmen ein stimmiges Duett machen – das ist das Prinzip des Filmpodium-Formats «Double Bill on Double Bill».
–HOPE AS IN DESPAIR
IMITATION OF LIFE USA 1934 «Eine weisse Mutter (Claudette Colbert) nimmt eine schwarze Haushälterin (Louise Beavers) und deren Tochter auf. Die zwei Frauen eröffnen einen Pfannkuchen-Laden, der sich bald zu einem er folgreichen Geschäft mausert. Doch dabei haben sie mit familiären und ethnischen Problemen zu kämpfen.» (mubi.com)
Zwei junge Witwen erziehen in Fanny Hursts kontroversem Roman-Bestseller «Imitation of Life» (1933) gemeinsam ihre beiden Töchter. Die eine Frau gehört zur weissen Mittelschicht, die andere ist eine schwarze Angestellte. Es bleibt offen, ob es sich bei dabei um eine plumpe Stereotypisierung handelt oder einen subversiven Kommentar zur Klassen- und Rassenfrage in Amerika. Unser Gespräch vergleicht die beiden Verfilmungen von John M. Stahl (1934) und Douglas Sirk (1959). Im Kontext der zeitgenössischen Debatte um kulturelle Aneignung wollen wir sowohl der Darstellung von lesbischem Begehren und dem Phänomen des «Passing» nach gehen wie auch danach fragen, was es im Kino heisst, in Imitationen des Lebens verstrickt zu sein. (Elisabeth Bronfen)
TRI A NGLE OF S A DNESS H A RRIS DICKINSON, CH A RLBI DE A N, WOODY H A RRELSON Ein Film von RUBEN ÖSTLUND AB 13. OKTOBER NUR IM KINO EINE BRILLANT BISSIGE ABRECHNUNG MIT DEN REICHEN UND SCHÖNEN. NEXT BEST PICTURE CLEVER UND A TREFFSICHER.BSOLUT DEADLINE SEHR KLUG UND SEHR BÖSE. BR KINO KINO MIT SO LEICHTIGKEITVIELH AT UNS SELTEN EIN FILM DEN SPIEGEL VORGEHALTEN. 3SAT KULTURZEIT
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19 A Girl Walks Home Alone at Night: Women Make Horror!
Weil sie die «offensichtliche Passivität der Frauen» in den Vampirfilmen von Männern als «verstörend und ziemlich langweilig» empfand, beschloss die Horrorfilmpionierin Stephanie Rothman Anfang der 1970er-Jahre, den Spiess umzudrehen. Bei ihr sollte der Mann einen «masochistischen, orgastischen Vampirtod» geniessen – und die Frau sich erfolgreich wehren. So erzählte es die heute 85-jährige Rothman 2008 einem Filmstudenten, der sie zu ihrem un terdessen kultverdächtigen Low-Budgetfilm The Velvet Vampire (1971) be fragte, einem Horrorfilm im Exploitation-Stil, den sie im Auftrag des legen dären B-Movie-Produzenten und Talentjägers Roger Corman drehte.
Das zeigen insbesondere jene Horrorfilme, die von Frauen gedreht wurden und die nach langem Schattendasein seit ein paar Jahren einen anhaltenden Boom erleben. Mit seiner Mini-Antholo gie lädt das Filmpodium zu einem ebenso haarsträubenden wie augen öffnenden Trip durch 50 Jahre Frauen-Horrorfilme.
Horrorfilme verwandeln unsere Urangst vor dem Tod in ein lustvolles Spiel. Das Genre eignet sich aber auch perfekt für ironische Überzeich nungen, sozialkritische Aneignungen – und für die Feier von Grenz überschreitungen.
Eine Vampirfrau aus dem 19. Jahrhundert verführt darin ein junges Paar, das aus einem zeitgenössischen Softporno entlaufen scheint. Heute ist kaum noch nachvollziehbar, warum Rothmans offensichtliches filmisches Talent und ihr ironischer Blick – sowohl auf die Geschlechterkonventionen als auch auf die Gepflogenheiten des Genres – ihr keine Hollywoodkarriere ermöglicht hatten. Entmutigt gab sie das Filmemachen nach mehreren Anläufen schliesslich auf. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis Frauen im Regiestuhl selbstverständlicher wur den, gerade auch in der männlich geprägten Domäne des Horrorfilms. Mit einem schielenden Blick Zehn Jahre nach The Velvet Vampire schrieb die lesbische Aktivistin und Kri miautorin Rita Mae Brown das Skript zu The Slumber Party Massacre (1982), einem Slasherfilm im Uni-Milieu. Brown wollte das Genre mit Überzeichnun gen parodieren. Ein Psychokiller erledigt mit seinem riesigen Akkubohrer eine weibliche Pyjamapartygesellschaft und auch ein paar Männer. Regie führte Hippies, Erotik und schicker Grusel: The Velvet Vampire Bösenachtgeschichte: The Babadook Debüt mit Biss: Grave
Claire Denis’ Trouble Every Day (2001) verschränkt – wie Bigelow –vampirische Blutlust mit sexueller Entgrenzung und einer Existenz ausserhalb
20 Amy Holden Jones, die heute für die erfolgreiche Spitalserie The Resident ver antwortlich ist. Nebst ein paar originell besetzten Nebenrollen – das erste Opfer ist eine zupackende Elektrikerin – hält sich Jones an die Genreregeln, denn auch The Slumber Party Massacre ist eine Produktion von Roger Corman: Das «final girl» überlebt, weil es noch Jungfrau ist; der tot geglaubte Killer kehrt ein letztes Mal zurück; das von Eltern und Polizei verkörperte Gesetz ist abwesend. Auch viele weitere traditionelle Horroringredienzien sind in The Velvet Vampire und in The Slumber Party Massacre zitiert: Küsse als Bisse; durchbohrte und aufgeschlitzte Körper; die Unsicherheit, ob das Tote noch Leben in sich trägt – oder die Lebendigen eigentlich bereits tot sind. Diese frühen Horrorfilmregisseurinnen nähern sich den Konventionen und Codes des Genres quasi mit einem «schielenden Blick» (ein Sinnbild der Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel für die Anstrengungen weiblicher Schreibpraxis): auf dem einen Auge regeltreu, mit dem anderen auf Ausbruch und Umcodierung schielend. Bereits in der Schauerliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts finden sich mehrere stilbildende Autorinnen: die Gothic Scream-Queen Ann Radcliffe etwa – und natürlich Mary Shelley mit «Franken stein». Was Schauerliteratur und Horrorfilm ebenfalls verbindet: Das Genre ist zwar populär, wird aber lange wenig ernst genommen und in die Schmuddel ecke gestellt.Trotzdem begann auch eine der wichtigsten US-Filmregisseurinnen ihre Karriere mit einem Vampirfilm. Kathryn Bigelows Near Dark (1987) erfuhr einen ähnlichen Empfang wie The Velvet Vampire: kein Kassenerfolg, kaum kritische Auseinandersetzung. Erst später wuchsen Fangemeinde und Anerken nung – und ebneten so auch langsam den Weg für eine nächste Generation von Filmemacherinnen.
Man erkennt diese Nähe und den unsentimentalen Blick auch in den gro ssen Horrorfilmen der Jahrtausendwende von Antonia Bird, Mary Harron und Claire Denis. In Birds Ravenous (1999) werden US-Siedler zu Kannibalen und untoten Wiedergängern. Bird leuchtet hier die toxische Männlichkeit aus, die in den Männerbünden an der unwirtlichen Frontier in Gewalt explodiert. Und sie hat in diese beinahe frauenlose Welt eine weibliche Figur als Alter Ego ein gebaut, das zunehmend fassungslos auf den Blutrausch der Männer schaut.
Bei Bigelow endet die vampirische Ekstase mit einer Blut wäsche und der Rückführung in die sesshafte Kleinfamilie, da sich der frisch gebissene Mann nicht auf eine Rolle als gesellschaftlicher Outcast einlassen mag. Hier blitzt bissige feministische Kritik auf – und eine weibliche Affinität zur blutigen, aber auch lustvollen Grenze zwischen Leben und Tod, die dem Mann abgeht. Sind vielleicht Frauen aufgrund ihrer Körper, ihrer Sexualität, ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären, auch auf eine ganz pragmatische Weise nä her an dieser existenziellen Schwelle, um die so viele Horrorfilme kreisen?
21 gesellschaftlicher Normen. Innerhalb der Normen der Filmindustrie nehmen die Horrorfilmerinnen langsam Fahrt auf. Die Arthouse-Regisseurin Denis wird mit Trouble Every Day nach Cannes eingeladen. Und auch die Filmkritik reagiert: auf Mary Harrons geniale feministisch-satirische Zuspitzung der brutal misogynen Welt des Wallstreetianers Patrick Bateman in ihrer Verfilmung von Bret Easton Ellis’ Zeitgeistroman American Psycho (2000) etwa mit Lobeshymnen, aber auch mit Unverständnis angesichts der dargestellten Gewalt. Dabei legt Harron nur die blutige Wahrheit hinter den auf Batemans Visiten karte vermerkten «mergers and acquisitions» offen: «murders and executions». Endlich Anerkennung Nochmals fünfzehn Jahre später setzt mit Jennifer Kents The Babadook (2014) und Julia Ducournaus Spielfilmdebüt Grave (2016) ein wahrer Boom von Frauen-Horrorfilmen ein. In The Babadook werden die Trauer und Verzweif lung einer alleinerziehenden Mutter als psychologisch ausgefeilte Horrorge schichte erzählt. Ein toter Mann sucht Frau und Sohn als unheimliches Kinder buchmonster heim. Man kann dies auch als selbstbewusste «Gegendarstellung» zu Barbara Creeds Studie lesen, die nachzeichnet, wie Horrorfilme von Män nern dazu tendieren, weibliche Körper zum «monströsen Weiblichen» zu zer formen.Horrorfilme
von Frauen bedienen dieses Klischee kaum. Auch nicht Grave, eine Hommage an Ravenous: Zwei Schwestern, Studentinnen der Vete rinärmedizin, ergehen sich in einer Orgie der Fleischeslust, die auch ein Aus bruch aus alten Geschlechterrollen ist. Damit sind die Horrorfilmerinnen ange kommen im Olymp von Cannes, Grave holt den Filmkritiker:innenpreis in der Sektion Quinzaine des Réalisateurs. Fünf Jahre später gewinnt Ducournau mit Titane sogar die Palme d’Or.
Andere Regisseurinnen nutzen das Genre für befreiende Rachefeldzüge –wie etwa Coralie Fargeat in Revenge (2017) –, aber auch, um Gesellschaftskri tik zu üben. In Tigers Are Not Afraid (2017) etwa spiegelt Issa Lopéz die trau rige Realität mexikanischer Strassenkinder an Schreckensfantasien im Stil des magischen Realismus. Und in Candyman (2021) inszeniert Nia DaCosta – un terstützt von Jordan Peele (Get Out) – eine Konfrontation mit rassistischen Verbrechen der Vergangenheit: DaCosta beschwört in ihrer Fortsetzung des gleichnamigen Films von 1992 ihre eigene Version des Candyman als blindwü tenden Rächer ungesühnter Gewalt herauf. Stephanie Rothmans Enkelinnen sitzen heute endlich ohne schielenden Blick im Regiestuhl – und besetzen das Horrorgenre selbstbewusst, vielgestaltig und nach ihren eigenen Regeln.
Daniela Janser ist Kulturredaktorin bei der Wochenzeitung WOZ und lebt in Zürich. Sie ist promovierte Amerikanistin und Kulturwissenschaftlerin.
Daniela Janser
> Pet Sematary > American Psycho > Near Dark. > Trouble Every Day > The Slumber Party Massacre.
2007)«Stephanie
77 Min / Farbe / DCP / E/e // REGIE Amy Holden Jones //
THE SLUMBER PARTY MASSACRE USA 1982 «YOU BRING THE PIZZA … I’LL BRING THE DRILL!» (VHS-Cover)
«Die Highschool-Schülerin
DREHBUCH Rita Mae Brown, Amy Holden Jones // KAMERA Stephen L. Posey // MUSIK Ralph Jones // SCHNITT Sean Foley, Wendy Greene Bricmont // MIT Michelle Michaels (Trish), Robin Stille (Valerie), Michael Villella (Russ Thorn), Debra De Liso (Kim), Andree Honore (Jackie), Gina Smika Hunter (Diane), Jennifer Meyers (Courtney).
Rothmans vierter Spielfilm ist ein nur wenig besungener Klassiker des erotischen Vampirfilms. Den europäischen Merkmalen des Genres setzt er kalifornischen Lifestyle und eine ausgeprägte weibliche Perspektive entgegen. (…) Das Ergebnis ist ein visuell kraftvoller Film, der Roger Cormans Sonderstellung im ExploitationBereich unterstreicht: eine Sonderstellung, an der Stephanie Rothman zu Beginn der 1970erJahre einigen Anteil hatte.» (Oliver Nöding, critic. de, Print10.3.2017)courtesyof the Academy Film Archive ✶ Montag, 3. Oktober, 20.30 Uhr: anschl. Online-Q&A mit Stephanie Rothman 80 Min / Farbe / 35 mm / E/e // REGIE Stephanie Rothman // DREHBUCH Stephanie Rothman, Charles S. Swartz, Maurice Jules // KAMERA Daniel Lacambre // MUSIK Clancy B. Glass III, Roger Dollarhide // SCHNITT Stephen Judson, Barry Simon // MIT Celeste Yarnall (Diane LeFanu), Michael Blodgett (Lee Ritter), Sherry Miles (Susan Ritter), Gene Shane (Carl Stoker), Jerry Daniels (Juan), Sandy Ward (Amos), Paul Prokop (Cliff), Chris Woodley (Cliffs Freundin).
23Women Make Horror THE VELVET VAMPIRE USA 1971 «THEY DESIRED HER BODY. SHE CRAVED THEIR BLOOD.» (VHS-Cover)
NEAR DARK USA 1987 «THEY CAN ONLY KILL YOU ONCE. BUT THEY CAN TERRIFY YOU FOREVER!» (VHS-Cover)
«The Slumber Party Massacre unterscheidet sich auf Anhieb von den meisten Slasher-Filmen seiner Zeit. Frauen werden nicht in eine be stimmte Rolle gedrängt und nehmen auch am Rande der Erzählung mehr Raum ein. In den kleinen Dingen wie der Besetzung von Neben rollen durch Frauen – der Handwerker ist eine Handwerkerin – zeigt sich Regisseurin Amy Holden Jones’ Absicht.» (Willow Catelyn Maclay, mubi.com, 11.11.2019)
«In einer Kleinstadt wird der junge Caleb von ei ner Frau gebissen. Er ist fortan ebenfalls eine Kreatur der Nacht. Aus Verzweiflung und Liebe schliesst er sich der Vampir-Gang an. Doch Men schen für Blut töten kann Caleb nicht, woraufhin die Vampire das Verdikt aussprechen: ‹He ain’t one of us.›» (Hannes Brühwiler, Zeughauskino, Oktober 2013) «Das jahrzehntelang maximal männlich ge prägte Bild vom unwiderstehlichen Blutsauger, der die verborgenen sexuellen Wünsche der Frauen in einer orgastischen Nahtoderfahrung entfesselt, wurde durch Near Dark radikal erneu ert. Nicht nur verkehrt der Film die klassische Rollenverteilung vom Jäger und der Gejagten, auch Erotik, Gewalt und die Dynamik innerhalb der porträtierten Gruppe erhalten ein neues Fun dament. Auch wenn etwa Filme wie A Girl Walks Home Alone at Night einen feministischen gela gerten Vampir-Mythos deutlich pointierter arti kulieren – Near Dark gebührt die Ehre der Wegbe reitung.» (Tobias Heidemann, kino.de, 21.11.2016) 94 Min / Farbe / 35 mm / E/d // REGIE Kathryn Bigelow // DREHBUCH Kathryn Bigelow, Eric Red // KAMERA Adam Greenberg // MUSIK Tangerine Dream // SCHNITT Howard E. Smith // MIT Adrian Pasdar (Caleb Colton), Jenny Wright (Mae), Lance Henriksen (Jesse Hooker), Bill Paxton (Seve ren), Jenette Goldstein (Diamondback), Tim Thomerson (Loy Colton), Joshua John Miller (Homer), Marcie Leeds (Sarah Colton).
Trish hat sturmfrei und plant die Abwesenheit ihrer Eltern zu nutzen, um in ihrem Haus eine Pyjamaparty mit ihren Freundinnen zu veranstalten. Zur gleichen Zeit ist aus der nahegelegenen psychiatrischen Anstalt jedoch ein mit einem Bohrer bewaffneter Mas senmörder ausgebrochen.» (filmstarts.de)
«Die lesbische Vampirin Diane LeFanu lernt auf einer Kunstausstellung ein junges Paar kennen, das sie auf ihren luxuriösen Landsitz in der Wüste lockt. Als das neugierige Paar die wahre Natur seiner Gastgeberin und die Gefahr erkennt, ver sucht es zu fliehen. (…) Dieser bemerkenswerte, in Südkalifornien angesiedelte Vampirinnenfilm macht sich über die sexuellen Konventionen seiner Zeit lustig und dreht dabei die klassische Erwartungshaltung der Vampir-Mythologie – die Frau in der Opferrolle – um.» (Pam Cook, Viennale
Die Familie Creed mit zwei Kindern sowie einem Kater zieht in ein Landhaus direkt an einer stark befahrenen Strasse. Als der Vierbeiner überfah ren wird, will ihn Vater Louis auf dem Tierfriedhof beerdigen. Doch der Nachbar weist ihn zu einer alten, der Legende nach verfluchten Begräbnis stätte eines Indianerstammes. Am nächsten Tag erscheint der Kater wieder lebendig, wenn auch seltsam verändert im Hause der Creeds. Als we nig später der Sohn der Familie ebenfalls auf die ser Strasse sein Leben verliert, fällt sein Vater ei nen folgeschweren Entschluss. (pm) «Nach zahlreichen TV-Verfilmungen von KingErzählungen war Pet Sematary der Startschuss für etwas Neues: die bescheidene, kleine, höchst unterhaltsame Stephen-King-Kino-Adaption. (...) war ein Hit und einer der erfolgreichsten Horror filme, bei denen eine Frau Regie führte. Bis dahin war Mary Lambert vor allem für eine Reihe von ikonischen Musikvideos für Madonna, Janet Jack son und die Go-Gos bekannt.» (Sean Fennessey, The Ringer, 1.10.2018) 103 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Mary Lambert // DREHBUCH Stephen King, nach seinem Roman // KAMERA Peter Stein // MUSIK Elliot Goldenthal // SCHNITT Daniel P. Hanley, Mike Hill // MIT Dale Midkiff (Louis Creed), Fred Gwynne (Jud Crandall), Denise Crosby (Rachel Creed), Brad Greenquist (Victor Pascow), Michael Lombard (Irwin Gold man), Miko Hughes (Gage Creed), Blaze Berdahl (Ellie Creed).
Women Make Horror24 PET SEMATARY USA 1989 «DON'T FORGET TO PUT OUT THE CAT... BEFORE THE CAT PUTS OUT YOU»
«Der Film von Mary Harron und Kodrehbuch autorin Guinevere Turner, der sich mit den Aus wirkungen von Gewalt, männlicher Eitelkeit und den Schrecken des entfesselten Patriarchats be schäftigt, geht unter die Haut. Unter der (beab sichtigten, aber fehlgeleiteten) Monotonie von El lis’ Romanvorlage verbirgt sich eine scharfsinnige Satire über Ronald Reagans Amerika und die Ver brechen, mit denen mächtige Männer ungestraft davonkommen. Aber es brauchte zwei Frauen, um sie freizulegen.» (Angelica Jade Bastién, The Village Voice, 7.6.2016)
SIK John Cale // SCHNITT Andrew Marcus // MIT Christian Bale (Patrick Bateman), Justin Theroux (Timothy Bryce), Josh Lucas (Craig McDermott), Bill Sage (David Van Patten), Chloë Sevigny (Jean), Reese Witherspoon (Evelyn Williams).
Eine Komödie? Ein Hor rorfilm? Ein Historiendrama? (…) Die Schauspie ler sind famos, die Locations atemberaubend und die Tonlage verändert sich so oft, dass man sich nie sicher sein kann, was als Nächstes passiert. Sind Guy Pearce und Robert Carlyle sexy Vampire, die aufeinander stehen? Oder sind sie hartgesot tene Soldaten auf einem Egotrip, ein jeder gesetz loser und wilder als das Land, das sie bewoh nen?» (Slash Filmfestival Wien, 2019) «Antonia Bird (…) interessiert sich kluger weise mehr für die Atmosphäre als den Plot. (…) Ravenous ist insofern clever, als er die meisten Klischees des Vampirfilms durch den Einsatz von Kannibalismus und die meisten Klischees des Kannibalenfilms durch den Einsatz von Vampiris mus vermeidet. Er serviert beide Gerichte mit neuen Saucen.» (Roger Ebert, Chicago SunTimes, 19.3.1999) 101 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Antonia Bird // DREHBUCH Ted Griffin // KAMERA Anthony B. Richmond // MUSIK Michael Nyman, Damon Albarn // SCHNITT Neil Farrell // MIT Guy Pearce (Capt. John Boyd), Robert Carlyle (Col. Ives/F. W. Colqhoun), David Arquette (Soldat Cleaves), Jeremy Davies (Soldat Toffler), Jeffrey Jones (Col. Hart), Joseph Running Fox (Georg).
AMERICAN PSYCHO USA 2000 «I THINK MY MASK OF SANITY IS ABOUT TO SLIP»
102 Min / Farbe / 35 mm / E/d/f // REGIE Mary Harron // DREHBUCH Mary Harron, Guinevere Turner, nach dem Ro man von Bret Easton Ellis // KAMERA Andrzej Sekuła // MU
RAVENOUS USA/GB 1999 «YOU ARE WHO YOU EAT» «1847 schleppt sich ein halb erfrorener Mann in ein amerikanisches Fort in der Sierra Nevada und tischt eine grausige Geschichte auf: Um nicht zu verhungern, sollen die Überlebenden eines Sied lertrecks die Schwächsten über dem Feuer ge röstet und gegessen haben. Eine Expedition wird losgeschickt, um die Wahrheit herauszufinden.» (filmdienst.de)«IsteseinWestern?
«Jung, erfolgreich, gut aussehend: Patrick Ba teman verkörpert den Geist und die Werte der 1980er-Jahre nahezu perfekt. Das Geld für sein exklusives Label-Bewusstsein verdient er an der Wall Street. (…) Doch hinter der perfekten Ober fläche verbirgt sich ein Monster. Nachts streift Bateman durch New York und bringt, aufge putscht von Kokain und Designerdrogen, Penner und Prostituierte um. Von seinem Doppelleben immer mehr eingenommen, bewegt er sich auf einem schmalen Grat zwischen Fantasie und Wirklichkeit.» (Kino Riffraff, Zürich)
«Mit Trouble Every Day ebnete Claire Denis den Weg für jüngere Filmmacherinnen wie Julia Du cournau, die genau zwanzig Jahre später mit ih rer Body-Horror-Fantasie Titane als zweite Frau in der Geschichte des Festivals die Goldene Palme von Cannes gewann.» (Konrad Kögler, Das Kul turblog, 20.3.2022) 101 Min / Farbe / 35 mm / E+F/d // REGIE Claire Denis // DREHBUCH Claire Denis, Jean-Pol Fargeau // KAMERA Agnès Godard // MUSIK Tindersticks // SCHNITT Nelly Quet tier // MIT Vincent Gallo (Shane Brown), Tricia Vessey (June Brown), Béatrice Dalle (Coré), Alex Descas (Léo Semenau), Florence Loiret Caille (Christelle), Nicolas Duvauchelle (Erwan), Raphaël Neal (Ludo), José Garcia (Choart). THE BABADOOK Australien/Kanada 2014
2001 «THE HUNGER TO LOVE»
The Babadook ist ein Psychothriller, der sich mit den Schrecken der Mutterschaft angesichts
Lily Amirpour // KAMERA Lyle Vincent // SCHNITT Alex O’Flinn // MIT Sheila Vand (junge Frau), Arash Marandi (Arash), Marshall Manesh (Hossein), Mozhan Marnò (Atti), Dominic Rains (Saeed), Rome Shadanloo (Shaydah).
94 Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Jennifer Kent // DREHBUCH Jennifer Kent // KAMERA Radoslaw Ladczuk //
MUSIK Jed Kurzel // SCHNITT Simon Njoo // MIT Essie Davis (Amelia Vanek), Noah Wiseman (Samuel Vanek), Daniel Henshall (Robbie), Hayley McElhinney (Claire), Barbara West (Frau Roach), Benjamin Winspear (Oskar).
A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT USA 2016 «THE FIRST IRANIAN VAMPIRE WESTERN» «In der iranischen Geisterstadt Bad City gehen seltsame Dinge vor. Hier tummeln sich (…) Ge setzlose und ihre Opfer, die Wände schwitzen Ver brechen aus ihren Poren. (…) Wütend auf alles und jeden, streift Arash durch die Strassen und be gegnet einem Mädchen, das rätselhaft anziehend ist. Schon bald entdeckt er ihr Geheimnis: Sie ist ein Vampir. Verhüllt in einen Tschador durch streift sie Nacht für Nacht die Stadt auf ihrem Skateboard und erleichtert Bad City um so man ches widerliche Subjekt. Arash und das namen lose Vampir-Mädchen freunden sich langsam an. Und eine zarte Liebesgeschichte entsteht an ei nem Ort, an dem eigentlich kein Platz dafür ist.» (epd-film.de)«
von Isolation und geschlechtsspezifischen Erwar tungen auseinandersetzt und zu den besten Hor rorfilmen des letzten Jahrzehnts zählt.» (Justine Smith, Little White Lies, 31.10.2016)
A Girl Walks Home Alone at Night ist ein Film des Auf- und Umbruchs. Ein Film, in dem eine Frau, die ‹Böses› getan hat, trotzdem mit dem at traktiven Helden in die Dunkelheit brausen darf. Ein Film, in dem Vergewaltiger und erpresseri sche Drogendealer hingerichtet werden, während ‹gefallenen› Frauen eine zweite Chance gegeben wird, ohne sie jemals als Opfer zu degradieren. Ein Film, in dem wir statt des männlichen den weiblichen Vampir-Blick des bedrohlichen Be gehrens erleben.» (Sophie Charlotte Rieger, film loewin.de, 1.9.2022)
101 Min / sw / DCP / Farsi/d // DREHBUCH UND REGIE Ana
Frankreich/Deutschland/Japan
25Women Make Horror TROUBLE EVERY DAY
Anwandlungen
«Aus dieser verstörenden Konstellation her aus entwickelt Regisseurin Claire Denis ein span nungsvolles, erotisches Psychodrama. Die betö renden Bildkompositionen der Kamerafrau Agnès Godard werden untermalt vom düster-melancho lischen und magischen Soundtrack der britischen Band Tindersticks.» (Michel Lang, Viennale, 2003)
«IF IT’S IN A WORD. OR IT’S IN A LOOK. YOU CAN’T GET RID OF … THE BABADOOK » «Eine alleinerziehende Mutter quält sich mit ih rem hyperaktiven sechsjährigen Sohn, der in sei ner eigenen Welt lebt und nachts von Albträumen heimgesucht wird. Seine Ängste steigern sich ins Monströse, als er auf die Schauergeschichte der Kreatur Babadook stösst, die man nicht mehr los wird, sobald man sie erblickt. Ein virtuos fotogra fierter, von einem raffinierten Klangdesign getra gener Debütfilm, der Kammerspiel, Sozialdrama und Horrorthriller verbindet.» (Lexikon des int. Films)«
«Ein junger amerikanischer Wissenschaftler sucht in Paris einen französischen Kollegen, mit dem er an Experimenten über die menschliche Libido arbeitete. Der aber ist untergetaucht (…), denn seine Frau wurde Opfer der Experimente und ist zum Vampir mutiert. Als der Amerikaner sie aufspürt und die Frau bei einem Lustmord be obachtet, werden ihm die eigenen vampirischen bewusst.» (Lexikon des int. Films)
«The Babadook hat sein wohlverdientes Lob dafür erhalten, neue Massstäbe im modernen Horror zu setzen. Am aufregendsten ist jedoch, dass sich seit dem Erscheinen des Films mehrere Frauen mit herausragenden Spielfilmdebüts in diesem Genre zu Kent gesellt haben.» (Tim Picci one, pheltmagazine.co, 15.8.2021)
> Tigers Are Not Afraid > Censor. > A Girl Walks Home Alone at Night > Satanic Panic. > Candyman /InstituteFilmBritishThe/LtdProductionsCensor2020© Wales.CymruFfilm/CorporationTelevisionFourChannel Reserved.RightsAll
«AN UNSPARING BLEND OF FANTASY AND BRUTALITY, INNOCENCE AND EVIL» (Guillermo del Toro, DVD-Cover) «Ein zehnjähriges Mädchen, dessen Mutter von einem örtlichen Drogenkartell ermordet wurde, schliesst sich einer Strassenbande von verwais ten Kindern an. (…) In ihrem mexikanischen Dorf wimmelt es zum Nachteil des Kartells aber nicht nur von Sicarios, sondern von ebenso vielen Ge spenstern.» (Leah Pickett, The Chicago Reader, 5.4.2018)«Issa López (…) nutzt geschickt die Mittel von Fantasy und Horror, um das Leben der Kinder zu zeigen, die vom mexikanischen Drogenkrieg ihrer Eltern beraubt wurden. Der Film ist in seinem grimmigen Realismus und seinem Umgang mit dem Fantastischen ergreifend, bewegend und ka thartisch zugleich. Vor allem aber ist er Beleg da für, wie Genregeschichten einen realen sozialen Kommentar liefern können.» (Caroline Siede, The Verge, 5.9.2019) 83 Min / Farbe / Digital HD / Span/e // DREHBUCH UND REGIE Issa López // KAMERA Juan José Saravia // MUSIK Vince Pope // SCHNITT Joaquim Martí // MIT Paola Lara (Estrella), Juan Ramón López (El Shine), Nery Arredondo (Morro), Hans sel Casillas (Tucsi), Rodrigo Cortes (Pop), Ianis Guerrero (Caco), Tenoch Huerta (El Chino).
PREMIERE: TIGERS ARE NOT AFRAID (Vuelven) Mexiko 2017
«WHAT ARE YOU HUNGRY FOR?»
PREMIERE: REVENGE Frankreich 2017 «AN UNSHAKEABLE SENSORY EXPERIENCE» (DVD-Cover)
«Was für Jen als romantischer Ausflug mit ihrem Freund begann, nimmt mit der unangekündigten Ankunft seiner schmierigen Jagdkumpel eine schreckliche Wendung. Vergewaltigt, misshan delt und in der brütenden Hitze der Wüste zum Sterben zurückgelassen, überlebt Jen mit nur ei nem einzigen Ziel: Rache.» (Int. Filmfestival Mil waukee, 2018)
«Justine soll in die Fussstapfen der Familie treten und beginnt ein Studium der Tiermedizin. An der Hochschule wartet ihre ältere Schwester (die Zür cherin Ella Rumpf) bereits auf sie, leistet jedoch kaum Hilfe bei den demütigenden Aufnahmeritu alen für Frischlinge. Nachdem die überzeugte Ve getarierin Justine gezwungen wird, eine rohe Ha senniere zu essen, entwickelt sie plötzlich eine unbändige Lust auf Fleisch. (…) Mit Elementen des Body-Horrors à la David Cronenberg, aber auch leisem Drama und pechschwarzem Humor reflektiert Grave über die Veränderung des (weib lichen) Körpers von innen und den patriarchi schen Druck von aussen.» (wieistderfilm.de) «Während Horror oft durch den ‹male gaze› gefiltert wird, zeigt Ducournaus Film eine erfri schende Vorliebe für die Erotik des weiblichen Auges und reduziert männliche Objekte der Be gierde auf Fleisch und Knochen.» (Anton Bitel, Little White Lies, 2.4.2017)
«Das fesselnde Spielfilmdebüt von Autorin/ Regisseurin Coralie Fargeat ist eine atemberau bende Neuerfindung des Rape-Revenge-Genres, die mich von der ersten bis zur letzten Einstellung in Atem hielt. (…) Fargeat bedient sich des müden Subgenres des Exploitation-Films und macht da raus etwas Zeitgemässes, Unmittelbares und Wesentliches. (…) Revenge zerschmettert den männlichen Blick in unzählige Einzelteile. Diese prägnante weibliche Vision eines nur allzu realen Terrors ist ein grausamer Schuss filmischen Ad renalins, den ich wohl nicht so schnell vergessen werde.» (Sara Michelle Fetters, moviefreak.com, 10830.5.2018)Min/Farbe / Digital HD / F+E/d // DREHBUCH UND RE GIE Coralie Fargeat // KAMERA Robrecht Heyvaert // MUSIK Robin Coudert // SCHNITT Coralie Fargeat, Bruno Safar, Jérôme Eltabet // MIT Matilda Lutz (Jen), Kevin Janssens (Richard), Vincent Colombe (Stan), Guillaume Bouchède (Dimitri), Jean-Louis Tribes (Roberto).
PREMIERE: SAINT MAUD GB 2019 «YOUR SAVIOUR IS COMING»
«Die tiefreligiöse Maud nimmt eine Stelle als Pflegerin im luxuriösen Haus von Amanda an,
27Women Make Horror GRAVE Frankreich/Belgien 2016
99 Min / Farbe / DCP / F/d // DREHBUCH UND REGIE Julia Ducournau // KAMERA Ruben Impens // MUSIK Jim Williams // SCHNITT Jean-Christoph Bouzy // MIT Garance Marillier (Justine), Ella Rumpf (Alexia), Rabah Naït Oufella (Adrien), Joana Preiss (Mutter), Laurent Lucas (Vater), Marion Vernoux (Krankenschwester), Bouli Lanners (Fernfahrer), Jean-Louis Sbille (Professor), Thomas Mustin (Leiter des BDE).
«Die ‹satanic panic› im Titel von Chelsea Star dusts gut gelaunter Horror-Komödie hat nichts mit der tatsächlichen ‹satanic panic›, die den USA in den 80er-Jahren [und erst kürzlich auch der Schweiz] eine neuzeitliche Variante der Hexen verfolgung bescherte, zu tun. Stattdessen gerät die naive Pizzalieferantin Sam zu Recht in Panik, als sie in einem noblen Villenviertel mitten in ei nen Okkultisten-Zirkel stösst, der sich gerade auf die Niederkunft Baphomets vorbereitet, wofür aber noch eine Jungfrau fehlt. Wer’s nicht erraten hat: Sam ist eine solche und ergreift die Flucht.
Stardust inszeniert das folgende Spektakel mit Witz und mehreren Kübeln Körperflüssigkeiten und macht klar, dass ihre Liebe dem Genrekino der 80er-Jahre gilt.» (Slash Film Festival 2019, 80Wien)Min / Farbe / Digital HD / E/d // REGIE Chelsea Stardust // DREHBUCH Grady Hendrix // KAMERA Mark Evans // MUSIK Wolfmen of Mars // SCHNITT Michael Sale // MIT Rebecca Romijn (Danica Ross), Arden Myrin (Gypsy Neumieir), Hayley Griffith (Samantha «Sam» Craft), Ruby Modine (Judi Ross), AJ Bowen (Duncan Havermyer), Jordan Ladd (Kim Larson), Jeff Daniel Phillips (Steve Larson), Jerry O’Connell (Samuel Ross).
«Beworben als ‹spiritual sequel› schreibt Candyman die Geschichte des gleichnamigen Kultfilms von 1992 fort. (…) Die von Jordan Peele produzierte Fortsetzung versteht es, Bernard Roses Candyman Respekt zu zollen, aber gleich zeitig die kritischen Elemente aus einer schwar zen Perspektive in die Gegenwart zu tragen.» (Marius Kuhn, Filmbulletin, 27.8.2021)
88 Min / Farbe / DCP / E/d // DREHBUCH UND REGIE Rose Glass // KAMERA Ben Fordesman // MUSIK Adam Janota Bzowski // SCHNITT Mark Towns // MIT Morfydd Clark (Katie/ Maud), Jennifer Ehle (Amanda Köhl), Lily Knight (Joy), Lily Frazer (Carol), Turlough Convery (Christian), Rosie Sansom (Ester), Marcus Hutton (Richard), Carl Prekopp (Pat, der Ob dachlose), Noa Bodner (Hilary), Takatsuna Mukai (Hiro).
Women Make Horror
CANDYMAN USA/Kanada 2021 «DARE TO SAY HIS NAME» (DVD-Cover) «Es existiert eine urbane Legende: Wenn man fünfmal hintereinander ‹Candyman› in einen Spie gel spricht, erscheint der gleichnamige Killer und bringt einen um. Besonders im sozialen Woh nungsbauprojekt Cabrini Green in Chicago soll Candyman sein Unwesen getrieben haben. Heute ist davon jedoch kaum mehr was zu erkennen. Die maroden Wohntürme wurden komplett abgerissen und machten Platz für ein hippes, neues Wohn quartier für Reiche und junge Aufsteiger. Einer von ihnen ist der Künstler Anthony, der (…) beschliesst, Candyman eine Reihe von Gemälden zu widmen. (...) Kollektive Traumata, Gentrifizierung, Polizei gewalt und weitere Themen werden in dem neuen Candyman-Film angesprochen, was ihn nicht nur für Gorehounds interessant macht, sondern auch für Personen, die ihre Horrorfilme gerne mit etwas Hirn haben. (…) Dieser Candyman ist unheimlicher, intensiver und intelligenter als der Film von 1992.» (Chris Schelb, Outnow.ch, 25.8.2021)
91 Min / Farbe / DCP / E/d/f // REGIE Nia DaCosta // DREH BUCH Jordan Peele, Win Rosenfeld, Nia DaCosta, nach dem gleichnamigen Film (1992) von Bernard Rose // KAMERA John Guleserian // MUSIK Robert Aiki Aubrey Lowe // SCHNITT Catrin Hedström // MIT Yahya Abdul-Mateen II (Anthony McCoy), Colman Domingo (William Burke), Teyonah Parris (Brianna Cartwright), Nathan Stewart-Jarrett (Troy Cartwright), Kyle Kaminsky (Grady Greenberg), Vanessa Williams (Anne-Marie McCoy). CENSOR GB 2021 «YOU CAN’T EDIT REALITY»
PREMIERE: SATANIC PANIC USA 2019 «SACRIFICES MUST BE MADE» (DVD-Cover)
28 einer einst berühmten Tänzerin, die an Rücken markkrebs leidet. Die beiden Frauen finden bald ein gegenseitiges Verständnis, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die dunkle Seite von Mauds Persönlichkeit zum Vorschein kommt.» (Int. Film festival Prag, 2021) «Mit ihrem Regiedebüt Saint Maud reiht sich Glass in eine aufkommende Reihe von Filmema cherinnen ein, die (...) einige der sexistischen Ele mente des Body-Horrors unterlaufen, indem sie ihren weiblichen Protagonistinnen ein Mass an Autonomie verleihen, das ihre Filme oft sowohl nuancierter als auch bedrohlicher werden lässt.» (Ashlie D. Stevens, salon.com, 5.2.2021)
«Bailey-Bonds Censor ist eine Hommage an das krude Splatter-Genre der 70er- und 80er-Jahre. Die (…) graumäusige Prüferin Enid Baines (Niamh Algar) arbeitet für das British Board of Classifica tion (BBFC). Jeder noch so kleine Schmuddelfilm wird hier akribisch gesichtet und mit Kollegen diskutiert. Weil ein Frauenmörder sich offenbar von einem jener Horrorfilme inspirieren liess, den
ACHTUNG:
SCHNITT Mark Towns // MIT Niamh Algar (Enid Baines), Michael Smiley (Doug Smart), Nicholas Burns (Sanderson), Vincent Franklin (Fraser), Sophia La Porta (Alice Lee), Adrian Schiller (Frederick North), Clare Holman (June), Andrew Havill (George), Felicity Montagu (Valerie).
ODER: PODIUMSDISKUSSION
84 Min / Farbe / DCP / E/e // REGIE Prano Bailey-Bond // DREHBUCH Prano Bailey-Bond, Anthony Fletcher // KAMERA Annika Summerson // MUSIK Emilie Levienaise-Farrouch //
29 Enid nicht rigoros genug zensierte, gerät die Prü ferin in den Fokus der Klatschpresse. Als sie in ei nem jener Machwerke, die ihr vorgelegt werden, auch noch ihre (…) verschwundene Schwester wiederzuerkennen glaubt, verschwimmt allmäh lich die Grenze zwischen Fiktion und Realität. (…) Die Frau wird in Bailey-Bonds Debütfilm zum Mo tor der Handlung. Damit bürstet der um zwei Ecken gedachte Plot dieses impressionistischen Horrorfilms das Splatter-Genre gegen den Strich. Das Inzestthema, das dabei wie Fetzen aus einem falschen Film aufblitzt, lässt den Betrachter die
TRIGGERWARNUNG!
KANN KUNST GEFÄHRLICH SEIN? DO, 6. OKT. | 19.00 UHR Kino muss gefährlich sein, lautete die unmissverständliche Aufforderung des Text-Sammel bandes, den das Filmmagazin «Revolver» 2007 veröffentlichte. Die Herausgeber:innen, die jun gen wilden Regisseur:innen der Berliner Schule, forderten inhaltliche und ästhetische Waghal sigkeit ohne Scheu vor Überforderung, die auch schon mal übers Ziel hinausschiessen durfte. Heute aber erklingt, gerade von jungen Menschen, immer öfter die Forderung nach Trigger warnungen, die deklarieren, wenn Inhalte mutmasslich retraumatisieren, verstören oder belei digen können. Damit sollen Menschen geschützt werden. Eine Debatte ist entbrannt, sie ist all gegenwärtig und polarisiert. Im Oktober/November präsentiert das Filmpodium ein Programm mit Horrorfilmen von Frauen – eine Reihe, die triggert, was das Zeug hält. Ein guter Moment, um zu fragen: Ist es tatsächlich Zumutung und Zensur, wenn Kunst deklarieren muss, wann sie gefährlich wird? Oder bevormundet die neue Sensibilität das Publikum und zwingt die Zuschauer:innen damit von Anfang an, einen bestimmten Blickwinkel auf ein Kunstwerk einzu Esnehmen?diskutieren:
Women Make Horror
Lisa Brühlmann (Regisseurin), Dr. Urs Honauer (Trauma-Experte), Denise Bucher (Redaktorin NZZ am Sonntag, Kultur), Sabine Boss (Regisseurin, Drehbuchautorin, Studienleiterin der Fachrichtung Film, ZHdK), Aiyana de Vree (Studierende BA Film ZHdK, Mitglied Fachschaft Film).
Moderation: Pascal Blum (Redaktur Kultur, Tages-Anzeiger)
HALLOWEEN IM FILMPODIUM MO, 31. OKT. 19.00 UHR, IN DER LOUNGE: Scream! Teens Make Horror! Horror und Jugend gehören zusammen wie Frankensteins Monster und seine Braut: Vereint im beliebten Subgenre des Teen-Horrors wird jugendliche Leichtigkeit gegen drohendes Grauen ausgespielt. Junge Filmschaffende wagen sich aber auch selbst an das Genre: Sie bedienen sich der Horror-Ästhetik, erzählen schaurige Geschichten und spielen mit Spannung, Schrecken und Angst. Die Schweizer Jugendfilmtage laden ein zu einem Querschnitt durch ihre Wettbewerbs filme der letzten Jahre: Gemeinsam tauchen wir in furchteinflössende Welten ein, in der weibliche Charaktere vor und hinter der Kamera die Hauptrollen spielen. Eintritt frei, Platzzahl beschränkt. 20.45 UHR, IM SAAL: Revenge von Coralie Fargeat (siehe auch S. 27) ser knackig kurzen Stilübung verstört zurück. Ein atemberaubend düsteres Kunstwerk.» (Manfred Riepe, epd-film.de, 23.7.2021)
2011Filmproduktion,BeckermannRuth©FilmproduktionBeckermannRuth©©RuthBeckermannFilmproduktion
Ruth Beckermann: Poetische Passagen durch Raum und Zeit
31
In Liebe und Poesie entflammt: Die Geträumten Zwischen Utopie und Desillusion: American Passages Männliche Erotikfantasien auf der Couch: Mutzenbacher
Sie lässt nicht locker. Ruth Beckermann sucht, und sie sucht immer weiter. Als Dokumentarfilmerin, Essayistin, Poetin spürt sie der eigenen wie der allgemeinen Vergangenheit nach und kommt dabei stets zu erhellenden und zugleich überraschenden Ergebnissen. Ihre Kunst ist das Gespräch, ihre Methode ein unermüdliches Forschen nach dem Verborgenen, dem Geheimen – und der grossen Kraft des Ungewissen. In ihren Filmen bringt Ruth Beckermann die Menschen zum Reden und wird am 12. November in einem Onlinegespräch zu ihrem neusten Werk Mutzenbacher dem Publikum zur Verfügung stehen. Männer auf der Couch. Ihr Blick ist skeptisch, der Körper angespannt. Unge wissheit liegt im Raum. Die Herren unterschiedlichen Alters, Formats und Standes fragen sich mal mehr, mal weniger, worauf sie sich da eingelassen ha ben. Und auch die Filmemacherin, die sie an diesem Tag eingeladen hat, um vor laufender Kamera eine Passage aus dem 1906 erstmals anonym als fiktive Autobiografie publizierten Erotikroman «Josefine Mutzenbacher» zu lesen, lässt sich überraschen. Ruth Beckermann dirigiert das Geschehen lediglich aus dem Off. Sie stellt Fragen, gibt Anweisungen, inszeniert einzelne «Sitzun gen» und Gruppenaufstellungen, um in Mutzenbacher (2022) über die Fanta sien und Erlebnisse der Wiener Dirne dem Wesen der männlichen Sexualität ein Stück weit näherzukommen. Das Ergebnis ist überraschend, unbequem und fesselnd zugleich. Das Ungewisse, Rätselhafte, nicht Kalkulierbare ist im Werk von Ruth Beckermann stets eine wichtige Grösse. «Es ist das Spannende an dieser Art, Filme zu machen,» sagt die österreichische Dokumentarfilmerin, Autorin und Tochter zweier Holocaust-Überlebender. Die Herausforderung besteht darin, schnell ein Gefühl zu bekommen für Menschen. Für Situationen. Für Beobachtungen. Das erfordert hohe Konzentration. Und es ist diese ge ballte Energie – eine Mischung aus Neugier, Achtsamkeit und Geistesgegen wart – gekoppelt mit der Lust am Entdecken, die aus allen ihren Filmen spricht. Beckermann sucht in ihrem Schaffen, das mittlerweile über 40 Jahre
32 umfasst, stets nach einer Wahrheit, die im Kontrast, im Zwiespalt verborgen liegt, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Fiktion, Poesie und Geschichte, dem Privaten und dem Politischen.
Aber es sind mehr als die eigenen Wurzeln, die hervortreten, wenn Beckermann im Film ihre Kamera auf Menschen und Orte richtet und dabei Bilder und Worte findet, die sich wie ein innerer Monolog zusammenfügen: Wenn im Frühjahr 1986 auf dem Stephansplatz die Passanten aufgebracht über den Wahlkampf von Kurt Waldheim diskutieren, der während der Dreh arbeiten zum Film als Kandidat der konservativen ÖVP auf das Amt des Bun despräsidenten spekulierte, dann schlägt Die papierene Brücke auch einen po litischen Bogen in die Gegenwart. Zu einem geschlossenen, wenn auch in sich ambivalenten Bild fügen sich die Momentaufnahmen von damals jedoch erst in Waldheims Walzer (2018) zusammen – in dem Beckermann anhand des Archivmaterials von vor 30 Jahren das gefährliche Spiel des österreichischen Staatsmanns um seine dunkle Nazi-Vergangenheit rekonstruiert. Zwischen den Welten Es ist das Reisen zwischen Raum und Zeit, das Beckermann von Beginn an zu ihrem Programm, zu ihrer Methode machte. Dazu gehört nicht zuletzt, dass die so rast- wie ruhelose Filmemacherin sich in ihrer unermüdlichen Ausein andersetzung mit dem schwierigen Verhältnis ihrer Heimat zum Judentum und der NS-Zeit unentwegt selbst dem Stillstand verweigerte, sowohl eine Weile in Tel Aviv lebte als auch in Paris und in New York studierte. Ihr Ver hältnis zu Wien blieb dabei immer liebevoll gespalten, geprägt von einer ge sunden Skepsis, wie auch ihr Blick auf die Welt insgesamt. Davon erzählen nicht nur Filme wie Nach Jerusalem (1990), in dem sich Beckermann erneut
Und auch die Geschichte der Oma Rosa darf nicht fehlen, die sich dem Ab transport nach Theresienstadt verweigerte und die Jahre bis zur Befreiung in Wien im Untergrund überlebte.
Das Persönliche und das Politische Wie sehr dieses Werk immer auch mit Beckermanns persönlicher Geschichte verwoben ist, zeigen insbesondere die Filme, die zu Beginn ihrer Karriere entstanden sind – oftmals auf Reisen oder Streifzügen durch die Zeit, auf den Spuren der eigenen Identität. In Die papierene Brücke (1987) begibt sich die jüdische Filmemacherin erstmals auf die Suche nach dem eigenen Ich im An deren. Von Wien aus, ihrer stets befremdlichen Heimat, in die sie 1952 hin eingeboren wurde, fährt Beckermann gemeinsam mit ihrer langjährigen Ka merafrau Nurith Aviv in die Bukowina im Osten Europas, eine Gegend, in der ihr Vater vor der Übersiedelung nach Österreich kurz nach dem Krieg lebte. Sowohl er als auch die Mutter, die den Krieg in der palästinensischen Heimat überlebte und danach nach Wien zurückkehrte, kommen im Film zu Wort.
Fotos oder Persönlichkeiten, die verschiedenen Anregungen, die Beckermann zu ihren essayistischen Arbeiten verleiten, sind so vielfältig, dass sich trotz der Schwere ihrer Themen insgesamt ein schillerndes Œuvre er gibt: Während sich Ein flüchtiger Zug nach dem Orient (1999) als ein Film über die Schaulust offenbart, die aus Kaiserin Elisabeth von Österreich «eine Vorbotin der Moderne» macht, handelt es sich bei Die Geträumten (2016) um eine Literaturverfilmung der anderen Art, die auf dem in Buchform vor liegenden Briefwechsel zwischen dem Dichter Paul Celan und der Lyrikerin Ingeborg Bachmann basiert. Um die fantastischen Texte über die Leinwand spürbar zu machen, lässt die Regisseurin sorgsam ausgewählte Versatzstücke der Korrespondenz im Wechsel von dem Schauspieler Laurence Rupp und der Musikerin Anja Plaschg lesen – nur die Kamera ist als unaufdringlicher Be gleiter im Tonstudio dabei, beobachtet aufmerksam, was geschieht, auch in den Pausen. Auf diese eigentümliche, werkwürdig stimmige Art und Weise der Inszenierung verdichtet Beckermann Worte und Bilder, Fakten und Emotio nen zu einer semidokumentarischen Erzählung über eine äusserst kompli zierte, heftig umkämpften Liebe und Freundschaft.
Dokumentaristin, Essayistin, Poetin – all das ist Ruth Beckermann in ei nem Satz und in jedem Film. Dichtung und Wahrheit gehen bei ihr stets zu sammen. Das Fremde und das Vertraute, das aus ihren Arbeiten spricht, ma chen ihr Werk zugänglich und endlos faszinierend zugleich. Dieses eindringliche Aufeinanderprallen gegensätzlicher Zeiten und Welten, Men schen und Gedanken, Fiktionen und Wirklichkeiten ist in seiner stets klug montierten, bestechend schlichten, ehrlichen und sensiblen Form ganz grosses Kino, das es zu entdecken gilt.
33 auf den Weg macht, um auf der Strasse von Tel Aviv nach Jerusalem Impres sionen einzufangen und im Gespräch mit arabischen Bauarbeitern, russischen Jüdinnen, Soldaten, Taxifahrern oder einer Gruppe von Äthiopierinnen der jahrtausendealten Idee von der jüdischen Heimat nachzuspüren. Auch American Passages (2011) ist eine Art Zeitkapsel, verpackt als Roadmovie. Obwohl die beeindruckende Collage der USA zu Beginn der Obama-Ära ursprünglich angeregt von Robert Franks berühmtem Fotoessay «The Americans» aus dem Jahr 1958 gedreht wurde, lassen sich Beckermanns Ab sichten auch ohne jegliche Vorkenntnisse erkennen: Die filmische Moment aufnahme eines riesigen Landes, in dem sich die Aussenstehende wie eine An thropologin auf geheimer Mission bewegt, um jenseits des einstigen amerikanischen Traums die Energien und Utopien einer Nation im Umbruch einzufangen.ObTexte,
Pamela Jahn Pamela Jahn ist Autorin, Kuratorin und Filmjournalistin und schreibt u. a. für «Sight & Sound» und das «Electric Sheep Magazine». Sie lebt in London.
© Ruth Beckermann Filmproduktion > Jenseits des Krieges > Die papierene Brücke. > Ein flüchtiger Zug nach dem Orient > Waldheims Walzer. > Nach Jerusalem
JENSEITS DES KRIEGES Österreich 1996
EIN FLÜCHTIGER ZUG NACH DEM ORIENT Österreich 1999 «Bilder aus Ägypten: ausgedehnte Kamerafahr ten durch die Strassen von Kairo, Cafés, Basare, Hotels und Gärten, Aufnahmen aus der Wüste und vom Meer. Ruth Beckermann ist auf den Spuren der österreichischen Kaiserin Elisabeth (‹Sissi›) unterwegs, die rastlos durch die Welt reiste und mehr als 100 Jahre vor ihr das Land inkognito be sucht hat. Da sich Elisabeth ab ihrem 31. Lebens jahr nicht mehr fotografieren liess, provoziert sie Projektionen und Imaginationen. Mit Auszügen aus Briefen der Kaiserin, ihres Gemahls und ihres Vorlesers sowie dem Kommentar der Filmema cherin aus dem Off versehen, überlagern sich in diesem Essayfilm 19. und 20. Jahrhundert, die subjektive Konfrontation mit dem Fremden – der Kaiserin wie dem Land – und der Versuch, einen orientalistischen Blick zu reflektieren. ‹Manch mal werden alle Zeitschichten auf wenigen Kilo metern sichtbar›, heisst es.» (arsenal-berlin.de, 2018)«Vom Luxus des Flanierens und einem frei heitssuchenden weiblichen Blick erzählt diese Engführung der Reisen von Kaiserin Elisabeth mit
85 Min / Farbe / DCP / OV/e // DREHBUCH UND REGIE Ruth Beckermann // KAMERA Nurith Aviv // SCHNITT Gertraud Luschützky.
«Im Herbst 1995 war die Wanderausstellung ‹Ver nichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944› in Wien zu sehen. Durch diese Ausstel lung wurde bekannt, dass nicht nur Angehörige der SS, sondern auch Angehörige der Wehrmacht die systematische Ausrottung von ‹Untermen schen› an der Ostfront begangen haben. Die ös terreichische Filmemacherin Ruth Beckermann, die bereits Filme über das Schicksal der Juden und der Widerstandskämpfer gedreht hat, ent schloss sich spontan, diese umstrittene Ausstel lung zu verfilmen. Fünf Wochen lang interviewte sie Besucher, von denen sich viele, wie Becker mann bereits vermutet hatte, als ehemalige Sol daten der beteiligten Wehrmachtsdivisionen ent puppten. Die unterschiedlichen und oft sehr emotionalen Erzählungen dieser Zeitzeugen las sen nicht nur die Vergangenheit lebendig werden, sondern ermöglichen Beckermann auch eine klare Diagnose der Gegenwart.» (Int. Documen tary Film Festival Amsterdam, 1997)
«Ruth Beckermanns Essayfilm über die eigene Familiengeschichte erzählt zugleich die Ge schichte der mitteleuropäischen Juden und die Geschichte einer Region. Die Reise führt von Wien, wo die Grossmutter den Krieg als U-Boot über lebte, indem sie sich stumm stellte, in die Land schaft Osteuropas, die von der Vernichtung der Ju den und vom Humor der wenigen Überlebenden zeugt. Die Rückkehr endet auf den Strassen Wiens, wir befinden uns im Wahlkampfjahr Kurt Waldheims, wo der Antisemitismus erneut sein grässliches Antlitz zeigt.» (ruthbeckermann.com)
«Eine Winterreise in den Osten Europas: Ruth Beckermann sucht für sich und andere Kinder der Überlebenden, für die zweite Generation der ös terreichischen Juden nach der Shoah, eine Ant wort auf die Frage ‹Wer sind wir?› ... Die papierene Brücke des Films führt die Filmemacherin zu sich selbst zurück: in einer Fotografie aus Kinderta gen.» (Berth Rebhandl, Falter, 2007) 95 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH UND REGIE Ruth Beckermann // KAMERA Nurith Aviv // SCHNITT Gertraud Luschützky. NACH JERUSALEM Österreich 1990 «Ein Mosaik aus Impressionen, Begegnungen und Gesprächen entlang der Strasse von Tel Aviv nach Jerusalem: ein arabischer Ingenieur, der in Israel nur als Tankwart arbeiten kann, Teig herstellung in einer orthodoxen Bäckerei, Bauar beiter aus Gaza, ein Nähkurs an einer religiösen Schule, ein Spielwarenhändler, der seine Familie in Auschwitz verloren hat, frisch zugezogene rus sische Jüdinnen, Äthiopierinnen ohne Fremd sprachenkenntnisse, Moscheen ohne Strom. Aus dem Off künden Schüsse und Radionachrichten von der Intifada. Was ist aus dem Traum von der jüdischen Heimat geworden? Durch die mit Tschaikowskys ‹Sérénade mélancolique› als wie derkehrendem Motiv versehenen Moment aufnahmen scheint die alte Sehnsucht auf, für die es keinen realen Ort gibt: Am Ende des doku mentarischen Roadmovies steht eine Tankstelle mit Elvis-Devotionalien – und nicht Jerusalem.» (arsenal-berlin.de, 2018)
117 Min / Farbe / 35 mm / D/e // DREHBUCH UND REGIE Ruth Beckermann // KAMERA Peter Roehsler // SCHNITT Gertraud Luschützky.
35Ruth Beckermann DIE PAPIERENE BRÜCKE Österreich 1987
DIE GETRÄUMTEN Österreich 2016 «Nicht mit dir, aber auch nicht ohne dich. Inge borg Bachmann und Paul Celan hätten ein Traum paar sein können, empfindsame Sprachkünstler und bedeutende Lyriker der Nachkriegszeit, die sie waren. Doch sie wurden’s nicht, ihrer Zunei gung zum Trotz, eben weil ihnen die Worte, mit denen sie ihre Geschichte (be)schrieben, auf die Goldwaage und in die Quere gerieten (…). Ein qualvolles, hingebungsvolles, um Liebe und Ge meinsamkeit ringendes, zurück in Einsamkeit führendes Hin und Her und Für und Wider, das Jahrzehnte währte. Eine komplexe Beziehung, die (…) Ruth Be ckermann in ihrer preisgekrönten Arbeit von der Musikerin Anja Plaschg und dem Schauspieler Laurence Rupp nachvollziehen lässt. Die beiden lesen aus dem Briefwechsel Bachmann–Celan (1948–67), und in den Pausen reflektieren sie mal über das Gelesene, mal rauchen sie auch nur eine Zigarette miteinander – und in und mit ihnen sind die aneinander verlorenen Dichterseelen prä sent. Zwei Paare, ein vergangenes, ein gegenwär tiges, treten im gleichen Raum zueinander in Re lation. Ein sichtbarer und ein unsichtbarer Film zugleich, in dem die Träumenden die Geträumten wachrufen.» (Alexandra Seitz, Katalog Bildrausch – Filmfest Basel 2016) 89 Min / Farbe / DCP / D/f // REGIE Ruth Beckermann // DREHBUCH Ruth Beckermann, Ina Hartwig, nach dem Brief wechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan // KA MERA Johannes Hammel // SCHNITT Dieter Pichler // MIT Anja Plaschg, Laurence Rupp.
WALDHEIMS WALZER Österreich 2018
AMERICAN PASSAGES Österreich 2011 «Zu Beginn ein Moment des Glücks: ‹We’re free!›, jubelt ein Afroamerikaner in Harlem, als hätte erst die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten Hunderte Jahre Sklaverei endgültig beendet. Die ser Film führt in einer assoziativen Reise durch die USA: von desillusionierten Irak-Veteranen über homosexuelle Adoptivväter, schwarze Rich terinnen, weisse Partylöwen bis zu einem Zuhäl ter am Spieltisch eines Casinos in Las Vegas. Die Gegensätze von schwarz und weiss, arm und reich, Gewinner und Verlierer überraschen ebenso wie die Bedeutung des in der Verfassung verankerten Rechts auf ‹Pursuit of Happiness› in Zeiten der Krise. Ein episches Panorama Ameri kas.»«Ein(filmarchiv.at)Film,derdieses Land zu fassen versucht, muss immer vom Auto aus stattfinden, und auch Beckermann schaut mit dem Blick der staunen den Fremden auf die Vereinigten Staaten und überprüft, welche der Bilder in unseren Köpfen der Realität standhalten. Der amerikanische Traum, das Selfmademan-Diktat, die ständig pro klamierte Meinungsfreiheit, die Verfassung: Es sind utopische Ideen, die hier funktionieren und im nächsten Augenblick dekonstruiert werden durch Zwischentöne, Seitenblicke, den Bildaus schnitt, den Beckermann nicht ohne Humor wählt. Jeder lebt seine eigene Fiktion und baut damit weiter an dem Konstrukt Amerika.» (six 120packfilm.com)Min/Farbe/35
«Ruth Beckermanns chronologische Aufarbei tung der Waldheim-Affäre ist ihre erste reine Found-Footage-Arbeit und zugleich die Rückkehr zu einem zentralen Thema ihres Schaffens: Kurt Waldheim, an dessen verlogenem Umgang mit der eigenen Nazi-Vergangenheit sich ein notwen diger gesellschaftlicher Diskurs entzündete, der durch politische Entwicklungen in Österreich er neut an Bedeutung gewonnen hat. Nicht ohne Humor entfaltet Beckermann eine mitreissende Geschichtsstunde. Das Bemühen um faktische Neutralität erzittert im Angesicht offensichtli cher Lügen. Der Film legt eine schamvolle Ge schichte Österreichs offen und zeigt uns eine tief klaffende Wunde, die noch lange nicht verheilt ist.» (Patrick Holzapfel, DOK-Leipzig, 2018)
36 Ruth Beckermann jenen von Ruth Beckermann. Die Filmemacherin wandelt in fiebrigen Parallelfahrten auf den Spu ren des Mythos ‹Sissi› in Kairo und entdeckt ein Bild jenseits der Wohlfühloase des verklärenden Kultfilms. Es entstehen virtuos verknüpfte und frei atmende Schichten zwischen Heimat und Freiheit, Einsamkeit und Orientalismus. Überall lauert der Zweifel an der eigenen Bildproduktion. In jeder Sekunde spürt man eine Sehnsucht, die aus den vorgezeichneten Bahnen ausbrechen will. Um so zu sehen, wie eine freie Frau hätte se hen können.» (Patrick Holzapfel, DOK Leipzig, 822018)Min
/ Farbe / 35 mm / D // DREHBUCH UND REGIE Ruth Beckermann // KAMERA Sophie Cadet, Nurith Aviv // MUSIK Ernst Zettl, Peter Ponger, Bruno Pisek // SCHNITT Gertraud Luschützky.
mm / E/d // DREHBUCH UND REGIE Ruth Beckermann // KAMERA Lisa Rinzler, Antoine Parouty // MUSIK Waitstill Baxter // SCHNITT Dieter Pichler.
37Ruth Beckermann 93 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH UND REGIE Ruth Beckermann // SCHNITT Dieter Pichler.
MUTZENBACHERPREMIERE: Österreich 2022 «Ein Casting mit Männern zwischen 16 und 99. Keine Ausstattung, keine Maske (…). Gefragt ist die Bereitschaft, sich zu einem Text, seiner Spra che und seinem Thema offen in Bezug zu setzen. Keine geringe Herausforderung, denn es handelt sich um den legendären Skandalroman ‹Josefine Mutzenbacher oder Die Lebensgeschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt›, der 1906 anonym erschien und bis heute – was sich im Film erneut bestätigt – für kontroverse, leiden schaftliche Diskussionen rund um die Lust sorgt. (…) In einem hochintelligent arrangierten und ex perimentierfreudigen Setting, das Analyse und Affekt, Reflexion und Intimität gleichermassen ermöglicht, überschreiten die Männer die Gren zen des Streitraums Literatur und eröffnen uns und sich selbst Einblicke in den Kosmos von Erotik und Sexualität diesseits und jenseits der Männerfantasie. Ein Film wie ein Experiment im Erfahrungsraum zwischen Imagination und Iden tität, der das Tabu weder leugnet noch beschwört und deshalb viel erzählt von #Me und nicht zuletzt auch von #MeToo.» (Berlinale 2022)
✶ Samstag, 12. November, 18.30 Uhr: anschl. Online-Q&A mit Ruth Beckermann 100 Min / Farbe / DCP / D // REGIE Ruth Beckermann // DREHBUCH Ruth Beckermann, Claus Philipp, Texte aus dem Roman «Josefine Mutzenbacher» von Felix Salten // KA MERA Johannes Hammel // MUSIK Valie Export, Ingrid/ Monsti Wiener // SCHNITT Dieter Pichler. Im aktuellen Programm gibt es folgende Fime aus Women Make Film erneut zu entdecken: A Girl Walks Home Alone at Night (Ana Lily Amirpour); Ravenous (Antonia Bird); The Babadook (Jennifer Kent) – sowie Pet Sematary (Mary Lambert) und American Psycho (Mary Harron) aus Women Make Film, Teil 1. ZÜRCHER FILMBUFF-QUIZ 2022 FR, 11. NOV. I 20.00 UHR Am Freitag, dem 11. November lädt das Filmpodium wieder Kinokenner und Filmfreundinnen ein, mental die Klingen zu kreuzen und abseits des Internets mit echtem Filmwissen zu brillie ren. Für die Profis im Publikum gibt es Handicaps, damit engagierte Amateure gleiche Chan cen haben, die attraktiven Preise zu gewinnen. Wie bei den TV-Vorbildern muss man beim Film buff-Quiz aber nicht selber mitspielen, um Spass zu haben. Man kann auch nur seine Lieblingskandidatinnen anfeuern – oder einfach die eingespielten Clips geniessen und Höhe punkte (und Peinlichkeiten) der Filmgeschichte Revue passieren lassen. Aufgrund der grossen Nachfrage empfehlen wir allen, den Vorverkauf zu benutzen – online oder an der Kasse. Nicole Reinhard & Michel Bodmer > Slumdog Millionaire (Danny Boyle, GB/USA 2008).
RE:VISION ALL THAT HEAVEN ALLOWS MI, 19. OKT. I 18.15 UHR Genau hinschauen, erneut hinschauen, anders hinschauen eröffnet manchmal unerwartete Perspektiven. In Kooperation mit der Volkshochschule und dem Publizisten Thomas Binotto lädt das Filmpodium zu einer dreiteiligen Film- und Vorlesungsserie ein. Interpretation ist ein Prozess und kein Ziel. Deshalb nennt Thomas Binotto seine Filmlektüre «Re:vision», denn im wiederholten Schauen wird unsere Sicht immer wieder aufs Neue revi diert. Bewusst wendet er sich deshalb Filmen aus dem Programm des Filmpodiums zu, die als populäre Klassiker gelten und schon unzählige Male interpretiert wurden. Filme, über die scheinbar bereits alles gesagt wurde. Die «Re:vision» konzentriert sich allerdings bewusst nicht auf die Interpretationsgeschichte, sondern versucht einen eigenen Zugang zu schaffen und diesen nachvollziehbar zu machen. So entsteht eine Sehschule, in der die Teilnehmer:innen eingeladen werden, individuell in den Revisionsprozess mit einzusteigen. Der erste Film, den Thomas Binotto einer Re:vision unterzieht, ist Douglas Sirks All That Hea ven Allows (siehe S. 11). Bei der Volkshochschule (vhszh.ch) kann der ganze dreiteilige Kurs gebucht werden; beim Filmpodium sind Eintritte zu einzelnen Vorlesungen und/oder Filmvorführungen erhältlich.
Im aktuellen Programm gibt es folgende Fime aus Women Make Film erneut zu entdecken: A Girl Walks Home Alone at Night (Ana Lily Amirpour); Ravenous (Antonia Bird); The Babadook (Jennifer Kent) – sowie Pet Sematary (Mary Lambert) und American Psycho (Mary Harron) aus Women Make Film, Teil 1.
AB OKTOBER IM KINO
38 DREHBUCH UND REGIE HANSMARTIN SIEGRIST PRODUKTION REINHARD MANZ ANDREAS WEBER POINT DE VUE DOC KOPRODUKTION MIT SRG SRF RTS RSI MUSIK ABSOLUT TRIO: BETTINA BOLLER JUDITH GERSTER STEFKA PERIFANOVA KAMERA REINHARD MANZ SCHNITT ANDREAS WEBER GRAFIK & ANIMATION DIRK KOY 2D-ANIMATIONEN SVEN FRIEDLI SOUND DESIGN JASCHA DORMANN EIN FILM VON HANSMARTIN SIEGRIST ADIEUBELLEÉPOQUE,BONJOURCINÉMA WIE DER GENIALE LAVANCHY-CLARKE DIE SCHWEIZ INS KINO HOLTE. EIN FILM HANSMARTINVON SIEGRIST pionierFilm-Schweizer19.10.22–29.01.23Kino:VorKINOdemLavanchy-Clarke,EineAusstellunginZusammenarbeitmitderFondationHerzogundpointdevue–audiovisuelleproduktionen
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(1944–2014).
–MILITANT MANGROVE EDUCATION NAVIGATING THE PILOT SCHOOL /
FAROCKI-FORUM MO, 14. NOV. | 18.30 UHR #2 Niederlande 2016 12 Min / Farbe + sw / Digital HD / Port/e DREHBUCH REGIE Filipa César, Sónia Vaz Borges KAMERA Louis Henderson Sofia Bento. 2022 Min / Farbe Digital HD / Port/e REGIE Filipa César, Sónia Vaz Borges KAMERA Jenny Lou Ziegel, Filipa César Filipa César.
UND
// SCHNITT
// SCHNITT
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Ausgehend von Farockis Den ken geht es um Perspektiven, die er eröff net hat: auf Bildkritik, Arbeitskonzepte und vieles mehr. Das Farocki-Forum lädt einmal pro Semester zu einer Veranstaltung ins Filmpodium. Die Künstlerin und Filmemacherin Filipa César beschäftigt sich seit 2011 mit GuineaBissau. Mit den Filmemachern Sana Na N’Hada und Flora Gomes reanimiert sie die Filmgeschichte und den Befreiungskampf des westafrikanischen Landes in künst lerischen, kuratorischen und diskursiven Aktionen. Zwei gemeinsam mit Sónia Vaz Borges realisierte Kurzfilme stellen das Thema der dekolonialen Erziehung ins Zen trum. Ein Abend mit Filmen, Gespräch und Archivmaterialien.ZuGast:FilipaCésar und Sónia Vaz Borges. Veranstaltung in englischer Sprache. Volker Pantenburg
MANGROVE SCHOOL / Portugal/Deutschland/Frankreich
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> Mangrove School
wissenschaft
mentarfilmer
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Das Farocki-Forum am Seminar für Film der Universität Zürich ist ein Forschungsschwerpunkt zum Doku und Künstler Harun Farocki
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ÜBERTRAGUNG
// DREHBUCH UND
Das Programm bietet Raum für zeitgenös sische Klangforschungen, die aus dem Augenblick heraus geschaffen Hörge wohnheiten infrage stellen. Mit grenzüber schreitender Musik abseits des Main streams soll der flüchtigen Kunst der Improvisation Gehör verschafft werden.
EUROPA / Polen 1931 12 Min / sw / DCP / stumm // REGIE Francizka Themerson, Stefan Themerson. > La coquille et le clergyman
/ Frankreich 1926 37 Min / sw / DCP / stumm // DREHBUCH, REGIE, SCHNITT Dimitri Kirsanoff // KAMERA Dimitri Kirsanoff, Léonce Crouan // MIT Nadia Sibirskaïa (die junge Frau), Yolande Beaulieu (ihre ältere Schwester), Guy Belmont (der Verfüh rer), Jean Pasquier, Maurice Ronsard.
10 JAHRE MISTERIOSO JAZZ CLUB SO, 13. NOV. | 18.30 UHR
Das Jubiläumsprogramm präsentiert Dimitri Kirsanoffs Ménilmontant , eine tragi sche Geschichte über zwei Waisenkinder, die alle avantgardistischen Register zieht, Germaine Dulacs La coquille et le clergy man , der symbolisch die Auswirkungen von Konformität und Autorität auf die Gesell schaft untersucht und die männlichen Sur realisten in Rage versetzte, und schliess lich das erst letztes Jahr wiederentdeckte antifaschistische Meisterwerk Europa der beiden polnischen Surrealisten Franciszka und Stefan Themerson, das ausgehend vom gleichnamigen futuristischen Gedicht Anatol Sterns ein Europa am Rande des Ab grundes beschwört. Vertont werden die Filme von drei hervor ragenden Musikerinnen, die für diesen Abend erstmals zusammenspannen: die Zürcher Sängerinnen und Live-Elektroni kerinnen Iokoi (alias Mara Miccichè) und Víz (alias Réka Csiszér) sowie die brasi lianische Bassistin Carla Boregas , eine Schlüsselfigur der alternativen Musik szene in São https://theinstitute.ch/programm/VollständigesPaulo.Jubiläumsprogramm:
40 Anlässlich seines 10-jährigen Jubiläums lädt der Misterioso Jazz Club zusammen mit dem IOIC – Institute of Incoherent Cine matography und dem Filmpodium dazu ein, drei neu restaurierte Perlen des experi mentellen Stummfilmes erneut (oder neu) zu entdecken. Der Misterioso Jazz Club hat sich in den letzten zehn Jahren von einem Geheimtipp in eine Institution verwandelt, die weit über die Zürcher Musikszene hinausstrahlt.
LA COQUILLE ET LE CLERGYMAN / Frankreich 1927 40 Min / sw / DCP / stumm // REGIE Germaine Dulac // DREH BUCH Antonin Artaud // KAMERA Paul Parguel, Paul Guichard // MIT Alex Allin (der Geistliche), Génica Athanasiou (die Frau des Generals), Lucien Bataille (der General).
Musikübergreifende Anknüpfungspunkte –insbesondere zum Film – kommen dabei immer wieder zum Tragen.
MYSTERIÖSE MEISTERWERKE DES STUMMFILMSMÉNILMONTANT
SA, 5. NOV. 18.15 UHR 30 Jahre ist es her, seit Der Kongress der Pinguine seine Karriere durch die Kinos der Schweiz und Deutschlands antrat. Über 100 000 Personen haben den Film auf der Leinwand gesehen, noch viel mehr ent deckten ihn im Fernsehen. Jetzt erscheint das Drehtagebuch des Autors, Regisseurs und Produzenten des Filmes, Hans-Ulrich Schlumpf, als reich illustriertes Buch mit dem Titel «Antarctica» – und der Film kommt wieder ins Kino. «Antarctica» berichtet von einem waghalsi gen Film-Abenteuer, das drei Schiffsreisen in die Antarktis nötig machte, und von einer 35-mm-Produktion mit nur vier Leuten, die auf Gedeih und Verderb aufeinander ange wiesen waren. Von aus heutiger Sicht ar chaischen Dreharbeiten mit Hunderten von schweren Filmrollen. Und klar: es gab auch Spannungen und Streit. Wichtiger war das Projekt: einen Film zu schaffen, der die endzeitliche Situation, in der wir stecken, einem grossen Kinopublikum erschliesst. In diesem ‹Making-of›, wie Franz Hohler das Buch in seinem Vorwort bezeichnet, er fährt man auch viel vom Reisen mit Eisbre chern und Segelbooten in den Roaring For ties; von wissenschaftlichen Stationen und ihren seltsamen BewohnerInnen; von Ka thedralen im Eis, in denen immer tiefer ge bohrt wird, um in der Klimageschichte der Erde zu lesen. Und vieles über Pinguine und die Antarktis allgemein. Hans-Ulrich Schlumpf ✶ Freitag, 28. Oktober, 18.15 Uhr: Buchvernissage «Antarctica» in Anwesen heit von Hans-Ulrich Schlumpf und Franz Hohler, anschl. Der Kongress der Pinguine DER KONGRESS DER PINGUINE / Schweiz 1993 91 Min / Farbe / DCP / D // REGIE Hans-Ulrich Schlumpf // DREHBUCH Hans-Ulrich Schlumpf, Franz Hohler // KAMERA Pio Corradi, Patrick Lindenmaier, Luc Jaquet // MUSIK Bruno Spo erri // SCHNITT Fee Liechti // MIT Hans-Ulrich Schlumpf (Träumer), Li Yun (Chinese im Eis), Al bert Freuler (Sprecher), Peter Schweiger (Stimme des Träumers). Der Kongress der Pinguine verbindet atemberau bende Naturaufnahmen der Antarktis mit Bil dern von modernen Forschungslabors und histo rischem Dokumentarmaterial von der Arbeit im Walfangort Grytviken. Verbunden und in einen Sinnzusammenhang gestellt wird das unter schiedliche Material durch die Traumerzählung der Off-Stimme, die die Einzigartigkeit des abge legenen Kontinents beschwört, aber auch seine Bedrohung durch den menschlichen Raubbau an der Natur anspricht. (Filmpodium April 2001)
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FR, 28. OKT. 18.15 UHR
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«ANTARCTICA»
Mark Cousins’ Einführung ins Handwerk des Kinos, illustriert mit lauter Beispielen aus Filmen von Frauen. Women Make Film ist in fünf Teile gegliedert; wir zeigen die filmgeschichtliche Zeitreise bis Ende 2022, wobei jeder Teil für sich allein funktioniert. «Die Filmindustrie ist sexistisch durch Unterlassung, sie ist ein Männerclub», verrät Tilda Swinton gleich zu Beginn von Women Make Film. Der nord irische Dokumentarfilmer und Autor Mark Cousins hat nun ein 14-stündiges Werk geschaffen, das sich nur mit Filmen von Frauen beschäftigt, um diesen weitgehend übersehenen Teil der Filmgeschichte ans Licht zu bringen und zu würdigen. Als Organisationsprinzip dieses epischen Roadmovies dienen 40 Kapitel, in denen Fragen zum Filmemachen gestellt werden. Die Antwor ten illustriert Cousins mit ausgewählten Filmbeispielen von über 180 Regis seurinnen aus aller Welt, von der Stummfilmzeit bis zur Gegenwart. In diesem Programm zeigen wir Teil 3 und 4 der Serie.
WOMEN MAKE FILM: A NEW ROAD MOVIE THROUGH CINEMA – TEIL 3 GB 2018 Wie haben Regisseurinnen Körper, Sex, Arbeit, Politik und Heimat auf Leinwand dargestellt? Beispiele hierfür Cousins in Aus Lois Weber über Věra Chytilová bis zu Moufida Tlatli, Claire Denis, Mi randa July, Andrea Arnold, Ursula Meier und Cé line FilmübersichtSciamma. unter: womenmakefilm.net 177 Min / Farbe + sw / DCP / OV/d // DREHBUCH UND REGIE Mark Cousins // SCHNITT Timo Langer // MIT Jane Fonda (Erzählerin), Kerry Fox (Erzählerin), Sharmila Tagore (Erzählerin).
Women Make Film: Teil 3 + 4
der
177 Min / Farbe + sw / DCP / OV/d // DREHBUCH UND REGIE Mark Cousins // SCHNITT Timo Langer // MIT Shamila Tagore (Erzäh lerin), Thandie Newton (Erzählerin), Kerry Fox (Erzählerin). Im aktuellen Programm gibt es folgende Filme aus Women Make Film (erneut) zu entdecken: A Girl Walks Home Alone at Night (Ana Lily Amirpour); Ravenous (Antonia Bird); The Baba dook (Jennifer Kent) – sowie Pet Sematary (Mary Lambert) und American Psycho (Mary Harron) aus Women Make Film, Teil 1.
WOMEN MAKE FILM: A NEW ROAD MOVIE THROUGH CINEMA – TEIL 4 GB 2018 Mark Cousins beleuchtet Melodramen, Sci-Fi und Horrorfilme, erkundet Themen wie Spannung und Auslassungen und endet bei Erinnerung und Zeit. Gezeigt werden Ausschnitte aus Filmen von Alice Guy-Blaché, Edith Calmar und Larisa Shepitko über Samira Makhmalbaf bis zu Jennifer Kent und Joanna FilmübersichtHogg.unter: womenmakefilm.net
schnitten aus Filmen von
findet Mark
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COCO / USA 2017 105 Min / Farbe / Digital HD / D // REGIE Lee Unkrich, Adrian Molina // DREHBUCH Adrian Molina, Matthew Aldrich // KAMERA Matt Aspbury, Danielle Feinberg // MUSIK Michael Giacchino // SCHNITT Steve Bloom, Lee Unkrich // MIT DEN DEUTSCHEN
STIMMEN VON Pablo Ribet-Buse (Miguel), Heino Ferch (Ernesto del a Cruz), Karlo Hackenberger (Héctor), Luise Lunow (Mamá Coco), Ulrike Lau (Abuelita), Patrick Winczewski (Papá), Dina Kürten (Mamá).
Filmpodium für Kinder COCO
ImKinderfilm-WorkshopAnschlussandiebeiden
Altersfreigabe: Zutritt ab 6, empfohlen ab 8 Jahren (Begleitung durch Erwachsene generell empfohlen).
In Mexiko feiert man statt Halloween den «Día de los muertos», den Tag der Toten. Dabei wird in bunten und fröhlichen Feiern der Verstorbenen gedacht. Und während dieses Fests passiert dem zwölfjährigen Miguel etwas Wunderbares. Miguel wünscht sich nichts sehnlicher, als Musiker zu werden. Aber seit sein Ururgrossvater mit der Gitarre losgezogen und nie mehr zurückgekehrt ist, ist Musik in seiner Familie tabu. Als Miguel durch ein Missgeschick in das Reich der Toten gelangt, begegnet er seinem Idol Ernesto de la Cruz, der einst die Menschen mit seinen Liedern verzaubert hat. Ist er vielleicht der ver schwundene Ururgrossvater? Und kann er ihm helfen, seinen Traum zu ver wirklichen? (pm)
Vorstellungen am 29. Oktober und am 5. November bieten wir unter der Leitung der Filmwissen schaftlerin Julia Breddermann einen Film-Workshop an (ca. 30 Min., gratis, keine Voranmeldung nötig). Die Kinder erleben eine Entdeckungsreise durch die Welt der Filmsprache und werden an einzelne Szenen und Themen des Films herangeführt.
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Nachdem er das Werk Douglas Sirks für sich entdeckt hatte, schuf Rainer Werner Fassbinder eine eigene Reihe von sozialkri tischen Melodramen. Dazu gehört auch Faustrecht der Freiheit (1975).
SÉLECTION LUMIÈRE DI, 25. OKT. | 20.45 UHR FAUSTRECHT DER FREIHEIT DI, 8. NOV. | 18.15 UHR
Für eine ‹Politik der Darstellungsformen› erweist sich das Melodram als progressiv, weil es drei normalerweise isolierte Sphä ren kurzschliesst: die soziale Sphäre der Mittelschichten, die räumliche Sphäre des Privaten in der Kleinstadtgesellschaft und die emotionale Sphäre der Familie. Mit an deren Worten: Das Melodram stellt implizit die konventionelle, für die bürgerliche Ide ologie seit der Aufklärung zentrale Tren nung des Privaten und des Öffentlichen in Frage. Allerdings: So radikal es gewesen sein mag, nach Sirk’scher Hollywood-Ma nier die repressiven Effekte von Klasse, Pa triarchat und Ökonomie auf die westdeut sche Familie präzise zu beschreiben, so sorgte Fassbinders Modell eines politi schen Melodrams auch für Feinde auf der Seite der Linken. Filme wie Faustrecht der Freiheit (...) legten den Gedanken nahe, es gäbe zwischen linksradikalen Überzeu gungen und kapitalistischer Politik keine sonderlich grossen Unterschiede, wenn man, wie Fassbinder es tat, emotionale Ausbeutung mit ökonomischer Ausbeutung gleichsetzt. Aber gerade seine Einschät zung, dass die Politik der Sexualität wahr scheinlich eher den Schlüssel zum Klas senkampf darstellt als umgekehrt, sollte sich in der Folge als scharfsinnig und pro phetisch herausstellen.» (Thomas Elsaes ser: Rainer Werner Fassbinder, Bertz 2001) ✶ Dienstag, 8. November, 18.15 Uhr: Einführung von Martin Walder
FAUSTRECHT DER FREIHEIT / BRD 1975 123 Min / Farbe / DCP / D/e // DREHBUCH UND REGIE Rainer Werner Fassbinder // KAMERA Michael Ballhaus // MUSIK Peer Raben // SCHNITT Thea Eymèsz // MIT Rainer Werner Fassbinder (Franz Biberkopf), Peter Chatel (Eugen), Karl heinz Böhm (Max), Rudolf Lenz (Rechtsanwalt), Karl Scheydt (Klaus), Hans Zander (Springer), Kurt Raab (Wodka-Peter), Christiane Maybach (Hedwig, die Schwester), Adrian Hoven (Eugens Vater), Ulla Jacobsen (Eugens Mutter), Irm Hermann (Madame Chérie), Ingrid Caven (Sängerin).
Lehre, die Fassbinders Melo dramen aus dem Klassizismus Sirks zogen, bestand darin, Fragen der Identität und Subjektivität mit Klasse, Geld und Status so zu verknüpfen, dass sie sich nicht im ödipa len Drama des Patriarchats erschöpften.
Der arbeitslose Franz gewinnt im Lotto und wird von der Münchner Schwulen-Schicke ria aufgenommen. Er verliebt sich in den smarten Eugen, merkt aber nicht, wie die ser Herrensohn ihn zugleich verachtet und ausbeutet.«Die(...)
WISSENSCHAFTLICHE MITARBEIT Tanja Hanhart (th), Primo Mazzoni (pm), Flurina Gutmann
Jean-Louis Trintignant Elegant, cool und smart – Intellektueller und introvertiertes Sexsymbol zugleich. Ein Mann mit klarer politischer Haltung und Freude an schnellen Autos. Jean-Louis Trintignant (1930–2022) war einer der gröss ten französischen Stars seiner Generation und ein Charakterdarsteller, der mit seinem feinen, ambivalenten Spiel jeden Film prägte. An der Seite von Brigitte Bardot, Romy Schneider und Fanny Ardant stieg er auf in die höchste Liga des europäischen Au torenfilms und arbeitete mit Regiegrössen wie Bernardo Bertolucci, Costa-Gavras, Krzysztof Kieslowski oder Michael Haneke.
45 VORSCHAUIMPRESSUMNOVEMBER/DEZEMBER
DAS FILMPODIUM IST EIN ANGEBOT DES PRÄSIDIALDEPARTEMENTS in Zusammenarbeit mit der Cinémathèque suisse, Lausanne/Zürich
DATABASE PUBLISHING BITBEE Solutions AG, Zürich // KONZEPTIONELLE BERATUNG Esther Schmid, Zürich
Das Filmpodium verabschiedet ihn mit einer Retrospektive.
LEITUNG Nicole Reinhard (nr), STV. LEITUNG Michel Bodmer (mb)
WWW.FILMPODIUM.CH // E-MAIL info@filmpodium.ch // KINO Nüschelerstr. 11, 8001 Zürich, Tel. 044 415 33 66
GESTALTUNG TBS, Zürich // KORREKTORAT Nina Haueter, Daliah Kohn // DRUCK Ropress, Zürich // AUFLAGE 5000 ABONNEMENTE & VERGÜNSTIGUNGEN Filmpodium-Generalabonnement : CHF 400.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // Filmpodium-Halbtaxabonnement: CHF 80.– (halber Eintrittspreis bei allen Vorstellungen; inkl. Abo Programmheft) // alle unter 25 Jahre & Kulturlegi: CHF 9.– // Programm-Pass: CHF 60.– (freier Eintritt zu allen Vorstellungen einer Programmperiode) // Abonnement Programmheft: CHF 20.– // Anmeldung an der Kinokasse, über www.filmpodium.ch oder Tel. 044 412 31 28 6th Arab Film Festival Zurich Vom 17.–27.11. zeigt das 6th Arab Film Fes tival Zurich 47 Lang- und Kurzfilme aus ara bischen Ländern, fast alle als Schweizer Premiere oder Erstaufführung im deutsch sprachigen Raum. Die Filme handeln von Musikerinnen, Arbeiterinnen und Gewicht heberinnen, von Kinobetreibern und Kriegs opfern, von Familienstreit und PandemiePsychose, von Selbstverwirklichung und fataler Verzweiflung, von unauslöschlichen Feindbildern und der Überwindung von Vor urteilen. Wieder gibt es einen LangfilmWettbewerb, bei dem zwei Preise verliehen werden. Schwerpunkte gelten den Filmlän dern Libanon und Jordanien, und zahlreiche arabische Filmschaffende sind zu Gast.
PRAKTIKUM Léon Huesler // SEKRETARIAT Claudia Brändle BÜRO Postfach, 8022 Zürich, Telefon 044 412 31 28, Fax 044 412 31 25
UNSER DANK FÜR DAS ZUSTANDEKOMMEN DIESES PROGRAMMS GILT: Academy Film Archive, Beverly Hills; American Genre Film Archive, Austin; Ariane Film, Zürich; Ruth Beckermann Filmproduktion, Wien; British Film Institute, London; Filipa César; Dogwoof Global, London; Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin; Fernsehjuwelen GmbH, Walluf; Filmbringer Distribution, Bern; Frenetic Films, Zürich; Koch Media, Planegg; Light Cone, Paris; Lobster Films, Paris; LUX, London; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden; Österreichisches Filmmuseum, Wien; Park Circus, Glasgow; Pic-film SA, Manno; Praesens-Film, Zürich; Shout! Factory, Los Angeles; Sixpackfilm, Wien; Tiberius Film GmbH & Co. KG, München; UCLA Film & Television Archive, Santa Clarita; Universal Pictures International, Zürich; Warner Bros. UK, London; Xenix Film distribution, Zürich.
Fürs Home Cinema empfehlen wir filmingo.ch oder unseren DVD-Shop auf trigon-film.org BURNINGDAYS EMİN ALPER | TÜRKEI «Ein fesselnder Politthriller, der die unmittelbaren Gefahren von Machismo und Populismus freilegt.» SCREEN INTERNATIONAL SELAHATTİN PAŞALI | EKİN KOÇ OKTOBERIMIMKINO